30. Juni 2020

'Nie im Leben: Auf der Suche nach Glück' von Lutz Spilker

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Lutz Spilker
Vom Schicksal beauftragt, eine leicht einprägsame Melodie zum Herbeiholen des Glücks zu komponieren, begibt sich Wolfgang Amadeus Mozart mit seinen beiden Begleitern William Shakespeare und Leonardo da Vinci auf eine abenteuerliche Reise.

Die anfänglich so einfach wirkende Aufgabe entpuppt sich jedoch als abenteuerliche Unternehmung. Die ersten Probleme beginnen schon während der Vorbereitung, denn Glück, was ist das überhaupt? Eine Empfindung, die jeder anders verspürt? Gibt es vielleicht gar kein Glück und alles entspricht bloß einer Einbildung oder einer Täuschung?

Hat sich das Schicksal etwa einen Streich erlaubt und laufen Mozart und seine Mitstreiter bloß einem Gespenst hinterher?

Anleser:
Wein, Weib und Gesang

Langsam wurde das Tageslicht schwächer. So gefiel es ihm am besten. Er genierte sich zwar schon lange nicht mehr vor den Nachbarn, wenn er um diese Zeit von Prostituierten besucht wurde, doch absichtlich wollte er kein Getratsche entzünden.
Das Knarren der Holzstufen war dann kaum noch zu hören. Die deutlich erkennbar weibliche Anhängerschaft der lockeren Moral, bewegte sich lautstark zu ihm in den zweiten Stock und schickte sich dort an, für eine ganz spezielle Art von Unterhaltung zu sorgen.
Den Weg dorthin kannten die Damen bereits.

Schließlich bestellte er sie nicht zum ersten Mal zu sich und im Zweifelsfall würden sie immer an den von ihm verursachten Geräuschen orientieren. Dann saß er an seinem Flügel und spielte.
Vor ihm standen die Gläser mit dem Wein, dem er schon reichlich zugesprochen hatte und sich, während er mit einer Hand spielte, mit der anderen immer wieder nachschenkte.
Das Klavier diente ihm sozusagen als Tablett. Es schien so, als wäre er in diesen Dingen geübt und es entstand unweigerlich der Eindruck, als würde er es immer so handhaben.
Wenn er dann die Türglocke läuten hörte, torkelte er drauflos, bat die albern kichernden Dirnen zu sich herein und begann sie umgehend zu begrabschen. Sie machten sich nichts daraus, wenn die Hand des Freiers in ihrem Dekolletè oder unter ihrem Rock verschwand. Es gehört zu ihrem Beruf und dafür wurden sie bezahlt.
Auch kam es häufig vor, dass seine Frau Reißaus nahm, weil sie sein Treiben nicht mehr ertragen konnte.

Jung war sie noch, genau wie er selbst. Oft blödelten sie stundenlang herum und tollten wie die Kinder in ihrer gemeinsamen Wohnung umher. Manchmal jagte er sie und manchmal jagte sie ihn. Sie johlten, lachten, warfen sich auf den Boden und küssten sich. Dann beschimpften sie sich wieder, bewarfen sich gegenseitig mit Gegenständen und lagen sich schon im nächsten Augenblick wieder in den Armen. Mal liebkosten sie sich und mal beleidigten sie sich. Mal waren sie vereint und mal waren sie entzweit.
Besonders eklig empfand sie es aber, wenn er schon früh am Morgen trank, anschließend und nur mit der Pyjamahose bekleidet auf dem Boden des Flurs umherkrabbelte, mit dem Gesicht in seinem eigenen Erbrochenen herumwühlte und dabei unverständliche und äußerst dämliche Laute von sich gab, weil er es für ihren üppigen Busen hielt.
Dann griff sie nach der großen Reisetasche, stopfte ihre Siebensachen hinein, fuhr ohne ›Auf Wiedersehen‹ zu sagen davon und verbrachte nicht zum ersten Mal einige Zeit bei ihrer Mutter.

Ihn ließ sie zurück. Er bemerkte ihre Abwesenheit erst am nächsten Morgen, wenn ein Teil seines Rausches verflogen war und ihn die Nüchternheit des Lebens wieder gefangen nahm – wie er es nannte.
Kontakt zu anderen Bewohnern des Hauses pflegte er kaum. Er grüßte freundlich und wurde ebenso nett wiedergegrüßt. Von seinen direkten Nachbarn kannte er bloß den Sohn.

Der Nachbarsjunge war mit der Zeit zu seinem Boten geworden und besorgte ihm alles, was er bestellte. Dazu klopfte er mit seiner Faust stets ein und denselben Rhythmus gegen die Wand und bereits nach wenigen Augenblicken trat der Bursche, wie von Geisterhand gesteuert, ins Zimmer.
Wie er jeweils dorthin kam, entzog sich gänzlich seiner Wahrnehmung. Vielleicht passierte all das aber auch lediglich in seiner Einbildung. Jedenfalls bekam er immer, wonach ihm gerade der Sinn stand, als wäre der Knabe der Nachbarschaft seine persönliche Wunschfee.

Mittlerweile saßen sie zu dritt in seinem Arbeitszimmer am Klavier. Flankiert von den beiden Liebesdienerinnen, hockte er in der Mitte. Die Gläser wurden gefüllt und die Wirkung des Rebensafts ließ die letzten Hemmungen fallen. Entweder wollte oder konnte er seine Hände nicht ausschließlich auf die Tasten des Instruments konzentrieren. Immer wieder grapschte er nach links oder rechts an eine der vermeintlich einladenden Oberweiten seiner beiden frivolen Unterhaltungsdamen.
Der Raum erweckte den Anschein, als sei dort noch nie aufgeräumt worden. Alles lag kreuz und quer im Zimmer herum und machte trotz des geschmackvollen Ambientes einen schäbigen Eindruck. Dutzende von fein säuberlich beschriebenen Notenblättern befanden sich wie weggeworfene Papierflieger an allen möglichen Plätzen.
Zwischen den Weinpokalen und etlichen leeren Flaschen, die auf dem Klavier standen, lugte eine Schreibfeder hervor, die in einem Tintenfass lehnte. An diesem Tag würde sie wohl nicht mehr benötigt werden, dennoch er in genau diesem Zustand die – seiner Meinung nach – besten Einfälle besaß und direkt notierte.

Aber seine Kompositionen seien nicht gut genug, behauptete er immer wieder. Was er dem Ohr des Zuhörers liefern würde, sei von allem zu viel, wurde gemunkelt. Der Mensch könne eine solche Fülle von Klängen nicht verarbeiten, tuschelte man. Er solle sich als Kompositeur zurückhalten und auf das Wesentliche beschränken, riet man ihm.
Dann wurde wieder geschäkert, gespielt und getrunken. Die Straßenmädchen kokettierten mit gekünstelter Wohlerzogenheit und entfachten seine Wollust damit immer wieder aufs Neue.
Doch dann ein Geräusch.

Alle spitzen die Ohren und saßen gespannt da. Von wo kam es? War es an dieser Tür oder eventuell in der Nachbarschaft?

Da war es wieder.
Irgendjemand pochte an die Wohnungstüre. Vielleicht war es der Nachbarsjunge. Doch warum sollte er erscheinen? Es wurde nicht nach ihm geschickt! Niemand klopfte um diese Zeit noch an die Türe fremder Leute und warum benutzte die Person nicht die Glocke, so wie es alle anderen auch taten?
Dauerhaft verstummte das Spiel. Auch der Gesang brach abrupt ab und jeder fuhr langsam mit der Zunge über seine Lippen, um den letzten Tropfen Wein nicht zu verschwenden.
Fragende Blicke wechselten zwischen den Dreien, denn irgendjemand musste zur Türe gehen, um nachzusehen.

Doch wer?
Der Hausherr stand schließlich selbst auf, schlich leise in Richtung der Haustüre und vernahm abermals dieses eindringliche Hämmern.
Seine Schritte wurden zunehmend vorsichtiger, als wäre es ihm verboten worden, ein Geräusch zu verursachen.

Dann stand er da.
Genau vor der Türe.
Ihm gegenüber befand sich etwas, was sich ihm gleich vorstellen würde, doch noch konnte er es nicht sehen. Dazwischen befand sich das Holz der Türe.
Vorsichtshalber schaute er durch den Spion, doch er sah nichts. Das Licht des Treppenhauses war bereits wieder erloschen, doch dem Verursacher des klopfenden Geräuschs machte es offensichtlich nichts aus im Dunklen zu stehen. Dann fasste er all seinen Mut zusammen und öffnete die Türe.
Es war keiner da. Hatte sich jemand einen Spaß erlaubt? War es vielleicht doch der Nachbarsjunge, der sich nun im Dunklen versteckt hielt und sich ins Fäustchen lachte?

Er konnte jedenfalls niemanden dort stehen sehen – aber er spürte etwas. Irgendjemand oder irgendetwas befand sich genau dort … genau vor ihm. Irgendetwas war es auf jeden Fall. Hatte sich doch jemand in der Dunkelheit versteckt?
Und dann hörte er eine Stimme.

Der Laut kam aus keiner der dunklen Ecken! Das Geräusch entstand direkt vor ihm.
»Ich bin das Schicksal aller Menschen!«, sagte eine Stimme. »Ich benötige eine Melodie, die immer, wenn sie ertönt, das Glück einfordert!«, hieß es weiter.
Dann verstummte die Stimme und das Schicksal verschwand. Deutlich hörte er noch das Knarren der Stufen.

