20. Dezember 2019

'EISIGE HÖLLE - Verschollen in Island' von Álexir Snjórsson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Autoren-Website
»Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.«

Was tust du, wenn während einer Islandreise deine Frau nach einem Streit mit dir spurlos verschwindet? Wenn du feststellst, dass dich der Polizist, der dich unter einem Vorwand festgenommen hat, betäuben will? Nutzt du die Gelegenheit zur Flucht und wendest dich in deiner Verzweiflung an deinen Schwiegervater in Deutschland, auch wenn dieser dich hasst und dir die isländische Polizei inzwischen den brutalen Mord an einer einheimischen Frau zur Last legt?

Oder wird dich das erst recht in den größten Albtraum deines Lebens stürzen …

Leseprobe:
Kapitel 1
Vor fünf Tagen, Rückblende
Mit eingezogenem Kopf kämpfte ich mich durch den knietiefen Schnee. Der Sturm stieß mich hin und her, gleichzeitig schienen sich die Krallen einer unsichtbaren Meute hungriger Raubkatzen in meine Kleidung zu schlagen. Sie zerrten und rissen an mir, als wollten sie mich zu Fall bringen, um mich zu zerfleischen.
Immer wieder sank ich mit einem Bein tiefer ein, als mit dem anderen, sackte seitlich in den Schnee und quälte mich wie ein weidwundes Tier erneut auf die Beine.
Als stünde ich unter Drogeneinfluss, begannen sich in meinem Verstand Einbildung und Realität zu vermischen. Ich hörte Stimmen. Erst weit entfernt, dann dicht neben und hinter mir. Ich blieb stehen, drehte mich im Kreis. Doch da war niemand. »Zeigt euch, ihre feigen Trolle!«, stieß ich heiser hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ein irres Kichern war die Antwort. Ich schüttelte den Kopf, stolperte weiter. Kein Zweifel, ich verlor den Verstand. Außer mir und meiner geflohenen Geisel war niemand in dieser menschenfeindlichen Einöde unterwegs. Der Unterschied war, dass sie sich hier oben zwischen den mächtigen Gletschern auskannte und wusste, wie sie dieser eisigen Hölle entrinnen konnte. Meine Chancen hingegen standen hierfür nahe bei null.
Noch war ich aber nicht bereit, mein drohendes Schicksal zu akzeptieren. Ich stapfte orientierungslos weiter, bis meine vor Kälte tauben Beine plötzlich nachgaben und ich in eine dichte Schneewolke gehüllt, in die Tiefe stürzte.
Ich prallte so hart auf den Rücken, dass es mir den Atem verschlug. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Panik erfasste mich. Ich war wie gelähmt, konnte mich nicht aufrichten.
Kurz bevor ich zu ersticken glaubte, löste sich die Verkrampfung in meiner Brust. Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug auch ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.
Ich blinzelte in die Schneeflocken, die über den Felsvorsprung wirbelten, von dem ich gestürzt war – und fühlte mich auf einmal entsetzlich müde.
Du darfst nicht liegen bleiben, Cooper, sonst erfrierst du! Ich schloss die Augen, sammelte meine verbliebenen Kräfte. Winselnd wie ein angefahrener Straßenköter wälzte ich mich auf den Bauch. Meine tauben, vor Kälte zitternden Hände krallten sich in den eisigen Untergrund. Unter quälenden Schmerzen stemmte ich meinen Oberkörper in die Höhe, rammte einen Fuß in den Boden und kam schwankend auf die Beine. Du musst weiter, musst in Bewegung bleiben, trieb mich eine innere Stimme wie ein Drill Sergeant an.
Einem Betrunkenen gleich, torkelte ich weiter durch das dichte Schneetreiben. Mit jedem Schritt fühlten sich meine Beine tauber an, bis sie mein Gewicht nicht mehr tragen wollten. Ich stolperte, stürzte erneut in den Schnee. Auf allen vieren kroch ich weiter. Winde dich nicht wie ein Wurm auf dem Boden herum, auf die Beine mit dir! Mit einem Ruck stemmte ich mich hoch, um gleich wieder Gesicht voran in den Schnee zu fallen.
Es hatte keinen Zweck, ich konnte nicht mehr. Mit letzter Kraft rollte ich mich langsam auf den Rücken.
Wie lange würde es wohl dauern, bis mich das weiße Leichentuch zugedeckt hatte? Würde ich so enden, wie die berühmte Gletschermumie aus der Jungsteinzeit? Wie hieß der Mann noch mal? Ach ja, Ötzi …
Erstaunlich, was für Gedanken einem durch den Kopf gingen, wenn das eigene Leben nur noch am seidenen Faden hing.
Hätte ich an eine höhere Macht geglaubt, dann hätte ich wohl das Bedürfnis verspürt, zu irgendeinem Gott zu beten. Doch zu welchem? Ich war nicht religiös. Und um es zu werden, war es jetzt definitiv zu spät.
Dass dieser trostlose und unwirtliche Ort die Bühne war, auf der ich meinen letzten Auftritt hatte, schmerzte mich erstaunlicherweise nicht. Auch nicht, dass ich nicht wusste, ob oder was nach dem Tod kam. Ich hatte gelebt, ich hatte geliebt und gekämpft. Eins bereute ich jedoch: so kurz vor dem Ziel versagt zu haben.
»Es … tut mir … leid, Cass«, keuchte ich. »Ich hätte mein Leben … für deins … gegeben.«
Angezogen wie von einem schwarzen Loch, schossen meine Gedanken zu dem verhängnisvollen Tag zurück, an dem das Schicksal die Weichen für diese eisige Endstation gestellt hatte …

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18. Dezember 2019

'Blinder Hass' von Alex Winter

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Alex Winter
»Ich habe den schwarzen Schatten in seinen Augen gesehen«, flüsterte der Aborigine. Seine Stimme klang angsterfüllt. »Er ist ein Kedic, ein Teufel in Menschengestalt …«

Als der Zürcher Sicherheitsexperte Vince Foster von seinem in Australien lebenden Bruder Bryan die unvollständige Kopie eines alten Tagebuches erhält, ahnt er zunächst nicht, welches düstere Geheimnis dieses birgt.

Vince ist jedoch nicht der Einzige, der sich für das Tagebuch interessiert: Die rote Doktrin, eine weltweit operierende Geheimorganisation, die einen teuflischen Plan verfolgt, der die Welt an den Rand des Abgrundes führen könnte, versucht mit allen Mitteln in den Besitz des Originaltagebuches zu gelangen. Während Vince verzweifelt nach Antworten sucht, gerät er immer tiefer in einen Strudel aus Verschwörungen, Intrigen und Mord.

Auf sich allein gestellt, gejagt von mächtigen Feinden und von der Polizei für einen skrupellosen Mörder gehalten, flieht Vince nach Australien.

Leseprobe:
Vince blickte in das diabolisch lächelnde Gesicht des Mannes. Obwohl er weder besonders groß noch kräftig war, jagte sein Anblick ihm einen kalten Schauder über den Rücken. Es war, als umhüllte ihn die Aura des Todes. Mit vorgehaltener Waffe in der einen Hand und einem großen Aktenkoffer in der anderen, stieg er wie ein böser Dämon die Treppe hinunter. Ein paar Stufen über Vince blieb er stehen.
»Wie ich sehe, sind Sie schon wieder ganz munter«, sagte er. »Das freut mich. Allerdings enttäuscht es mich, dass Sie uns schon wieder verlassen wollen. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, miteinander zu plaudern.«
»Von Ihrer Art, zu plaudern, habe ich schon gehört«, erwiderte Vince voller Abscheu.
Die Augen seines Gegenübers blitzten auf. »Ich sehe schon, mein Ruf eilt mir voraus.«
»Allerdings. Nur ist es ein äußerst zweifelhafter.«
Der Dämon schob scheinbar nachdenklich die Unterlippe vor, dann lächelte er wieder. »Nun, das kommt darauf an, auf welcher Seite man steht.«
Langsam begann sich Vince’ Verzweiflung in grenzenlose Wut zu verwandeln. »Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?«
»Ich denke, Sie wissen, was ich will.«
»Ich habe keinen Schimmer.«
»Mein lieber Foster, Sie amüsieren mich. Ich hoffe wirklich, ich kann mich mit Ihnen etwas länger beschäftigen als mit Ihrem Schwiegervater. Und jetzt seien Sie so gut und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf, damit wir wieder nach unten gehen können.« Der Dämon befahl Vince, in der Mitte des Kellers stehen zu bleiben und warf einen Blick über die Schulter zu einem seiner Männer. Mit einem Kopfnicken gab er ihm zu verstehen, sich um die Verletzten zu kümmern.
»Ulrich hat einen gebrochenen Arm, aber sonst fehlt ihm wohl nichts. Er kommt schon wieder zu sich.«
»Was ist mit Beutler?«
»Den hat’s böse erwischt. Wir sollten ihn möglichst schnell zu einem Arzt bringen.«
»Nein. Bring ihn rein und leg ihn aufs Bett.«
»Aber er könnte sterben, wenn …«
»Und wenn schon!« Der Dämon trat zur Seite. »Du bist zu weich, Paul. Er hätte eben besser aufpassen müssen. Und nun mach, was ich gesagt habe.« Er wandte sich an Vince. »Und Sie legen sich auf den Metalltisch.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
Der Dämon hob seine Waffe und schoss. Die Kugel jagte nur Zentimeter neben Vince’ Kopf in die Wand. »Ich scherze nicht! Also los!« Kalt lächelnd beobachtete er, wie Vince seiner Aufforderung nachkam, dann schnallte er seine Hände und Fußgelenke mit den Gummimanschetten am Tisch fest. Er warf einen Seitenblick zu Paul. »Bring Ulrich zu einem Arzt. Erzähl, er sei die Treppe runtergefallen oder sonst was in der Art. Dann kommt ihr so schnell wie möglich zurück. Ich muss heute Nachmittag nochmals weg, um einige Dinge zu erledigen. Morgen früh bin ich zurück. Bis dahin bleibt Foster angeschnallt.«
»Okay. Und was machen wir mit Beutler?«, fragte Paul.
»Ich habe euch gesagt, worum es hier geht. Verzögerungen können wir uns nicht leisten.«
»Dann wär’s wohl besser, die Sache jetzt gleich zu erledigen«, meldete sich nun der Langhaarige zu Wort, der mit den Hunden auf dem Treppenabsatz stehen geblieben war.
Der Dämon lächelte kalt. »Das hatte ich vor …«
Als seine Männer den Keller verlassen hatten, trat er neben Beutler. Einen Augenblick blieb er reglos vor ihm stehen, dann zog er das Kissen unter seinem Kopf hervor. Während er das Kopfkissen mit einer Hand auf Beutlers blutiges Gesicht drückte, fixierte er Vince mit kaltem Blick.
Vince wollte wegschauen, konnte es aber nicht. Fassungslos starrte er auf den erstickenden Mann. Seine Kehle wurde trocken wie Staub und sein Magen verkrampfte sich, bis er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Beutler wehrte sich nicht. Lediglich seine Füße zuckten zum Schluss ein wenig.
Als es vorbei war, trat der Dämon an den Metalltisch. »Sie sehen blass aus, Foster.«
»Sie skrupelloser Schweinehund!«
»Skrupellos?« Der Dämon schüttelte lächelnd den Kopf. »Dieser Mann war ein Berufsverbrecher. Er wusste, wenn es hart auf hart kommt, kann er keine Sonderbehandlung erwarten. Ihn in ein Krankenhaus zu bringen, wäre gefährlich gewesen. Sein Tod war somit eine Notwendigkeit, für die Sie durch Ihren unnötigen Fluchtversuch allein die Schuld tragen.«
»Aber sicher doch! So, wie für meine Entführung und das Blutbad in Neumanns Haus.«
Das Lächeln des Dämons gefror. »Die Sache mit Wenz und Ihrem Schwiegervater war ein bedauerlicher Fehler meinerseits, wie ich ungern zugebe. Ich habe die beiden unterschätzt. Sie werden sicher besser kooperieren.«
»Und wobei?«
»Bei der Beantwortung einiger offener Fragen. Beginnen wir doch gleich mit den Wichtigsten: Wer hat Ihnen die Kopien von Zieglers Tagebuch gegeben? Und wo befindet sich das Original?«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden. Wer ist Ziegler?«
Der Dämon strich sich langsam über die Glatze. »Was Sie da versuchen, ist sinnlos, glauben Sie mir. Es gibt Methoden, Menschen zum Sprechen zu bringen, die würden selbst die Besitzer dieser – wie ich finde – ziemlich geschmacklosen Sexfolterkammer in Staunen versetzen. Sie haben die Wahl.«
»Ich habe es Ihnen doch eben gesagt: Ich weiß nichts!«
»Und was ist das?« Der Dämon zog den Briefumschlag mit den Tagebuchkopien aus der Manteltasche.
Nun verlor Vince die Fassung. Eine nie gekannte Verzweiflung brach über ihn herein, fraß sich in sekundenschnelle wie eine ätzende Säure durch ihn hindurch. »Wo haben Sie das her?«, stieß er mit halb erstickter Stimme hervor.
Das teuflische Lächeln kehrte auf das Gesicht des Dämons zurück. »Ihre Freundin war so nett, mir den Schlüssel zum Schließfach zu überlassen. Übrigens, ein ausnehmend hübsches Mädchen. Was mich angeht, vielleicht eine Spur zu vulgär. Aber die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.«
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, rief Vince. Er zerrte an seinen Fesseln. »Wenn Sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt haben, bringe ich Sie um!«
Der Dämon warf den Kopf in den Nacken und lachte. Als er wieder auf Vince heruntersah, schienen seine Augen zu glühen. »In Ihrer Lage wirken Drohungen ziemlich lächerlich. Ich schlage vor, Sie beantworten jetzt meine Fragen – bevor ich die Geduld verliere und alles auf äußerst schmerzhafte Weise aus Ihnen heraushole.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
»Wie Sie wollen, ich habe Sie gewarnt.« Er zog zwei Lederriemen hervor, die an der Seite des Tisches befestigt waren, und spannte sie quer über den Tisch. Der eine lief über Vince’ Stirn und presste seinen Kopf auf das ungepolsterte Metall, der andere über seine Kehle, sodass er sich nicht mehr bewegen und auch kaum noch atmen konnte.
Aus den Augenwinkeln sah Vince, wie der Dämon seinen Aktenkoffer aufhob und zum Bett ging. Als er zurückkehrte, hielt er eine Mini-Bohrmaschine in der Hand. »Sie müssen wissen«, sagte er, »Verhörmethoden sind mein Steckenpferd. Da gibt es Menschen, die haben eine panische Angst vor Schlangen. Hält man ihnen eine vor das Gesicht, plaudern sie wie ein altes Waschweib. Anderen jagt schon der bloße Anblick einer Waffe einen gewaltigen Schreck ein. Ich persönlich verabscheue solche Leute. Sie haben keinen Mumm in den Knochen. Harte Typen sind mir viel lieber. Man könnte sagen, sie inspirieren mich.« Er fuhr Vince mit der Spitze der Bohrmaschine langsam über die Wange. »Einmal habe ich einem Kerl mit dem Skalpell die Haut abgezogen. Erst den einen Unterarm, dann den anderen. Sie werden es nicht glauben, aber obwohl er entsetzliche Schmerzen erduldete, verriet er mir nicht, was ich wissen wollte. Erst als ich ihm ein Augenlid abschnitt, gab er auf. Es ist wirklich faszinierend, wie unterschiedlich die menschliche Spezies in Ausnahmesituationen reagiert.«
»Sie … sind … pervers«, würgte Vince hervor.
»Vielleicht. Für Sie habe ich mir jedenfalls etwas ganz Besonderes ausgedacht ...«

