31. Juli 2018

'Zwei mal Herz ist gleich eins' von Karina Förster

Kindle (unlimited) | Tolino | Taschenbuch
Beruflich winkt Amelie eine Versetzung nach München. Doch sie hat längst bemerkt, dass sie keine Erfüllung in ihrem Beruf findet. Auch ihr Ex-Freund nervt mit Anrufen. Kurzerhand entflieht sie ihrem alten Leben und stürzt sich in ein Abenteuer. Sie arbeitet und wohnt für zwei Monate auf Probe in einer Staudengärtnerei.

Ihr neuer Vorgesetzter und Mitinhaber der Gärtnerei ist scheinbar weder von ihren Qualifikationen, noch von ihrem Charakter überzeugt. Er stellt sie auf eine harte Geduldsprobe, während Amelie sich recht schnell in die Herzen der anderen Bauernhofbewohner vorarbeitet.

Sie ahnt, dass hinter seiner Haltung mehr als Ablehnung steckt.

Leseprobe:
Ich schließe die Wohnungstür auf und lehne mich von innen dagegen. Innerlich sacke ich zusammen. Zu Hause. Mein gemütliches Heim ist ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, die aus einem frustrierten, depressiven Scheidungsopfer, einem Weltenbummler und mir besteht.
Als Erstes streife ich mir die schwarzen Lackpumps von meinen schmerzenden Füßen. Krachend landen sie in der Schuhecke. Wie wohltuend es ist, diese Schuhe abzustreifen und die zwei Fußsohlen auf dem kühlen Parkett zu spüren. Ich strecke und recke die Zehen, lockere beide Füße, damit sie schneller begreifen, dass sie nicht mehr in ihrem unbequemen Gefängnis eingesperrt sind. Zögernd kommt wieder Leben in meine Zehen. Die Fußbekleidung, die ich auf Arbeit trage, nervt mich.
Längst habe ich begriffen, dass mein Problem nicht nur auf meine Schuhe allein begrenzt ist. Zurzeit nervt mich vieles auf meinem Lebensweg. Die Schuhe sind Sinnbild dafür. Ich bin einmal falsch in meinem Leben abgebogen und seitdem werden meine Füße dort hineingezwängt. Sie sind die Letzten, die etwas hierfür können.
Nervgrund eins: Mein Gemütliches zu Hause ist ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft, mit dreißig eine miserable Karriere.
Nervgrund zwei: Mein Arbeitgeber hat mich für eine Versetzung nach München vorgeschlagen, die mir mehr Kopfzerbrechen bereitet, als mein Umfeld sich ausmalt. Wenn ich nach Hause komme, platzt mir mein Schädel vor lauter Grübelei. Sicher wäre die Versetzung auf meinem beruflichen Lebenslauf grandios anzusehen. Im Geldbeutel würde etwas hängen bleiben, aber meine Familie wohnt hier. Ich bin nicht einmal angetan von dieser Arbeit, die ich tagein tagaus bewältige. In Kürze steht eine Entscheidung an.
Immer öfter stelle ich mir die Frage, was ich von meinem Leben erwarte. Ich lebe mein Leben falsch und das spüre ich am deutlichsten, wenn ich nach Hause komme. Niemand wartet auf mich, außer die Dusche und mein Bett … bald in einer Stadt, in der ich keine Menschenseele kenne, Meilen von meiner Familie entfernt.
Und das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr. Wie öde!
Abgespannt schleppe ich mich in das Bad und entkleide ich mich. Ich brauche eine erfrischende Dusche. Das warme Wasser rinnt hinab und spült die unsichtbare Hülle ab, die ich mir im Laufe des Tages zugelegt habe. Hier zu Hause brauche ich sie nicht und bei dieser Gepflogenheit werde ich wieder halbwegs zu der, die ich bin. Jedes Mal denke ich, wie begrüßenswert es doch wäre, wenn ein solches Ritual unnötig sein würde. Stattdessen ist die Dusche zur Hüllenabwaschzentrale verkommen.
Ich drehe den Wasserhahn auf kalt, halte meinen pochenden Kopf unter den erfrischenden Strahl, bis die Wirkung soweit gesteigert ist, dass der Schmerz im Schädel überlagert wird. Erst dann drehe ich den Wasserhahn zu, bleibe aber unter dem Brausekopf und lehne meinen Kopf gegen den kühlen Hahn.
Aus der Dusche kommend, wickele ich mich in mein Badehandtuch ein und trete vor den Spiegel, wo mich eine junge Frau mit geröteten Augen müde ansieht. Wenn ich ohne Kopfschmerzen bin und nicht wie heute verweinte Augen habe, dann kommt meine Irisfarbe zur Geltung. Sie ist grünbraun, hat überwiegend Grünanteile, die beim Betrachter entweder Behagen oder Unbehagen auslösen. Mein braunes, leicht gelocktes Haar klebt mir am Kopf und das kalte Wasser rinnt in dünnen Fäden zum weißen Handtuch hinab, das mich umhüllt. So angetan bin ich nicht von mir und wende mich angewidert ab.
Behäbig gehend komme ich in der Küche an und fülle Wasser in den Wasserkocher.
Ich nehme mir einen Keks, den meine Mutter bei ihrem letzten Besuch für uns gebacken und in eine Dose aus Blech gelegt hat. Es sind meine Lieblingskekse und ich erinnere mich, wie ich meiner Mutter beim Backen zugeschaut habe.

Sie stand am Tisch, die grüne Leinenschürze um ihre untersetzte Hüfte geschlungen. Ein Lächeln umspielte ihre reizvoll geformten Lippen. Von ihr habe ich meine Augenform, die an einem großen Bonbon erinnert. Ihr Blick war offen und fröhlich, was zu ihren Mundwinkeln passte, denn die sind vom Lächeln nach oben gebogen. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden. Er hing über ihre linke Schulter. Ich sehe ihr in hohem Maße ähnlich und weiß, wie ich einmal in ihrem Alter aussehen werde. Leicht untersetzt, glatte Haut und graue Strähnchen, die nicht nur allein für ein erfahrenes Leben stehen. Werde ich gleichermaßen so glücklich und zufrieden strahlen, wie sie?
Dass was sie erledigt, macht sie immer mit Hingabe. Jetzt in diesen Minuten Kekse backen. Bei mir sein. Ich betrachtete sie lange, denn ich hatte erst kürzlich die Scherben meiner zweiten Beziehung zusammengefegt.
Kurzerhand erkundigte ich mich bei ihr: "Was mache ich falsch?"
Mitten im Kneten hält sie inne, sieht mich mit ihren bildhübschen, klaren Augen an. Ihre Iris leuchtet im Licht des Fensters und lässt sie so immens fesselnd aussehen.
"Aber Liebes! Du machst nichts falsch. Benno war falsch."
Sie kam zu mir um den Tisch, schloss mich in ihre Arme und hielt mich.
"Ich hatte Glück."
"Ich will auch mal Glück haben!", heulte ich los, dabei mochte ich nicht weinen. Ich kam mir wie eine Versagerin vor, die ein ödes, trostloses Leben im Hamsterrad lebt und von ihrem Arbeitgeber nach Belieben in die Fremde versetzt wird.
"Das wirst du", tröstete sie mich und küsste meine Wange. "Wenn du weißt, was du willst, wirst du das eines Tages. Höre in der Zwischenzeit auf dein Herz, dann findest du, was du dir wünschst. Solange genießt du meine Kekse, hm?"
Ich begann unter Tränen zu lachen und meine Mutter freute sich, dass sie für mich die Kurve geschafft hatte. Sie hat diese liebevolle Art mich aufzumuntern, wenn ich es nötig habe. Dazu braucht sie nicht einmal etwas Tiefschürfendes sagen. Ihre schlichten, kurzen Sätze treffen immer in das Schwarze und beruhigen mich.
Sie tänzelte wieder zu dem Teig und knetete ihn summend weiter. Nach einer Weile waren alle Bleche belegt und ich schob das Erste summend zu meinem Lieblingslied in den vorgeheizten Backofen.

Einer dieser Kekse zerkrümelt in meinem Mund und ich nehme mir vor meine Mutter nachher mal anzurufen. Der Wasserkocher klickt und holt mich aus den Erinnerungen. Abwesend übergieße ich den Teebeutel.
In meinem Zimmer gehe ich zum Schreibtisch, auf dem der Laptop steht. Ich fahre ihn hoch und öffne eine Suchmaschine. Portale für Stellenangebote gibt es viele und ich gebe, wie jeden Abend, verschiedene Suchbegriffe ein. Die interessantesten Angebote speichere ich mir ab und öffne das Verzeichnis mit den abgespeicherten Anzeigen. Heute werde ich mal zur Abwechslung ernstlich bei irgendeiner Stelle anrufen.
Mein Handy klingelt und ich lehne mich in den Stuhl zurück. Mit meiner Teetasse in der Hand sehe ich nach, wer mich anruft.
Es ist Benno.
Nervgrund drei. Ich trinke einen großen Schluck, denn ich habe keine Eile seinen Anruf entgegenzunehmen.
"Benno?", melde ich mich unhöflich und kurz angebunden.
"Amelie, grüß dich!", trällert er überfreundlich und ich stelle mir vor, wie er auf Schleim ausrutscht. Seine scheinbar erfreuliche Laune geht mir auf den Zeiger.
"Was gibt es?", will ich in noch unfreundlicher wissen.
"Wollte fragen, wie es dir geht", antwortet er in dieser Sekunde vorsichtig und unterwürfig. Wir waren lange genug zusammen, damit er einschätzen kann, wie ich in schlechter Stimmung spreche. Vor Wochen hätte ich mich womöglich gefreut, ihn zu hören und die Hoffnung gehabt, dass er zu mir zurückkehrt. Mitgenommen vor Liebeskummer hätte ich alles getan, um besagtes Gefühl loszuwerden. Wie blöd! Erfreulich, dass ich über diese Stufe der Selbsterniedrigung weg bin.
"Mir geht’s beschissen, ich brauche einen neuen Job und einmal guten Sex für meine Hormone", blöke ich in das Handy. Womöglich begehrt er Letzteres selbst und denkt, ich meine ihn damit. Benno schluckt.
"Noch was?", frage ich bissig.
"Du bist gereizt", stellt er fest und tönt enttäuscht. Dachte er, dass ich vor Freude platze, wenn er sich plötzlich wieder täglich bei mir meldet?
"Na klar bin ich gereizt. Bei blöden Fragen reagiere ich gereizt."
"Na ja, beim Sex könnte ich dir behilflich sein. Dann steigt deine Laune vielleicht."
Wusste ich es doch! Ich könnte mich echt übergeben. Er ist so ein hormongesteuerter Trottel.
"Das Letzte, was ich will, ist Sex mit einem, dem ich vor Wochen noch so schnurz war, wie eine Frau dem Pontifex. Außerdem: Wenn du so unbedingt Sex mit mir machen willst, versteh ich nicht, warum du dann zu seiner Ex zurückgelaufen bist? Ne, lass mal gut sein Benno. Da würde meine Laune eher sinken bei!"
Eine kleine Pause entsteht, denn ich will, dass er auflegt, weil er begriffen hat, dass ich mich nicht über seinen Anruf freue und ihn nicht in meinem Bett haben will.
"Hattest du Stress auf Arbeit oder ist es nur der fehlende Sex?"
Ich überlege, wie ich diesen Mann durch das Telefon gezogen bekomme. Nein, besser nicht, denn er schnallt nicht, was er mir für Schmerzen bereitet hat weder, dass er mir gestohlen bleiben kann. So was von unsensibel! Und dass ich nicht nach München umziehen will, brauche ich ihm erst recht nicht anzuvertrauen.
"Der Grund meiner Gereiztheit geht dich einen Scheiß an. Mein weiteres Leben geht dich einen Scheiß an, seitdem …", ich beiße mir auf meine Lippen, denn ich will nicht mit ihm über meine verletzten Gefühle plaudern. Ganz gewiss nicht mit ihm.
"Ich höre", sagt Benno geboten bedacht und wartet auf weitere Informationen von mir.
"Lass mich einfach in Ruhe! Ich bin müde, gestresst. Ich versuche mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Ohne dich. Höre auf, mich anzurufen!"
"Lass mich dir helfen."
"Ich will, dass du mich in Ruhe lässt! Wenn ich klar denken kann, kann ich vielleicht wie eine Erwachsene mit dir reden. Im Moment bin ich unfähig dazu, weil mein letzter Freund ein echtes Arschloch war."
"Machst du etwa mit Bernd, diesem Versager rum?", fragt er jetzt gereizt und atmet schnell. Bernd ist mein Mitbewohner, mit dem ich vor ihm eine Affäre hatte und den ich menschlich schätze. Ich ziehe eine Grimasse, denn ich verstehe nicht, was es Benno angeht und warum er plötzlich eifersüchtig wird. "Und wenn ich mit dem Innenminister von Japan rummache. Was willst du von mir? Was interessiert es dich? Du nervst mich!"
"Aber ich liebe dich."
"Lüge!", schreie ich währenddessen. "Lass mich in Ruhe!"
"Es tut mir leid", sagt Benno. Ich höre es, fühle aber nur die Leere in meinem Herzen. Weil ich nicht antworte, spricht Benno leise weiter: "Ich war ein Hornochse."
Wo kann ich das unterschreiben, denke ich und rolle mit den Augen. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sage ich nichts und nach einem Seufzer von ihm höre ich: "Gute Nacht, Amelie."
Ich beende das Gespräch, ohne ihm zu antworten. Wir waren ein halbes Jahr zusammen und ich begann mit jedem Monat ernsthafter an mehr zu denken.
Aber er nicht und so ging er, für mich überraschend. Zu seiner Ex.
Jetzt ruft er mich täglich an und fragt, wie es mir geht. Offensichtlich will er wieder zurück. Ich habe viele schlaflose Nächte gebraucht, um über ihn wegzukommen. Bis jetzt habe ich versucht, meine Gefühle zu sortieren. Mein Herz ist für ihn erkaltet. Ich vermag mit niemand Seite an Seite zu sein, der mein Vertrauen derart mit Füßen tritt. Egal wie vorsichtig er an meine Tür klopft. Ich kann Untreue unmöglich verzeihen.