Kreidebleich und sichtlich verstört betrat er anschließend sein Arbeitszimmer. Sein Erscheinen wurde bereits mit Sehnsucht erwartet, zumal er stimmungsvoll auf den Tasten zu spielen vermochte. Nun aber war seine Laune dahin.
Das Schicksal selbst gab ihm den Auftrag eine Melodie zu komponieren, welche das Glück herbeizurufen vermag, erzählte er und erzeugte bloß schallendes Gelächter. Doch Auslachen wollte er sich nicht lassen. Was er sagte, entsprach der Wahrheit und so wies er den beiden Hetären den Ausgang. Widerwillig standen sie auf, zupften sich ihre Gewänder zurecht, warfen trotzig den Kopf in den Nacken und empfahlen sich.
Da stand er nun und dachte mit Sorge an seinen soeben erhaltenen Auftrag. Melodien – so wusste er – waren schon seit Urzeiten in der Lage Dinge herbeizurufen, die allerdings nicht jeder sehen, hören oder anfassen konnte. Aber niemand machte sich jemals ungestraft über sie lustig, bezweifelte ihre Existenz oder stellte ihre Macht in Frage.

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29. Juni 2020

'Lynnwood Falls - Sommer der Liebe' von Helen Paris

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website | Autorenseite
Wo die Liebe auf dich wartet ...

Hope ist erfolgreiche Tierärztin in New York und führt ein schönes Leben mit ihrem Freund Colin. Bis ein familiärer Notfall sie dazu zwingt, in ihre Heimatstadt zurückzukehren: Lynnwood Falls. Hope will vorübergehend in der Tierarztpraxis ihrer Eltern aushelfen, in der auch Ryan arbeitet - ihre erste große Liebe. Doch die Beziehung ist vor Jahren im Streit auseinandergebrochen. Viele Dinge stehen zwischen ihnen, weshalb sie immer wieder aneinandergeraten. Hope will so schnell wie möglich wieder zurück nach New York. Gleichzeitig fühlt sie sich in der beschaulichen Kleinstadt seit langem erstmals wieder geborgen. Und dann bringt ausgerechnet Ryan ihre Vorsätze zum Schmelzen ...

Der erste Band der romantischen Reihe rund um die kleine Stadt Lynnwood Falls in Maine, in der verlorene Herzen ein Zuhause finden.
eBooks von beHEARTBEAT (Bastei-Lübbe).


Anleser:
Hopes Blick fiel auf den dritten leeren Stuhl, über dem eine Lederjacke hing, die ihr vage bekannt vorkam. Plötzlich erinnerte ihr trockener Mund sie daran, dass sie heute noch kaum etwas getrunken hatte. War das …?
In dem Moment klopfte es an der Tür, und sie öffnete sich.
Da stand er. Höchstpersönlich. Ryan.
Für diese Jahreszeit war er ungewöhnlich braun gebrannt; vermutlich verbrachte er viel Zeit im Freien. Der Dreitagebart, den er früher nicht getragen hatte, stand ihm ausgezeichnet und machte ihn männlicher, als sie ihn in Erinnerung hatte.
Mit einem Blick nahm sie seine schlanke Gestalt in sich auf. Die verwaschene Jeans saß eng auf seinen Hüften, die Füße steckten in Boots, und das khakifarbene T-Shirt spannte über seinen Schultern, die auch breiter als früher zu sein schienen. Seine Größe wirkte fast einschüchternd, doch sicherlich lag es nicht daran, dass er gewachsen war. Colin war nur ein Stück größer als sie, während Ryan sie um beinahe einen Kopf überragte.
Ihr Pulsschlag hämmerte ihr so laut in den Ohren, dass sie meinte, jeder im Raum müsse ihn hören. Er übertönte auch das Piepen der medizinischen Gerätschaften ihres Vaters.
Ihre Glieder schienen sich in Beton verwandelt zu haben, und sie starrte Ryan einfach nur an, unfähig, sich zu bewegen oder etwas zu sagen.
Auch er war wie in der Bewegung eingefroren und musterte sie stumm. Den Blick aus seinen braunen Augen konnte sie nicht deuten. Lag etwa Wehmut in seinem verhaltenen Lächeln?
Ihre Trennung war nach vier Jahren Fernbeziehung, in denen sie sich nur in den Semesterferien gesehen hatten, aus der Distanz erfolgt. Es war das erste Mal, dass Hope ihm seitdem gegenüberstand. Die vergangenen sechs Jahre hatten seinem guten Aussehen nicht geschadet, im Gegenteil. Das Männliche stand ihm hervorragend. Hätte er nicht einfach dick und glatzköpfig werden können?
„Hallo, Hope“, sagte er schließlich heiser, ohne Anstalten zu machen, ihr die Hand zu reichen. „Wie geht es dir?“
Sie räusperte sich. „Hi. Es war ein Schock, das mit Pops.“
Er nickte bekümmert. Falten gruben sich in seine Wangen. Es schien auch ihn mitgenommen zu haben.
„Und, was ist passiert, Ryan?“, mischte sich ihre Mutter ein. „Wer hat angerufen?“
Er schüttelte sich, als müsste er sich in die Gegenwart zurückbringen. „Mrs Bloombergs Hund ist unglücklich in ein Loch getreten und hat sich vermutlich das Bein gebrochen. Ich sollte gleich los.“
„Kommst du allein klar?“
„Das schaffe ich schon.“ Er legte kurz die Hand auf den Arm ihres Vaters, murmelte etwas und schnappte sich die Lederjacke vom Stuhl. Kurz meinte Hope, seinen Duft nach Kiefern und Sandelholz wahrzunehmen, doch vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet.
Das Leder der Jacke knirschte, als ihre Mutter ihn umarmte. „Richte Mrs Bloomberg liebe Grüße aus und alles Gute. Danke, dass du für uns da bist.“
Sanft tätschelte er ihren Rücken. „Da gibt es nichts zu danken, das ist selbstverständlich. Ich wäre gern geblieben und hätte die Ergebnisse gehört. Ich schaue, ob ich draußen noch einen Arzt erwische. Sag mir bitte gleich Bescheid, wenn ihr etwas Neues von Glenn wisst.“ Er umarmte auch Francy und nickte Hope zu. „Dann mach’s gut! Ich wünsche dir alles Gute!“ Mit der Andeutung eines Lächelns war er zur Tür hinaus.
Hope ließ sich auf den frei gewordenen Stuhl sinken, meinte, noch Ryans Körperwärme darauf zu spüren, und ergriff die Hand ihres Vaters, ohne die Kanüle zu berühren. Seine Finger waren kalt. Sie redete sich ein, dass das seltsame Gefühl in ihrem Bauch allein daher rührte, dass sie sich um ihren Vater sorgte.

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26. Juni 2020

'Josefine und der Sommermörder' von Lenny Löwenstern

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
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Wer ist der Sommermörder?

Erst ergattert die verträumte Hutmacherin Josefine Bach den wichtigsten Auftrag ihres Lebens, dann macht sie eine erschütternde Entdeckung. Der Bernburger Bankdirektor Jochen Sommer wird ermordet.

Hartnäckig und von Neugier getrieben, stellt das »verrückte Huhn« auf eigene Faust Ermittlungen an. Sie verliebt sich in ihren Helden und schwebt bald ahnungslos in höchster Gefahr.

Anleser:
Verstrickt in sich selbst und in die tiefen Gedanken hatte Josefine die Dämmerung verpasst. Die Schmetterlinge schliefen längst, die Sterne schauten neugierig herunter. Einer davon blinzelte direkt in ihr Herz. Trotzdem er von da oben überallhin sehen konnte, hatte er sich ausgerechnet die Hutmacherin ausgesucht. Und für einen Moment blickte sie zurück. Über eine kleine Ewigkeit hinweg zu dem Stern empor und erkannte ihn. Ein funkelnder Punkt in einem schweigenden Meer aus Nacht. Ich sehe dich, dachte sie. Ein Käuzchen rief und Josefine bekam es mit der Angst.

...

»Sie sind von Beruf selbstständige Hutmacherin?«
»Ist nicht zu leugnen.«
»Und davon kann man leben?«
Eine gewisse Ironie in der Stimme des leitenden Ermittlers war nicht zu überhören. Der nahm sie nicht für voll. Der Arme, es würde schlimmer für ihn kommen. Noch kannte er Josefine ja überhaupt nicht.
»Mir gelingt es«, flötete sie. »Seit Kurzem sogar besser als gedacht.«
»Wie schön für Sie. Gegen Sie wurde bereits mehrfach Anzeige erstattet, wie ich den Unterlagen der hiesigen Kollegen entnehmen durfte. Wenn ich aufzählen darf. Da wäre das unerlaubte Betreten aufgelassener Kleingartenanlagen …«
»Nur um ein wenig Rhabarber zu pflücken.«
»Sie wurden widerrechtlich auf Baugerüsten angetroffen.«
»Da bin ich vom Weg abgekommen. Das kann doch jedem mal passieren.«
»Wie denn das?«
»Es war neblig, wirklich unfassbar neblig. An dem Tag hat sich praktisch jeder irgendwohin verirrt. Bei mir war’s halt das Baugerüst einer Kirche.«
»Dann ist da der Diebstahl eines Baustellenschildes.«
»Ach herrje, was Sie alles wissen. Da hatte ich mich verguckt.«
»In ein Baustellenschild.«
»Wieso denn nicht? Die sind heute unglaublich lebensecht. Ist Ihnen das noch nie passiert?«
»Allerdings nicht.«

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'Anything for you: Woodland Academy III' von Marcella Fracciolla

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Website zum Buch | Autorenseite
Maya und Luke, Nate und Lana. Geschichten, die niemals hätten passieren dürfen – aber danach geht es im Leben ja meistens nicht.