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13. Dezember 2019

'Samael Rising' von Nici Hope

Kindle | Taschenbuch
Blutwut-Verlag
Sie begegnen sich im Flur.
Sie begegnen einander im Traum.
Sie begegnen Satan.


Privatermittler Matteo Martin und Gothicgirl Luna Schmidt sind eigentlich nur Nachbarn, aber zwischen den beiden scheint es eine besondere Verbindung zu geben. Während Matteo bei einer Ermittlung zum Spielball wahnsinniger Okkultisten wird, spielt Luna unwissend mit ihren magischen Fähigkeiten und geht zu weit.

Moderner Satanismus, ein ordentlicher Schuss Urban-Fantasy sowie jede Menge Blut und Sex. Abgedreht und doch bloß ein Auftakt ...

Leseprobe:
Luna - Beten
Meine Mutter war streng katholisch, bestand vehement auf ihre Religion und wirkte stets verbittert. Ihr Leben war ein Zyklus aus Beten, Beichten und Biederkeit. Wegen jeder Kleinigkeit schleifte sie mich in die Kirche. Einmal hatte ich draußen beim Spielen mein Kleid zerrissen, sodass man meine Knie und Oberschenkel sehen konnte. Es war so ein toller Sommertag gewesen. Mit den Kindern in der Nachbarschaft war ich auf Bäume und Dächer geklettert. Ein Tag mit Lakritz vom Kiosk und kindlicher Leichtigkeit. Aber als ich nach Hause kam, beschimpfte meine Mutter mich als dreckiges Luder und schleifte mich in die kalte dunkle Kirche zur Beichtbank. Ihre Worte hallten zeternd durch das Kirchenschiff: »Wie eine Hure zeigst du deine Beine. Du solltest dich schämen! Wenn du so weitermachst, holt dich der Teufel in sein Höllenfeuer!« Wie ich sie für ihren Glauben verabscheute.

Es war Anfang der Neunziger und alle Eltern kamen mir hip und cool vor, nur meine Mutter nicht. Sie klammerte sich an die Bibel und an die Kutte des Gemeindepriesters.
Sie würde verrückt werden, wenn sie wüsste, dass ich mir gerade einen neuen Vibrator gekauft habe oder das Zucken meines Beckenbodens genieße, wenn ich meinen heißen Nachbarn sehe.
Als Teenager fing ich an, mich für andere Religionen und Weltanschauungen zu interessieren, weil sich der Glauben meiner Mutter einfach nicht richtig anfühlte. Buddhismus, Hinduismus, Wicca, Esoterik und New-Age-Philosophien. Ich las diverse Bücher über Götter und Pantheons, landete später aber beim Hexentum, bei Kräuterkunde und Energien. Da bin ich bis jetzt hängen geblieben. Ich bin eine Jägerin nach altem Wissen und alten Büchern. Heute ist wieder ein Antik- und Trödelmarkt in der Stadt. Noch zwei S-Bahn-Stationen, dann bin ich da. Zwischen Krimskrams und vergilbten Bücherstapeln suche ich jedes Mal das Gleiche: Informationen über Magie, Heilkunde und Übernatürliches.
Ketzerei und Teufelszeug, würde meine Mutter sagen. Sie hat eine regelrechte Phobie, was diese Themen angeht, so wie ich beim Klang von Kirchenglocken eine gewisse Übelkeit verspüre. Der Klang von Zwang. Damals versteckte ich die Bücher gut, las sie heimlich mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke. Heute ist das nicht mehr nötig. Zu meiner Mutter habe ich den Kontakt abgebrochen. Sie war einfach zu negativ und zog mich mit ihrem christlichen Geschwafel nur runter. Ich bin mit neunzehn zu meinem damaligen Freund gezogen und habe neben dem Studium viel gejobbt, um auf eigenen Beinen zu stehen. Es hat funktioniert. Ich verdiene mittlerweile ganz gut mit dem Job in der Werbeagentur. Aber um ehrlich zu sein, langweilt mich dieses alltägliche Leben. Es passiert nichts. Jeder Tag ist gleich. Und genau deswegen verliere ich mich gern in Büchern, in Musik und in meinem Kopfkino. Nur dort geht es richtig ab.
An der nächsten Station muss ich aussteigen, also stehe ich auf und stelle mich neben die Tür, greife widerwillig in die Schlaufe über mir, um bei dem Gerüttel der Bahn nicht zu stolpern. Ich finde diese Schlaufen ekelhaft. Und nicht nur die. Natürlich starren mich wieder Leute an. Ich trage eine Mütze, lange offene Haare darunter, knackig kurze Shorts mit Netzstrümpfen, Chucks und einen weiten Mantel mit riesiger Kapuze. Alles in schwarz. Helles Make-up, kohleschwarz umrandete Augen und sündhaft teuren Lippenstift von Lime Crime in einem dunklen Violett. Auch wenn ich mich in keine Schublade stecken will, so sagen die Leute, ich bin ein Gothicgirl. Der Begriff stört mich nicht, aber ich frage mich, wie lange die Bezeichnung ›Girl‹ noch passt? Ich bin neunundzwanzig.
Die Blicke ignoriere ich und schiebe meine Ohrstöpsel so weit wie möglich in den Gehörgang. Auf dem Handy öffne ich eine Musik-App mit meiner Lieblingsplaylist. Die Zufallswiedergabe spielt Magic Dance von David Bowie. Das Lied zum Film Das Labyrinth, auch so etwas, das ich dank meiner fanatischen Mutter heimlich gucken musste. Wie recht Bowie doch mit dem Songtext hat. Mit Tanzen kann man sich heilen und glücklich machen.
Ich meine damit nicht Party, Saufen, Menschen. Ich meine damit, mich allein in einen Underground Club zu begeben und die ganze Nacht durchzutanzen, zu schwitzen wie bei einem Workout. Alles vergessen. Nur Tanzen, um zu tanzen. Für mich. Kein Interesse an sozialen Kontakten und Gesprächen. Betäubung und Trance durch Musik und Bewegung.
Gabrielle Roth, so eine New-Age-Tante, die mit einer Tanzmeditation bekannt geworden ist, sagt, dass Schwitzen eine Opfergabe an dein inneres Selbst sei. Sie bezeichnet Schweiß als heiliges Wasser, als Gebetsperlen, als flüssige Perlen der Befreiung und behauptet, wenn man tanzt, würde man beten. Aber nicht das Beten im Sinne meiner Mutter, sondern beten zu sich selbst, zur Ekstase. Ihre Empfehlung ist so hart, so tief, so erfüllt vom Beat zu tanzen, bis da nichts mehr ist außer eben Schweiß und Hitze. Und genauso halte ich es.

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'Tod eines Bierdimpfls: ein Niederbayernkrimi' von Ruth M. Fuchs

Kindle | Taschenbuch
Website Ruth M. Fuchs | Autorenseite im Blog
Das Straubinger Gäubodenfest: Brauchtum, Gaudi, Spaß – und ein Toter mitten im Bierzelt. Hauptkommissar Quirin Kammermeier steht vor einem Rätsel. Wie konnte jemand unter all den anderen Leuten unbemerkt erstochen werden? Und warum ausgerechnet ein harmloser und scheinbar allseits beliebter Rentner?

Doch damit nicht genug! Quirin muss sich auch noch mit einer neuen Kollegin abplagen, die ihn nicht ausstehen kann und daraus kein Hehl macht. Aber liegt das wirklich nur an Quirin? Oder ist es vielleicht doch eher das abscheuliche Problem, das die Neue mit sich herumträgt und unbedingt vor aller Welt verbergen will?