Im Kindle-Shop: Zwei mal Herz ist gleich eins: Liebesroman.
Für Tolino: Buch bei Thalia.



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30. Juli 2018

'Düstere Rache: Ein Rhein-Main-Krimi' von Sandra Hausser

Kindle Edition | Tolino | Taschenbuch
Der persönlichste Fall für Hannah Bindhoffer

Kommissarin Hannah Bindhoffer hat sich eingelebt im Rüsselsheimer Polizeipräsidium. Die schwierige Zeit bei der Hamburger Polizei hat sie fast vergessen. Doch dann findet sie in ihrem Auto eine tickende Zeitbombe. Nur dank der Hilfe ihres Kollegen entgeht sie mit knapper Not dem Tod. Aber die Gefahr ist noch nicht gebannt. Jemand scheint es auf Hannah abgesehen zu haben. Um den Fall zu lösen, muss sie tief in ihre eigene Vergangenheit eintauchen.

Leseprobe:
22. Juni 2016, Auf der Autobahn
Alle Welt schien ausgeflogen. Die Sommerferien, die sich seit einer Woche in vielen Bundesländern überschnitten, sorgten für leergefegte Straßen. Nur vereinzelt begegneten Hannah Bindhoffer auf ihrem Heimweg andere Fahrzeuge, und sie kam rascher als erwartet voran.
Die halbe Nation ist in den Flieger Richtung Süden gestiegen oder per Auto am Urlaubsort angelangt. So leer habe ich es hier noch nie erlebt. Gleich kommt schon die Abfahrt Reiskirchen.
Die Kommissarin hatte einige Tage Urlaub in der Heimatstadt Hamburg gemacht und dort ihre Eltern und ein paar Freunde besucht. Jetzt freute sie sich, zurück in ihren Wirkungskreis, das Rhein-Main-Gebiet, zu kommen. Ihren Entschluss, die Versetzung aus der Hansestadt zu bewirken, um alten Problemen aus dem Weg zu gehen und neue Tätigkeitsfelder zu erkunden, bereute sie keine Sekunde. Nach fast vier Jahren im Dienst der Kripo Rüsselsheim waren ihr die Kollegen ans Herz gewachsen. Ein funktionierendes Team, das sich gegenseitig respektierte und half und hervorragend zusammenarbeitete. Eine Arbeitsweise, die sie aus ihrem früheren Alltag nicht kannte – in Hamburg hatte ein Arbeitskollege die Abteilung terrorisiert und damit eine gute Zusammenarbeit unmöglich gemacht.
Im Radio liefen die achtzehn Uhr Nachrichten. Die Kommissarin lauschte konzentriert den Meldungen, als ihr ein fröhliches Pfeifen auffiel. Zwischen den Worten des Sprechers war es eindeutig zu vernehmen. Es klang absolut unpassend und störend. Erstaunt hörte sie genauer hin und nahm es erneut deutlich wahr. Sie schüttelte den Kopf.
Als sie das heitere Geräusch ein drittes Mal hörte, drehte sie das Radio leise. Nach einigen Sekunden ertönte es wieder, nun vernehmlicher und laut. Eine Gänsehaut breitete sich über ihre Arme auf dem gesamten Körper aus. Das Pfeifen kam keineswegs aus dem Autoradio.
Jemand muss mein Auto aufgebrochen und etwas im Handschuhfach deponiert haben, dachte sie ängstlich, als das Pfeifgeräusch verstummte. Mit klopfendem Herzen hielt sie nach einem Hinweisschild für eine Raststätte oder einen Parkplatz Ausschau. Acht Kilometer bis zum nächstliegenden Rastplatz. Sie drehte den Ton des Radios auf, um sich von dem beklemmenden Gefühl in ihrem Inneren abzulenken. Mit dem Fuß auf dem Gaspedal, das sie tief hinunterdrückte, schoss sie auf der linken Fahrspur vorwärts. Dabei entging ihr der Wagen, der seit mehreren Minuten dicht hinter ihr fuhr.
Das fröhliche Pfeifen erklang erneut. Die Kommissarin hielt das Lenkrad fest umklammert und begann zu schwitzen. Der Rasthof lag noch immer mindestens drei Kilometer entfernt. Im Geiste sah sie ihr Auto bereits explodieren und konnte sich kaum mehr auf die Fahrbahn konzentrieren.
Es ist der Klingelton eines alten Handys, identifizierte sie das Geräusch. Ja, Vaddern hatte früher genau diesen Ton. Aber wer sollte mir heimlich ein Telefon ins Auto legen und warum? Das ergibt keinen Sinn!
Die Kommissarin atmete bewusst einige Male tief ein und versuchte, ihre Angst, die stetig zunahm, in den Griff zu bekommen.
Der dunkelblaue SUV beschleunigte und fuhr bedrohlich dicht auf. Hannah, die nervös die letzten Meter zum Rastplatz zurücklegte, um dem Geräusch auf den Grund gehen zu können, blickte starr geradeaus. Der pfeifende Klingelton verstummte und die Kommissarin atmete erleichtert aus. Erst als das Auto hinter ihr so nah auffuhr, dass sie es im Rückspiegel nicht mehr übersehen konnte, nahm sie die drohende Gefahr wahr. »Was soll das denn, verdammt noch mal?«, rief sie empört, setzte den Blinker und zog auf die Mittelspur. »Dann fahr doch vorbei, du Arsch!«

22. Juni 2016, Heinrich-Heine-Straße, Raunheim
Susi benötigte drei Versuche, bis der Schlüssel das Tor zum Garten öffnete. Zielstrebig lief sie zum Schuppen, zog die knarzende Holztür auf und ging hinein. Sie blickte auf ein buntes Sammelsurium aus Gartenschläuchen, Blumenkästen, Gartengeräten, Kübeln und Pflanzenschutzmitteln. Wo hatte ihr die Freundin gesagt, standen die Gießkannen? Sie trat näher ans Regal, konnte jedoch keine Kanne entdecken. Sie vermutete, dass Lydia vergessen hatte, alles parat zu stellen. Als sie gestern kurz vor ihrer Abreise in den Urlaub angerufen hatte, um sich zu verabschieden, hatte Susi sofort gemerkt, dass die Freundin ihrem Zeitplan hinterherlief.
»Du kennst mich doch. Mache mal wieder alles auf den letzten Drücker, und nun weiß ich kaum, wie ich es schaffen soll rechtzeitig fertig zu werden.«
»Sei unbesorgt, ich finde sicher, was ich brauche. Sieh zu, dass du deinen Koffer gepackt bekommst und die notwendigen Dokumente mitnimmst«, hatte Susi geantwortet und ihr eine spannende und erholsame Reise gewünscht.
Die Freundin schien sie beim Wort genommen und darauf vertraut zu haben, dass Susi zusammensuchen würde, was sie für die Betreuung der Wohnung und des Gartens brauchte.
Schulterzuckend begab sie sich zur Eingangstür, schloss auf und ging hinein.
Auch in der Küche fand sie weder eine Gießkanne, noch ein anderes Küchenutensil, dass sie zur Bewässerung der zahlreichen Topfpflanzen hätte umfunktionieren können. Sie lief zur Terrassentür und trat ins Freie. Doch hier entdeckte sie ebenfalls nichts Geeignetes.

Im Kindle-Shop: Düstere Rache: Ein Rhein-Main-Krimi.
Für Tolino: Buch bei Thalia
Mehr über und von Sandra Hausser auf ihrer Website.

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26. Juli 2018

'Die Macht der Gier: Ein Ostfrieslandkrimi' von Harald H. Risius

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Als ihr Boot mit einem abrupten Ruck stecken bleibt, sind Thea und Linus, zwei Nachwuchssegler des ›Yachtclubs Großes Meer‹ zu Tode erschrocken. Schnell bestätigt sich ihre Befürchtung, es ist eine Leiche, die ihre rasante Fahrt unterbrochen hat.

Wer ist der Tote, der da vollkommen nackt geborgen wird? Niemand kennt ihn! Nicht nur die Aufklärung des Mordes fordert HK Brunner und sein Team heraus, auch ein herrenloser Hund, der auffällig oft in der Nähe des Fundorts herumstreunt, nimmt ihre Aufmerksamkeit voll in Anspruch. Ist es ein Zeuge, der nicht reden kann?

Als kurz darauf eine weitere Leiche im benachbarten Moor gefunden wird, bekommen die Ermittlungen eine neue Richtung. Die Spuren laufen in der ›Kurklinik Eversmeer‹ zusammen. Zufällig zählt auch Hinni Boomgarden dort zu den Gästen. Ihm kommen die Morde ganz gelegen, er ermittelt auf eigene Faust und gibt seinen Aufenthalt als Undercover-Einsatz aus.

Ist eine eigentlich längst vergessene Sache der Schlüssel? Unerfüllte Liebe, Gier nach Macht und Geld, sowie internationale Drogengeschäfte sind das Dickicht der Indizien.

Risius nimmt im 10. Band der Reihe Sail&Crime seine Leser wieder mit in das Herz Ostfrieslands, zeigt ihnen eindrucksvoll die wunderschöne Landschaft und bringt Ihnen die Mentalität der markigen Bewohnern näher. Immer wieder überrascht der Fall mit neuen und überraschenden Wendungen. Es bleibt spannend bis zum Schluss - denn plötzlich ist alles ganz anders.

Leseprobe:
[...]
Plötzlich entdecken Linus und Thea Brunner. Sie kommen an den Tisch. »Du bist der Papa von Georg, oder?«, fragt Linus. »Ist der auch da?«
Thea macht ein nachdenkliches Gesicht. »Du bist doch auch bei der Mordkommission? Ich habe es ja gleich gesagt, da ist eine Leiche. Hab ich doch gesagt Linus, oder? Wer hat mal wieder Recht behalten?«
Sie schaut über das Wasser. »Guck mal, jetzt wird sie gerade in das Schlauchboot gehoben.«
»Ja«, bestätigt Linus und sagt in aller Offenheit: »Susi hat gelogen.«
»Nein, sie hat nicht gelogen, ich würde dir auch nicht erzählen, wenn dort eine Leiche läge. Du tratscht das ja doch nur herum.«
Zu Glück ziehen die beiden Jugendlichen ab, ohne weitere Fragen zu stellen. Wahrscheinlich haben sie erkannt, dass von Erwachsnen keine vernünftigen und verlässliche Auskünfte zu bekommen sind.
Susi schüttelt irritiert den Kopf. So offen der Lüge bezichtigt zu werden, das passiert ihr selten. Aber interessant, dass Thea ihre Beweggründe sofort erkannt hat.
Es spricht sich schnell herum, dass in diesem Moment eine Leiche aus dem Großen Meer geborgen wird. Linus und Thea kommen sich wie Helden vor, denn sie haben sie entdeckt.
Man kann sehen, wie das Sicherungsboot Fahrt aufnimmt und in den Hafen zurückfährt. Einige Zuschauer – Clubmitglieder, die schlecht vom Vereinsgelände gewiesen werden können - bewegen sich auf die Stelle zu, an der das Boot vermutlich anlegen wird.
Brunner steht auf, er drängt die Leute zur Seite. »Bleiben Sie zurück, es gibt hier nichts zu sehen«, behauptet er.
Karl unterstützt ihn, zum Glück sind es nur wenige Menschen, so dass der nötige Abstand gewahrt werden kann.
Ein erster Reporter, der sich auf das Gelände geschmuggelt hat, macht auf sich aufmerksam.
»Heimatkurier! Herr Brunner, Moin, können sie bestätigen, dass dort eine Leiche geborgen wird?«
»Nein, bis jetzt nicht. Warten Sie einfach die Mitteilungen der Polizei ab.«
Karl hakt ein. »Dies ist ein Yacht-Club, hier haben nur ordentliche Mitglieder Zutritt. Bitte verlassen Sie sofort das Gelände. Sonst lasse ich Sie wegen Hausfriedensbruch festnehmen. Die Polizei ist ja schon da.«
Der Mann geht zwar für einen Moment in Richtung Ausgang, Karl kann aber nicht erkennen, ob er das Gelände auch wirklich verlässt.
Das Boot legt am Steg an, Susi nimmt die vordere Festmacherleine und belegt sie um einen der Poller. Volker springt an Land, um die hintere Leine zu belegen. Die beiden anderen Techniker in dem Boot heben mit Hilfe von Susi und Volker einen langen Gummisack auf die Bretter des Stegs und steigen ebenfalls aus. Alle vier greifen den Sack.
»Wohin?«, fragt der Vordere und Susi zeigt über den Rasen, in die Richtung des Bootsschuppens.
»Dort hinein. Karl macht bereits die Türen auf.«
Welche Last sie dorthin schleppen, kann nur erahnt werden, der Gummisack ist mit einem Reißverschluss verschlossen. Aber was soll sich darin schon befinden?
Der Reporter hat die Aktion etwas zu spät mitbekommen, er hetzt hinterher und versucht einige Aufnahmen zu machen.
Karl öffnet die Tür des Schuppens und verschließt sie sofort wieder, nachdem Susi und die Techniker darin verschwunden sind.