Maya wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich frei zu sein. Und mit Luke an ihrer Seite fühlt sie sich zum ersten Mal so stark wie nie zuvor. Aber wird es ihr tatsächlich gelingen, dem Netz aus Lügen und Intrigen, das seit jeher ihr Leben bestimmt, zu entkommen? Oder wird Nate ihr einen Strich durch die Rechnung machen? Und welche Rolle spielt Lana dabei?

Fragen über Fragen – und nur ein Happy End in Sicht. Aber für wen?

Anleser:
»Hier stehen wir nun, an der Schwelle zur Zukunft. Sie ist keine ferne Realität mehr. Heute fängt alles an. Als Kinder kamen wir ins Internat, als Erwachsene gehen wir davon. Alles, was wir in den vergangenen Jahren gelernt haben, dient uns als Plattform für das, was jetzt auf uns zukommt. Einige von uns werden ein College besuchen, andere direkt in die Arbeitswelt eintreten. Sicher ist, dass jeder seinen eigenen Weg gehen wird. Aber wohin uns dieser auch führen mag, was uns mit Sicherheit erwartet, sind Herausforderungen. Von nun an müssen wir die Verantwortung für unser Handeln tragen. Es ist wichtig, dass jeder Einzelne diesen Herausforderungen mit erhobenem Haupt und offenem Herzen begegnet und sich nicht vor der Verantwortung scheut.« Maya macht eine bedeutungsvolle Pause und dreht sich verstohlen zu Luke um. Dieser Teil ihrer Rede gilt offensichtlich ihm.
Was andere nicht bemerken, fällt mir sofort auf, schließlich sind unsere Geschichten eng miteinander verwoben. Und ich habe keine Ahnung, wie ich in dieses Netz aus Geheimnistuereien, Lügen und Machtspielchen gelangt bin. Es passt überhaupt nicht zu mir, habe ich mich doch ein Leben lang bemüht, nicht aufzufallen und möglichst unbehelligt durch den Alltag am Rande der Gesellschaft zu kommen. Woodland Academy war meine Chance, und ich habe sie genutzt. Nach dem Sommer werde ich Kommunikationswissenschaften in Illinois studieren, mit einem Vollstipendium. Die jahrelange Arbeit hat sich gelohnt, und mein Traum wird endlich wahr. Aber warum habe ich dann einen Stein im Magen?
Mein Blick fällt auf Nate, ein paar Reihen vor mir. Wegen ihm. Immer – alles – wegen – ihm. Er starrt seinen Vater an, der in der ersten Reihe sitzt und seinen Blick erwidert.
In meinem Kopf dreht sich alles. Maya, Nate, Luke und ich, wir sind nichts weiter als Figuren in einem Spiel, das keiner von uns richtig beherrscht. Ein falscher Schachzug, und alles ist verloren.

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25. Juni 2020

'Abzweigungen: Cornell Rohde' von Roland Hebesberger

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Roland Hebesberger
Welchen Weg gehst du, wenn dein Leben auf der Kippe steht?
Wähle weise, es könnte deine letzte Entscheidung sein.


Cornell Rohde, ein gescheiterter Ex-Polizist aus München, baut sich in Salzburg ein neues Leben auf. Es nimmt eine drastische Wendung, als er Zeuge eines mysteriösen Banküberfalls wird. Er versucht, den Geheimnissen hinter dem Verbrechen auf die Spur zu kommen, und gerät in eine Verschwörung, die sein Weltbild ins Wanken bringt. Wem kann er vertrauen, wer sagt die Wahrheit und was steckt hinter dem grellen Licht, das ihn bis in seine Träume verfolgt?

Bei einer Verfolgungsjagd quer durch Europa mit neuen Verbündeten kommt Cornell an seine Grenzen. Wird er am Ende die richtige Entscheidung treffen?

Anleser:
„Läuft wie geschmiert“, flüsterte einer der Bankräuber.
Ich hörte die Kunden leise weinen und auch ihr Zittern entging mir nicht. Ich fragte mich, wo die anderen beiden waren. Erst da bemerkte ich, dass die Tresortür offen war. So langsam registrierte ich auch, wo genau ich mich in der Bank befand. Ich musste in der Nähe der Heizung sein. Ich sah nach rechts und stellte fest, dass ich recht hatte. Vor zwei Wochen hatte sich ein Kunde darüber beschwert, dass er sich seine Hosen an einem scharfkantigen Plastikstück aufgerissen hatte. Ganz vorsichtig versuchte ich, den halben Meter hinüber zu rutschen, ohne bemerkt zu werden. Die zwei Räuber sahen immer noch konzentriert auf die Straße, das musste ich ausnutzen. Ich kam bei der Heizung an und stellte erleichtert fest, dass das abgerochene Stück noch nicht entfernt worden war. Ich platzierte mich so, dass ich vorsichtig die Kabelbinder daran reiben konnte. Mein Blick wanderte immer wieder zu den zwei Männern, die auf die Straße starrten.
„Wir liegen im Zeitplan“, sagt plötzlich eine Stimme aus einem Funkgerät, das bei einem der Räuber postiert war. Das mussten die anderen zwei aus dem Tresorraum sein.
„Korrekt! Und noch keine Spur von der Polizei“, sprach der linke maskierte Räuber per Funk zurück.
„Der Alarm wurde nicht ausgelöst und bemerkt hat uns auch noch niemand“, fügte der rechte hinzu.
Mir wurde klar, dass keine Hilfe kommen würde, also musste ich handeln. Da ich versagt hatte, sah ich es als meine Pflicht – gerade als Ex-Polizist – alles daranzusetzen, dass alle die Situation heil überstanden. Ich wollte auch nicht, dass die Räuber einfach so davonkamen.

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24. Juni 2020

'Und leise rieselt der Schnee am 21. November' von Elisabeth von Sydow

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
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Zermarternde Schuld – die fühlte sie, als sie dem Mann ihrer verstorbenen Schwester erstmals gegenüberstand.

Siedend heiße Wut – diese überkam ihn, als er in das Antlitz seiner Schwägerin blicken musste, die für den Tod seiner Frau mitverantwortlich war.

Ebha findet sich inmitten einer Familientragödie wieder, als ihre große Schwester Briana an den folgen jener OP stirbt, die Ebha das Leben rettet. Ref bleibt als Witwer zurück, als er seine Frau Briana verliert, die ihrer Schwester helfen wollte. Zwei gebrochene Herzen, ein Schicksal und die Hoffnung auf einen Neuanfang.

"Und leise rieselt der Schnee am 21. November" ist eine berührende Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die eigentlich schon aufgegeben haben.

Anleser:
„Vielleicht kann ich Ihr Interesse wecken, wenn ich mich Ihnen vorstelle.“
Ref schnaubte genervt und packte das raue Holz der Tür, um sie der jungen Frau vor der Nase zuzuschlagen.
„Mein Name ist Ebha Wals.“
Er erstarrte in der Bewegung. Automatisch krallten sich seine Finger um die Tür, sodass das alte Holz leicht unter dem Druck seiner Hand nachgab. Sekundenlang starrte er in seinen dunklen Flur hinein, ohne zu denken. Da war plötzlich eine Leere in seinem Kopf, die jeglichen Gedanken in ihm gelöscht hatte. Doch schnell wurde diese Leere gefüllt. Mit Wut. Ungläubiger, schmerzender Wut. Jeder Muskel seines Körpers war angespannt, als er sich mit einem Ruck zu der jungen Frau umdrehte.
Ebha Wals.
Dieser Name hatte ihn in den letzten zwei Jahren so viel Schmerz bereitet. Diese Person hatte in seinen Vorstellungen nur als schattenhafte Gestalt ohne Gesicht existiert. Jetzt in eben jenes Gesicht zu sehen, das für das größte Leid in seinem Leben verantwortlich war, war fast zu viel. Und er spürte, wie er anfing zu zittern, als seinem Verstand vollends bewusst wurde, dass er vor der Person stand, die für den Tod seiner Frau verantwortlich war.

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'Brumm!' von Helmut Barz

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Eine schwarz/weiße Fabel für das postfaktische Zeitalter

Jedem Menschen wohnt ein Krafttier inne – so lehren uns die Schamanen:  Man müsse es nur finden, erwecken und befreien.

Doch was, wenn dieses Krafttier ein verspielter, verschlafener, verleckerter, territorialer und dickschädeliger Panda ist, der dein Leben ins Chaos stürzt – und sich beharrlich weigert, wieder zu gehen?

Dr. Urs A. Podini hat seine Lebensträume längst eingetauscht gegen Gehalt, Eigentumswohnung, homöopathisch dosierte Kreativität und eine Lebensgefährtin, die ihn eher duldet als liebt. Doch dann entdeckt er im Schaufenster der Boutique Transitions! das schwarz-weiße, flauschige Kostüm eines Pandas – der Auftakt zu einer Fabel über den Ausbruch aus der tristen Normalität des Alltags.

Der neue Roman von Helmut Barz ist eine satirische Tour de Force durch unsere von Empörung und Fake News geprägte Zeit – und gleichzeitig eine verspielte und zärtliche Improvisation über das Anders-Sein und den steinigen Weg zum wahren Selbst.