Leseprobe:
Jeden Freitagabend traf sich der Stammtisch. Es waren immer dieselben sieben Männer am selben Tisch: Anderl, Poldi, Franz, Sepp, Hans, Wastl und Georg, genannt Schosl. Sie gehörten weder einem Verein an noch einer bestimmten Berufsgruppe. Gemeinsam hatten sie eigentlich nur ihre Liebe zum Bier und zum gelegentlichen Schafkopfen und die Tatsache, dass sie an den Freitagen nichts Besseres zu tun hatten.
Hin und wieder standen Hans und Sepp auf, um eine rauchen zu gehen. Leider durfte man das im Lokal ja nicht mehr. Ein Umstand, der jedes Mal entsprechend abfällig kommentiert wurde.
„Mit dem Raucherg'setz hat mir die CSU recht as Kraut ausg'schütt“, beschwerte sich der Wastl, als er mal wieder aufstand. Hans erhob sich ebenfalls.
„Richtig. Ich glaube, ich wähle das nächste mal die Grünen“, erklärte er. Eigentlich wählte er ohnehin die Grünen, aber das erwähnte er nie. Zurecht, denn er erntete heftigen Widerspruch bei seinen Stammtischbrüdern.
„Die CSU hat scho mein Vatern g'wählt. Und mein Großvatern!“
„Ja. Was soll ma aa sonst wähl'n?“
„Aber ausg'rechnet der Söder? Hätt'ns da net an andern nehma kenna?“
„Ja, der Söder ...“
„Den hob ich amol kennag'lernt“, verkündete Poldi. „In Nürnberg. Da war er no a junger Hupfer ...“
„Eahm schaug o!“, feixte der Sepp. „Den Söder kennt er aa.“
„War des vor oder nachdem der Keiler dich o'ganga hat?“, witzelte Anderl prompt.
„A geh. Die Wuidsau, des war doch beim Schwammerlbrock‘n im Bayrischen Wald!“, winkte Poldi ab. „Wart amoi, i hob da a Buidl vom Markus ...“ Er kramte seine Brieftasche heraus und öffnete sie. Darin befand sich ein ganzer Stapel von Bildern, die er gewissenhaft durchging.
„Kennt's ihr den: Treffen sich zwoa Jäger – beide tot.“
Verblüfftes Schweigen, dann brüllten alle vor Lachen los. Selbst Franz, der sonst nur höflich lächelte, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Sepp, der Witzeerzähler, grinste zufrieden.
„Aber a Hund is' er fei scho, der Söder“, kam er dann wieder auf die Politik zurück. „Apropos: Wisst‘s ihr eigentlich, warum a Hund sich die Eier abschleckt? Weil er‘s ko ...“
„Ein Windhund, sonst nichts!“, winkte Hans aber nur ab, ohne auf Sepps Witz einzugehen. Er folgte Wastl nach draußen, um auch eine zu rauchen.
„Immer noch besser als der Aiwanger.“
„Der Opflsoft? Mit dem konnst mi jag'n! Der soll dahoam bleib'n. So viel Bier konn i gar net trink'n, dass i den ertrag'!“
„Dies Jahr kommt a Europaabgeordneter aus Niederbayern.“
„Net der Aiwanger? Des is recht.“
„So schlecht is der Aiwanger aa wieder net!“
Franz seufzte. Er hielt nicht viel von Politik. Eigentlich hielt er auch von den Stammtischbrüdern nicht allzu viel. Abgesehen von Hans gab es hier nur einen, wegen dem er jeden Freitag kam.
„Schreibst du bald mal wieder ein neues Buch?“, wandte er sich an Georg. „Ich hätte da eine Idee zu einem Mord mit einem Häcksler ...“
„Mein nächster Thriller, der hat noch Zeit“, winkte der Schosl aber nur ab. Das Thema Söder schien ihn viel mehr zu interessieren. „Kommt der Söder dieses Jahr auch wieder zum Anstich?“, fragte er nämlich in die Runde.
„Anstich? Was für ein Anstich?“ Poldi war klar, was Georg meinte, doch er gab sich ahnungslos.
„Oh mei, Schosl, man merkt halt gleich, dass du a Zuagroaster bist!“, erbarmte sich der Anderl und prostete Georg gutmütig zu. „Bist ja erst drei Jahr da. Aber so langsam soll'tst trotzdem scho wiss'n, dass es auf dem Gäubodenfest keinen Anstich net gibt. Mir sind da net auf der Wiesn.“
„Und mir hab‘n auch koan Trachteneinzug wie die Mingerer, sondern an Auszug“, fiel dem Sepp ein.
„Das hab ich auch noch nie verstanden“, gab Georg zu, der immerhin inzwischen wusste, dass mit ‚Mingerer‘ Münchner gemeint waren.
„Na, weil‘s aus der Stadt ausse geht – und nunter auf den Hag‘n!“
„Aber genaugenommen stimmt das doch schon lange nicht mehr ...“
„Des is uns wurscht. Des is Tradition.“
„Oh, ja, na klar.“ Georg wusste aus leidiger Erfahrung, dass es besser war, nichts mehr zu sagen, wenn die Tradition ins Spiel kam. Das berühmte ‚Schuhplatteln‘ war noch keine hundert Jahre alt, aber bereits festgemauerte Tradition. Ein Messer zur Lederhosen zu tragen – Tradition, host mi! Obwohl inzwischen viele in der Tasche für den ‚Hirschfänger‘, die so eine Lederhose meistens aufwies, lieber ihr Handy unterbrachten. Der historische Teil auf dem Gäubodenfest war auch Tradition, obwohl es den eigentlich erst seit ein paar Jahren gab. Das hatte Georg schnell lernen müssen, als er unvorsichtigerweise meinte, dass die Straubinger da wohl die Münchner mit ihrem Oktoberfest nachahmten. Er hatte zwei Runden Bier spendieren müssen, bis ihm die Stammtischbrüder diesen Ausrutscher verziehen.
Denn die Wiesn, also das Oktoberfest in München, wurde von allen sieben mit Verachtung gestraft. Zu groß, zu teuer, zu kommerziell und viel zu viele Ausländer, lautete die einhellige Meinung. Selbst Franz stimmte dem aus vollem Herzen zu. Da war das Straubinger Gäubodenfest schon etwas ganz anderes. Obwohl es das zweitgrößte Volksfest in Bayern war, hatte es dennoch den Ruf der bayerischen Gemütlichkeit behalten. So traf man dort in erster Linie einheimische Besucher auf dem Festplatz Am Hagen. Anfang des 19. Jahrhunderts als landwirtschaftliches Vereinsfest von König Maximilian I. Joseph ins Leben gerufen, standen ursprünglich Zuchtschauen und landwirtschaftliche Anbaumethoden im Vordergrund. Die spielten heutzutage, mit der Ostbayernschau, eher eine Nebenrolle, zumindest für die meisten der Besucher. Die interessierten sich mehr für die sieben Festzelte, die zahlreichen Essens- und Losbuden und die vielen Fahrbetriebe, bei denen vom Kinderkarussell über Achterbahn und Riesenrad bis hin zu den neuesten Fahrgeschäften alles vertreten war. Beliebt waren auch die Lampionfahrt mit Niederfeuerwerk auf der nahen Donau und natürlich das Großfeuerwerk am letzten Montag.
Das Gäubodenvolksfest begann immer am Freitag vor dem zweiten Samstag im August und dauerte elf Tage. Morgen sollte es nun mal wieder soweit sein – ein Pflichttermin für die Stammtischbrüder.
Da kamen Wastl und Hans wieder zurück und setzten sich auf ihre Stammplätze.
„Kennt's ihr den von dem Madl, das zum Tätowierer geht und möcht, dass er ihr eine Muschel innen auf den Oberschenkel tätowiert ...“, begann Sepp einen neuen Witz, wurde aber unterbrochen.

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12. Dezember 2019

'EISIGE HÖLLE - Verschollen in Island' von Álexir Snjórsson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Autoren-Website
»Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.«

Was tust du, wenn während einer Islandreise deine Frau nach einem Streit mit dir spurlos verschwindet? Wenn du feststellst, dass dich der Polizist, der dich unter einem Vorwand festgenommen hat, betäuben will? Nutzt du die Gelegenheit zur Flucht und wendest dich in deiner Verzweiflung an deinen Schwiegervater in Deutschland, auch wenn dieser dich hasst und dir die isländische Polizei inzwischen den brutalen Mord an einer einheimischen Frau zur Last legt?

Oder wird dich das erst recht in den größten Albtraum deines Lebens stürzen …

Leseprobe:
Kapitel 1
Vor fünf Tagen, Rückblende
Mit eingezogenem Kopf kämpfte ich mich durch den knietiefen Schnee. Der Sturm stieß mich hin und her, gleichzeitig schienen sich die Krallen einer unsichtbaren Meute hungriger Raubkatzen in meine Kleidung zu schlagen. Sie zerrten und rissen an mir, als wollten sie mich zu Fall bringen, um mich zu zerfleischen.
Immer wieder sank ich mit einem Bein tiefer ein, als mit dem anderen, sackte seitlich in den Schnee und quälte mich wie ein weidwundes Tier erneut auf die Beine.
Als stünde ich unter Drogeneinfluss, begannen sich in meinem Verstand Einbildung und Realität zu vermischen. Ich hörte Stimmen. Erst weit entfernt, dann dicht neben und hinter mir. Ich blieb stehen, drehte mich im Kreis. Doch da war niemand. »Zeigt euch, ihre feigen Trolle!«, stieß ich heiser hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ein irres Kichern war die Antwort. Ich schüttelte den Kopf, stolperte weiter. Kein Zweifel, ich verlor den Verstand. Außer mir und meiner geflohenen Geisel war niemand in dieser menschenfeindlichen Einöde unterwegs. Der Unterschied war, dass sie sich hier oben zwischen den mächtigen Gletschern auskannte und wusste, wie sie dieser eisigen Hölle entrinnen konnte. Meine Chancen hingegen standen hierfür nahe bei null.
Noch war ich aber nicht bereit, mein drohendes Schicksal zu akzeptieren. Ich stapfte orientierungslos weiter, bis meine vor Kälte tauben Beine plötzlich nachgaben und ich in eine dichte Schneewolke gehüllt, in die Tiefe stürzte.
Ich prallte so hart auf den Rücken, dass es mir den Atem verschlug. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Panik erfasste mich. Ich war wie gelähmt, konnte mich nicht aufrichten.
Kurz bevor ich zu ersticken glaubte, löste sich die Verkrampfung in meiner Brust. Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug auch ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.
Ich blinzelte in die Schneeflocken, die über den Felsvorsprung wirbelten, von dem ich gestürzt war – und fühlte mich auf einmal entsetzlich müde.
Du darfst nicht liegen bleiben, Cooper, sonst erfrierst du! Ich schloss die Augen, sammelte meine verbliebenen Kräfte. Winselnd wie ein angefahrener Straßenköter wälzte ich mich auf den Bauch. Meine tauben, vor Kälte zitternden Hände krallten sich in den eisigen Untergrund. Unter quälenden Schmerzen stemmte ich meinen Oberkörper in die Höhe, rammte einen Fuß in den Boden und kam schwankend auf die Beine. Du musst weiter, musst in Bewegung bleiben, trieb mich eine innere Stimme wie ein Drill Sergeant an.
Einem Betrunkenen gleich, torkelte ich weiter durch das dichte Schneetreiben. Mit jedem Schritt fühlten sich meine Beine tauber an, bis sie mein Gewicht nicht mehr tragen wollten. Ich stolperte, stürzte erneut in den Schnee. Auf allen vieren kroch ich weiter. Winde dich nicht wie ein Wurm auf dem Boden herum, auf die Beine mit dir! Mit einem Ruck stemmte ich mich hoch, um gleich wieder Gesicht voran in den Schnee zu fallen.
Es hatte keinen Zweck, ich konnte nicht mehr. Mit letzter Kraft rollte ich mich langsam auf den Rücken.
Wie lange würde es wohl dauern, bis mich das weiße Leichentuch zugedeckt hatte? Würde ich so enden, wie die berühmte Gletschermumie aus der Jungsteinzeit? Wie hieß der Mann noch mal? Ach ja, Ötzi …
Erstaunlich, was für Gedanken einem durch den Kopf gingen, wenn das eigene Leben nur noch am seidenen Faden hing.
Hätte ich an eine höhere Macht geglaubt, dann hätte ich wohl das Bedürfnis verspürt, zu irgendeinem Gott zu beten. Doch zu welchem? Ich war nicht religiös. Und um es zu werden, war es jetzt definitiv zu spät.
Dass dieser trostlose und unwirtliche Ort die Bühne war, auf der ich meinen letzten Auftritt hatte, schmerzte mich erstaunlicherweise nicht. Auch nicht, dass ich nicht wusste, ob oder was nach dem Tod kam. Ich hatte gelebt, ich hatte geliebt und gekämpft. Eins bereute ich jedoch: so kurz vor dem Ziel versagt zu haben.
»Es … tut mir … leid, Cass«, keuchte ich. »Ich hätte mein Leben … für deins … gegeben.«
Angezogen wie von einem schwarzen Loch, schossen meine Gedanken zu dem verhängnisvollen Tag zurück, an dem das Schicksal die Weichen für diese eisige Endstation gestellt hatte …

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'Mord & Nougat Crisp: Paula Anders' dritter Fall' von Klaudia Zotzmann-Koch

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Klaudia Zotzmann-Koch | Autorenseite im Blog
Im Museum soll es mehr Mumien geben. Paula Anders und ihre Nichte kreieren Schokoladen-Sarkophage für den Museumsshop. Bei der Anlieferung neuer Mumien für eine Sonderausstellung ereignen sich mysteriöse Todesfälle.

Doch statt eines Pharaonenfluchs sind tödliche Substanzen im Spiel, die ihren Weg ins beschauliche Hildesheim gefunden haben. Kriminalhauptkommissar Volker Müller gerät unter Zeitdruck, als sein Kollege mit den Substanzen in Berührung kommt.

Leseprobe:
»Und hepp!« Der Speditionsmitarbeiter in der weißen Arbeitshose wuchtete ein enormes Paket auf eine überdimensionale Sackkarre und Uwe Harms gab sich alle Mühe, die unhandliche Lieferung zu sichern. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte war, dass eines der Pakete Schaden nahm. Jedes einzelne davon war mehrere Millionen Euro wert. Wie beinahe jedes Mal. Der melierte Schnurrbart zuckte, als der Mann von der Spedition die Sackkarre ruckartig in Bewegung setzte. Die kleine Schwelle des breiten Liefereingangs verursachte ein beunruhigendes Scheppern im Innern des Pakets und Uwes Schnurrbart kräuselte sich gemeinsam mit seiner Oberlippe. Welcher Depp hatte bloß die Verpackung gemacht? Im Kopf ging er die Listen durch und kalkulierte, was wohl in diesem speziellen Paket sein mochte. Aber es war schwer zu sagen, sie waren alle in etwa gleich groß – es konnte jedes einzelne der bestellten Objekte sein. Uwe drückte auf den Knopf des Lastenaufzugs, während der Spediteur das nächste Paket auf die Sackkarre lehnte. Das Paket war nicht ganz bis nach hinten geschoben worden und schwankte bedenklich, als die Karre angekippt wurde. Uwe wurde schlecht. Er lief die wenigen Schritte zum geparkten Lkw und hielt schützend beide Hände gegen das obere Ende der Kiste. Er würde das nächste Mal darauf bestehen, dass sie ihm keinen Anfänger schickten. Ein Missgeschick konnte sich hier niemand leisten. Natürlich war die Spedition versichert, aber der lästige Papierkram …

Schließlich wuchteten sie das fünfte und schwerste Paket auf die Sackkarre, balancierten alles über die kleine Schwelle nach drinnen und schoben alle Kisten, die jeweils auf den kurzen Enden standen, mit kurzem Schwung über die nächste Schwelle in den Lastenaufzug. Für einen von beiden war noch Platz in der Kabine und der Spediteur blieb im Innern stehen, während Uwe in der Hälfte der Zeit den Weg über die Treppe nahm. Unten musste er auf den Aufzug warten. Sein Schnurrbart zuckte ungeduldig.