Nach ein paar Minuten kommt Susi wieder heraus und sucht Brunner.
Der Lokalreporter hat sie sofort entdeckt, sie kennen sich von früheren Fällen. »Susi, was kannst du mir sagen? Ich habe gesehen, dass ihr eine Leiche geborgen habt. Wer ist es? Wie lange liegt sie schon dort, wer hat sie gefunden?«
»Hau ab, Henrik«, sagt Susi unwirsch. »Du erwischt mich auf dem falschen Fuß. Wenn wir das selber wüssten ... Du bekommst deine Informationen, wenn es so weit ist.«
Linus und Thea haben den Reporter mit Susi entdeckt, die Kamera und das Diktiergerät weisen ihn als solchen aus.
»Wir haben die Leiche gefunden«, rufen beide aufgeregt und stellen sich wichtig vor dem Reporter auf.
Der Reporter spürt, dass bei Susi im Moment keine Informationen zu holen sind, er wendet sich deshalb lieber den beiden Jugendlichen zu. »So, ihr wart das? Wie heißt ihr denn?“
„Ich bin Thea, das ist Linus.“
„Okay. Wollen wir einen Moment zur Eisbude drüben am Campingplatz gehen? Dort erzählt ihr mir alles. Darf ich zunächst ein Foto von euch machen? Hier am Wasser. Habt ihr ein Boot?«
Susi lässt sie gewähren. Sollen die beiden doch für ein paar Stunden berühmt werden, viel schaden kann es nicht und Hendrik ist abgelenkt. Ihre Aufgaben sind dringlicher. Sie muss sich einen ersten Überblick verschaffen, dann muss die Leiche schnellstens in die Gerichtsmedizin. Wo bleibt nur Frau Doktor Poppinga?

Im Kindle-Shop: Die Macht der Gier: Ein Ostfrieslandkrimi (Sail & Crime 10).
Mehr über und von Harald H. Risius auf seiner Website.

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25. Juli 2018

'Die Tochter des Pianisten' von Lilian Kim

Kindle Edition | Tolino
Eine Geschichte über Menschlichkeit, Überwindung von Grenzen und dem Sieg einer außergewöhnlichen Liebe.

Japan 1987
Yasuko, eine junge Musikerin, wird mit ihrem Mann Jake von einem einsamen Strand entführt. Sie finden sich im Bauch eines Schiffes wieder, das sie an einen Ort bringt, der völlig von der Außenwelt abgeschottet ist und wo Recht und Gesetz nicht gelten. Nordkorea.
Dort wird Yasuko gefangen gehalten und gezwungen, nordkoreanischen Spionen zu einer falschen, japanischen Identität zu verhelfen, während Jake spurlos verschwindet. Mit der Zeit muss Yasuko erkennen, dass Jake mit dem Regime kooperiert und ihr früheres Leben eine Lüge war.
Ihre Hoffnung auf eine Flucht schwindet, bis sie einem geheimnisvollen Pianisten begegnet, der ihrem Schicksal eine völlig neue Wendung gibt.

Kalifornien 2016
28 Jahr nach den Ereignissen sucht eine junge Frau, die nach ihrer Geburt adoptiert wurde, nach ihren Wurzeln. Mit nichts, außer einem verblassten Stück Papier, auf dem der Name eines unbekannten Arztes und ein Datum vermerkt sind.
Ihre Suche führt sie auf eine Reise, an deren Ende ihr Leben in größte Gefahr gerät.

Aus dem Buch: „Liebe ist Bedingungslosigkeit, Yasuko. Liebe ist ein Klang, eine Melodie. Sie bestimmt den Takt, in dem dein Herz schlägt. Diese Melodie bist du.“

Leseprobe:
Prolog
Jahr des Tigers


Macau 1986
Die junge Asiatin starrte auf das Ungetüm. Sein tiefroter Kiefer, die weißen Reißzähne und die pechschwarzen Augen leuchteten im Dunkel der Nacht. Ein samtenes Weiß umgab seinen Kopf, goldene Ornamente und rote Schriftzeichen zierten den Körper.
Der Duft von Räucherwerk lag in der Luft, als die Prozession unter lautem Trommeln an ihr vorbeizog. Sie sah dem Drachen nach, der von zehn Männern durch die Straßen Macaus getragen wurde. Wǔ lóng, der Drachentanz, kündigte das neue Jahr an, welches im Zeichen des Tigers stand.
An den Fassaden der portugiesischen Kolonialbauten, die mit ihren weißen Rundbogenfenstern und Stuckverzierungen der asiatischen Enklave ein europäisches Flair verliehen, waren rote Lampions angebracht. Menschen, fliegende Händler, Verkaufsstände, die Niángāo –süßen Reiskuchen – anboten, bevölkerten die schmalen Gassen. In der Ferne war noch immer das dumpfe Geräusch der Trommeln und das Zischen der Feuerwerkskörper zu hören.
Sie bog in eine dunkle Gasse und musterte die Häuser, an denen sie entlangschritt.
Vor einer unscheinbaren, schwarzen Tür blieb sie stehen und klopfte an. Von drinnen war ein Poltern zu hören, männliche Stimmen und lautes Lachen drangen bis nach draußen. Sie runzelte die Stirn bis sich tiefe Falten bildeten, ein untrügliches Anzeichen ihrer aufkommenden Wut. Die Tür wurde ruckartig aufgerissen und ein blonder, hochgewachsener Weißer stand lachend vor ihr. Als er die Frau erkannte, entglitten ihm seine Gesichtszüge.
»Was machst du hier?«, zischte er, bemüht von den Personen im Haus nicht gehört zu werden. Er trat zu ihr hinaus und schloss die Tür. Dann zog er sie in eine Häuserlücke und betrachtete ihr Gesicht im flackernden Schein einer Laterne.
Das streng zurück gekämmte und hochgesteckte Haar verlieh ihrem Aussehen etwas Kaltes, was durch ihre schneeweiße Haut und das Rot ihrer Wangen noch unterstrichen wurde.
»Wir sind in Schwierigkeiten. Ich komme nicht an das Erbe meines Vaters. Wir werden die Schulden nicht zurückzahlen können«, sagte sie aufgebracht.
Er packte ihre Schultern. »Bist du verrückt geworden? Du solltest das doch lösen, während ich in Macau bin! Und jetzt tauchst du hier auf und überbringst mir schlechte Neuigkeiten!«
Tränen stiegen in ihre Augen. »Ich habe alles versucht, aber konnte nichts tun! Wie kannst du mir nur Vorwürfe machen? Wir tauchen einfach unter. Komm mit mir, bitte«, flehte sie verzweifelt. Er drückte sie gegen die Hauswand.
»Untertauchen, verdammt, du bist wirklich schön anzuschauen, aber unsagbar dumm. Wir haben den Nordkoreanern ein Geschäft versprochen, was wir nicht einhalten können. Was glaubst du, werden die mit uns machen? Hm, was glaubst du?« Als er ihr so nah kam, dass sie seinen Atem an ihrem Hals spüren konnte, stieß sie ihn von sich. »Du weißt selbst, was zu tun ist, um uns zu retten.«, sagte sie mit eisiger Stimme und lief in die Dunkelheit.

Im Kindle-Shop: Die Tochter des Pianisten.
Für Tolino: Buch bei Thalia
Mehr über und von Lilian Kim auf ihrer Facebook-Seite.



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23. Juli 2018

'Wintertöchter. Die Gabe' von Mignon Kleinbek

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
„Auch sie und er hatten einander die Stirn geboten, sich bekämpft, sich angepasst und geduldet. Sie waren eine Koexistenz eingegangen, hatten miteinander gelebt, einander gehasst bis aufs Blut und sich dennoch verbunden.“

Die Forstau – ein kleines, verborgenes Bergdorf am Fuße der österreichischen Tauern. Drei Frauen – Barbara, die selbstbewusste Hebamme. Ihre schwermütige Ziehschwester Marie, die in der Dreikönigsnacht 1940 eine Tochter zur Welt bringt und in derselben den geliebten Mann verliert. Anna, das Kind mit der besonderen Gabe, die sowohl Geschenk als auch Fluch bedeutet. Jede stellt sich auf ihre eigene Weise dem harten Leben in den Bergen sowie gegen althergebrachte Traditionen in einer männerdominierten Welt und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges.

Als Roman in Maries Leben tritt, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch die Verbindung bringt weder Marie noch ihrer Tochter Glück ...

Eine Erzählung von Hass und Liebe, vom Hinsehen und doch Wegschauen. Über starke Menschen, die gegen ihr Schicksal aufbegehren und dennoch fast verlieren. Ein Roman wie ein Sog …

Leseprobe:
Prolog. 2004
Die Frau ging mit schleppenden Schritten zum Küchenherd und drehte das Gas ab. Das schrille Pfeifen des Teekessels wurde leiser und verstummte. Sie öffnete den Küchenschrank und nahm die angeschlagene Porzellantasse heraus, aus der sie seit ihrer Kindheit den Morgentee trank. Anna stand darauf, in dünnen Goldbuchstaben, umrahmt von Blumenranken. Der Goldrand und die hellblauen Veilchen waren blass verwaschen, kaum mehr sichtbar.
Mit geübtem Ruck zog sie die schwergängige Schublade heraus, in der sie ihre Teemischungen aufbewahrte. Ein feiner Duft stieg aus der Holzlade auf.
Earl Grey, Oolong oder Kräutertee? Sie überlegte einen Moment. Nein, ihren Kräutertee aus eigenhändig gesammelter und getrockneter Kamille, Minze, Anis und Fenchel hatte sie ihr Leben lang getrunken, jeden Morgen. Heute jedoch war der Tag für einen besonderen Genuss. Anna griff nach dem dunkelgrünen Tütchen, nahm die Klammer ab und schnupperte hinein. Sie nickte.
Der Oolong, ›schwarzer Drache‹ oder ›die schwarze Schlange‹ genannt, mit seinem wohlriechenden, blumigen Duft, war genau richtig für die Aufgabe, die schwer vor ihr lag. Der Tee war exotisch, teuer, er gab ihr das befriedigende Gefühl, sich etwas so Kostbares zu leisten, wäre eine kleine Belohnung. Ein Quäntchen Wiedergutmachung für das Leid. Er würde es wert sein und den bitteren Weg in die Vergangenheit ein wenig versüßen. Diesen Luxus hatte sie sich verdient. Also den Oolong …
Während sie sorgfältig einen Teelöffel voll schwarzer Teekrumen in das eiserne Teesieb gab, schweiften ihre Gedanken träge zu ihrer Tante Barbara.
Die Hebamme, Pflanzenkundige und einzige Vertraute hatte ihr alles beigebracht, was sie über das Heilen mit Kräutern wusste. Der Sommertag stieg in ihr auf, an dem sie mit ihrer Dede auf der sonnengewärmten Steinstufe vor dem Haus saß. Die Tante hatte ihr den Arm leicht um die Schulter gelegt. Auf ihrer blauen Schürze lag eine geöffnete Blechdose, und die kostbaren, schwarzen Blättchen darin glänzten schwach. Sie erzählte ihr eine Geschichte; die Legende um die Entstehung des Oolong. Vor Annas Augen erstanden die Bilder, an die sie sich so deutlich erinnerte, als sei es gestern gewesen. Von dem braunhäutigen Teepflanzer, der beim Anblick einer schwarzen Schlange, die sich in den frischgepflückten Blättern zusammenringelte, zurückgeschreckt war. Wie er sich nach einigen Tagen wieder vorsichtig zu den getrockneten Blättern hinwagte und bemerkte, dass sie in der heißen Sonne oxidiert waren. Seine Verwunderung, als er nach dem Aufbrühen feststellte, welch einen wunderbaren Geschmack sie ergaben. Die Dede hatte mit zwei Fingern ein paar Teekrumen aufgenommen, hielt sie ihr unter die vorwitzige Nase und legte sie dann auf die kleine rosa Zungenspitze: »Hier Anneli, schau!« Und sie sah …
Ja, der Oolong würde genau richtig sein. Vielleicht würde er die schwarze Schlange, den wütenden Drachen in ihr, besänftigen. Ihn einlullen und ihm etwas Ruhe verschaffen. Ruhe vor den quälenden Erinnerungen und Ruhe ihrem Gewissen. Und mochte sein, er schenkte ihrer Seele mit seinem Geschmack nach Blumen und Sommer einen kurzen, einen süßen Frieden. Würde ihre Gedanken in die Sonne und ins Licht lenken. Es war so viel Dunkel in ihr.
Sie stellte das eiserne Teesieb in die Tasse und goss vorsichtig heißsprudelndes Wasser darauf. Gab einen kleinen Löffel goldenen Bienenhonig und einige Tropfen fette weiße Milch dazu. Versonnen betrachtete sie, wie Honig, Milch und bernsteinfarbener Tee in braunen Fäden durcheinanderwirbelten, einer geheimen Absprache folgend. Wie sie Spuren und Schlieren durch das heiße Wasser zogen, sich verwoben und eine Koexistenz eingingen. Koexistenz ist der Zustand, in dem sich zwei gleich starke Seiten einander gegenüberstehen. Und irgendwann einsehen, dass sie, um des Friedens und des Überlebens willen, die Überzeugung des anderen dulden, schoss ihr durch den Kopf. Sie hatte das einmal irgendwo gelesen. Der Satz war ihr haften geblieben und nun plötzlich präsent.
Auch sie und er hatten einander die Stirn geboten, sich bekämpft, sich angepasst und geduldet. Sie waren eine Koexistenz eingegangen, hatten miteinander gelebt, einander gehasst bis aufs Blut und sich dennoch verbunden.
Es war genug. Genug des Anpassens und Duldens, genug des Leids. Die Knoten mussten jetzt gelöst werden. Diese letzte Aufgabe wartete auf ihre Erfüllung. Erst dann würde sie gehen können. Und vielleicht endlich frei sein. Die Wahrheit drängte ans Licht und würde sie überleben.