Anleser:
»Brumm!«
Hat er das wirklich gerade laut gesagt?
Urs schmeckt der Silbe nach. Ja, er spürt noch das Rollen des R in seinem Rachen, das Vibrieren des M auf den Lippen.
Er hat es tatsächlich gesagt: »Brumm!«
Hoffentlich erst, als die Tür schon hinter ihm ins Schloss gefallen ist.
Hoffentlich hat er da schon auf dem Bürgersteig gestanden.
Hoffentlich hat er Urs nicht gehört, der Herr Doktor mit seinen grau melierten Haaren und seinem weißen Kittel.
Andererseits: Und wenn schon! Der Herr Doktor hält ihn ohnehin für einen Idioten.
Und einen Doktortitel hat er schließlich selber.
Urs – Dr. Urs A. Podini!, so ermahnt er sich streng – macht einen Schritt vorwärts. Sorgsam setzt er den Fuß, um nicht auf die Kanten der Gehwegplatten zu treten. So hat er es auch schon in seiner Kindheit gemacht. »Brumm!«
Noch ein Schritt. »Brumm?«
Noch ein Schritt. »Brumm.«
Noch ein Schritt. »Brumm?!« – Ein empörtes Bärchen, rücksichtslos aus dem Winterschlaf gerissen.
Noch ein Schritt. »Brrrrummmmmmm.« – Das »R« in der Kehle rollend, das »M« auf den Lippen kitzelnd: ein Kind, das Auto spielt.
Noch ein Schritt.
»Brummmmm …« – Mit einem Hauch der Verzweiflung leise verklingend: ein letzter Protest gegen das Unvermeidliche.
Noch ein Schritt.
»BRUMM!« – Machtvoll in die Luft gemeißelt.
Laut, leise, sanft, schroff, zärtlich, verletzend, wütend, erfreut.
Gerufen, gehaucht, geflüstert, gespien, gesäuselt und – gebrummt: »Brumm.«
Da steht Urs nun, die Füße genau auf zwei Gehwegplatten, Zehen und Hacken gleich weit von den Kanten entfernt, und erfreut sich am Klang der fünf zur Lautmalerei gereihten Buchstaben.
Warum geht ihm diese Silbe nicht aus dem Kopf?

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23. Juni 2020

'Wahre Wasser' von Chester Rock

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Chester Rock
Jacob West verliert den Kontakt zu seinem besten Freund und das Vertrauen in seine Frau. Er zieht sich immer mehr zurück und verstrickt sich in wilde Theorien über Personen, die ihm nahestehen und ihm helfen wollen.

Am Ende steht er allein da und lernt einen Mann kennen, der verspricht, all seine Probleme lösen zu können. Der Dämon in seinem Kopf triumphiert und schreit nach Vergeltung.

Diese Lösung bedroht nicht nur Jacobs Frau, sondern mutiert zu einer nationalen Bedrohung.

Anleser:
Schrödingers Katze
23. August, 23:40 Uhr. Hektisch wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Seine Drüsen schienen die Produktion in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf das Maximum erhöht zu haben. Sein Ohr juckte, aber Jacob nahm den Kopfhörer nicht ab. Nicht noch einmal. Die tiefe, regelmäßige Vibration, die das Ge-räusch der Rotorblätter in seiner Magengegend auslöste, war kaum zu ertragen. Er sah wieder nach unten. Der Helikopter hatte die zulässige Höhe von 3.500 Meter schon seit mehreren Minuten überschritten und näherte sich konstant der 5.000-Meter-Marke. Und obwohl der Pilot mehrfach mahnte, ja fast schon bettelte, nicht noch höher steigen zu müssen, folgte er der Anweisung des Mannes. Jacob öffnete den Mund, doch es half nichts. Es schmerzte und fühlte sich an, als würde jemand mit einer Saugglocke unerbittlich an seinen Ohren pumpen. Jacob tippte dem Piloten, der den Pitch fest in seiner Hand hielt und zu sich zog, auf die Schulter. Der Mann sah ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an. Dem Angestellten des Nachrichtensenders, der tagtäglich seine Flüge im Namen des medialen Auges vollzog, war anzusehen, dass auch er an dem Unterdruck litt. Jacob signalisierte ihm, den Hub-schrauber ein wenig nach unten zu manövrieren. Der Pilot nickte und leitete unverzüglich den Sinkflug ein. Er kannte den Namen des Mannes nicht und letztendlich war es ihm auch egal. Zu viel war in den letzten Stunden passiert, er konnte sich mit solchen Details nicht aufhalten. Wieder wischte Jacob sich den Schweiß von der Stirn. Vorsichtig wagte er wieder einen Blick aus dem Fenster. Während seine Augen den Boden suchten, umfasste seine Hand verkrampft den schmalen Sitz, auf dem er saß. Jacob hasste nicht nur das Fliegen, vielmehr hatte er eine Todesangst davor. Sein Blick blieb an der bizarren Szenerie, die sich unter ihm abspielte, haften. Für einen Augenblick entspannte sich sein Körper, auch das Pochen in seinen Schläfen schien in diesem Moment der Vergangenheit anzugehören. Seine verkrampfte Hand, die sich in den Stoffsitz gekrallt hatte, löste sich und Jacob zog seine Augenbrauen hoch. Sie waren seinetwegen da. Der Helikopter flog zu schnell, sodass er nicht die Zeit hatte, die Fahrzeuge zu zählen.
»Wir bekommen Besuch«, hallte die blecherne Stimme plötzlich in seinen Kopfhörern wider.
Er erschrak und sah, wie der Pilot nach links zeigte. Seine Augen folgten dem Deut und er erkannte einen Polizeihubschrauber, unweit von ihnen.
»Hängen Sie ihn ab.« Jacob blickte wieder auf seine Füße. Dieser Trick hatte bei den vier Flügen mit Linienmaschinen, die er bis jetzt in seinem Leben absolviert hatte, immer funktioniert. Die beunruhigenden Geräusche der startenden Turbinen und das Rumpeln der Gepäckstücke, die in den Bauch der Maschine eingeladen wurden, diesen schrecklichen Lärm konnte er ausblenden, wenn er sich auf seine Füße konzentrierte. Er hasste seine Familie dafür, dass sie da-mals nicht in Texas geblieben war, und dennoch verbot es ihm seine Moral, den zwei Beerdigungen wegen seiner Phobie vor der Luftfahrt nicht beizuwohnen.
»Sir, die Kraftstoffmenge wird dafür nicht ausreichen«, erwiderte der Pilot und sah ängstlich in die Augen von Jacob.
»Hängen Sie den Hubschrauber ab«, wiederholte er überdeutlich und laut seine Worte, während seine linke Hand in seiner Jackentasche verschwand.
Der Pilot nickte und tat, was man von ihm verlangte.
Er zog seine Hand wieder langsam aus seiner Jackentasche und widmete sich wieder seinen Füßen.
An diesem 23. August um 23:44 Uhr veränderte der Pilot den Anstellwinkel aller Rotorblätter nach rechts unten und verschwand in der Dunkelheit.

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21. Juni 2020

'Josefine und der Sommermörder' von Lenny Löwenstern

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Wer ist der Sommermörder?

Erst ergattert die verträumte Hutmacherin Josefine Bach den wichtigsten Auftrag ihres Lebens, dann macht sie eine erschütternde Entdeckung. Der Bernburger Bankdirektor Jochen Sommer wird ermordet.

Hartnäckig und von Neugier getrieben, stellt das »verrückte Huhn« auf eigene Faust Ermittlungen an. Sie verliebt sich in ihren Helden und schwebt bald ahnungslos in höchster Gefahr.

Anleser:
Verstrickt in sich selbst und in die tiefen Gedanken hatte Josefine die Dämmerung verpasst. Die Schmetterlinge schliefen längst, die Sterne schauten neugierig herunter. Einer davon blinzelte direkt in ihr Herz. Trotzdem er von da oben überallhin sehen konnte, hatte er sich ausgerechnet die Hutmacherin ausgesucht. Und für einen Moment blickte sie zurück. Über eine kleine Ewigkeit hinweg zu dem Stern empor und erkannte ihn. Ein funkelnder Punkt in einem schweigenden Meer aus Nacht. Ich sehe dich, dachte sie. Ein Käuzchen rief und Josefine bekam es mit der Angst.

...

»Sie sind von Beruf selbstständige Hutmacherin?«
»Ist nicht zu leugnen.«
»Und davon kann man leben?«
Eine gewisse Ironie in der Stimme des leitenden Ermittlers war nicht zu überhören. Der nahm sie nicht für voll. Der Arme, es würde schlimmer für ihn kommen. Noch kannte er Josefine ja überhaupt nicht.
»Mir gelingt es«, flötete sie. »Seit Kurzem sogar besser als gedacht.«
»Wie schön für Sie. Gegen Sie wurde bereits mehrfach Anzeige erstattet, wie ich den Unterlagen der hiesigen Kollegen entnehmen durfte. Wenn ich aufzählen darf. Da wäre das unerlaubte Betreten aufgelassener Kleingartenanlagen …«
»Nur um ein wenig Rhabarber zu pflücken.«
»Sie wurden widerrechtlich auf Baugerüsten angetroffen.«
»Da bin ich vom Weg abgekommen. Das kann doch jedem mal passieren.«
»Wie denn das?«
»Es war neblig, wirklich unfassbar neblig. An dem Tag hat sich praktisch jeder irgendwohin verirrt. Bei mir war’s halt das Baugerüst einer Kirche.«
»Dann ist da der Diebstahl eines Baustellenschildes.«
»Ach herrje, was Sie alles wissen. Da hatte ich mich verguckt.«
»In ein Baustellenschild.«
»Wieso denn nicht? Die sind heute unglaublich lebensecht. Ist Ihnen das noch nie passiert?«
»Allerdings nicht.«

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20. Juni 2020

'Spargeltod: Rhein-Main-Krimi' von Sandra Hausser

Kindle | Tolino | Taschenbuch
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Gleich zwei neue Fälle halten die Kripo Rüsselsheim auf Trab: Wer steckt hinter dem Anschlag auf die Feldarbeiter? Und ist die Tote im Ostpark einem Verbrechen zum Opfer gefallen oder starb sie eines natürlichen Todes?