Endlich öffneten sich die Türen und Uwe sackte der Magen ein gutes Stockwerk tiefer.
»Was zur Hölle …«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das Chaos, das sich im Lastenaufzug vor ihm präsentierte. Eine der Holzkisten stand noch, alle anderen waren umgekippt, zwei obendrein aufgebrochen und Füllmaterial quoll auf den grauen Linoleumboden. Der Spediteur lag zuunterst unter den schweren Kisten, Blut lief ihm über eine Seite des Gesichts, mischte sich in den Staub des Verpackungsmaterials.
»Scheiße.« Uwes Schnurrbart sprang auf und ab, als er die knappen Informationen ins Funkgerät rief:
»Hol’ einen Krankenwagen!«

Der Schnurrbart hüpfte, als Uwe fassungslos auf den Boden schaute. Wie lang war der Aufzug gefahren? Ein Stockwerk nur. Dreißig Sekunden? Fünfundvierzig? Er fuhr langsam, aber nicht langsam genug, um das hier zu erklären. Der Spediteur lag unter zwei der Kisten und alles sah aus, als hätte hier drinnen ein Kampf stattgefunden. Aber wie …? Und mit wem? Uwe war kurz davor, an den ‚Fluch des Pharao’ zu glauben – die Kisten sollten fünf neue Exponate für die Mumien-Ausstellung enthalten. Holzwolle sah er aus den aufgeplatzten Kisten quellen und etwas Sägemehl. Als Uwe merkte, dass er seinen Atem anhielt, atmete er aus und zweimal tief ein. Er stand da wie angewurzelt – aber er musste dem Mann doch helfen! Er schüttelte seinen Kopf, wie um sich aus einem tiefen Traum zu befreien. Dann beugte er sich hinunter und machte sich an den Kisten zu schaffen. Sie waren verdammt schwer. Wie war der Mann bloß darunter geraten? Er zerrte und schaffte es, eine der Kisten von dem Mann herunterzuwuchten. Sie knallte hart auf den Boden des Lastenaufzugs und eine Wolke von ausgerieseltem Sägemehl erhob sich. Die zweite Kiste lag quer über dem Brustkorb des Mannes und jetzt, da die obere Kiste entfernt war, sah Uwe, wie sich das weiße Polohemd des Mannes rot verfärbte.
»Scheiße«, fluchte Uwe und der Schnurrbart hüpfte unwillig auf und ab.
Wieder ging er in die Hocke, um die Kiste mit der Kraft seiner Beine hochzustemmen. Auch sie war schwer, aber zum Glück ein wenig leichter als die vorige und er schaffte es beim ersten Versuch. Sie schwankte bedenklich, als er sie auf das kurze Ende stellte. Aber endlich hatte er den Mann befreit. Aus einem Loch in seinem Polohemd ragte eine blutige Rippe hervor. Uwe schluckte und wandte den Kopf ab.

Er wartete einige Atemzüge, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er weitermachen konnte. Er ging wieder in die Hocke, stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab und tastete mit zwei Fingern der anderen nach der Halsschlagader. Seine Hand zuckte zurück – er spürte keinen Puls.
»Scheiße!«, fluchte Uwe erneut.
Benommen ließ er die Knie den kurzen Weg zum Boden des Aufzugs sinken. Wo blieb denn der Krankenwagen? Konnte der überhaupt noch helfen?
Er stockte. Ja, er erinnerte sich genau, über das Funkgerät einen Krankenwagen angefordert zu haben. Aber hatte Erika geantwortet? Er dachte kurz nach. Nein, die ältere Dame am Empfang hatte seinen Funkruf nicht erwidert. Oder doch? Nein. … Oder? Verwirrt schaute Uwe sich um, starrte an die Decke des Aufzugs und die üblicherweise rechtwinkligen Streben tanzten vor seinen Augen. Er atmete tief ein, versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Welt drehte sich um ihn, er bekam keine Luft. Er wollte aufstehen und hinaus an die frische Luft. Er musste hier raus. Sofort. Die Wände schienen näherzukommen und seine Kehle war wie zugeschnürt. Er rappelte sich in den Kniestand, stützte sich mit dem Ellenbogen an die Aufzugtür und rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Das Sägemehl, das an seiner Handfläche geklebt hatte, brannte in seinem Auge und es begann, auf der Stelle zu tränen. Er brauchte seine gesamte Kraft, um sich an der glatten Tür hochzuziehen. Doch er schwankte, trat gegen den leblosen Körper und kippte seitlich gegen die mühsam aufgerichtete Box, die mit ohrenbetäubendem Krachen wieder der Schwerkraft erlag. Der Dominoeffekt tat das Seine dazu und Uwe wurde von der benachbarten Kiste umgerissen. Er fiel auf den Spediteur, merkte, wie dessen hervorstehende Rippe seine eigene Haut ankratzte und einen Wimpernschlag später, wie die niederrasende Kiste seinen linken Arm traf. Das Knacken seiner Knochen hörte sich gar nicht gut an, doch er bemerkte es nur am Rande. Uwe musste würgen und er bekam immer weniger Luft. Er verfiel in Schnappatmung. Die rechte Hand suchte zuckend nach dem Funkgerät.
‚Krankenwagen …‘, dachte er, als farbenfrohe Flecken sein Blickfeld erfüllten. Und dann war alles ruhig.

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11. Dezember 2019

'Blinder Hass' von Alex Winter

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Alex Winter
»Ich habe den schwarzen Schatten in seinen Augen gesehen«, flüsterte der Aborigine. Seine Stimme klang angsterfüllt. »Er ist ein Kedic, ein Teufel in Menschengestalt …«

Als der Zürcher Sicherheitsexperte Vince Foster von seinem in Australien lebenden Bruder Bryan die unvollständige Kopie eines alten Tagebuches erhält, ahnt er zunächst nicht, welches düstere Geheimnis dieses birgt.

Vince ist jedoch nicht der Einzige, der sich für das Tagebuch interessiert: Die rote Doktrin, eine weltweit operierende Geheimorganisation, die einen teuflischen Plan verfolgt, der die Welt an den Rand des Abgrundes führen könnte, versucht mit allen Mitteln in den Besitz des Originaltagebuches zu gelangen. Während Vince verzweifelt nach Antworten sucht, gerät er immer tiefer in einen Strudel aus Verschwörungen, Intrigen und Mord.

Auf sich allein gestellt, gejagt von mächtigen Feinden und von der Polizei für einen skrupellosen Mörder gehalten, flieht Vince nach Australien.

Leseprobe:
Vince blickte in das diabolisch lächelnde Gesicht des Mannes. Obwohl er weder besonders groß noch kräftig war, jagte sein Anblick ihm einen kalten Schauder über den Rücken. Es war, als umhüllte ihn die Aura des Todes. Mit vorgehaltener Waffe in der einen Hand und einem großen Aktenkoffer in der anderen, stieg er wie ein böser Dämon die Treppe hinunter. Ein paar Stufen über Vince blieb er stehen.
»Wie ich sehe, sind Sie schon wieder ganz munter«, sagte er. »Das freut mich. Allerdings enttäuscht es mich, dass Sie uns schon wieder verlassen wollen. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, miteinander zu plaudern.«
»Von Ihrer Art, zu plaudern, habe ich schon gehört«, erwiderte Vince voller Abscheu.
Die Augen seines Gegenübers blitzten auf. »Ich sehe schon, mein Ruf eilt mir voraus.«
»Allerdings. Nur ist es ein äußerst zweifelhafter.«
Der Dämon schob scheinbar nachdenklich die Unterlippe vor, dann lächelte er wieder. »Nun, das kommt darauf an, auf welcher Seite man steht.«
Langsam begann sich Vince’ Verzweiflung in grenzenlose Wut zu verwandeln. »Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?«
»Ich denke, Sie wissen, was ich will.«
»Ich habe keinen Schimmer.«
»Mein lieber Foster, Sie amüsieren mich. Ich hoffe wirklich, ich kann mich mit Ihnen etwas länger beschäftigen als mit Ihrem Schwiegervater. Und jetzt seien Sie so gut und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf, damit wir wieder nach unten gehen können.« Der Dämon befahl Vince, in der Mitte des Kellers stehen zu bleiben und warf einen Blick über die Schulter zu einem seiner Männer. Mit einem Kopfnicken gab er ihm zu verstehen, sich um die Verletzten zu kümmern.
»Ulrich hat einen gebrochenen Arm, aber sonst fehlt ihm wohl nichts. Er kommt schon wieder zu sich.«
»Was ist mit Beutler?«
»Den hat’s böse erwischt. Wir sollten ihn möglichst schnell zu einem Arzt bringen.«
»Nein. Bring ihn rein und leg ihn aufs Bett.«
»Aber er könnte sterben, wenn …«
»Und wenn schon!« Der Dämon trat zur Seite. »Du bist zu weich, Paul. Er hätte eben besser aufpassen müssen. Und nun mach, was ich gesagt habe.« Er wandte sich an Vince. »Und Sie legen sich auf den Metalltisch.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
Der Dämon hob seine Waffe und schoss. Die Kugel jagte nur Zentimeter neben Vince’ Kopf in die Wand. »Ich scherze nicht! Also los!« Kalt lächelnd beobachtete er, wie Vince seiner Aufforderung nachkam, dann schnallte er seine Hände und Fußgelenke mit den Gummimanschetten am Tisch fest. Er warf einen Seitenblick zu Paul. »Bring Ulrich zu einem Arzt. Erzähl, er sei die Treppe runtergefallen oder sonst was in der Art. Dann kommt ihr so schnell wie möglich zurück. Ich muss heute Nachmittag nochmals weg, um einige Dinge zu erledigen. Morgen früh bin ich zurück. Bis dahin bleibt Foster angeschnallt.«
»Okay. Und was machen wir mit Beutler?«, fragte Paul.
»Ich habe euch gesagt, worum es hier geht. Verzögerungen können wir uns nicht leisten.«
»Dann wär’s wohl besser, die Sache jetzt gleich zu erledigen«, meldete sich nun der Langhaarige zu Wort, der mit den Hunden auf dem Treppenabsatz stehen geblieben war.
Der Dämon lächelte kalt. »Das hatte ich vor …«
Als seine Männer den Keller verlassen hatten, trat er neben Beutler. Einen Augenblick blieb er reglos vor ihm stehen, dann zog er das Kissen unter seinem Kopf hervor. Während er das Kopfkissen mit einer Hand auf Beutlers blutiges Gesicht drückte, fixierte er Vince mit kaltem Blick.
Vince wollte wegschauen, konnte es aber nicht. Fassungslos starrte er auf den erstickenden Mann. Seine Kehle wurde trocken wie Staub und sein Magen verkrampfte sich, bis er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Beutler wehrte sich nicht. Lediglich seine Füße zuckten zum Schluss ein wenig.
Als es vorbei war, trat der Dämon an den Metalltisch. »Sie sehen blass aus, Foster.«
»Sie skrupelloser Schweinehund!«
»Skrupellos?« Der Dämon schüttelte lächelnd den Kopf. »Dieser Mann war ein Berufsverbrecher. Er wusste, wenn es hart auf hart kommt, kann er keine Sonderbehandlung erwarten. Ihn in ein Krankenhaus zu bringen, wäre gefährlich gewesen. Sein Tod war somit eine Notwendigkeit, für die Sie durch Ihren unnötigen Fluchtversuch allein die Schuld tragen.«
»Aber sicher doch! So, wie für meine Entführung und das Blutbad in Neumanns Haus.«
Das Lächeln des Dämons gefror. »Die Sache mit Wenz und Ihrem Schwiegervater war ein bedauerlicher Fehler meinerseits, wie ich ungern zugebe. Ich habe die beiden unterschätzt. Sie werden sicher besser kooperieren.«
»Und wobei?«
»Bei der Beantwortung einiger offener Fragen. Beginnen wir doch gleich mit den Wichtigsten: Wer hat Ihnen die Kopien von Zieglers Tagebuch gegeben? Und wo befindet sich das Original?«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden. Wer ist Ziegler?«
Der Dämon strich sich langsam über die Glatze. »Was Sie da versuchen, ist sinnlos, glauben Sie mir. Es gibt Methoden, Menschen zum Sprechen zu bringen, die würden selbst die Besitzer dieser – wie ich finde – ziemlich geschmacklosen Sexfolterkammer in Staunen versetzen. Sie haben die Wahl.«
»Ich habe es Ihnen doch eben gesagt: Ich weiß nichts!«
»Und was ist das?« Der Dämon zog den Briefumschlag mit den Tagebuchkopien aus der Manteltasche.
Nun verlor Vince die Fassung. Eine nie gekannte Verzweiflung brach über ihn herein, fraß sich in sekundenschnelle wie eine ätzende Säure durch ihn hindurch. »Wo haben Sie das her?«, stieß er mit halb erstickter Stimme hervor.
Das teuflische Lächeln kehrte auf das Gesicht des Dämons zurück. »Ihre Freundin war so nett, mir den Schlüssel zum Schließfach zu überlassen. Übrigens, ein ausnehmend hübsches Mädchen. Was mich angeht, vielleicht eine Spur zu vulgär. Aber die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.«
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, rief Vince. Er zerrte an seinen Fesseln. »Wenn Sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt haben, bringe ich Sie um!«
Der Dämon warf den Kopf in den Nacken und lachte. Als er wieder auf Vince heruntersah, schienen seine Augen zu glühen. »In Ihrer Lage wirken Drohungen ziemlich lächerlich. Ich schlage vor, Sie beantworten jetzt meine Fragen – bevor ich die Geduld verliere und alles auf äußerst schmerzhafte Weise aus Ihnen heraushole.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
»Wie Sie wollen, ich habe Sie gewarnt.« Er zog zwei Lederriemen hervor, die an der Seite des Tisches befestigt waren, und spannte sie quer über den Tisch. Der eine lief über Vince’ Stirn und presste seinen Kopf auf das ungepolsterte Metall, der andere über seine Kehle, sodass er sich nicht mehr bewegen und auch kaum noch atmen konnte.
Aus den Augenwinkeln sah Vince, wie der Dämon seinen Aktenkoffer aufhob und zum Bett ging. Als er zurückkehrte, hielt er eine Mini-Bohrmaschine in der Hand. »Sie müssen wissen«, sagte er, »Verhörmethoden sind mein Steckenpferd. Da gibt es Menschen, die haben eine panische Angst vor Schlangen. Hält man ihnen eine vor das Gesicht, plaudern sie wie ein altes Waschweib. Anderen jagt schon der bloße Anblick einer Waffe einen gewaltigen Schreck ein. Ich persönlich verabscheue solche Leute. Sie haben keinen Mumm in den Knochen. Harte Typen sind mir viel lieber. Man könnte sagen, sie inspirieren mich.« Er fuhr Vince mit der Spitze der Bohrmaschine langsam über die Wange. »Einmal habe ich einem Kerl mit dem Skalpell die Haut abgezogen. Erst den einen Unterarm, dann den anderen. Sie werden es nicht glauben, aber obwohl er entsetzliche Schmerzen erduldete, verriet er mir nicht, was ich wissen wollte. Erst als ich ihm ein Augenlid abschnitt, gab er auf. Es ist wirklich faszinierend, wie unterschiedlich die menschliche Spezies in Ausnahmesituationen reagiert.«
»Sie … sind … pervers«, würgte Vince hervor.
»Vielleicht. Für Sie habe ich mir jedenfalls etwas ganz Besonderes ausgedacht ...«