Sie nahm die heiße Tasse vorsichtig auf, trug sie an den blank gescheuerten Zirbenholztisch und setzte sich schwerfällig. Das klumpige Daunenkissen in ihrem Rücken zurechtrückend, ließ sie sich mit einem wohligen Seufzer zurücksinken. Anna blies über den Tee und nahm einen Schluck. Für einen Augenblick ließ sie zu, dass die vertrauten Bilder aufstiegen. Dann setzte sie die Veilchentasse hart und entschlossen auf dem Tisch ab und schlug die schwarze Kladde auf. Sie nahm den Tuschefüller in die von bräunlichen Altersflecken gezeichnete Hand und zog die silberne Metallkappe ab. Sorgfältig legte sie das Käppchen neben den runden Stein und nahm die Brille aus dem weißen Haar, schob sie vor bis zur Nasenspitze. In säuberlichen, steil aufgerichteten Buchstaben begann sie zu schreiben.

Im Kindle-Shop: Wintertöchter. Die Gabe.
Mehr über und von Mignon Kleinbek beim pinguletta Verlag.



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19. Juli 2018

'Tod in Alepochori' von Claudia Konrad

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Eigentlich will der aus dem Ländle stammende, kürzlich pensionierte Sonderermittler Wellendorf-Renz einen gemütlichen Urlaub in Griechenland verbringen und endlich seine Zeit als Kommissar hinter sich lassen, da geht es auch schon wieder los: Denn kaum in Alepochori angekommen, spürt die feine Nase seines Hundes „Trollinger“ einen toten Taucher in einem verbrannten Waldstück auf.

„Welles“ guter Ruf als Polizist eilt ihm voraus und die griechischen Behörden bitten ihn um Unterstützung bei der Aufklärung des Falles. Fortan begleitet er die griechischen Kollegen und begibt sich mit ihnen auf die Suche nach dem Mörder. Die griechischen Ermittler tappsen rum und Welle in die Arme einer charmanten Griechin. Was anfangs wie ein merkwürdiger Badeunfall aussieht, tut sich auf als Fall von Korruption und Intrige – bis in die höchsten Kreise von Staat und Kirche. Die finden sich nicht etwa in Athen. Nein, Welle macht Wellen im Vatikan.

Das Buch bietet eine wunderbare Mischung aus Leichtigkeit, Spannung und griechischen Impressionen. Wellendorf-Renz ist eine ausgereifte Figur, ein wenig schrullig-eigenbrödlerisch, man liest mit Spannung und Vergnügen.

Leseprobe:
Prolog
Geisterwald. Knarrende Baumstämme, vom warmen Wind umspielt. Ein Heer bizarrer Pinien, verbrannt bis in die Wipfel. Rußgeschwärzte Hänge, Verwesungsgeruch.
Welle sah die Feuersbrunst vor sich. Hörte das gellende Todesblöken der Schafe, deren Stall von Flammen umzüngelt war. Hubschrauberlärm mischte sich unter das Feuer-Gefauche. Gierig sogen die Flammen erste Wasserbretter auf, die tonnen-schwer auf den Wald prasselten – und doch nur wie Tropfen auf dem heißen Stein wirkten. Klägliche Versuche, das Inferno unter Kontrolle zu bekom-men. Ein weiterer Lösch-Hubschrauber näherte sich. Der Kampf gegen die Naturgewalt hatte begonnen.
Nichts für Zartbesaitete, wenn das Kopfkino des Pforzheimers ansprang. Trollingers aufdringliches Gebell durchbrach seine Vorstellungen und holte ihn in das Jetzt zurück. Der Unterton im Bellen gefiel dem pensionierten Hauptkommissar gar nicht. Er versuchte, seinen Vierbeiner auszumachen. »Trollinger!«, schrie er. »Bei Fuß!«
Der Rüde erschien kurz, knurrte seinen Herrn an, um gleich wieder im Schwarz zu verschwinden.
»Sack Zement, was ist jetzt wieder?« Grantig stiefelte er hinterher. Nach ein paar Metern hatte er ihn eingeholt.
»Beruhig dich, was ist denn los mit dir?«
Welle schaute sich um, sah aber nichts.
»Hör doch mit der blöden Kläfferei auf. Aus jetzt!«
Mit gefletschten Zähnen rannte Trollinger hin und her, verharrte dann und schaute gen Himmel. Der Pensionär folgte dem Blick seines Hundes.
»Deifel nomol … Ha noi, so ebbes gebts jo gar ned. I glab, i spinn. En Daucher. Da hangt en Daucher im Bom!«

Kapitel Eins
»Wann war i sletschmol so besoffe?« Trollinger musste das wissen. Der saß neben ihm … nein, der lag …
»Trollinger!« Es wuffte matt. Unter der Bank. Bank? Bushäuschen. Ahhhh, Bushäuschen. Er saß auf der Bank, es nieselte, daher Bushäuschen. Warum nieselte es immer an seinem Geburtstag, wo es doch in Pforzheim nie nieselte. Er musste grinsen. Nie nieseln, komisch.
»Trollinger, findest du nie nieseln auch komisch?« Trollinger wuffte. Alles gut.
»Also, Trollinger, wann war ich das letzte Mal so betrunken?«
Warum saß er hier? Wo war Erika?
»Trollinger, wie alt bin ich jetzt, und wo ist Frauchen?«
Und was, Himmel-Schdugert-Sackzement!, hatten die ihm da geschenkt? Die von seinem Club. Die Alten Hasen. Fünfundsechzig, das war es. Fünfundsechzig Kerzen hatte er ausblasen müssen. Heidenei! Und dann der Wein, zehn Schoppen? Ramazzotti, vier? Grappa? Auch egal.
»Wieso sprang mir jetzt Griechenland ins Hirn? Wir waren doch im ›Al Bacio‹, eindeutig Italien.«
Er griff in die Tasche des Trenchcoats, streifte über Reste von Tiramisu auf seinem Jackett, Trollinger musste ablecken. Ein Umschlag, DIN-A4-Blatt, ein Bild von einem Schiff, noch ein Bild, Markusplatz, Venedig.
»Trollinger, soll ich das mal vorlesen, willst du es hören, oder sollen wir warten, bis Frauchen ...«
Jetzt spürte er Tränen. Ist ja nicht mehr, die Erika. Scheiß LKW! Seit mehr als acht Jahren nicht mehr. Fünfundfünfzig Jahre waren sie ... Zum die Wänd hochgrabble!
»Ich les es dir vor, Trollinger. Also … Lieber Welle, damit du mal wieder richtig Welle machen kannst … Trollinger, das ist doch ein mieser Scherz, oder? Also, damit du Welle machen kannst, schenken wir dir ein Fährticket von Venedig nach Griechenland auf der Anke Lines … Wer ist denn jetzt Anke? Trollinger, wollen die, dass ich mit der Anke … ach so, die Reederei heißt so … Kabine mit Sondergenehmigung für Trollinger in allen Bordbereichen. Wahlweise Igoumenitsa, Korfu oder Patras.«
Jetzt kam die Erinnerung zurück.
»Wer hat sich das denn ausgedacht?«
»Ist doch egal«, hatte Holger Kuhlmann gesagt. »Du wolltest dir alte Steine anschauen und da eignen sich die der alten Griechen am besten. Genieße deinen Urlaub, schließlich hast du dich seit Erikas Tod nicht mehr aus Pforzheim herausbewegt. Außer vielleicht mal bis zum Titisee und in die Schweiz zu deinem Kumpel. Wir freuen uns jedenfalls auf deinen Urlaubsbericht.«
»Aber ich habe gar keinen runden Geburtstag! Das kann ich nicht annehmen«, hatte er gesagt.
»Ha so ebbes!« Hans Häberles Bassstimme dröhnte im tiefsten Badisch. »Mir hen des älle gwellt, und jetzt hälsd dei Gosch. Proschd!«
»Ja, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig. Nochmals vielen, vielen Dank!«

Er stand auf. Es hatte aufgehört zu nieseln. Welle hielt sich an der Strebe des Bushäuschens fest, schob Manschette und Trenchcoat-Ärmel zurück, griff mit der anderen Hand in die immer noch beschmierte Jacketttasche und setzte sich erneut die Lesebrille auf.
»Herrschaft, Trollinger, halber drei gleich. Schaffen wir den Berg noch?« Wieder so ein kurzer Moment, in dem Welle es bereute, hoch über Pforzheim zu wohnen.
Der Staffordshire blickte nach oben, als wollte er sagen: Stell dich nicht so an, Alter, du auf zwei, ich auf vier Beinen. Ich will in den Korb, und wenn du bitte noch einen Klecks Tiramisu ...
»Ja, braver Hund, hörst mir immer zu. Dir armen Teufel bleibt auch nichts anderes übrig.« Welle bückte sich, streichelte ihn und lächelte.
Er torkelte sich auf den Heimweg ein.
Ein weiteres Stück Erinnerung kam zurück, gerade mal neun Stunden war das her.
Er war mit Trollinger die Bahnhofstraße hinuntergelaufen, vorbei am Polizeirevier. Holger Kuhlmann und Igmar Keller waren herausgekommen.
»Da ist ja unser Geburtstagskind.« Das war Kuhlmann.
»Kind? ›Alter Sack‹ wolltest du wohl sagen. Wo geht’s hin?«
»Na, deinen Geburtstag feiern, wohin denn sonst?«
»Damit hast du nicht gerechnet, gell?« Keller war den ganzen Abend über bester Laune gewesen. »Kommt, wir müssen uns beeilen, die anderen werden sicher schon warten. Schau nicht so belämmert, du wirst heute noch einige Überraschungen erleben.«
Wirt Andreas hatte gerade ein Tablett mit Sektgläsern hinter der Theke hervorbalanciert, als die drei eintraten. Und jetzt war der Film wieder da, Echtzeit, live und in Farbe mit Ton. Als sei es gestern ... nein, war ja eben erst alles, vor der Sache mit der Anke … nein, mit dem Schiff. Hatte er das richtig verstanden, eine eigene Kabine für Trollinger?

Im Kindle-Shop: Tod in Alepochori.
Mehr über und von Claudia Konrad beim pinguletta Verlag.



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18. Juli 2018

'Die Welt verstehen und wahrnehmen' von Danka Todorova

Taschenbuch
Das Buch ist eine Gesamtausgabe von „111 Tipps“ und „Harmonie und Balance“.

Hiermit lade ich dich ein, deine eigene Reise zu unternehmen, um zu dir selbst, zu den anderen und der Welt zu verstehen, dein Leben in die Hand zu nehmen, den Alltag bewusst zu gestalten und wahrzunehmen. Nur so kannst du innere Harmonie und Balance in voller Zufriedenheit und Freiheit finden und genießen.