Ausgerechnet an dem Tag, als das Team von Kripochef Josef Mitheimer die neue Kollegin Anne Seltmann erwartet, die den Posten des im Dienst erschossenen Axel Neumann antritt, erreicht sie der Ruf zu einem grausigen Tatort. Ein Auto ist in ein Spargelfeld gerast, mehrere Personen wurden getötet. Wer oder was steckt dahinter? Wer sind die Opfer und warum mussten sie sterben?

Während Hannah, Hardy und Çetin gemeinsam mit Kollegen aus Groß-Gerau ermitteln, wird Mitheimer zu einem Leichenfund im Ostpark gerufen. Anne Seltmann begleitet ihn und muss sich, schneller als erwartet, ins Team einfügen und erste Bewährungsproben bestehen. Derweil gerät Hannahs Leben auch privat aus den Fugen. Die Kommissarin steht vor einer Entscheidung, die alles verändern wird.

Hannah Bindhoffer ermittelt: Rhein-Main-Krimis.

Anleser:
16. Mai 2017, Landesstraße L3012, Rand eines Spargelfeldes
Gleißende Sonne fiel auf die Felder rechts und links der Landstraße. Bei angenehmen dreiundzwanzig Grad wurde der fröhliche Vogelgesang nur gelegentlich von vorbeifahrenden Autos übertönt.
Die Gruppe Feldarbeiter lief zu einem schmalen Grasstreifen am Rand des Spargelfelds. Mit geübten Handgriffen breiteten sie Decken aus, holten ihre Mahlzeiten heraus und ließen sich schwatzend zur Mittagspause nieder. Ein schwarzhaariger Junge lauschte mit blitzenden Augen den Erzählungen eines vollbärtigen Mannes. Das fröhliche Lachen und Gerede der Gruppe klang weit über das Feld hinaus.
Der Fahrer des Mercedes eVito nahm den Fuß vom Gas. Ich muss es tun! Er holte tief Luft, zog die Maske übers Gesicht und blickte in den Rückspiegel. Keiner da. Auch die Gegenspur war unbefahren. Tu es! Simon ist ohne dich verloren! Entschlossen drückte er das Gaspedal durch und nahm Kurs auf die angewiesene Stelle am Spargelacker. Mit beiden Händen hielt er das Lenkrad fest umklammert und starrte nach vorn, durch die zusammengekniffenen Augenlider scannte er die Personen am Feldrand.
Scheiße, wo ist er? Und wo kommen die anderen Leute her?
Gequälte Schreie ertönten, als der Mercedes eVito ungebremst in die versammelte Gruppe schoss.
Sie hatte doch extra gesagt, dass Kolbe allein dort sitze. Jetzt musste er auf Nummer sicher gehen. Mit schweißigen Händen legte er den Rückwärtsgang ein, warf einen Blick auf die weiterhin unbefahrene Straße und setzte zurück. Es darf keine Zeugen geben, dachte er und versuchte damit, sein Tun vor sich selbst zu verteidigen. Bevor die Arbeiter die Situation realisiert hatten und fliehen konnten, fuhr er ein zweites Mal mit Vollgas auf den Spargelacker.
«Verfluchter Mist!», schrie er und schlug mit beiden Fäusten aufs Lenkrad. «Was habe ich getan? Alles, was sie mir erzählt hat, war gelogen!» Er sah aus dem Fenster zu den am Boden liegenden blutigen Körpern und unterdrückte ein verzweifeltes Schluchzen. Nichts wie weg! Wenn die Polizei mich schnappt, ist Simon verloren!
Als er rückwärts auf die Landstraße zurücksetzte, erspähte er einen kleinen Jungen, der vom Feld in die Wälder lief.
«Verdammt, ein Kind? Davon war nie die Rede gewesen, ich kann einpacken!», schrie er verzweifelt und riss das Lenkrad herum. Mit klopfendem Herzen trat er aufs Gaspedal. Der Wagen schlingerte kurz und schoss danach über die verlassene Straße davon. Am Hals spürte seinen rasenden Puls an der Halsschlagader und bremste, einem Reflex folgend, ab. Die aufkommende Panik und die Bilder der Toten schnürten ihm die Kehle zu.
Hol tief Luft und schnapp dir den Jungen.
Kalter Schweiß trat ihm unter der Maske auf die Stirn. Er darf nicht entkommen! Aber was, wenn es überlebende Erwachsene gibt? Die gehen sofort zur Polizei und erzählen alles.
Nein, das würden sie nicht wagen. Sie arbeiteten doch fast alle schwarz.
Denkst du wirklich, dass sie deshalb schweigen?
«Ja», gab er sich selbst die Antwort. «Es ist meine einzige Chance.» Er schob die Wollmaske zurück und wischte Schweiß und Tränen fort, bevor er sie erneut übers Gesicht zog. Ich muss den Jungen finden.
Er sah in die Richtung, in die das Kind verschwunden war, und fuhr mit quietschenden Reifen an.

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19. Juni 2020

'Mordssand: Nordseekrimi' von Ulrike Busch

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website | Autorenseite
Friso Wiborg, Star-Architekt in St. Peter-Ording, will sich am Ende seiner Karriere ein Denkmal setzen. In idyllischer Lage direkt am Strand soll der Friso-Tower entstehen, ein siebenstöckiges Luxus-Hotel.

Die Sache mit dem Denkmal gelingt ihm – allerdings auf gänzlich andere Weise, als er sich das vorgestellt hatte: Nach einem Kreativ-Workshop in der Sandskulpturenwerkstatt in Westerhever wird seine skurril verpackte Leiche entdeckt. Wurde er Opfer der ‚Grünen Windmühlen‘? Die Aktivistengruppe um Lina Kraus kämpft entschlossen gegen den Bau des Hotels.

Als hätten Tammo Anders und Fenna Stern mit dem Fall allein nicht schon genug zu tun, grätscht auch noch Fennas Tochter Fee dazwischen ...

Band 5 der Reihe "Anders und Stern ermitteln".

Anleser:
Fenna sprang aus dem Wagen und stapfte über das knietiefe Gras auf den Schuppen zu.
In wenigen Metern Abstand zu dem windschiefen und halb verfallenen Holzbau blieb sie stehen. Die Hände in den Taschen ihrer Jeansjacke, drehte sie sich einmal um die eigene Achse. Überall flaches, grünes Land, soweit das Auge reichte. Nur zur Seeseite hin wurde der Blick vom Deich gebremst. Bauschige Wolkenbänder zogen vom Meer her übers Land, als würden sie von einer unermüdlichen Windmaschine angetrieben.
Hier fehlten nur noch ein paar Kühe mit lila und weiß geschecktem Fell, und die Idylle für ein Werbefilmchen wäre perfekt. Einzig die farbenfrohen Autos mit den rostigen Stellen, die an der Rückseite des Schuppens standen, passten nicht in dieses Bild.
Tammo und Merle waren am Dienstwagen stehen geblieben. Fenna kam es vor, als hätten die zwei sie als Kanonenfutter vorgehen lassen und warteten darauf, was in den nächsten Minuten passieren würde. »Nun kommt doch her.« Sie winkte die zwei zu sich heran.
Eine Tür knarzte. Das Geräusch erinnerte Fenna an das Hexenhäuschen, das sie sich als Kind immer vorgestellt hatte, wenn ihre Oma ihr abends aus dem Märchenbuch vorlas. Im selben Moment warfen dicke Wattewolken Schatten auf den Rasen. Augenblicklich wurde es kühl. Eine Schar Möwen kam vom Deich auf die Kommissarin zugeflogen und zog dicht über ihren Kopf hinweg. Die Vögel schrien erbärmlich, und als Fenna zu ihnen aufsah, wirkten ihre Silhouetten wie die von schwarzen Raben.
Sie zog den Kopf zwischen die Schultern. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken, und sie drehte sich in die Richtung, aus der das knarzende Geräusch gekommen war.
»Die Herrschaften wünschen?«
Die Stimme gehörte zu einer Frau, die eine Mischung aus Hexe und Pippi Langstrumpf war. Ihre Füße steckten in schwarzen, geschnürten Stiefeletten mit klobigem Absatz. Strümpfe trug sie tatsächlich von unterschiedlicher Farbe: grün an dem einen und orange an dem anderen Bein. Ein weiter schwarzer Wollrock flatterte um ihre Knie. Über dem violetten Pulli trug sie eine schwarze Wetterjacke. Das dicke, rötlichblonde Haar fiel ihr strähnig über die Schulter, und die kobaltblauen Augen waren von tiefschwarzem Kajal umrahmt.
Es dauerte, bis Fenna alle Eindrücke verarbeitet hatte und auf die Frage antworten konnte, die diese seltsame Erscheinung ihr gestellt hatte. Auch Tammo und Merle hatte deren Auftritt die Sprache verschlagen.
Fenna ging auf die Frau zu.
Bevor sie ihren Namen und ihren Dienstgrad nennen konnte, sprach die Aktivistin sie an. »Sie sind die Kommissarin, auf deren Schreibtisch Friso Wiborg liegt.«
Fenna sah ihrerseits keinen Grund zu langer Vorrede. »Ihr Name lautet wie?«
»Lina Kraus.«
Tammo baute sich neben Fenna auf. »Sie sind der Kopf der ›Grünen Windmühlen‹.«
»Und Sie sind ausgesprochen gut informiert.«
Lina Kraus lächelte selbstsicher.
Von Nahem wirkte das Kobaltblau ihrer Augen wie Kristallwasser. Es glitzerte in der Sonne. Dass der Himmelskörper seine Strahlen in diesem Moment direkt in ihre Pupillen sandte, schien Lina Kraus nicht zu behelligen. Fenna dachte an einen Avatar. Existierte die Frau, die vor ihr stand, wirklich, oder war sie eine Kunstfigur?
»Dürfen wir eintreten?«, fragte Tammo und deutete mit dem Kopf auf den Holzschuppen.
Lina blieb breitbeinig und mit verschränkten Armen vor ihm stehen. »Wir sind auf Gäste nicht vorbereitet.« Der Kommissar begegnete ihrem provokanten Blick mit einem charmanten Lächeln. »Wir sind auch nicht zu Kaffee und Kuchen gekommen, nur zu einem kleinen Plausch. Wir können aber auch mal eben einen Durchsuchungsbeschluss beantragen. Heute Morgen kam es am Strand zu einer kleinen Schießerei mit einer Person, die nicht zu Ihren besten Freunden zählt, und es heißt, in Ihrer Hütte seien Waffen versteckt.«
Linas Lippen wurden schmal. »Kommen Sie.« Sie wandte sich zur Tür und ließ die Beamten eintreten.