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6. Dezember 2019

'EISIGE HÖLLE - Verschollen in Island' von Álexir Snjórsson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Autoren-Website
»Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.«

Was tust du, wenn während einer Islandreise deine Frau nach einem Streit mit dir spurlos verschwindet? Wenn du feststellst, dass dich der Polizist, der dich unter einem Vorwand festgenommen hat, betäuben will? Nutzt du die Gelegenheit zur Flucht und wendest dich in deiner Verzweiflung an deinen Schwiegervater in Deutschland, auch wenn dieser dich hasst und dir die isländische Polizei inzwischen den brutalen Mord an einer einheimischen Frau zur Last legt?

Oder wird dich das erst recht in den größten Albtraum deines Lebens stürzen …

Leseprobe:
Kapitel 1
Vor fünf Tagen, Rückblende
Mit eingezogenem Kopf kämpfte ich mich durch den knietiefen Schnee. Der Sturm stieß mich hin und her, gleichzeitig schienen sich die Krallen einer unsichtbaren Meute hungriger Raubkatzen in meine Kleidung zu schlagen. Sie zerrten und rissen an mir, als wollten sie mich zu Fall bringen, um mich zu zerfleischen.
Immer wieder sank ich mit einem Bein tiefer ein, als mit dem anderen, sackte seitlich in den Schnee und quälte mich wie ein weidwundes Tier erneut auf die Beine.
Als stünde ich unter Drogeneinfluss, begannen sich in meinem Verstand Einbildung und Realität zu vermischen. Ich hörte Stimmen. Erst weit entfernt, dann dicht neben und hinter mir. Ich blieb stehen, drehte mich im Kreis. Doch da war niemand. »Zeigt euch, ihre feigen Trolle!«, stieß ich heiser hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ein irres Kichern war die Antwort. Ich schüttelte den Kopf, stolperte weiter. Kein Zweifel, ich verlor den Verstand. Außer mir und meiner geflohenen Geisel war niemand in dieser menschenfeindlichen Einöde unterwegs. Der Unterschied war, dass sie sich hier oben zwischen den mächtigen Gletschern auskannte und wusste, wie sie dieser eisigen Hölle entrinnen konnte. Meine Chancen hingegen standen hierfür nahe bei null.
Noch war ich aber nicht bereit, mein drohendes Schicksal zu akzeptieren. Ich stapfte orientierungslos weiter, bis meine vor Kälte tauben Beine plötzlich nachgaben und ich in eine dichte Schneewolke gehüllt, in die Tiefe stürzte.
Ich prallte so hart auf den Rücken, dass es mir den Atem verschlug. Ich wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Panik erfasste mich. Ich war wie gelähmt, konnte mich nicht aufrichten.
Kurz bevor ich zu ersticken glaubte, löste sich die Verkrampfung in meiner Brust. Ich röchelte, würgte und rang gierig nach Luft, gleichzeitig entwich mir mit jedem Atemzug auch ein großes Stück Lebenskraft. Ihren Platz nahm Kälte ein, eisige Kälte.
Ich blinzelte in die Schneeflocken, die über den Felsvorsprung wirbelten, von dem ich gestürzt war – und fühlte mich auf einmal entsetzlich müde.
Du darfst nicht liegen bleiben, Cooper, sonst erfrierst du! Ich schloss die Augen, sammelte meine verbliebenen Kräfte. Winselnd wie ein angefahrener Straßenköter wälzte ich mich auf den Bauch. Meine tauben, vor Kälte zitternden Hände krallten sich in den eisigen Untergrund. Unter quälenden Schmerzen stemmte ich meinen Oberkörper in die Höhe, rammte einen Fuß in den Boden und kam schwankend auf die Beine. Du musst weiter, musst in Bewegung bleiben, trieb mich eine innere Stimme wie ein Drill Sergeant an.
Einem Betrunkenen gleich, torkelte ich weiter durch das dichte Schneetreiben. Mit jedem Schritt fühlten sich meine Beine tauber an, bis sie mein Gewicht nicht mehr tragen wollten. Ich stolperte, stürzte erneut in den Schnee. Auf allen vieren kroch ich weiter. Winde dich nicht wie ein Wurm auf dem Boden herum, auf die Beine mit dir! Mit einem Ruck stemmte ich mich hoch, um gleich wieder Gesicht voran in den Schnee zu fallen.
Es hatte keinen Zweck, ich konnte nicht mehr. Mit letzter Kraft rollte ich mich langsam auf den Rücken.
Wie lange würde es wohl dauern, bis mich das weiße Leichentuch zugedeckt hatte? Würde ich so enden, wie die berühmte Gletschermumie aus der Jungsteinzeit? Wie hieß der Mann noch mal? Ach ja, Ötzi …
Erstaunlich, was für Gedanken einem durch den Kopf gingen, wenn das eigene Leben nur noch am seidenen Faden hing.
Hätte ich an eine höhere Macht geglaubt, dann hätte ich wohl das Bedürfnis verspürt, zu irgendeinem Gott zu beten. Doch zu welchem? Ich war nicht religiös. Und um es zu werden, war es jetzt definitiv zu spät.
Dass dieser trostlose und unwirtliche Ort die Bühne war, auf der ich meinen letzten Auftritt hatte, schmerzte mich erstaunlicherweise nicht. Auch nicht, dass ich nicht wusste, ob oder was nach dem Tod kam. Ich hatte gelebt, ich hatte geliebt und gekämpft. Eins bereute ich jedoch: so kurz vor dem Ziel versagt zu haben.
»Es … tut mir … leid, Cass«, keuchte ich. »Ich hätte mein Leben … für deins … gegeben.«
Angezogen wie von einem schwarzen Loch, schossen meine Gedanken zu dem verhängnisvollen Tag zurück, an dem das Schicksal die Weichen für diese eisige Endstation gestellt hatte …

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'Der ganz normale Weihnachtswahnsinn' von Annette Paul

Kindle | Tolino
Website Annette Paul
Ob durch Stress, Streit oder Einsamkeit, Weihnachten ist selten so, wie man es sich erhofft. Die Seligkeit der Kindheit wird bei Erwachsenen fast nie erreicht. Oder täuscht nur die Erinnerung? Aber vielleicht hilft es, wenn wir unsere überspannten Ansprüche reduzieren. Nicht erwarten, dass ausgerechnet zum Christfest alles besser ist als im restlichen Jahr.

32 Geschichten erzählen von den weihnachtlichen Freuden und Nöten. Zum Glück gibt es ab und zu Freunde und Nachbarn, die einem zur Seite stehen.

Leseprobe:
Ein Lächeln
Rike war genervt. Gleich am Morgen war alles schiefgelaufen. Der Wecker hatte nicht geklingelt, dabei war sie sich sicher, ihn gestellt zu haben. Hektisch hatte sie ihre Sachen übergestreift, zum Schminken war genauso wenig Zeit wie zum Frühstücken gewesen. Beim Bäcker reichte die Schlange bis auf die Straße, sodass sie sofort weiterhetzte. Dann fiel auch noch die S-Bahn aus. Betriebsstörung. Wie lange es dauern würde, wusste niemand. Ihre Chefin würde toben. Hoffentlich entließ sie Rike nicht vor Wut. Sie hatte ihrer Mitarbeiterin neulich eine Standpauke gehalten, weil sie Mitte November zwei Wochen mit einer Nierenbeckenentzündung krankgeschrieben war. Ausgerechnet im Weihnachtsverkauf. Die Firma stand kurz vor der Pleite. Rike hatte mit dem Arzt verhandelt, doch der ließ nicht mit sich reden. Und eine dauerhafte Schädigung ihrer Nieren wollte sie nicht riskieren, daher hielt sie sich strikt an die ärztlichen Anweisungen. Selbst danach hätte sie sich schonen müssen, aber das ging wirklich nicht. Wer sollte denn sonst die Waren packen und aufräumen?
Als die Bahn nach einer Ewigkeit wieder fuhr, der versprochene Schienenersatzverkehr war noch immer nicht eingetroffen, war der Zug überfüllt und nahm nicht alle Wartenden mit. Mit drei Stunden Verspätung erreichte Rike endlich den Hauptbahnhof, dort besorgte sie sich vorsichtshalber gleich eine Bescheinigung beim Servicecenter, obwohl sie dadurch weitere zwanzig Minuten verlor. Schließlich benötigten sehr viele den Zettel. Dabei hätten die Arbeitgeber sich leicht im Internet über die Zugausfälle informieren können.
Natürlich tobte die Chefin. Peinlich, mehrere Kunden standen im Geschäft und schauten irritiert zu den beiden Frauen. Eine Mutter mit zwei Kindern verließ fluchtartig den Laden. Ein junger Mann warf sich ritterlich in die Schlacht und erklärte der Chefin, dass am Morgen wirklich auf sämtlichen Bahnstrecken der Wahnsinn getobt hatte. Selbst die Einfallstraßen in die Stadt waren total verstopft gewesen.
Leider bewirkte sein Heldenmut das Gegenteil. Statt besänftigt zu sein, rastete Frau Hansen nun völlig aus. Rike konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie fühlte sich sowieso schon schlapp. Ihr Arzt würde ihr ohne Weiteres die Krankschreibung verlängern. Anstatt dankbar zu sein, dass Rikes Pflichtbewusstsein sie trotz nicht vollständig ausgeheilter Krankheit zur Arbeit trieb, machte diese Hexe ihr das Leben zur Hölle. Am liebsten hätte Rike sofort alles hingeworfen und wäre gegangen. Aber sie brauchte den Job doch. Sie war single und musste ihre Miete, die im Januar erneut anstieg, allein bezahlen. Zu allem Unglück war ihre Mutti nach einem schweren Autounfall vor kurzem ins Pflegeheim gekommen und Rike musste die Wohnung auflösen. Natürlich kam immer alles zusammen. Letzte Woche hatte sie sich dazu mit ihrer besten Freundin zerstritten. Sie war so unvorsichtig gewesen und hatte Nora vor ihrem neuen Freund gewarnt. Dabei ließ sie nur ganz vorsichtig einige Andeutungen durchscheinen. Ihr zu sagen, dass der schmierige Typ gleich aufdringlich geworden war, als Nora auf Toilette ging, traute sie sich gar nicht. Und Nike, die Dritte im Bund, äußerte sogar den Verdacht, dass der Kerl ihr Schmuck und Geld geklaut hätte.
Langsam wuchs ihr alles über den Kopf, dabei war doch schon in drei Tagen Heiligabend. Die schönste Zeit im Jahr. Zeit der Einkehr, der Besinnung, des Friedens.
Als ihr edler Ritter merkte, dass es schlimmer wurde und ihre Kollegin Ilona ihn zur Seite zog und ihm etwas zuflüsterte, nickte er und zog sich zurück.
Frau Hansen zeigte den ganzen Tag ihr verkniffenes Gesicht. Seit ihr Mann sich wegen einer Jüngeren von ihr getrennt hatte, traten solche Phasen öfter auf. Dann versuchten die Mitarbeiter, ihr so gut es ging, aus dem Weg zu gehen.
Irgendwie überstand Rike den Tag. Niedergeschlagen schlurfte sie heim. Sie beachtete die Weihnachtsstände und die Weihnachtsdekorationen, die sie sonst so liebte, überhaupt nicht. Sie würde auch nicht im Pflegeheim vorbeischauen. Die Kraft dazu hatte sie nicht mehr. Sie besorgte sich eine Tüte Schmalzgebäck, dabei hatte sie sich vorgenommen, weniger zu naschen. Aber damit musste sie an einem besseren Tag beginnen.
Langsam stieg sie die Stufen zum Gleis hinunter. Zum Glück fuhren die Züge wieder. Die Menschenmassen hatten sich längst verlaufen. Eine ältere Dame kam ihr, auf einen Stock gestützt, entgegen. Ihre Blicke fanden sich. Sie lächelte Rike aufmunternd an. Ihr Lächeln war so strahlend, dass Rike warm ums Herz wurde. Sie fühlte sich sogleich wohler und lächelte zurück.
Merkwürdig. Eine einzelne wildfremde Frau konnte einen miesen Tag aufhellen. Nein, die Dame war nicht der einzige Lichtblick gewesen. Der fremde Mann, der sich so vehement für sie eingesetzt hatte, war ebenfalls erfreulich gewesen, auch wenn er leider das Gegenteil von dem, was er wollte, bewirkt hatte.
Noch bevor Rike in die S-Bahn stieg, hatte sie den Entschluss gefasst, sich demnächst woanders zu bewerben.