Leseprobe:
Tipp 9
Ich beobachte Menschen bei der Arbeit.
Ich beobachte in meiner Arbeit auch andere Menschen. Wie sie mit den Problemen umgehen, wie sie mit verschiedenen Situationen umgehen und versuche die Kernaussage des Menschen zu entdecken. Was bewegt einen Menschen? Welche Glaubenssätze oder Muster kommen zum Erscheinen. Es ist nicht immer leicht, eigener Konzentration und eigenem Gespür zu folgen, da die Störfaktoren da sind.

Tipp 10
Ich übe ständig Konzentration.
Sie ist auch da, ich schule in allen möglichen Situationen meine Konzentration: Bild betrachten, Mensch betrachten, Natur betrachten, Vögel betrachten. Einfach da sein und den Bewegungen folgen. In sich hinein hören, ob man etwas entdecken kann ... Bilder, Erinnerungen, Symbole.

Tipp 11
Ich setze Prioritäten.
Jeden Tag brauchen wir verschiedene Aktivitäten, die wir zu erledigen haben. Ich überlege am Morgen, bevor der Tag beginnt, in der Stille, was ich am Tag zu erledigen habe. Ärgere mich nicht, wenn ich nur die Hälfte geschafft habe. Es ist bewiesen, dass wir nur 50% der geplanten Aktivitäten erledigen können. Deswegen setze ich eine oder zwei Sachen, die mir wichtig am Tag sind, je nach meinem Ziel.

Tipp 12
Ich mache Planung.
Wenn ich eine reale Vorstellung habe, was ich am Tag erledigen muss, dann entsteht auch kein Stress. Ich lasse mir die Zeit und erledige das Nötigste am Tag. Wenn ich sehe, es läuft nicht, wie ich es geplant habe, lasse ich es. Es gibt Rhythmus in der Natur und in unserem Leben, um die Dinge fließen zu lassen.

Tipp 13
Ich nutze die Pausen um Wasser zu trinken.
Wenn ich müde bin, mache ich Pause, trinke zuerst ein Glas stilles Wasser, um zu erfahren, ob ich Durst oder Hunger habe. Unser Körper besteht aus 70% Wasser und unsere Zellen brauchen es, um sich regenerieren zu können.

Im Amazon-Shop: Die Welt verstehen und wahrnehmen.
Mehr über und von Danka Todorova auf ihrer Website.

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17. Juli 2018

'Hör mir auf mit Glück' von Helena Baum

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Portland/Oregon
Dr. David Tenner, 58, renommierter Psychotherapeut, ist auf allen Ebenen über dem Zenit. Beruflich, privat, energetisch. Die Luft ist raus. Sein Frau Kathy sieht er nur noch selten im gemeinsamen Leben. Wenn sie zu Hause ist, senden ihm ihre weißen Kopfhörer die unmissverständliche Botschaft: Lass mich in Ruhe!

Emily und Cooper dagegen sind jung, voller Lebenslust und strotzen vor Energie. Der Zenit ist noch nicht mal in Sicht. Alles ist möglich. Alles ist lösbar. Zwischen Surfen, VW Bus, Job und ihrer Liebe findet das Leben statt. Emilys ungewollte Schwangerschaft stellt alles auf den Kopf. Sie will das Kind auf keinen Fall, Cooper will es unbedingt. Sie stecken fest. Drehen sich im Kreis und kommen keinen Millimeter weiter.

Cooper besteht auf einer gemeinsamen Beratung. Sie landen in der Praxis von Dr. David Tenner, der ihnen einen unkonventionellen Vorschlag unterbreitet. Danach ist nichts mehr, wie es war. Weder bei den Tenners, noch bei Cooper und Emily.

Leseprobe:
David lüftete den Praxisraum in seinem Haus. Es müffelte. Zu viele Alltagsdramen, Ängste und Frustrationen stanken hier zum Himmel. Um seinen Lungenflügeln eine Prise Frischluft zu gönnen, floh er in den Garten, als wäre der Leibhaftige hinter ihm her. Batman, sein schwarzer Mischlingshund, folgte ihm freudig. Manchmal rief David ihn Batty und hoffte, dass der Rüde ihm das Weibliche im Namen nicht übel nahm.
Er verbrachte den ganzen Vormittag mit Einzelsitzungen in seiner Praxis und empfing ein paar Klienten, die ihn inzwischen mehr langweilten, als er zugab.
Zuerst kam Mrs. Dullington, neunundfünfzig Jahre alt. Sie litt seit Ewigkeiten an wiederkehrenden depressiven Schüben und sah auch in den Phasen dazwischen todtraurig aus. Danach war die zweiundsechzigjährige Mrs. Bramidge dran. Sie versuchte seit Jahren, ihre totgelaufene Ehe zu retten, und schleppte dann und wann ihren völlig desinteressierten Ehemann mit in die Therapie. Wie zwei graue Nilpferde, die nicht mehr im selben Sumpf spielen wollten, saßen sie in den für ihr Volumen zu engen Sesseln und schmollten sich an. Keiner wollte zuerst den stinkenden Sumpf verlassen. Zuletzt kam Ken Brandon, ein dünner Mittvierziger, der zwar jünger war als der Durchschnitt von Davids Klienten, jedoch aussah wie Anfang sechzig. Er saß stets nur mit einer halben Arschbacke auf der Vorderkante des bequemen Sessels, als müsse er jederzeit fliehen. Die ausgefransten Lippen, abgekauten Fingernägel und nervös hin und her huschenden Augen sprachen Bände über das Drama seiner Hypernervosität. David machte drei Kreuze, als er endlich dieTür hinter ihm schließen konnte. Kens Angespanntheit war in der letzten Stunde auf David übergegangen und er spürte, wie er die Hände zu Fäusten ballte, was er sonst nie tat. Er schüttelte sich, ging schnurstracks zum Fenster und riss es erneut auf.
»Zu viele Dramen«, murmelte er, »zu viele Dramen.«
Im Garten rannte Batman direkt zum Zaun, wedelte hektisch mit seinem Schwanz und bellte den Nachbarsjungen herbei. Der Kleine rannte flugs Richtung Batman, stellte sich auf die andere Seite des Zaunes und bellte in seiner Kindersprache zurück. Hörte der eine auf, fing der andere an. Sofort lugte auch das kleine Mädchen um die Ecke und wollte ebenfalls bellen. Sam, der Vater der beiden Knirpse, hatte alle Hände voll zu tun, sie in Richtung Auto zu bugsieren.
»Batty, komm! Fuß! Komm hierher!« Der Hund hörte kein bisschen. Erst beim fünften Rufen, als David seine Stimme bedrohlich senkte, trottete er provokant langsam heran und setzte sich neben sein Herrchen.
»Hi, Sam. Wie geht‛s?« Er winkte dem freundlichen Nachbarn zu. »Ich bring den Hund mal lieber rein, sonst kommt ihr nicht weg.«
»Danke, David. Sie lieben Batman und würden wahrscheinlich ewig hier stehen und sich gegenseitig anbellen. Bis später.«
»Bis später.«
Die junge Familie wohnte erst ein paar Monate im Nachbar- haus und David freute sich, dass das Haus nicht mehr leer stand.
»Komm, Mittagspause, Batty.« Batman ließ sich ohne das übliche Gerangel an die Leine nehmen. Bevor sie loszogen, warf David einen Blick in den Nachbargarten. Jetzt saß Klara, die Mutter der beiden Kleinen, mit einem Kaffee am Tisch und hielt ihr jugendliches Gesicht in die Sonne. Ihre Augen waren geschlossen und die langen Haare noch nass vom Duschen. Sicher lag eine Nachtschicht im Krankenhaus hinter ihr. Er wollte sie nicht stören und ging leise vorüber.
Ganz gemütlich spazierte er zur Division Street und legte, wie jeden Mittag, einen Stopp bei den Foodtrucks ein. Er liebte den Platz voller junger Leute, die in ihren bunten Wagen Essen verkauften. Jeder Wagen war ein kleines individuelles Meisterwerk. Bemalt, besprüht oder mit selbst gebastelten Vordächern und kleinen Sitzgelegenheiten versehen.
An manchen Tagen hatte David das Gefühl, das sein Leben aus diesen zwei Welten bestand. Parallelwelten. Die eine sein stilles Haus, die dumpfen, passiven, manchmal schon halbtoten Klienten, die kaum Schritte in die Veränderung wagten, jeden Vorschlag Davids negierten und sich von ihren Ängsten leiten ließen. Dazu seine mehr abwesende als anwesende Frau Kathy. Die andere der Food Market an der Division Street, nur fünfzehn Gehminuten von seinem Haus entfernt: Ein Ort voller Musik und Geräusche, dem Duft von frisch zubereiteten Mahlzeiten, gesunden Drinks in allen Farben und Menschen, die lebendig waren. Sie lachten, redeten, gestikulierten, stritten oder saßen einfach so in der Sonne. Ein dynamischer Platz.
Schon von Weitem lächelte ihn die junge Frau mit den langen braunen Haaren an. Sie hatte sich heute ein knallgelbes Tuch in ihre wilden Locken gebunden, sodass ihr Gesicht frei lag. Dadurch wirkte sie noch frischer als sonst. Noch jünger. Ihre braunen Augen strahlten ihn an. »Hi, Mister David. Hi, Bat- man. Mittagspause?«
»Ja, wohlverdiente Mittagspause.« Um sein Hungergefühl zu untermalen, rieb sich David den Bauch. Batman zog an der Lei- ne. Er wusste genau, dass es für ihn hier ein Leckerchen gab. David gab sich endlich einen Ruck und fragte: »Darf ich nach deinem Namen fragen? Du kennst meinen und die Vornamen fast all deiner Kunden und ich würde dich auch gern irgendwie ansprechen. Immerhin komme ich seit Monaten täglich an deinen Stand.«
»Klar, Mister David. Ich heiße Emily. Meine Freunde sagen auch Emmi zu mir. Einen Bangkok-Crêpe, wie immer?« Ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, unterhielt sie sich mit ihm.
Geschäftstüchtig, notierte David in Gedanken. Kundenbindung mittels Ansprache per Vornamen. Sie wird es mal zu was bringen.
»Wie bitte?«, fragte Emily.
Oh, hatte er die Gedanken ausgesprochen? »Einen Bangkok, süßsauer, wie immer«, schob er schnell hinterher.
»Also, wie immer«, wiederholte sie. »Alles klar.«
Er setzte sich auf die kleine Holzbank gegenüber von Emilys Wagen und wartete, bis er aufgerufen wurde. So schief, wie die Bank zusammengezimmert war, hoffte er, dass sie sein nicht allzu großes Übergewicht mit Fassung tragen würde. Batman hatte sich bereits gemütlich zu seinen Füßen niedergelassen und den Kopf mit den zu großen Ohren auf die Pfoten gelegt.
»Mister David, Ihr Bangkok, bitte. Guten Appetit.« »Sag ruhig David zu mir, ohne Mister.« »Ich mag dich gerne Mister David nennen. Das passt zu dir.« »Wie du magst, gerne auch Mister David.« Etwas umständlich stand er auf, verfing sich in der Leine, sodass Batman sichtlich glaubte, es gehe los, und seinem Herrchen vor die Füße sprang. Mit einem galanten Hopser hüpfte David unfreiwillig komisch zum Wagen. Emily amüsierte sich und war mit ihrer Aufmerksamkeit schon bei der nächsten Kundin.
Zurück in seiner Praxis lüftete er zum wiederholten Male an diesem Tag und ärgerte sich, dass er den Gestank nicht vertreiben konnte. Manchmal dachte er, er selbst würde zu riechen anfangen. Kurz entschlossen nahm er eine Dusche und sparte nicht mit Duschgel, Shampoo, Rasierwasser und Deodorant. Als er aus der Dusche kam, stand ihm plötzlich Kathy gegenüber. Keck wanderten ihre Augen über seinen Körper.
»Hi Schatz, das ist ja mal eine nackte Überraschung. Lange nicht gesehen.«
Ihre Zweideutigkeit brachte ihn kurz aus dem Konzept. Wen meinte sie mit ›lange nicht gesehen‹? Ihn oder seinen kleinen Freund unterhalb des Bauches? Er musste sogar kurz überlegen, ob sie es zweideutig meinte oder ob sein Wunsch der Vater des Gedankens war.
Kathy küsste ihn flüchtig und schlug mit der flachen Hand auf seinen Hintern. »Guck an. Er federt noch zurück«, sagte seine Frau frech und kam ihm so nahe, als würde sie ihn küssen wollen. Ihr Atem roch nach Zigarette, was er verabscheute. »Das wollte ich schon lange mal wieder machen!« Kathy lachte und der Moment der greifbar möglichen Nähe war vorbei.
Überrascht und etwas beschämt hielt David sein großes Badehandtuch vor den Bauch. Das sehr große Badehandtuch, das sie ihm letztes Weihnachten geschenkt hatte. Er wunderte sich, dass sie so gut gelaunt war. Kathy war oft neutral, falls es das gab. Weder gut noch schlecht gelaunt. Neutral gelaunt. Ein ewig vor sich hin plätscherndes Klavierstück, was die Höhen und Tiefen konsequent negierte.
»Kathy ... äh, du bist ja schon zurück? Ich hatte erst morgen mit dir gerechnet.« Er rubbelte sich vor ihren Augen trocken, ließ das übergroße Badehandtuch fallen und drehte sich von ihr weg zum Waschbecken, um die Zähne zu putzen. Nackt. Wennschon, denn schon. Sein Hintern war in Ordnung, sein Rücken sowieso.
»Ja, Schatz. Ich bin zurück.«
Er sah sie im Spiegel, seine schöne Frau mit der Ausstrahlung eines Eiswürfels. Kühl, schön, glatt. Er schaffte es schon länger nicht mehr, sie zum Schmelzen zu bringen. Sie lehnte gelassen, mit verschränkten Armen an der Tür und machte keine Anstalten wegzugehen. Irgendetwas war anders. Er kam nicht drauf.
»David, verheimlichst du mir etwas? Duschen, Zähne putzen und Nacktheit mitten am Tag. Welche Klientin hat dich verführt. Die Sechzigjährige oder die Siebzigjährige?«
»Mach dich nur lustig. Manch Sechzigjährige hat noch Feuer im Hintern! Und vergiss nicht, in zwei Jahren bin ich auch sechzig und du in fünf Jahren! Wer im Glashaus sitzt ... du weißt ja. Keine Steine schmeißen.« Er grinste.
»Schon gut, schon gut. Es riecht übrigens lecker im ganzen Haus. Oder warte ... du, du bist das. Du riechst lecker. So männlich-herb. Frisch. Hast du ein neues Duschgel?« Sie folgte ihrem Mann ins Schlafzimmer. Ihre Präsenz irritierte ihn, dennoch erfreute ihn Kathys Lob.
»Schatz, ich dufte immer so. Du bist nur viel zu oft weg, um es riechen zu können. Dich zieht es offensichtlich mehr zu deiner Schwester aufs Land oder sonst wohin. Aber hier ist unser Leben. Hier bin ich.« Nackt, wie er war, wendete er sich mit geöffneten Armen zu ihr um. Erinnerte sich, dass er diese Geste noch nie gemocht hatte, und nahm die Arme wieder runter.
Kathy verdrehte die Augen und verschwand schnurstracks in ihrem Zimmer. Er hätte es besser wissen müssen. Der Vorwurf, Gesprächskiller Nummer eins, er hatte ihn aus Versehen punktgenau eingesetzt. David ärgerte sich.