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18. Juni 2020

'Nanny wider Willen' von Lisa Torberg

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website | Autorenseite
Ein Sommer in der Provence, anstatt des Traumjobs? Und wo ist der Haken?

Karola kann ihr Glück nicht fassen, als sie ausgerechnet von der AB-Unternehmensberatung zum Einstellungsgespräch eingeladen wird. Nur ein Hauch trennt sie noch von ihrem Traumjob! Doch dann läuft alles schief. Die U-Bahn bleibt auf der Strecke stehen, in der Eile stolpert sie und beschmiert ihre Bluse mit Marmelade. Verspätet erscheint sie im Büro des Millionärs – und fällt in Ohnmacht. Und dann hat dieser heiße Typ mit den tiefgrünen Augen die Frechheit, ihr einen Job als Nanny anzubieten. Als Nanny! Nachdem sie jahrelang für ihren Doktortitel geschuftet hat. Wutschnaubend läuft sie davon. Doch als ihr das Schicksal unerwartet eine zweite Chance bietet, muss sie sich entscheiden. Aber lohnt sich der Umweg für den ersehnten Job? Vor allem aber: Wird sie es schaffen, Alexander zu ignorieren, dessen Blicke ihre Haut zum Glühen und ihren Puls zum Rasen bringen? Und wo ist seine Frau?

Abgeschlossener Liebesroman. Die eindrucksvolle Kulisse der Provence bildet den Hintergrund dieser romantischen Geschichte. Emotionsgeladen und humorvoll, sowie mit unzähligen Stolpersteinen gespickt. Bis zum Happy End.

(Die vorliegende Ausgabe des Romans wurde grafisch neu gestaltet und inhaltlich überarbeitet. Erstveröffentlichung 2014.)


Anleser:
Das war‘s dann. Die größte Chance meines Lebens ging flöten.
Der Zug stand seit geschlagenen sieben Minuten still, an irgendeinem Ort unter der Erde und in totaler Dunkelheit. Das Einzige was sich bewegte, war der Sekundenzeiger meiner altmodischen Armbanduhr. Mir war zum Heulen. Der linke Arm, mit dem ich mich auf Schulterhöhe an der Haltestange festhielt, schmerzte bereits. Ich ließ genau in dem Moment los, in dem die U-Bahn ruckend anfuhr, und verlor den prekären Halt, den mir die schwindelerregenden Absätze gaben. Ich wurde von etwas Weichem gebremst, das sich bei eingehender Betrachtung als der prominente Bauch eines älteren Mannes herausstellte. Der Kerl grinste anzüglich und stank erbärmlich. Entweder war er gegen Wasser und Seife allergisch oder er trug den fusseligen Pullover bereits seit Tagen.
Verzweifelt griff ich wieder nach der Haltestange, umklammerte sie und starrte auf die automatische Tür. Ich musste unbedingt als Erste aussteigen, schob den rechten Fuß in Startposition. Endlich. Vor den Fenstern wurde es heller, der Wagen fuhr in die Station ein und hielt. Doch die Tür blieb zu.
Von hinten wurde ich angerempelt, umklammerte die Pochette und drückte die Bewerbungsmappe noch fester mit dem Arm gegen den Körper. Was ist los, überlegte ich verwirrt. Doch erst ein schmerzhafter Tritt auf meine kirschrot lackierten Zehen brachte mich zur Besinnung. Ich sah in die falsche Richtung!
Mit Schwung drehte ich mich um und stieß mit dem Ellenbogen das erstbeste Hindernis zur Seite. Eine Frau keifte los, doch ich war bereits auf dem Bahnsteig und eilte zur Rolltreppe. Eineinhalb Minuten später und zwanzig Meter höher suchten meine Augen nach dem Aufgang zur Oberwelt. Wie auf Eiern und die bleistiftdünnen Stöckel verfluchend, stieg ich die Treppe hinauf.
Endlich stand ich wenige Schritte vom Ziel entfernt. Die Uhr neben dem Schild der U-Bahn zeigte sechs Minuten vor neun. Das war knapp, aber machbar, wenn ich einen Spiegel und ein Waschbecken fand, um meine äußere Erscheinung auf ein annehmbar weibliches Niveau zu bringen.
Zielstrebig ging ich auf die verspiegelte Front des Bürogebäudes zu. Der Eingang lag genau in der Mitte der futuristischen Fassade, ähnelte dem Menschen verschlingenden Maul eines Dinosauriers. Die feinen Härchen auf den Unterarmen stellten sich auf, signalisierten Gefahr. Eine Drehtür. Die kleine Hexe in meinem Unterbewusstsein lachte hämisch. Das Innere des Saurierschlunds rotierte wie ein Kreisel automatisch - Albtraum hoch zwei. Meine Beine blockierten unmittelbar vor dem Eingang, verweigerten jede Bewegung.
Doch ich musste durch. Jetzt. Sonst konnte ich den Traumjob sofort abschreiben. Mit zusammengekniffenen Augenlidern trat ich in die freie Schleuse, legte die linke Hand auf die Griffleiste und setzte einen Fuß vor den anderen. Die löchrige Gummimatte war sicher ein fantastischer Fußabtreter, jedoch meinen High Heels feindlich gesinnt. Und so blieb ich mit dem Absatz hängen, stolperte aus dem Karussell in die Halle, direkt auf einen Mann zu, der mir seinen angebissenen Krapfen auf die Bluse drückte. Nein, nicht irgendwohin, sondern genau zwischen die Brüste. Mit dem einen Arm hielt er mich um die Taille fest, mit der freien Hand versuchte er, Krümel und Marmelade zu entfernen. Den Blick starr auf diese fremde Hand gerichtet, begriff das Gehirn endlich das Desaster und plötzlich rann mir die Wimperntusche mit Tränen vermischt über die Wangen.
Meine Augen waren auf einen Kehlkopf und einen hellblauen Hemdkragen gerichtet. ‚Keine Krawatte‘ notierte ich ebenso, wie das kurze Erstarren des männlichen Körpers. Fühlt sich angenehm an, lispelte die Hexe in meinem Kopf.
»Sie haben vermutlich einen Termin im Haus. Bei wem?« fragte mich eine Stimme von oben, zeitgleich zog mich der Mann zu einer Sitzgarnitur, drückte mich nach unten.
»Bei Dr. Bernhard um neun. Vorstellungsgespräch.« flüsterte ich weinerlich.
Er verschwand kommentarlos quer durch die Halle, sprach kurz mit der Angestellten am Empfangstresen. Das nahm ich aus dem Augenwinkel wahr, auch wenn mein Gesicht immer noch beschämt zu Boden blickte.
»Alles in Ordnung, Sie haben noch genügend Zeit. Die Sekretärin hat ihren Termin auf Viertel nach verschoben.« sagte er und reichte mir ein Taschentuch. Ich griff danach, wischte mir die Tränen ab und sah auf.

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'Das Geheimnis der Muschelprinzessin' von Christine Jaeggi

Kindle | Ullstein (ePub) | Taschenbuch
Website Christine Jaeggi | Autorenseite im Blog
Die 27-jährige Nora ist am Ende: Sie hat kein Geld, keine Wohnung und auch keine Freunde mehr. Als sie dann noch ihren Job verliert, bricht sie auf der Straße zusammen. Und findet sich in den Armen von Estelle Le Bloch wieder. Die ältere Dame macht ihr überraschend ein Angebot: Nora soll als Empfangsdame in einem Zürcher Luxushotel neu beginnen.

Alles scheint sich zum Guten zu wenden, bis plötzlich der Hotelbesitzer, Estelles Mann, ermordet aufgefunden wird. Der Grund für das Verbrechen soll angeblich eine goldene Muschel aus der Römerzeit sein. Gemeinsam mit dem charismatischen Journalisten David Preston beginnt Nora eher unfreiwillig zu ermitteln und kommt dabei einem alten Familiengeheimnis der Le Blochs auf die Spur.