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5. Dezember 2019

'Bittersweet Vibes: Jason & Sophie' von Monica Bellini

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Monica Bellini | Autorenseite im Blog
Bittersüß fühlt es sich an, denn nicht alles im Leben ist schwarz oder weiß.

Mit vierundzwanzig heiratet Sophie ihre große Liebe. Drei Jahre später ist sie Witwe und hat nur noch eine Sicherheit: Ihr Herz gehört Markus – für immer.

Jason „Toffifee“ Hart ist nicht nur verboten attraktiv. Der erfolgreiche Unternehmer setzt sich für Obdachlose und verfolgte Frauen ein – und ist der Liebling der Wiener Presse. Heute beneiden ihn diejenigen, die ihn früher als Bastard beschimpften und verprügelten. Doch ändert das nichts daran, dass seine Mutter die Tochter eines Schwarzen ist und sein Vater eine berühmte Dragqueen. Bekommt man einen Stempel aufgedrückt, wird man ihn nicht mehr los. Daher ist es das einzig Richtige, sich mit einem Eispanzer zu umgeben, Mitmenschen auf Distanz zu halten und Frauen ausschließlich als kurzfristige Ablenkung anzusehen.

Als ausgerechnet Sophie und Jason aufeinandertreffen, ist das emotionale Chaos vorprogrammiert ...

Abgeschlossener Liebesroman mit heißen Szenen und Happy End.
„Bittersweet Vibes: Jason & Sophie“ ist der zweite Roman der „LoveVibes“-Reihe. Alle Bände können ohne Vorkenntnisse gelesen werden.


Leseprobe:
SOPHIE
Die Sekretärin legt den Hörer auf und schenkt mir ein einnehmendes Lächeln. »Es dauert nur noch ein paar Minuten, Frau Schönfeld«, teilt sie mir mit. »Bei Herrn Hart verzögert sich heute alles ein bisschen.«
Ein bisschen?
Ich warte bereits seit einer halben Stunde und kenne mittlerweile jedes Bild, das die Wände des stylish eingerichteten Wartezimmers des Chefbüros schmückt, bis ins kleinste Detail. Außerdem habe ich nahezu alle der ausgelegten Frauenzeitschriften von vorn bis hinten durchgeblättert und die Überschriften der Artikel verinnerlicht. Wollen Frauen wirklich wissen, mit welchen Tricks sie die Aufmerksamkeit eines Mannes erregen können, selbst wenn dieser nichts von ihnen will?
Eigenartig, was für Unfug Journalisten zu Papier bringen, um Seiten zu füllen. Oder bin ich es, die nicht versteht? In Anbetracht meines absolut nicht aufregenden – um nicht zu sagen nicht existierenden – Liebeslebens müsste ich wohl dieser Art von Zeitschriften mehr Beachtung schenken. Aber will ich das? Es ist ja nicht so, dass sich nie jemand für mich interessiert hat.
Markus hat sich auf den ersten Blick in mich verliebt – und ich mich in ihn. Damals, als ich ihm am Tag der Immatrikulation auf der Treppe der Akademie der bildenden Künste in die Arme stolperte, war es um uns geschehen. Dieser eine Augenblick hatte unser beider Leben verändert, es zu einem gemacht. Wir waren verschmolzen, zu einer Einheit geworden. Gemeinsam haben wir jede einzelne Hürde des Studiums genommen, uns gegenseitig zu Höchstleistungen angetrieben, ausnahmslos sämtliche Prüfungen in Rekordzeit und mit Bestnoten abgelegt. Wir waren das Dreamteam, diejenigen, die alle anderen um ihr Glück beneideten. Selbst unsere Eltern, die meinten, dass wir als frischgebackene Architekten mit vierundzwanzig noch viel zu jung waren, um zu heiraten, hatten einsehen müssen, dass das Alter unbedeutend war. Die große Liebe gibt es nur einmal im Leben. Wenn man Glück hat, denn manche finden sie nie. Warum also hätten wir warten sollen, wo wir doch genau wussten, dass wir einander nie wieder gehen lassen würden? Bis dass der Tod euch scheidet, hatte der Dompfarrer bei der Trauung im Stephansdom gesagt. Und er hatte recht behalten. Auf entsetzliche Art und Weise. Nur drei wundervolle, erfüllende Jahre hatten wir miteinander gehabt – und jeden einzelnen Tag davon damit verbracht, unser Fachwissen in den Dienst derjenigen zu stellen, für die ein Brunnen oder ein mit einfachen Mitteln erbautes Krankenhaus in Zentralafrika den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachte. Doch unsere Liebe für den schwarzen Kontinent war uns zum Verhängnis geworden.
Mittlerweile sind ebenso viele Jahre vergangen, wie unsere Ehe gedauert hat. Die Hälfte der Zeit nach dem Studium war ich rundum glücklich gewesen und seither ... Der entsetzliche Schmerz hat nachgelassen. Die Erinnerungen an Markus sind es, die mir die Kraft gegeben haben, mein Leben neu zu ordnen. Es gibt so vieles, was einem Menschen Zufriedenheit schenkt, und manchmal spüre ich auch einen kleinen Funken Glück. Ich habe ein wundervolles Haus inmitten der Weinberge und wache morgens vom Gezwitscher der Vögel auf. Lange Zeit reichte das und heilte meine verwundete Seele. Aber seitdem ich wieder freier atmen kann und nicht mehr Tränen über meine Wangen laufen, sobald mein Blick auf das Foto auf dem Kaminsims fällt, dem letzten, das uns gemeinsam zeigt, bin ich unruhig.
Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich den Artikel, wie man seine Orgasmusfähigkeit verbessert, gelesen habe und auch dem über die Wirksamkeit hervorblitzender Dessous mehr als nur einen raschen Blick gewidmet habe. Gab es diese sexy Teile, die eigentlich nur aus Stofffitzelchen bestehen, immer schon? Und welchen Sinn hat ein Slip, der im Schritt der Länge nach geteilt ist? Wie unpraktisch wäre es gewesen, im Kongo bei schwüler Hitze da unten nichts zu spüren als das unablässige Reiben der Naht der Cargohose oder Jeans ... »Oh«, stoße ich leise aus, als ich weiterblättere und sich mir der Sinn dieses Höschens aufgrund ziemlich eindeutiger Skizzen erschließt.
»Frau Schönfeld? Herr Hart ist nun bereit, Sie zu empfangen«, unterbricht die Sekretärin meine Gedanken, die mir die Röte ins Gesicht schießen lassen. Was bei meiner hellen Haut, die mit dem Blond meiner Haare einhergeht, absolut nicht zu übersehen ist. Und das ausgerechnet jetzt!
Ich greife nach der Handtasche, die neben mir auf dem Sofa liegt, und stehe auf. Wahrscheinlich bin ich zu lässig und nicht dem Zweck entsprechend gekleidet, aber zumindest sind die engen Jeans, die weißen Sneakers und die himmelblaue Bluse bequem und haben mir die Wartezeit erträglicher gemacht.
Dankend nicke ich der Frau zu, die mir die riesige Doppeltür öffnet und sie hinter mir schließt.
Mit raschen Schritten durchquere ich den Raum und lasse mich auf einem der beiden Stühle vor Jason Harts Schreibtisch nieder, bevor ich zu dem Mann aufsehe, auf dessen Anblick ich vierzig Minuten habe warten müssen. Plötzliche Unruhe erfasst mich. Ich ziehe die Unterlippe zwischen die Zähne und starre ihn an. Keine Ahnung, wie oft ich ihn schon im Fernsehen oder auf Titelseiten einschlägiger Magazine, die über Mode und Lifestyle berichten, gesehen habe.
Er ist ... Mir fehlen die Worte.
Bisher habe ich ihn immer nur als innovativen und ausgesprochen erfolgreichen Unternehmer wahrgenommen, der aus dem Vibes im Wiener Bermudadreieck, das ihm seine Eltern vor acht Jahren übergeben haben, das Szenelokal schlechthin gemacht hat.
Einen Mann, der diesen Erfolg genutzt und die Agentur Vibes Events aufgebaut hat, die von Promihochzeiten und Sportevents bis hin zu Modeschauen und Vernissagen, also allem bis auf Musikevents, organisiert.
Jemand, der, auf einer schlichten Idee aufbauend, das Modelabel Vibes Fashion gegründet hat – ungefähr vor drei Jahren, in etwa, als ich aus dem Kongo zurückkam. Ein Label, das für Casual-Chic steht und für die Produktion ausschließlich natürliche Rohstoffe nachgewiesener Herkunft verwendet. Innerhalb kurzer Zeit hat er unmittelbar nach dem österreichischen den gesamten europäischen Markt erobert, und laut Presseberichten ist Jason Hart nun mit seinen tragbaren und erschwinglichen Kollektionen auf dem besten Weg, auch in Übersee Fuß zu fassen – von den Vereinigten Staaten bis Asien.
Und ausgerechnet er ist irgendwie auf mich aufmerksam geworden. Seine Sekretärin hat mich in seinem Namen kontaktiert und zu einem persönlichen Gespräch eingeladen.
Um mich dann eine knappe Dreiviertelstunde warten zu lassen, meldet sich mein Unterbewusstsein gehässig. Obwohl ich ohnehin schon einen halben Tag opfere, um nach Wien zu fahren, mich durch den Verkehr der Metropole zu quälen, eine Tiefgarage anzusteuern und später wieder im Schneckentempo aus der Stadt zu kommen.
Um dem schweigenden Mann nicht ins Gesicht sehen zu müssen, mustere ich die locker sitzende senfbraun und marineblau gemusterte Krawatte über dem weißen Hemd sowie das geöffnete dunkelgraue Jackett des Anzugs, das seine breiten Schultern perfekt ausfüllen.
»Danke, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind, Frau Schönfeld.«

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'Mord & Nougat Crisp: Paula Anders' dritter Fall' von Klaudia Zotzmann-Koch

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Klaudia Zotzmann-Koch | Autorenseite im Blog
Im Museum soll es mehr Mumien geben. Paula Anders und ihre Nichte kreieren Schokoladen-Sarkophage für den Museumsshop. Bei der Anlieferung neuer Mumien für eine Sonderausstellung ereignen sich mysteriöse Todesfälle.