Im Kindle-Shop: Hör mir auf mit Glück.
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16. Juli 2018

'Teuflisch gut: Herz aus Blut' von Stephanie Wittern

Kindle Edition | Taschenbuch
Wenn sich alles, was du glaubst zu wissen, in Luft auflöst und du erfährst, dass du die Böse in der Geschichte bist – was würdest du tun um deinem Schicksal zu entgehen?

Luzi van Halen steht vor dieser Entscheidung, denn der Dämon Loki stellt ihr Leben auf den Kopf. Plötzlich muss sie gegen dunkle Mächte kämpfen, die ihr nicht nur nach dem Leben trachten. Zusätzlich spielt ihr Herz verrückt, als sie zwischen zwei Jungs steht. Da ist ihre verhasste Familie noch das kleinste Übel.

Wird sie das Herz aus Blut finden um sich und ihre Lieben zu retten?

Leseprobe:
Es war eine stürmische Nacht im Spätsommer des Jahres 2000. Den ganzen Abend hatte es schon gewittert und es war so dunkel, dass sich Sabine und Peter van Halen eng zusammen kuschelten. Sie waren erst seit einigen Monaten wieder ein Paar und ihre beiden Mädchen schliefen im ersten Stock des Einfamilienhauses, dass sie sich vor kurzen in einem vornehmen Stadtteil der Stadt gekauft hatten. Sabine war Ärztin und arbeitete als Chirurgin, während Peter als Anwalt seine eigene Kanzlei hatte. Im Fernsehen lief ein Bericht über eine Demonstration.
»Wenn die nicht aufpassen, dann werden diese Demonstrationen noch in Gewalt enden«, sagte Peter.
Sabine stand auf und ging zum Fenster. »Vielleicht haben die damit Erfolg und es wird endlich etwas geändert«, sagte sie und blickte in den Regen hinaus.
»Ja, vielleicht nicht bis dreiundsechzig arbeiten, sondern bis siebzig.« Er lachte immer noch, als plötzlich der Strom ausfiel. »Verdammt, was ist denn das jetzt?«, fragte er und stand auf.
»In der ganzen Nachbarschaft ist der Strom ausgefallen«, sagte Sabine. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihre sanften braunen Locken. Sie hasste die Dunkelheit und wenn man hinaus sah, dann war es fast so dunkel wie im tiefsten Winter, dabei war es erst neun.
Peter trat neben sie und nahm sie in den Arm. Auch er wusste, dass sie die Dunkelheit hasste.
»Hol bitte ein paar Kerzen und ich werde in den Keller gehen um den Stromkasten zu überprüfen, vielleicht kann ich was machen.«
Sabine sah ihn ungläubig an. »Ein Blitz wird sicherlich irgendwo eingeschlagen sein, da kannst du nichts machen. Bitte lass mich jetzt nicht allein.« Sie wusste auch nicht, warum sie auf einmal ein komisches Gefühl hatte, aber irgendetwas würde passieren, das wusste sie genau.
»Nun stell dich nicht so an, sonst bekomme ich auch noch Angst«, sagte Peter scherzhaft. »Ich bin gleich wieder da.« Er gab ihr einen Kuss auf den Scheitel und nahm die Taschenlampe aus dem Apothekerschrank im Flur. Sein Haus war groß, mit großem Eingangsbereich, und Fußbodenheizung. Im oberen Bereich waren drei Schlafzimmer, von denen zwei den Kindern gehörten und das Elternschlafzimmer, mit separatem Bad und Balkon. Im Erdgeschoss gab es zwei Arbeitszimmer, ein großes Wohnzimmer, indem Sabine immer noch am Fenster stand und eine großzügige Küche mit Essbereich. Natürlich hatte er dafür gesorgt, dass es auch einen Kamin gab, denn er liebte es im Winter vor dem Feuer sitzen zu können. »Hol bitte die Kerzen Liebling«, rief er noch seiner Frau zu, bevor er die Tür zum Keller unter der Treppe öffnete. Er schaltete, die Taschenlampe eine Maglite an, denn man konnte die Hand vor Augen nicht sehen. Langsam tastete er sich vorwärts. Er kannte das Haus noch nicht gut genug um den Sicherungskasten gleich zu finden. Irgendwie wirkte der Keller heute besonders gruselig, natürlich war er noch nicht aufgeräumt und so standen überall Kisten herum mit irgendwelchem Krims-Krams, aber das war nicht der Grund, warum sich die Haare auf seinen Armen aufstellten. Bloß schnell den Kasten finden, ihn überprüfen und dann so schnell wie möglich wieder nach oben in die Arme seiner Frau.
»Verdammt, jetzt stell dich nicht so an«, rügte er sich selbst. Er holte tief durch die Nase Luft. Was war das nur für ein seltsamer Geruch?, fragte er sich. Irgendwie schwefelig. Da traf sein Licht den Kasten. Na endlich, leider waren alle Sicherungen in Ordnung und er kannte sich wirklich nicht gut genug mit Elektrik aus um irgendetwas unternehmen zu können. Also mussten es wieder die Stromkonzerne richten.
Das Licht seiner Taschenlampe fing an zu flackern. »Oh nein, bitte nicht ausgehen? Warum habe ich bloß die Batterien nicht überprüft?«, fragte er sich. Er schlug zwei Mal gegen die Lampe und schon war sie komplett dunkel, sie flackerte nicht mal mehr. Er erkannte, dass er den Weg ohne Hilfe zurückfinden musste, aber es war so finster, dass er schon beim ersten Schritt gegen eine Kiste stieß. Ein Blitz flackerte und er konnte wenigstens zwei Schritte gehen, ohne irgendetwas umzustoßen und womöglich die Kinder zu wecken. Der schwefelige Geruch wurde stärker und es lief ihm eiskalt den Rücken herunter, wann kommt endlich der nächste Blitz?, fragte er sich, als er sich wegen des Donners erschreckte. Ein hysterisches Kichern entfuhr ihm. Er war doch der Mann und nun machte er sich fast in die Hose nur, weil er im Dunkeln im Keller war. Seine Frau war doch diejenige, die Angst vor der Dunkelheit hatte. Wahrscheinlich hatte sie ihn mit ihrer Hysterie einfach nur angesteckt, dass er nun wirklich hier im Keller stand und das Gefühl hatte, er wäre nicht allein. Gerade als der nächste Blitz den Raum erhellte, sah er diesen schwarzen Rauch auf sich zukommen, sein Schrei wurde im Keim erstickt, als das Wesen in seinen Mund eindrang und etwas anderes die Kontrolle übernahm. Es war, als würde er einschlafen, so fühlten sich die Bewegungen an, wie Zuckungen nachts im Bett. Sein Verstand war da, irgendwie. Später würde er sich an diese Nacht nicht mehr erinnern, aber er würde wissen, dass etwas mit ihm passiert war, aber mit niemanden drüber sprechen.

Balthasar reckte und streckte sich. Der Körper war angenehm zu tragen und mal wieder eine richtige Abwechslung zu dem ständig gleichen Höllentreiben.
»Lilith bist du da mein Schatz.«, fragte er.
Wie aus dem Nichts tauchte der schwarze Rauch neben ihm auf und schlängelte sich um sein Gesicht. Er lächelte. Gekonnt und ohne ein Geräusch zu machen, ging er den Weg, den der Trottel, dessen Körper er sich geliehen hatte, nur mit Hilfe einer Taschenlampe bewältigen konnte, zurück zur Kellertür. Der Strom war immer noch nicht wieder eingeschaltet und er wusste, dass es so bleiben würde, bis er und Lilith das getan hatten, weswegen sie hier waren. Der Rauch folgte ihm, während er dem menschlichen Geruch ins Wohnzimmer nach ging. Die Frau, in die Lilith sich einnisten würde, hatte gerade ein paar Kerzen aufgestellt.
»Da bist du ja endlich. Irgendwie riecht es hier so nach Schwefel und ich dachte schon, das kommt vom Keller«, sagte sie.
Balthasar sah ihre Angst. »Ja, da hast du recht Süße, das war ich und natürlich meine Frau Lilith.« Er machte eine einladende Handbewegung und trat zur Seite. Er fand, dass der Blick der Frau unbedingt dokumentiert werden musste, denn sie sah ihn an, als wäre er ein Geist, was natürlich nicht stimmte. Erst als Lilith als Rauchsäule den Raum betrat, wurde der ungläubige Blick ersetzt durch einen panischen und zu Tode geängstigten Ausdruck. Wie jeder Mensch, der den schwarzen Rauch sah, riss auch die Frau den Mund auf, um zu schreien. Das machte es Lilith leicht in ihren Körper einzudringen und so verschlang auch sie den Schrei, bevor, die beiden Menschen, die Balthasar noch in dem Haus roch überhaupt mitbekamen, was hier vor sich ging. Liliths reckte und streckte sich genauso wie er zuvor, auch sie war lange nicht mehr in einem menschlichen Körper gewesen.
»Oh Darling, das fühlt sich richtig gut an. Zu schade, dass wir die Körper nicht behalten dürfen«, sagte sie und strich sich über den Arm.
»Du weißt, was der Boss gesagt hat, nur so lange das Ritual dauert und er kennt keinen Spaß, was das angeht.« Auch Balthasar fand den Körper gut, ist er doch seit Jahrhunderten nur eine Rauchsäule gewesen. Es tat gut mal wieder zu Atmen und zu sprechen, sich in einem Körper zu bewegen, aber er würde die Befehle seines Chefs befolgen, denn der konnte sehr unangenehm werden, wenn man dies nicht tat.
»Baby, dann lass uns das tun, wofür wir hier sind.« Lilith kam langsam und katzenhaft auf ihn zu. Ihre Hände fühlten sich gut an, als sie ihn an sich zogen. Zu lange hatte er das nicht mehr gespürt. Er hatte sie schon immer begehrt, nicht die Hüllen, die sie hatte, sondern einfach das, was sie ausmachte. Okay, der Körper war auch nicht schlecht, aber es war Lilith, die er berühren durfte. Ob sein Boss von seinen Gefühlen wusste?
»Du bekommst ja eine Sorgenfalte auf der Stirn, mein Lieber«, sagte sie sanft und strich mit dem Zeigefinger die Falte glatt.
»Es ist nur so lange her, dass ich das getan habe«, log Balthasar.
»Dann werde ich dir zeigen, was du versäumt hast.«
Und sie zog ihn an sich um ihn zu küssen ...

Im Kindle-Shop: Teuflisch gut: Herz aus Blut.