Während Nora herauszufinden versucht, was vor vielen Jahren in der Bretagne wirklich geschah, holen sie die düsteren Ereignisse aus ihrer eigenen Vergangenheit wieder ein …

Anleser:
Bretagne
Freitag, 10. Juli 2015
Philippe keuchte und hustete. Ein Regentropfen rann ihm über die Wange, und er blickte hoch in den von dunklen Wolken verhangenen Himmel. Schon bald würde das Unwetter in all seiner Stärke über den Strand ziehen. Er hustete wieder und erinnerte sich an die Weisung des Arztes, jegliche Anstrengung zu meiden. Aber zum Teufel mit dem Arzt! Energisch setzte er seinen Gehstock in den Sand und ging weiter, kam an einem durch die Ebbe freigelegten Felsenmeer vorbei und grüßte ein paar Gezeitenfischer, die in Gummistiefeln und Regenjacken eifrig nach Krebsen und Muscheln suchten. Auch er war auf der Suche. Würde er die goldene Muschel heute finden? Obwohl ihn alle für verrückt hielten, gab er die Hoffnung nicht auf. Niemals. Seine Muschelprinzessin hatte er für immer verloren, fände er aber die goldene Muschel, könnte er abschließen und in Frieden ruhen.
Philippe blieb stehen. Genau hier an diesem Strandabschnitt, vor 52 Jahren, hatte er seine Muschelprinzessin zum ersten Mal gesehen. Wo sie jetzt wohl war? Denk nicht an sie! Konzentriere dich lieber auf die Muschel! Aber zuerst musste er etwas essen, er fühlte sich schwach. Er zog einen Apfel aus der Jackentasche und jonglierte damit. Eine Angewohnheit, die er wohl nie mehr loswerden würde, dachte er schmunzelnd.
Er nahm einen großen Bissen und beobachtete eine Schwimmkrabbe, die sich blitzschnell ein Loch buddelte und darin verschwand. Und dort! Ein Krebs! Er schaute ihm nach, bis er ihn nur noch verschwommen sah. Da spürte er einen heftigen Druck auf seiner Brust, als läge ein Stein darauf, der immer schwerer wurde und ihn zu erdrücken schien. Er ließ den Apfel fallen, sank in den feuchten Sand. Bevor er bewusstlos wurde, galt sein Gedanke ihr. Seiner Muschelprinzessin.

Zürich
Samstag, 11. Juli 2015
Nie hätte Nora gedacht, dass er so viel Kraft besäße. Schließlich war er dünn wie eine Bohnenstange und mindestens einen Kopf kleiner als sie. Aber er packte sie mit einer solchen Grobheit am Arm und zerrte sie mit einer Wucht nach draußen, dass sie vor Schmerzen aufschrie. Vor der Tür gab er ihr einen kräftigen Stoß. »Verschwinde, du verdammte Schlampe!«
Nora schlug hart mit dem rechten Knie auf dem Asphalt auf. Langsam hob sie den Kopf und blickte zu ihrem Boss. Sein kahl geschorener Kopf glänzte im Lichte der Sonne. »Du kannst froh sein, wenn wir dich nicht verklagen«, brüllte er. »Und jetzt hau endlich ab!«
Nora griff nach ihrer Handtasche und stand vorsichtig auf. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihr verletztes Knie. Sie wischte das Blut weg, zog ihre hochhackigen Sandaletten aus und humpelte davon. Mit ihrem kurzen schwarzen Rock und dem roten Glitzertop hob sie sich glücklicherweise nicht allzu sehr von den anderen weiblichen Passanten ab, die an diesem warmen Juliabend in dem beliebten Partyviertel unterwegs waren. Auch die Tatsache, dass sie mit blutendem Knie durch die Gegend humpelte, schien niemanden zu interessieren. Bloß ein paar vorbeitorkelnde Männer riefen ihr obszöne Wörter zu. Nora ignorierte sie und ging weiter, bis ihr Blick auf einen Pizzastand fiel, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hatte. Der verlockende Duft nach Tomaten und Käse erinnerte sie daran, dass sie heute noch nichts gegessen hatte. Sie seufzte. Den Luxus einer Pizza konnte sie sich nicht leisten. Was jetzt? Sie hatte nichts mehr. Keinen Job, keine eigene Wohnung, kein Geld, keine Familie. Nichts. Ihr Vater hatte recht. Sie war eine Versagerin und hatte ihr Leben nicht im Griff.
Schrilles Gelächter riss sie aus ihren Gedanken, und sie drehte sich abrupt um. Drei pubertierende Mädchen versuchten, ein Selfie zu schießen, und dabei war es ihnen besonders wichtig, dass man ihre T-Shirts auf dem Foto sehen konnte. Immerhin war der zurzeit angesagteste Popsänger der Welt darauf abgebildet: Berry Lee Thompson. Nora schmunzelte. Früher war sie auch so gewesen, hatte Konzerte besucht und ... Sie stutzte. Konzerte! Wie in Trance drehte sie sich um. Da stand sie, die imposante Konzerthalle mit der anthrazitfarbenen Glasfassade. Nur wenige Meter von ihr entfernt. Noras Herz schlug immer schneller, und sie spürte, wie der Schweiß aus ihren Poren drang. Wie hatte sie nur hierher gelangen können, wo sie diesen Platz schon seit Jahren mied? Um sie herum drehte sich alles, und dann wurde es schwarz.

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17. Juni 2020

'Zeitläufer: Der Verborgene Raum' von Mairi Carlsson

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website text-in-line
Ein altes Familiengeheimnis, ein mysteriöser Geheimbund und die Jagd nach einem Menschheitstraum …

Jonas Loring ist unsterblich. Eine Tatsache, die er seit Jahrhunderten erfolgreich vor der Welt verbirgt. Bis ihn ein alter Feind aufspürt, der ihn nicht allein wegen seiner Unsterblichkeit jagt. Denn Jonas kennt das Geheimnis der Kammer des Wissens. Ein Wissen, das nicht nur für ihn und seine Verbündeten eine Gefahr darstellt, sondern den Lauf der Geschichte verändern kann. Und der Schlüssel dazu liegt ausgerechnet in den Händen der jungen Lia Strindberg, die von ihrem brisanten Erbe nichts ahnt.

Ein finsterer Geheimbund hat bereits ihre Witterung aufgenommen. Um zu verhindern, dass Lia in die Gewalt seiner Feinde gerät, beginnt Jonas ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel, das ihn mit seiner eigenen dunklen Vergangenheit konfrontiert und Lia ihrer wahren Herkunft näherbringt. Doch ihre Verfolger scheinen ihnen immer einen Schritt voraus zu sein.

Ein packender Mix aus Urban Fantasy und Mystery, der den Leser von London über Heidelberg bis hin zu den Pyramiden von Gizeh führt und selbst die Grenzen von Raum und Zeit überschreitet.

Anleser:
Hamburg, Oktober 1944
Der Junge weint. Es ist ein stummes Weinen. Leo sieht die Angst in seinen Augen. Sein Vater hält ihn dicht an sich gepresst, aber es ist keine beschützende Umarmung, sie gibt weder Wärme noch Geborgenheit. Seine Hand umschließt mit hartem Griff das Kinn des Jungen. Gegenüber steht mit blassem Gesicht die Mutter, einzelne Strähnen ihres Haares haben sich gelöst und umtanzen in goldenen Fäden das Tuch um ihren Hals, dessen leuchtendes Rot in den kalten Betonwänden des Bunkers wie eine züngelnde Flamme aufscheint. Gebannt hängt Leos Blick an diesem intensiven Spiel der Farben, scheint es doch das einzig Greifbare, das einzig Wahrhaftige in diesem Raum zu sein.
Sie hält das Kästchen in ihren zitternden Händen, so als könne der kleine Gegenstand ihr Trost und Schutz spenden. Doch nichts an diesem Tag verspricht Schutz. Leo hört das nervenzerreißende Heulen der Sirenen, das von den Wänden nur schwach gedämpft wird. Ein Luftangriff steht bevor. Angstvolles Rufen und das Trampeln unzähliger Schritte dringen durch die dicken Mauern in den abgeschlossenen Raum hinein.
Furcht kriecht in ihm empor. Er hat sich in eine Ecke gedrängt. Die feuchte Wand jagt ihm Schauer über den Rücken, aber er wagt nicht, sich zu rühren. Zwei Männer umrahmen die Szenerie wie Schatten, als hätten sie keinen Teil an dem Drama, das sich vor ihren Augen abspielt. Doch jeder von ihnen ist darin verstrickt. Sie alle sind Beute einer gigantischen Spinne, die mit ihrem Netz alles Lebendige einhüllt.
Einer von ihnen ist Clemens Strindberg. Leo kennt ihn. Er mag ihn. Der junge Mann ist immer freundlich zu ihm gewesen, immer höflich, genau wie die gnädige Frau Agnes, die Mutter des Jungen, die jetzt vor seinen Augen um das Leben ihres Sohnes zittert. Er hat nie böse Worte ihm gegenüber gefunden, ihn auch nie verscheucht wie einen allzu anhänglichen jungen Hund. Clemens ist sehr klug, er findet immer eine Lösung. Und er ist tapfer. Er hat noch nie Angst gezeigt, auch nicht vor dem Herrn Baron. Aber heute sieht er sehr blass aus in seiner Leutnantsuniform, noch immer nicht genesen von der Verwundung, die der Krieg ihm zugefügt hat. Sein Arm steckt in einer Schlinge, weiß, so abweisend wie die Wände um sie herum. Er wirkt unentschlossen, als sei ihm nicht klar, warum er hier ist. Die Pistole hängt schlaff in seiner Hand. Seine Finger krampfen sich immer wieder um den Griff wie ein Automat, bei dem erst der richtige Knopf gedrückt werden muss.
Der andere Mann ist Leo fremd. Er trägt eine SS-Uniform und hält eine Waffe in der Hand. Etwas an ihm ist unheimlich, kündet von einer unterschwelligen Drohung, die nicht allein von dem bläulich schimmernden Eisen der Schusswaffe ausgeht. Es sind seine Augen, denkt Leo. Sie funkeln in dem kalten Licht hart und klar wie Diamanten. Aber gleichzeitig sind sie in weite Ferne gerichtet, als sähen sie Dinge, die sonst niemand sehen kann. Das rote Band mit dem Eisernen Kreuz an seiner Brust spiegelt das Rot des Tuches am Hals der Mutter. Wie Bänder aus Blut. Er schaudert. Seltsamerweise scheint der SS-Offizier die Frau mit dem Kästchen in ihrem Arm für die größere Gefahr zu halten als den Mann, der seinen eigenen Sohn als Geisel hält. Seine Waffe ist unverwandt auf die gnädige Frau Agnes gerichtet. Leo zuckt zusammen, als er sie sprechen hört.
»Bitte, Konrad! Tu ihm nicht weh!«

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16. Juni 2020

'Die Leiche bin ich: Ein Ruhrpottkrimi' von Margarethe Magga

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Die Studentin und Aushilfskellnerin Liane findet sich, ohne Erinnerung an die letzten Stunden in einer Sackgasse in Bochum abgelegt, wieder. Nur widerstrebend lässt sie den Gedanken zu, dass sie anscheinend ermordet wurde. Kurz vor der Obduktion wird ihr Körper aus dem Kriminalpathologischen Institut entführt. Die scheinbar sinnlose Tat stürzt den Polizeiapparat in hektische Betriebsamkeit, aber die Leiche wird nicht gefunden.