Doch statt eines Pharaonenfluchs sind tödliche Substanzen im Spiel, die ihren Weg ins beschauliche Hildesheim gefunden haben. Kriminalhauptkommissar Volker Müller gerät unter Zeitdruck, als sein Kollege mit den Substanzen in Berührung kommt.

Leseprobe:
»Und hepp!« Der Speditionsmitarbeiter in der weißen Arbeitshose wuchtete ein enormes Paket auf eine überdimensionale Sackkarre und Uwe Harms gab sich alle Mühe, die unhandliche Lieferung zu sichern. Das Letzte, was er jetzt brauchen konnte war, dass eines der Pakete Schaden nahm. Jedes einzelne davon war mehrere Millionen Euro wert. Wie beinahe jedes Mal. Der melierte Schnurrbart zuckte, als der Mann von der Spedition die Sackkarre ruckartig in Bewegung setzte. Die kleine Schwelle des breiten Liefereingangs verursachte ein beunruhigendes Scheppern im Innern des Pakets und Uwes Schnurrbart kräuselte sich gemeinsam mit seiner Oberlippe. Welcher Depp hatte bloß die Verpackung gemacht? Im Kopf ging er die Listen durch und kalkulierte, was wohl in diesem speziellen Paket sein mochte. Aber es war schwer zu sagen, sie waren alle in etwa gleich groß – es konnte jedes einzelne der bestellten Objekte sein. Uwe drückte auf den Knopf des Lastenaufzugs, während der Spediteur das nächste Paket auf die Sackkarre lehnte. Das Paket war nicht ganz bis nach hinten geschoben worden und schwankte bedenklich, als die Karre angekippt wurde. Uwe wurde schlecht. Er lief die wenigen Schritte zum geparkten Lkw und hielt schützend beide Hände gegen das obere Ende der Kiste. Er würde das nächste Mal darauf bestehen, dass sie ihm keinen Anfänger schickten. Ein Missgeschick konnte sich hier niemand leisten. Natürlich war die Spedition versichert, aber der lästige Papierkram …

Schließlich wuchteten sie das fünfte und schwerste Paket auf die Sackkarre, balancierten alles über die kleine Schwelle nach drinnen und schoben alle Kisten, die jeweils auf den kurzen Enden standen, mit kurzem Schwung über die nächste Schwelle in den Lastenaufzug. Für einen von beiden war noch Platz in der Kabine und der Spediteur blieb im Innern stehen, während Uwe in der Hälfte der Zeit den Weg über die Treppe nahm. Unten musste er auf den Aufzug warten. Sein Schnurrbart zuckte ungeduldig.

Endlich öffneten sich die Türen und Uwe sackte der Magen ein gutes Stockwerk tiefer.
»Was zur Hölle …«
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das Chaos, das sich im Lastenaufzug vor ihm präsentierte. Eine der Holzkisten stand noch, alle anderen waren umgekippt, zwei obendrein aufgebrochen und Füllmaterial quoll auf den grauen Linoleumboden. Der Spediteur lag zuunterst unter den schweren Kisten, Blut lief ihm über eine Seite des Gesichts, mischte sich in den Staub des Verpackungsmaterials.
»Scheiße.« Uwes Schnurrbart sprang auf und ab, als er die knappen Informationen ins Funkgerät rief:
»Hol’ einen Krankenwagen!«


Der Schnurrbart hüpfte, als Uwe fassungslos auf den Boden schaute. Wie lang war der Aufzug gefahren? Ein Stockwerk nur. Dreißig Sekunden? Fünfundvierzig? Er fuhr langsam, aber nicht langsam genug, um das hier zu erklären. Der Spediteur lag unter zwei der Kisten und alles sah aus, als hätte hier drinnen ein Kampf stattgefunden. Aber wie …? Und mit wem? Uwe war kurz davor, an den ‚Fluch des Pharao’ zu glauben – die Kisten sollten fünf neue Exponate für die Mumien-Ausstellung enthalten. Holzwolle sah er aus den aufgeplatzten Kisten quellen und etwas Sägemehl. Als Uwe merkte, dass er seinen Atem anhielt, atmete er aus und zweimal tief ein. Er stand da wie angewurzelt – aber er musste dem Mann doch helfen! Er schüttelte seinen Kopf, wie um sich aus einem tiefen Traum zu befreien. Dann beugte er sich hinunter und machte sich an den Kisten zu schaffen. Sie waren verdammt schwer. Wie war der Mann bloß darunter geraten? Er zerrte und schaffte es, eine der Kisten von dem Mann herunterzuwuchten. Sie knallte hart auf den Boden des Lastenaufzugs und eine Wolke von ausgerieseltem Sägemehl erhob sich. Die zweite Kiste lag quer über dem Brustkorb des Mannes und jetzt, da die obere Kiste entfernt war, sah Uwe, wie sich das weiße Polohemd des Mannes rot verfärbte.
»Scheiße«, fluchte Uwe und der Schnurrbart hüpfte unwillig auf und ab.
Wieder ging er in die Hocke, um die Kiste mit der Kraft seiner Beine hochzustemmen. Auch sie war schwer, aber zum Glück ein wenig leichter als die vorige und er schaffte es beim ersten Versuch. Sie schwankte bedenklich, als er sie auf das kurze Ende stellte. Aber endlich hatte er den Mann befreit. Aus einem Loch in seinem Polohemd ragte eine blutige Rippe hervor. Uwe schluckte und wandte den Kopf ab.

Er wartete einige Atemzüge, bis er sich so weit beruhigt hatte, dass er weitermachen konnte. Er ging wieder in die Hocke, stützte sich mit einer Hand auf dem Boden ab und tastete mit zwei Fingern der anderen nach der Halsschlagader. Seine Hand zuckte zurück – er spürte keinen Puls.
»Scheiße!«, fluchte Uwe erneut.
Benommen ließ er die Knie den kurzen Weg zum Boden des Aufzugs sinken. Wo blieb denn der Krankenwagen? Konnte der überhaupt noch helfen?
Er stockte. Ja, er erinnerte sich genau, über das Funkgerät einen Krankenwagen angefordert zu haben. Aber hatte Erika geantwortet? Er dachte kurz nach. Nein, die ältere Dame am Empfang hatte seinen Funkruf nicht erwidert. Oder doch? Nein. … Oder? Verwirrt schaute Uwe sich um, starrte an die Decke des Aufzugs und die üblicherweise rechtwinkligen Streben tanzten vor seinen Augen. Er atmete tief ein, versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Die Welt drehte sich um ihn, er bekam keine Luft. Er wollte aufstehen und hinaus an die frische Luft. Er musste hier raus. Sofort. Die Wände schienen näherzukommen und seine Kehle war wie zugeschnürt. Er rappelte sich in den Kniestand, stützte sich mit dem Ellenbogen an die Aufzugtür und rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Das Sägemehl, das an seiner Handfläche geklebt hatte, brannte in seinem Auge und es begann, auf der Stelle zu tränen. Er brauchte seine gesamte Kraft, um sich an der glatten Tür hochzuziehen. Doch er schwankte, trat gegen den leblosen Körper und kippte seitlich gegen die mühsam aufgerichtete Box, die mit ohrenbetäubendem Krachen wieder der Schwerkraft erlag. Der Dominoeffekt tat das Seine dazu und Uwe wurde von der benachbarten Kiste umgerissen. Er fiel auf den Spediteur, merkte, wie dessen hervorstehende Rippe seine eigene Haut ankratzte und einen Wimpernschlag später, wie die niederrasende Kiste seinen linken Arm traf. Das Knacken seiner Knochen hörte sich gar nicht gut an, doch er bemerkte es nur am Rande. Uwe musste würgen und er bekam immer weniger Luft. Er verfiel in Schnappatmung. Die rechte Hand suchte zuckend nach dem Funkgerät.
‚Krankenwagen …‘, dachte er, als farbenfrohe Flecken sein Blickfeld erfüllten. Und dann war alles ruhig.

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4. Dezember 2019

'Blinder Hass' von Alex Winter

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Alex Winter
»Ich habe den schwarzen Schatten in seinen Augen gesehen«, flüsterte der Aborigine. Seine Stimme klang angsterfüllt. »Er ist ein Kedic, ein Teufel in Menschengestalt …«

Als der Zürcher Sicherheitsexperte Vince Foster von seinem in Australien lebenden Bruder Bryan die unvollständige Kopie eines alten Tagebuches erhält, ahnt er zunächst nicht, welches düstere Geheimnis dieses birgt.

Vince ist jedoch nicht der Einzige, der sich für das Tagebuch interessiert: Die rote Doktrin, eine weltweit operierende Geheimorganisation, die einen teuflischen Plan verfolgt, der die Welt an den Rand des Abgrundes führen könnte, versucht mit allen Mitteln in den Besitz des Originaltagebuches zu gelangen. Während Vince verzweifelt nach Antworten sucht, gerät er immer tiefer in einen Strudel aus Verschwörungen, Intrigen und Mord.

Auf sich allein gestellt, gejagt von mächtigen Feinden und von der Polizei für einen skrupellosen Mörder gehalten, flieht Vince nach Australien.