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13. Juli 2018

'Die Mütter-WG' von Marit Bernson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Sabrina wird ohne Vorwarnung von ihrem Mann Erik sitzen gelassen. Um das Haus für sich und ihre zwei Kinder zu halten, beschließt sie, eine WG zu gründen, die nur aus alleinerziehenden Müttern besteht, Arbeitsteilung inklusive. Die junge Katja betreut die Kinder, Lisa kümmert sich um den Haushalt, Sabrina und die Schreinerin Inge verdienen das Geld. Oberste Regel: Männer dürfen nicht über Nacht bleiben!

Doch Sabrina lernt den Architekten Stefan kennen, und bald schon geraten die Grundsätze der Mütter-WG ins Wanken.

Leseprobe:
„Fragen?“, sagte ich schließlich.
Inge schüttelte den Kopf. „Wo soll ich unterschreiben?“
Ich hielt ihr mein Exemplar hin. „Hast du keine Fragen?“
„Ich denke, das Wichtigste geht daraus hervor“, erwiderte sie. „Das ist das, was wir wollten. Und wenn jemand querschießt, wird ihn so ein Vertrag sowieso nicht davon abhalten. Ich glaube, wir sind uns einig.“
Lisa und Katja nickten, während Inge unterschrieb. Dann nahm Lisa Stift und Vertrag und unterzeichnete, danach Katja, und schließlich war ich dran.
„Bin gespannt, ob wir das alles so hinkriegen“, sagte ich lächelnd in die Runde. „Jetzt trinken wir erst mal darauf.“ Aus der Küche holte ich eine vorgekühlte Sektflasche und vier Gläser.
Lisa öffnete die Flasche – ich wäre ohnehin viel zu nervös gewesen – goss ein, und wir stießen an.
„Auf die Mütter-WG!“, sagte ich.
„Auf die Mütter-WG!“, erwiderten die anderen.

Im Kindle-Shop: Die Mütter-WG: Liebesroman.
Mehr über und von Marit Bernson auf ihrer Website.



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12. Juli 2018

'60 - ERZÄHLUNG EINES MISTKERLS' von Paul Pan

Kindle Edition | Taschenbuch
Zieh die Schuhe aus und mach einen verrückten Spaziergang durch männliche Eitelkeit und Gemeinheit sowie weibliche Verletztheit und Raffinesse.

Der Mistkerl namens Ben erzählt wie es damals war mit Magda und den anderen; wie er Nietzsche, de Sade, Sokrates, Tolstoi u.a. mit deren eigenen Beziehungsdramen traf. Schicksalhaft trifft ihn, den eitlen Macho und König der Gockel, ausgerechnet an seinem Geburtstag die Höchststrafe. Ganz nebenbei lüftet er auch das letzte Geheimnis der deutschen Wiedervereinigung.

Ein etwas anderes Leseerlebnis, das zum Stirnrunzeln und vielleicht zum Nachdenken einlädt. Für alle, die wie Ben im Kampf von Mann und Frau gegen die Wand gelaufen sind und für die das eine gilt: Ändere dein Leben. Sonst steht die Wand wieder da.

Leseprobe:
Die ganze Chose begann mit dem Duft, der sich jeden Mittwoch durch die Straße zog. Ich liebte ihn. Und ich stand am Schaufenster des kleinen Geschäftes, in dem Kaffee geröstet wurde. Immer mittwochs, Woche um Woche, Jahr um Jahr streunte ich hier herum und sog tief ein. Arabica! Pur! Hochland! Ganz ohne Robusta. Flachland! Ich stand also in der Nähe des Eingangs und blickte auf die Straße. Und dann kam sie daher, ganz plötzlich, aus dem Nichts - eine auf die Erde gefallene Sternschnuppe. Dunkelblond und mit Gesichtszügen, wie ich sie nur von Skulpturen aus dem alten Rom kannte. In der Hand hielt sie ein zerfleddertes Buch. Ich bückte mich und erkannte einen Gedichtband von Rilke. Warum Rilke? Was hat sie mit dem Romantiker gemein? Immer verschlossen sich seine Gedichte vor mir. Die Seiten schienen mir mit Zuckerwasser und bitterem Honig bedruckt zu sein. Rilke war mir suspekt – ein Frauenversteher.
Sie stand vor mir. Seide floss über ihre Rundungen wie Öl, und der Spätsommer ließ mit einem Windhauch zwei Knospen blühen. Sie sah durch mich hindurch in das Fenster. Mir gefiel das Kleid. Ich glaube, man sagte „süßer Fummel“ dazu, wenn ich mich recht erinnerte. Nun ihr Kleid hatte den hübschen Ausblick, pardon, ich meinte einen hübschen Ausschnitt, der viel zeigte und alles verbarg, kurzum die Fantasie verwirrte. Sie trug keinen BH, so wie damals die Mädels in der Hippiezeit. Daher die ausgeprägten Knospen im kühlen Spätsommerwind. Ein D-Cup auf ihrer Haut hätte sich ebenso erfreut wie meine wärmenden Hände. Auch ihre Beine bewunderte ich; vielleicht eine Kreation von Michelangelo oder einem anderen begnadeten Bildhauer mit Namen Gott oder Rodin. Wie ist eigentlich der Vorname von Rodin? Richtig: Auguste. Und von Gott? Wie spreche ich ihn an, wenn ich mit ihm das fünfte Bier inklusive einigen Klaren trinke? Möglicherweise heißt er Carl oder Carlos. Vielleicht verschweigt er auch seinen Vornamen. Wohl aus gutem Grund. Weil er Chaos von den Engeln gerufen wird.
Pardon, ich schweife ab. Zurück zu ihr: Zierliche Fesseln reckten sich aus ..., na wie hießen die verdammten Dinger noch? Hochhöcker oder Hochstöcker? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein: Highheels. Die machten die Waden noch strammer. Sie war ein Kunstwerk, ein Gesamtkunstwerk, dem erotischen Traum des Schöpfers entsprungen. So schön, dass ich liebend gerne ein Holzstäbchen genommen hätte, um Gebiss und Zähne zu untersuchen. Gleich dem Schuldoktor damals in der ersten Klasse. Ich hätte das Stäbchen auf die Zunge gedrückt und ihr ein „aaaahh“ entlockt, das mit feinen Vibrationen aus der Kehle dringen würde. „Aaaahh.“ Ein J hätte ich ihr dazu geschenkt und es als Einladung verstanden.
Lang waren ihre Beine. Lang, lang ist es her, dass dieser Anblick meinen Augen geschenkt wurde. Würden meine Fingerspitzen von den Füßen empor gleiten, so bräuchten sie sicher einen ganzen Tagtraum, um von Pore zu Pore bis zum Po zu gelangen. Meine Augen würden wandern durch Tal und Höhe - einen ganzen Vormittag von der Ferse bis zur Kniekehle. So bräuchte ich Stunde um Stunde, um zu den „Kugeln des Paradieses“ zu gelangen. Der Himmelsvater höchstselbst holte sie von der Bowlingbahn und verzauberte sie zu himmlischen Rundungen. Himmlisch? Passte dies Adjektiv für einen Po?
Ich murmelte: „Himmlisch!“
Sie hob die Augenbrauen.
Meine Hände steckten in den Jackentaschen. Eine Vorsichtsmaßnahme. Sie sollten ruhig bleiben. Es zuckte mir in den Fingern. Ich sah in ihre Augen, leuchtend und gütig waren sie. Sie besaßen das geheimnisvolle Funkeln der Jugend und einer noch geheimeren durchliebtenliebten Nacht. Noch immer waren ihre Wangen gerötet. Ganz leicht nur, hingehaucht von einem zarten Kuss, so sanft, wie es nicht einmal das raffinierteste Make-up erschaffen könnte. Dieses Wunderwerk blieb nur einer liebenden Frau vorbehalten. Verdammt, wie jung mochte sie sein? Fünfundzwanzig, einunddreißig?
Wie schade, sie liebte mich nie. Sie sah mich ja nicht einmal. Sie sah einfach durch mich hindurch. Doch in ihren Augen glänzte die Liebe. Ich trat auf sie zu. Und ich ahnte eine Allwissenheit. Weit, weit hinter der Liebe versteckt schimmerte sie. Doch wohin ging ihr Blick? Sie sah nicht einmal in das Schaufenster. Sie sah auch nicht durch das Fenster in den Laden. Sie träumte sich viel weiter. Durch jede Wand hindurch. Wohin? Zu ihm?
Ihn hingegen sah ich nicht. Neben ihr stand er, die Hand um ihre Hüfte gelegt, mit leichtem Druck den Körper an sich ziehend, besitzergreifend.
„Mein“, war ihm auf die Stirn tätowiert. Auf ihrer Stirn stand jedoch nicht das Wort „sein“. Es stand etwas anderes dort. Ich konnte es nicht lesen.
„Achtzehn Riesen hab ich gestern gemacht“, raunte er ihr ins Ohr. Sein Rücken streckte sich. Oh, Du stolzer Hahn, dachte ich. Auch ich war Gockel, krähte und scharrte mit den Krallen, bis die Hühner gurrten und bereitlagen. Ich war der König im Hühnerstall, der Herr der ungelegten Eier, der Wichtigste von wichtig. „Herr Wichtig“ wurde ich getauft, kikeriki.
„Achtzehn, wie schön für Dich“, sagte sie gelangweilt.
Er grinste, dies Grinsen, dies gewisse. Mein ganzes Leben staunte ich darüber, hasste es vielleicht, bewunderte es manches Mal. Dieses besitzende Grienen. Immer war es eingetunkt in einer Tasse Öl aus dem Reich Hohn und gewürzt mit einer Prise Chayenne-Pfeffer aus fernem Lande Übermut. Dazu: „mein“, herausgeschrien ohne Stimme. Ich ahnte nicht, dass meine Freunde und Geschäftspartner eben dieses, mein freundliches und gewinnendes Lächeln, mir zusprachen: „Arroganter Scheißkerl, wenn der schon seine Mundwinkel verzieht und einen dabei überheblich mustert“, hieß es hinter meinem Rücken. War der Kerl also ein Spiegel meiner Vergangenheit? Oder: Sollte ich ihn für die Angeberei bestrafen, an den Marterpfahl der Eitelkeiten fesseln, am besten gleich erschießen? Er hatte es sich redlich verdient. Vielleicht erlöse ich ihn von meiner Qual und seiner Freude am Besitz. Ich griff mit der rechten Hand in die Jackentasche, fühlte das kalte Metall; ich könnte ihn erledigen, sie befreien. Befreien?
Die kalten Münzen wanderten durch Daumen und Zeigefinger. Und dann hielt ich ihn in den Fingern: Eins-sechs! Noch heute höre ich den Zahnarzt zu seiner Assistentin sagen: “Eins-sechs ... Extraktion ... gleich ... bereiten sie alles vor.” Noch heute fühle ich die Gänsehaut. Das war gestern.
Der Mann war vergessen, nun sah ich durch ihn.

Im Kindle-Shop: 60 - ERZÄHLUNG EINES MISTKERLS.<



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11. Juli 2018

'Erzieherin im Anerkennungsjahr: Eine Erzieherin redet Klartext' von Sofie Leonard

Kindle Edition | Taschenbuch
Das Buch unterstützt angehende Erzieherinnen und Erzieher bei ihrer täglichen Arbeit und gibt ihnen eine Orientierung aus der persönlichen Erfahrung einer Praktikantin.

Der Aufbau des Buches besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil finden die Leser den Erfahrungsbericht der Autorin nach Ereignissen im Laufe des Jahres. Es wird deutlich, wie die Rolle des Erziehers eingenommen wird und welche Hürden zu überwinden sind. Den selbstkritischen Blick der Autorin spüren die Leser sowohl bei der Schilderung des Alltags, als auch über das System der Auszubildenden.

Im zweiten Teil des Buches finden die Leser nützliche Tipps, wie man dieses Praktikumsjahr leicht überstehen kann. Diese Tipps entstanden aus der Lebenserfahrung der Autorin, welche die Leser selbst ausprobieren und erweitern können.