Leseprobe:
Vince blickte in das diabolisch lächelnde Gesicht des Mannes. Obwohl er weder besonders groß noch kräftig war, jagte sein Anblick ihm einen kalten Schauder über den Rücken. Es war, als umhüllte ihn die Aura des Todes. Mit vorgehaltener Waffe in der einen Hand und einem großen Aktenkoffer in der anderen, stieg er wie ein böser Dämon die Treppe hinunter. Ein paar Stufen über Vince blieb er stehen.
»Wie ich sehe, sind Sie schon wieder ganz munter«, sagte er. »Das freut mich. Allerdings enttäuscht es mich, dass Sie uns schon wieder verlassen wollen. Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, miteinander zu plaudern.«
»Von Ihrer Art, zu plaudern, habe ich schon gehört«, erwiderte Vince voller Abscheu.
Die Augen seines Gegenübers blitzten auf. »Ich sehe schon, mein Ruf eilt mir voraus.«
»Allerdings. Nur ist es ein äußerst zweifelhafter.«
Der Dämon schob scheinbar nachdenklich die Unterlippe vor, dann lächelte er wieder. »Nun, das kommt darauf an, auf welcher Seite man steht.«
Langsam begann sich Vince’ Verzweiflung in grenzenlose Wut zu verwandeln. »Wer sind Sie und was wollen Sie von mir?«
»Ich denke, Sie wissen, was ich will.«
»Ich habe keinen Schimmer.«
»Mein lieber Foster, Sie amüsieren mich. Ich hoffe wirklich, ich kann mich mit Ihnen etwas länger beschäftigen als mit Ihrem Schwiegervater. Und jetzt seien Sie so gut und nehmen Sie die Hände hinter den Kopf, damit wir wieder nach unten gehen können.« Der Dämon befahl Vince, in der Mitte des Kellers stehen zu bleiben und warf einen Blick über die Schulter zu einem seiner Männer. Mit einem Kopfnicken gab er ihm zu verstehen, sich um die Verletzten zu kümmern.
»Ulrich hat einen gebrochenen Arm, aber sonst fehlt ihm wohl nichts. Er kommt schon wieder zu sich.«
»Was ist mit Beutler?«
»Den hat’s böse erwischt. Wir sollten ihn möglichst schnell zu einem Arzt bringen.«
»Nein. Bring ihn rein und leg ihn aufs Bett.«
»Aber er könnte sterben, wenn …«
»Und wenn schon!« Der Dämon trat zur Seite. »Du bist zu weich, Paul. Er hätte eben besser aufpassen müssen. Und nun mach, was ich gesagt habe.« Er wandte sich an Vince. »Und Sie legen sich auf den Metalltisch.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
Der Dämon hob seine Waffe und schoss. Die Kugel jagte nur Zentimeter neben Vince’ Kopf in die Wand. »Ich scherze nicht! Also los!« Kalt lächelnd beobachtete er, wie Vince seiner Aufforderung nachkam, dann schnallte er seine Hände und Fußgelenke mit den Gummimanschetten am Tisch fest. Er warf einen Seitenblick zu Paul. »Bring Ulrich zu einem Arzt. Erzähl, er sei die Treppe runtergefallen oder sonst was in der Art. Dann kommt ihr so schnell wie möglich zurück. Ich muss heute Nachmittag nochmals weg, um einige Dinge zu erledigen. Morgen früh bin ich zurück. Bis dahin bleibt Foster angeschnallt.«
»Okay. Und was machen wir mit Beutler?«, fragte Paul.
»Ich habe euch gesagt, worum es hier geht. Verzögerungen können wir uns nicht leisten.«
»Dann wär’s wohl besser, die Sache jetzt gleich zu erledigen«, meldete sich nun der Langhaarige zu Wort, der mit den Hunden auf dem Treppenabsatz stehen geblieben war.
Der Dämon lächelte kalt. »Das hatte ich vor …«
Als seine Männer den Keller verlassen hatten, trat er neben Beutler. Einen Augenblick blieb er reglos vor ihm stehen, dann zog er das Kissen unter seinem Kopf hervor. Während er das Kopfkissen mit einer Hand auf Beutlers blutiges Gesicht drückte, fixierte er Vince mit kaltem Blick.
Vince wollte wegschauen, konnte es aber nicht. Fassungslos starrte er auf den erstickenden Mann. Seine Kehle wurde trocken wie Staub und sein Magen verkrampfte sich, bis er das Gefühl hatte, sich übergeben zu müssen.
Beutler wehrte sich nicht. Lediglich seine Füße zuckten zum Schluss ein wenig.
Als es vorbei war, trat der Dämon an den Metalltisch. »Sie sehen blass aus, Foster.«
»Sie skrupelloser Schweinehund!«
»Skrupellos?« Der Dämon schüttelte lächelnd den Kopf. »Dieser Mann war ein Berufsverbrecher. Er wusste, wenn es hart auf hart kommt, kann er keine Sonderbehandlung erwarten. Ihn in ein Krankenhaus zu bringen, wäre gefährlich gewesen. Sein Tod war somit eine Notwendigkeit, für die Sie durch Ihren unnötigen Fluchtversuch allein die Schuld tragen.«
»Aber sicher doch! So, wie für meine Entführung und das Blutbad in Neumanns Haus.«
Das Lächeln des Dämons gefror. »Die Sache mit Wenz und Ihrem Schwiegervater war ein bedauerlicher Fehler meinerseits, wie ich ungern zugebe. Ich habe die beiden unterschätzt. Sie werden sicher besser kooperieren.«
»Und wobei?«
»Bei der Beantwortung einiger offener Fragen. Beginnen wir doch gleich mit den Wichtigsten: Wer hat Ihnen die Kopien von Zieglers Tagebuch gegeben? Und wo befindet sich das Original?«
»Keine Ahnung, wovon Sie reden. Wer ist Ziegler?«
Der Dämon strich sich langsam über die Glatze. »Was Sie da versuchen, ist sinnlos, glauben Sie mir. Es gibt Methoden, Menschen zum Sprechen zu bringen, die würden selbst die Besitzer dieser – wie ich finde – ziemlich geschmacklosen Sexfolterkammer in Staunen versetzen. Sie haben die Wahl.«
»Ich habe es Ihnen doch eben gesagt: Ich weiß nichts!«
»Und was ist das?« Der Dämon zog den Briefumschlag mit den Tagebuchkopien aus der Manteltasche.
Nun verlor Vince die Fassung. Eine nie gekannte Verzweiflung brach über ihn herein, fraß sich in sekundenschnelle wie eine ätzende Säure durch ihn hindurch. »Wo haben Sie das her?«, stieß er mit halb erstickter Stimme hervor.
Das teuflische Lächeln kehrte auf das Gesicht des Dämons zurück. »Ihre Freundin war so nett, mir den Schlüssel zum Schließfach zu überlassen. Übrigens, ein ausnehmend hübsches Mädchen. Was mich angeht, vielleicht eine Spur zu vulgär. Aber die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.«
»Was haben Sie mit ihr gemacht?«, rief Vince. Er zerrte an seinen Fesseln. »Wenn Sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt haben, bringe ich Sie um!«
Der Dämon warf den Kopf in den Nacken und lachte. Als er wieder auf Vince heruntersah, schienen seine Augen zu glühen. »In Ihrer Lage wirken Drohungen ziemlich lächerlich. Ich schlage vor, Sie beantworten jetzt meine Fragen – bevor ich die Geduld verliere und alles auf äußerst schmerzhafte Weise aus Ihnen heraushole.«
»Fahren Sie zur Hölle!«
»Wie Sie wollen, ich habe Sie gewarnt.« Er zog zwei Lederriemen hervor, die an der Seite des Tisches befestigt waren, und spannte sie quer über den Tisch. Der eine lief über Vince’ Stirn und presste seinen Kopf auf das ungepolsterte Metall, der andere über seine Kehle, sodass er sich nicht mehr bewegen und auch kaum noch atmen konnte.
Aus den Augenwinkeln sah Vince, wie der Dämon seinen Aktenkoffer aufhob und zum Bett ging. Als er zurückkehrte, hielt er eine Mini-Bohrmaschine in der Hand. »Sie müssen wissen«, sagte er, »Verhörmethoden sind mein Steckenpferd. Da gibt es Menschen, die haben eine panische Angst vor Schlangen. Hält man ihnen eine vor das Gesicht, plaudern sie wie ein altes Waschweib. Anderen jagt schon der bloße Anblick einer Waffe einen gewaltigen Schreck ein. Ich persönlich verabscheue solche Leute. Sie haben keinen Mumm in den Knochen. Harte Typen sind mir viel lieber. Man könnte sagen, sie inspirieren mich.« Er fuhr Vince mit der Spitze der Bohrmaschine langsam über die Wange. »Einmal habe ich einem Kerl mit dem Skalpell die Haut abgezogen. Erst den einen Unterarm, dann den anderen. Sie werden es nicht glauben, aber obwohl er entsetzliche Schmerzen erduldete, verriet er mir nicht, was ich wissen wollte. Erst als ich ihm ein Augenlid abschnitt, gab er auf. Es ist wirklich faszinierend, wie unterschiedlich die menschliche Spezies in Ausnahmesituationen reagiert.«
»Sie … sind … pervers«, würgte Vince hervor.
»Vielleicht. Für Sie habe ich mir jedenfalls etwas ganz Besonderes ausgedacht ...«

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3. Dezember 2019

Klaudia Zotzmann-Koch

Klaudia Zotzmann-Koch ist Autorin, Podcasterin und Datenschutzexpertin. Sie stammt aus dem niedersächsischen Vorharz und ist aktuell Wahlwienerin. Sie ist schreibend in Kaffeehäusern daheim, wo sie mit Kaffee- & Schokoladenkrimis ihren Weg ins Kriminelle begann. Mittlerweile schreibt sie auch historische Kriminalromane, ScienceFiction sowie Sachbücher.

Weblink: www.zotzmann-koch.com


Bücher im Buch-Sonar:




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2. Dezember 2019

'Knotenstricker' von Hannah Miller

Kindle (unlimited) | Thalia | BoD Taschenbuch
Website Hannah Miller (Helene L. Köppel)
Südfrankreich. Sommer. Der Geruch von Pinien …

Doch die Idylle trügt: Von einer hochgelegenen Jagdhütte aus beobachtet jemand aufmerksam die Ankunft der Schriftstellerin Annrose Pfeifer. Als sie nichtsahnend mit ihrem Mann aus dem Wagen steigt, zerreißt ein Schuss die Abendstille – und Annrose, die noch soviel vorhat im Leben, muss mit ansehen, wie von einer Sekunde auf die andere ihre Welt zerbricht.

Der Fall hält Kommissar Claret und die zuständige Staatsanwältin in Atem, denn es deutet einiges darauf hin, dass die deutsche Autorin der Toulouser Drogenmafia in die Quere kam. Doch dann gibt es noch einen weiteren beunruhigenden Verdacht …

„Knotenstricker“ ist ein pechschwarzer Psychothriller mit Südfrankreich- und Schwedenflair, in dem es um mehr geht, als um Plagiat, Rache und gestörte menschliche Wahrnehmung.

Leseprobe:
Saarlouis/Genf, Donnerstag, 19. Juli 2012
Unbegreiflich eigentlich, dass es Tage gibt, an denen einfach alles schief läuft! Zuerst war beim Einsteigen in den Zug ein kurzer heftiger Platzregen niedergegangen, der sich anhörte, als ob Millionen kleiner Glaskugeln auf das Dach des Waggons prasselten. Dann hatte sich Annrose Pfeifer, nass bis auf die Haut, mit ihrem Trolley durch die verstopften Gänge gequält, nur um kurz darauf festzustellen, dass ihr reservierter Sitzplatz bereits belegt war: Eine junge Mutter mit Kleinkind, beide ebenfalls sichtlich durchnässt, sah sie derart verzweifelt an, dass sie ihr bedeutete, sitzenzubleiben. Sie würde sowieso gleich umsteigen müssen, sagte sie, sie wolle nach Genf.
Aufatmend lehnte sie sich im benachbarten Gepäckabteil mit dem Rücken an die Wand und trocknete sich mit Papiertaschentüchern behelfsweise Gesicht und Haar. Ihre Frisur war vermutlich im Eimer und ihr neuer, hellgrauer Businessanzug roch ganz sicher so muffig-feucht wie die Boucléjacke der älteren Dame neben ihr. Beunruhigend fand sie es auch, dass der Zug nicht pünktlich weiterfuhr. Sie hatte doch beim nächsten Zwischenstopp in Saarbrücken nur fünf Minuten Zeit zum Umsteigen. Und tatsächlich rauschte ihr der Anschlusszug vor der Nase weg, und sie musste fünfzig Minuten auf den nächsten warten. Damit rannte ihr aber auch die Zeit davon. Sie hätte auf Robert hören und einen früheren Zug nehmen sollen!
Schließlich, als wenn es mit den Pannen an diesem Tag noch nicht reichen würde, verstauchte sie sich, der Eile geschuldet, im Bahnhof Genf-Cornavin den linken Knöchel. Das jedoch fand sie nun fast schon wieder zum Lachen.
Leicht hinkend, die Kleidung klamm, verließ Annrose den Bahnhof durch den Haupteingang. Doch bereits unter dem Vordach blieb sie abrupt stehen. Verdammt, der Tag war tatsächlich wie verhext: Auch in Genf schüttete es wie aus Gießkannen!
Sie zog die Einladungskarte aus ihrer Umhängetasche: Hotel Warwick, Rue de Lausanne 14, 1201 Genève, Schweiz, Beginn 20 Uhr. Zimmer reserviert.
Ein Blick auf die Bahnhofsuhr, dann humpelte sie mitten durch den Regen zum Taxistand. Der erste Chauffeur, den sie fragte, deutete auf ein in der Nähe befindliches hohes Gebäude. »Das Warwick schaffen Sie besser zu Fuß«, meinte er.
Besser zu Fuß? Na, dann … Annrose überquerte todesmutig die stark befahrene Straße und ratterte kurz darauf mit ihrem Rollkoffer in die elegante Lobby des Hotels.
Auf dem Weg zur Rezeption kam ihr ein junger Mann in einer verwaschenen orangeroten Jeansjacke und mit geschultertem Rucksack entgegen. Sie wollte ausweichen und – was hatte sie erwartet, an einem Tag wie diesem? – natürlich wich er zur selben Seite aus! Der zweite Versuch, nun nach der anderen Richtung, scheiterte ebenfalls.
»Sorry«, japste sie, während ihr die Regentropfen in den Nacken liefen, »meine Schuld, bin in Eile!«
»Aber nein, meine Schuld«, sagte er lachend und ließ ihr den Vortritt.
Annrose trat an den Tresen und nannte ihren Namen. Während der Rezeptionist seelenruhig den PC befragte, nahm sie aus den Augenwinkeln heraus wahr, dass der junge Mann, mit dem sie beinahe kollidiert wäre, plötzlich schräg hinter ihr stand. Hatte er nicht schon eingecheckt? Irritiert drehte sie sich nach ihm um. »Ja, bitte?«
»Literatur-Agentur Valtus?«, fragte er, kaugummikauend. Er war nicht viel größer als sie, vielleicht einsfünfundsechzig, zierlich gebaut, dunkelhaarig, ein mediterraner Typ.
Sie nickte erleichtert. »Sie etwa auch?«
»Bien sûr! Dann sind wir wohl Kollegen. Können wir uns duzen? Ich bin Danilo. Danilo Plonsky. Schon von mir gelesen?«
Annrose stutzte, lachte aber dann, weil er ihr zuzwinkerte. »Leider nein!« Sie nahm ihr Zimmerkärtchen entgegen und stellte sich ihm ebenfalls namentlich vor.
Ein erschrockener Blick auf die Uhr, und sie stürmten gemeinsam in Richtung Aufzug.
»Welches Stockwerk?«, fragte er, die Hand bereits auf der Schalttafel mit den Knöpfen.
»Sechstes«, antwortete sie. »Hoffentlich dauert es nicht ewig … Mein Zug hatte ein Problem, und dann noch der verdammte Regen heute!«
»Mach dich nicht verrückt«, meinte er. »Wir verpassen höchstens das Champagnersüppchen. Wollen wir nachher zusammen zum Empfang gehen? Sagen wir, in dreißig Minuten? Schaffst du das zeitlich? Mit der … Frisur und so?«
Sie zögerte nicht eine Sekunde. »Aber ja!«, sagte sie dankbar.

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