„Ich wollte so ein Buch lesen, bevor ich mein Anerkennungsjahr gemacht habe.“ Stefanie /Erzieherin
„Es ist ein nützlicher Ratgeber, den mehr Auszubildende lesen können.“ Ute Müller /Dozentin

Weitere Titel sind erschienen: "Externe Prüfung für Erzieherinnen - Kind mit Taube von Pablo Picasso: Betrachtung des Bildes 'Kind mit Taube' von Pablo Picasso“, "Paulo Freire und sein pädagogischer Handlungsansatz“, "Paulo Freire“

Leseprobe:
Alles, was ich hier geschrieben habe, beruht auf Tatsachen und ist in literarische Form gebracht. Die Erinnerung, dass ich Bücher gesucht habe, die mir helfen könnten, mein Anerkennungsjahr leichter zu gestalten, ist noch wach.
Solche Bücher habe ich nicht gefunden. Vielleicht gibt es welche. Vielleicht denkt jeder, es ist nur ein Jahr, es geht schnell vorbei, warum sollte ich so etwas schreiben. Das ist auch richtig, wenn man das Anerkennungsjahrs nur von dieser Seite betrachtet - die Zeit vergeht sehr schnell.
Als ich die andere Seite gesehen habe, wurde mir klar, ein solches Buch würde nicht nur mir helfen meine Erfahrung zu verarbeiten, sondern es würde auch den Lesern, die ein solches Jahr vor sich haben, eine Orientierungshilfe bieten.
Weil wir ohne Orientierung und Kompass im großen Meer des Lebens statt nach Spanien auf dem Schiff nach Brasilien segeln werden.
Einen neutralen Blick zu bewahren, realistisch zu bleiben und Menschen und Situationen sachlich zu betrachten, war mein Ziel, als ich das Buch geschrieben habe.
Ab und zu finden Leser kritische Bemerkungen zu mir und meinen Handlungen, was ihnen helfen könnte, ihren eigenen Kompass richtig einzustellen.
Unsere Arbeitswelt ist kein Zuckerschlecken. Dazu gehört die Aus- und Weiterbildung.
Praktikumsjahr - was ist das?
Für die angehenden Erzieher/innen wird es noch Anerkennungsjahr genannt.
In verschiedenen Aus- und Weiterbildungsformen in den Sozialberufen läuft das Praktikum parallel zu der Theorie in der Fachschule. Manche PIAs oder normale Schüler arbeiten zwei Tage pro Woche und jede Ferien in der Einrichtung. Manche machen wochenweise ihre Praktikumserfahrung in der Einrichtung.
Manche, wie ich, haben ein ganzes Jahr, um sich in der Praxis zu behaupten. Es ist unterschiedlich in Deutschland, je nach Bundesland.
In einem Bundesland gibt es z.B. fünf Fachschulen für Sozialpädagogik, die berechtigt sind, diese staatliche Weiterbildung durchzuführen.
Das Fach nennt sich BFQ (Berufliche Fachqualifikation) und ist berufsbegleitend. Es ist als Weiterbildungsform für Kinderpfleger, Mütter im Mutterschutz oder Berufseinsteiger konzipiert.
Die Schüler besuchen während zwei Jahren zweimal in der Woche die Fachschule. Nach erfolgreicher praktischer Prüfung und Prüfungen in Theorie werden die Schüler zum Anerkennungsjahr zugelassen.
Sie haben ein Zeugnis in der Tasche, mit dem sie schon in den Einrichtungen arbeiten können und haben die Bezeichnung „staatlich geprüfte/r Erzieher/in“.
Diejenigen, die ihre staatliche Anerkennung anstreben, müssen ein Anerkennungsjahr in irgendeiner Einrichtung nachweisen.
Die Fachschulen sind berechtigt zu entscheiden, wer, wo und wie lange sein Anerkennungsjahr absolvieren kann.
Nach Erwerb der Bezeichnung „staatlich geprüfte Erzieherin“ musste ich selbst eine Stelle finden, wo ich mein Anerkennungsjahr absolvieren durfte.
Die Suche und die Bewerbungen haben bei mir gute sechs Monate gedauert, bis ich eine Stelle hatte. Für Menschen wie ich, die über 50 sind, läuft die Zeit langsamer und die Planung muss einige Monate voraus berücksichtigt werden.
Im Juni 2016 hatte ich immer noch keine Stelle. Viele Einrichtungen waren interessiert, ich habe zwei Tagen hospitiert, aber eine Stelle hatte ich nicht.

Im Kindle-Shop: Erzieherin im Anerkennungsjahr: Eine Erzieherin redet Klartext.

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10. Juli 2018

'Psychoterrorist' von Bella Muray

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Sehnsucht nach Liebe.
Ist es nicht das, was uns alle bewegt?

Immerhin treibt diese Sehnsucht Lena dazu, eine Kontaktanzeige ins Internet zu setzen. Schon nach dem ersten Date mit Julio glaubt sie, den perfekten Mann fürs Leben gefunden zu haben. Doch hinter seiner glänzenden Fassade verbergen sich Abgründe, die sie in ihrer Verliebtheit nicht einmal erahnt.

Ohne dass sich Lena dessen bewusst ist, entwickelt sich die Beziehung immer mehr zur Seelenfolter. Wird sie je wieder heil aus dem Geflecht subtiler Manipulationen herauskommen?

»… was ich in diesem Roman erzähle, ist nicht meine Geschichte und doch gründet sie auf eigenen Erfahrungen. Es sind Gefühle, die ich selbst erlebt habe, Gefühle der Selbstzweifel, Beklemmung, Hilflosigkeit und Angst. Denn das Fatale an der subtilen Gewalt ist die Hinterhältigkeit, mit der sie sich schleichend langsam immer weiter entfaltet, bis sie einem gänzlich die Luft zum Atmen raubt. Lange habe ich dieses Projekt hinausgezögert, doch nun ist es an der Zeit, Licht auf die Schatten zu werfen.
Als Romantasy-Autorin möchte ich vorneweg schicken, dass das reale Leben manchmal fantastischere, groteskere und unwirklichere Geschichten hervorbringt als jede Fantasie. Dieser Roman taucht ein in Abgründe der menschlichen Psyche, die Sie kaum für möglich halten und doch steckt mehr Realität darin, als Sie glauben werden.
Ihre Bella Muray«


Leseprobe:
Ein unheimliches Geschenk
Innere Leere lässt sich nur scheinbar durch einen Partner füllen.

Weiße Engel des Todes, dachte Lena beim Blick aus dem Fenster.
Sie stand in ihrem Zimmer im zweiten Stock des Studentenwohnheims. Draußen hatten die Bäume bereits ihre Blüten entfaltet, doch vom Himmel schwebten dicke Schneeflocken und legten sich auf die noch jungen Triebe, hüllten das hervorsprießende Leben in einen zarten Mantel aus Eiskristallen.
Sobald das Plasma gefriert, platzen die Zellwände und das Gewebe stirbt ab – für Lena als Biologiestudentin eine naheliegende Betrachtungsweise, die jedoch keineswegs so nüchtern war, wie es den Anschein haben mochte. Es war, als ob die Szene vor dem Fenster ein verborgenes Gefühl spiegelte. Vom Anblick dieser fragilen Schönheit gefangen, beobachtete sie, wie sich allmählich ein weißer Flaum um die zarten Blätter und Blüten legte. Eiskalt. Dabei sehnte sie sich doch so sehr nach der Wärme einer Liebesbeziehung. Da war so eine undefinierbare Leere in ihr, obwohl rein äußerlich alles perfekt zu sein schien.
Ein leises Pling riss Lena aus der Starre. Ihre Aufmerksamkeit wanderte zu den leuchtenden Ziffern auf dem Bildschirm. Eine neue Nachricht blinkte im E-Mail-Postfach. Es waren viele Rückmeldungen auf ihre Kontaktanzeige hingekommen – von unbekannten Männern, deren wahres Wesen sich übers Netz lediglich erahnen ließ. Natürlich war ihr klar, dass sie vorsichtig sein musste – allzu oft hörte man Schauergeschichten über Frauen, die nach einem Date mit einem Verehrer nicht wiederkehrten, von Perverslingen, die Opfer für abstruse Sexpraktiken suchten oder über Männer, die lediglich auf ein schnelles Abenteuer aus waren. Sicherlich bot das Internet nicht die optimalen Voraussetzungen, um einen Partner fürs Leben zu finden, doch rein zufällig war ihr die große Liebe bisher leider nicht über den Weg gelaufen. Mit dem knappen Budget einer Studentin konnte sie das Geld für ein seröses Datingportal nicht aufbringen. Aber wie so viele junge Frauen träumte auch Lena von der großen, einzigartigen Liebe, um ihrem Leben einen Sinn zu geben, um die einsame Leere in ihrem Inneren auszufüllen. Dafür ging sie auch schon mal riskante Wege. Sicher gab es im Wohnheim einige Studenten, denen sie gefallen würde, denn Lena war eine attraktive junge Frau; doch hier hatte sich bislang niemand gefunden, der ihre Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit hätte stillen können, niemand, mit dem sie sowohl ihr Bett als auch ihr Leben teilen wollte.
Ein Date hatte Lena bereits wahrgenommen: Der Kandidat schien vielversprechend, fast schon ein Seelenverwandter zu sein – ihre Gespräche im Chat, sein Foto und seine Art – Lena hatte sich verliebt. Aber als sie den jungen Mann dann persönlich getroffen hatte, waren die Schmetterlinge ziemlich schnell wieder fortgeflogen. Es gehört eben mehr zu einem Menschen als seine Gedanken und seine Fähigkeit, schöne Worte zu formulieren. Weder seine Ausstrahlung noch die Art, wie er sich gab, ließen die Funken zwischen ihnen sprühen. Er sah anders aus als auf dem Bild, das er ihr geschickt, und erst recht auf dem, das sie sich in ihrem Kopf zusammengezimmert hatte. Das Foto zeigte zwar eindeutig ihn, allerdings hatte der Fotograf ihn sehr vorteilhaft in Szene gesetzt.
Aber wer konnte ihm das verübeln? Im Grunde versuchte jeder, sich von seiner besten Seite zu präsentieren, oder nicht?
Die neue E-Mail stammte von einem Unbekannten und trug den Titel »Eine besondere Überraschung für einen besonderen Menschen.«
Klingt fast wie ein Werbeslogan. Wer schreibt denn so was?, wunderte sich Lena.
Als sie die Nachricht öffnete, fand sie nichts als das Foto eines kunstvoll dekorierten Pakets. Ihre Neugier war geweckt, dass hatte dieser Mann zumindest schon einmal geschafft.
»Hallo Unbekannter, was finde ich, wenn ich das Paket öffne?«
Die Antwort ließ auf sich warten. Als am Abend noch immer keine Nachricht von Mister Unbekannt eingegangen war, glaubte Lena tatsächlich schon an einen Werbegag, was aber unwahrscheinlich war, denn diese E-Mail-Adresse nutzte sie ausschließlich für die Kontakte der Anzeige.
Aber vielleicht hat sich jemand einen blöden Scherz erlaubt, überlegte sie.
Plötzlich klopfte es an der Tür und als Lena öffnete, strahlte ihr Tom, einer der zwölf Mitbewohner vom Stockwerk D3, mit breitem Grinsen entgegen.
»Das hat ein Bote unten für dich abgegeben«, erklärte er, wobei seine Augen vor Neugier glühten.
In den Händen hielt er ein Paket, das exakt so aussah, wie das auf dem Foto des Unbekannten und darauf prangte obendrein ein Schild mit ihrem Namen: »Lena Sommer«.
Sie zuckte erschrocken zusammen. Sprachlos starrte sie das Päckchen an. Innerlich wirbelte ein ganzer Cocktail an Gefühlen.
Die Idee ist ja extrem originell, aber andererseits verdammt gruselig. Woher kennt dieser Typ meine Adresse?
Lenas Herz raste und kleine Schweißperlen sammelten sich auf ihrer Stirn.
»Was ist los, Lena? Ein bisschen mehr Freude hätte ich schon erwartet«, wunderte sich Tom über ihre Reaktion.
Ihren Mitbewohner hatte sie vor lauter Schreck beinahe vergessen.
»Äh, d-danke, Tom«, stammelte sie und griff hastig nach dem Geschenk.
Doch er zog das Paket rasch zurück und hielt es unerreichbar hoch über seinen Kopf. Das war zu viel.
»Lass das, Tom!«
In ihrer Stimme lag ein Hauch von Hysterie, sodass er das Paket wieder sinken ließ. Seine belustigte Miene wandelte sich in eine besorgte.
»Stimmt etwas nicht mit dem Paket? Was ist los?«
Sie wich seinem Blick aus, entriss ihm hastig das Geschenk und drückte eilig die Tür zu. Im letzten Moment griff Tom nach der Klinke und hielt dagegen.
»Lena, wenn du Hilfe brauchst, gib mir Bescheid, okay?«, rief er durch den Spalt.
»Ja, ja, danke!«, antwortete sie hastig, während sie die Tür ins Schloss schob.
Als sie endlich allein war, stellte sie das Geschenk auf ihren Schreibtisch und setzte sich auf den Bürostuhl, um es eingehend zu betrachten, als handele es sich um ein Tier von einem fremden Planeten.
Ob ich es wirklich öffnen soll? Was, wenn da ein Irrer eine Bombe drin versteckt hat oder Gift oder irgendetwas Perverses?
Das Handy klingelte und Lena zuckte vor Schreck zusammen. Genervt kontrollierte sie das Display: Mama. Ihre Mutter war mit der besonderen Begabung gesegnet, in den unpassendsten Momenten anzurufen. Vielleicht lag es daran, dass sie nach der Scheidung allein in einem großen Haus lebte – mehrere hundert Kilometer entfernt von Frankfurt – und in der Stille ihrer vier Wände einen siebten Sinn das falsche Timing entwickelt hatte. Doch Brigitte würde sich jetzt gedulden müssen; vor lauter Aufregung wäre Lena kaum in der Lage, ein vernünftiges Telefongespräch mit ihrer Mutter zu führen. Sie schaltete das Handy stumm und widmete sich wieder dem Paket.

Im Kindle-Shop: Psychoterrorist.



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