Die Kriminalbeamten Luppert und Frauke stürzen sich verbissen in die Suche nach dem Mörder, der sie mehrfach auf falsche Fährten führt. Mit ihren ganz eigenen Methoden sucht auch die aufstrebende Journalistin Anne Greis nach dem Mörder. Sie ist es auch, die als Erste entdeckt, dass es sich um einen Serienmörder handelt. Soll sie den sympathischen Frauke einweihen oder auf eigene Faust handeln?

Die Leser werden in dem spannenden Regionalkrimi „Die Leiche bin ich“ von Margarethe Magga von einer Wendung zu nächsten gejagt und haben, wie auch die Protagonisten, kaum Zeit zum Verschnaufen, denn aus der Hand legen will man den Roman nicht besonders gerne. Die Autorin verleiht dem Thema Serienmord das gewisse Etwas, so dass es auf den Seiten nicht an Nervenkitzel und Lesefreude mangelt.

Anleser:
Was ist das? Da ist doch jemand. Geht es jetzt los? Oh Gott, noch nicht, bitte, ich bin noch nicht soweit! Bitte!

Die Tür war lauter ins Schloss gefallen, als er erwartet hatte. Zumindest kam es dem großen, kräftigen Mann mit dem akkuraten Haarschnitt und dem hellblauen Hemd, dessen Knöpfe Schwerarbeit leisten mussten, sehr laut vor. Einen Augenblick lang verharrte er regungslos, die Kiefer fest zusammengepresst. Dann spürte er, wie angespannt er war, und atmete mehrmals, tief, langsam und bewusst, bevor er sich Schritt für Schritt, wie als Kind beim Indianer spielen, seinem Ziel näherte.

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'Wahre Wasser' von Chester Rock

Kindle | Tolino | Taschenbuch
Website Chester Rock
Jacob West verliert den Kontakt zu seinem besten Freund und das Vertrauen in seine Frau. Er zieht sich immer mehr zurück und verstrickt sich in wilde Theorien über Personen, die ihm nahestehen und ihm helfen wollen.

Am Ende steht er allein da und lernt einen Mann kennen, der verspricht, all seine Probleme lösen zu können. Der Dämon in seinem Kopf triumphiert und schreit nach Vergeltung.

Diese Lösung bedroht nicht nur Jacobs Frau, sondern mutiert zu einer nationalen Bedrohung.

Anleser:
Schrödingers Katze
23. August, 23:40 Uhr. Hektisch wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Seine Drüsen schienen die Produktion in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf das Maximum erhöht zu haben. Sein Ohr juckte, aber Jacob nahm den Kopfhörer nicht ab. Nicht noch einmal. Die tiefe, regelmäßige Vibration, die das Ge-räusch der Rotorblätter in seiner Magengegend auslöste, war kaum zu ertragen. Er sah wieder nach unten. Der Helikopter hatte die zulässige Höhe von 3.500 Meter schon seit mehreren Minuten überschritten und näherte sich konstant der 5.000-Meter-Marke. Und obwohl der Pilot mehrfach mahnte, ja fast schon bettelte, nicht noch höher steigen zu müssen, folgte er der Anweisung des Mannes. Jacob öffnete den Mund, doch es half nichts. Es schmerzte und fühlte sich an, als würde jemand mit einer Saugglocke unerbittlich an seinen Ohren pumpen. Jacob tippte dem Piloten, der den Pitch fest in seiner Hand hielt und zu sich zog, auf die Schulter. Der Mann sah ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an. Dem Angestellten des Nachrichtensenders, der tagtäglich seine Flüge im Namen des medialen Auges vollzog, war anzusehen, dass auch er an dem Unterdruck litt. Jacob signalisierte ihm, den Hub-schrauber ein wenig nach unten zu manövrieren. Der Pilot nickte und leitete unverzüglich den Sinkflug ein. Er kannte den Namen des Mannes nicht und letztendlich war es ihm auch egal. Zu viel war in den letzten Stunden passiert, er konnte sich mit solchen Details nicht aufhalten. Wieder wischte Jacob sich den Schweiß von der Stirn. Vorsichtig wagte er wieder einen Blick aus dem Fenster. Während seine Augen den Boden suchten, umfasste seine Hand verkrampft den schmalen Sitz, auf dem er saß. Jacob hasste nicht nur das Fliegen, vielmehr hatte er eine Todesangst davor. Sein Blick blieb an der bizarren Szenerie, die sich unter ihm abspielte, haften. Für einen Augenblick entspannte sich sein Körper, auch das Pochen in seinen Schläfen schien in diesem Moment der Vergangenheit anzugehören. Seine verkrampfte Hand, die sich in den Stoffsitz gekrallt hatte, löste sich und Jacob zog seine Augenbrauen hoch. Sie waren seinetwegen da. Der Helikopter flog zu schnell, sodass er nicht die Zeit hatte, die Fahrzeuge zu zählen.
»Wir bekommen Besuch«, hallte die blecherne Stimme plötzlich in seinen Kopfhörern wider.
Er erschrak und sah, wie der Pilot nach links zeigte. Seine Augen folgten dem Deut und er erkannte einen Polizeihubschrauber, unweit von ihnen.
»Hängen Sie ihn ab.« Jacob blickte wieder auf seine Füße. Dieser Trick hatte bei den vier Flügen mit Linienmaschinen, die er bis jetzt in seinem Leben absolviert hatte, immer funktioniert. Die beunruhigenden Geräusche der startenden Turbinen und das Rumpeln der Gepäckstücke, die in den Bauch der Maschine eingeladen wurden, diesen schrecklichen Lärm konnte er ausblenden, wenn er sich auf seine Füße konzentrierte. Er hasste seine Familie dafür, dass sie da-mals nicht in Texas geblieben war, und dennoch verbot es ihm seine Moral, den zwei Beerdigungen wegen seiner Phobie vor der Luftfahrt nicht beizuwohnen.
»Sir, die Kraftstoffmenge wird dafür nicht ausreichen«, erwiderte der Pilot und sah ängstlich in die Augen von Jacob.
»Hängen Sie den Hubschrauber ab«, wiederholte er überdeutlich und laut seine Worte, während seine linke Hand in seiner Jackentasche verschwand.
Der Pilot nickte und tat, was man von ihm verlangte.
Er zog seine Hand wieder langsam aus seiner Jackentasche und widmete sich wieder seinen Füßen.
An diesem 23. August um 23:44 Uhr veränderte der Pilot den Anstellwinkel aller Rotorblätter nach rechts unten und verschwand in der Dunkelheit.

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15. Juni 2020

'Schwarzer Rost' von Axel Hollmann

Kindle | Taschenbuch
Website Axel Hollmann
Shortlist - Deutscher Selfpublishing Preis 2018

Johannesburg-Südafrika · Denver-USA · Kuala Lumpur-Malaysia

Ein Pilz vernichtet die Getreideernten Afrikas. Unaufhaltsam breitet sich der Schwarze Rost von dort über die Welt aus. Millionen verhungern. Der Journalist Finn Sadah berichtet aus einem Flüchtlingslager, das die Chinesin Jin Mae mit dem Vermögen ihres verstorbenen Vaters finanziert. Doch es kommt zu einer Katastrophe. Finn zerstört ihr Lebenswerk und damit ihre Freundschaft. Er sieht nur eine Chance, seine Schuld zu sühnen: Er muss den Schwarzen Rost besiegen.

Die Suche nach einem Heilmittel verstrickt Finn in eine weltumspannende Mordserie an Genforschern, und schließlich gerät der Journalist in die Schusslinie eines skrupellosen Söldners.

Lüge ist Wahrheit.

Anleser:
Auch in diesem Dorf waren die Felder von der Krankheit gezeichnet. Finn betrachtete den Weizenhalm in seiner Hand. In dunklen Linien brachen die Sporen des Pil- zes, der in dem Stängel wie ein Krebsgeschwür wucherte, aus ihm hervor. Sie bedeckten ihn auf seiner gesamten Länge. Selbst die Blätter waren befallen. Rostbraun und Schwarz. Daher hatte die Erkrankung ihren Namen.

Getreideschwarzrost.

Vor einem Jahr hatte er das Wort zum ersten Mal in einem Zeitungsartikel gelesen. Damals wussten nur wenige Fachleute etwas mit der Krankheit anzufangen, doch in den letzten Monaten hatte sich das geändert. Jetzt wusste jeder, was der Schwarze Rost war.

Er ließ die Ähre durch die Finger zu Boden gleiten. Wie winzig die wenigen verkrüppelten Körner waren. Die Regierung hatte verkündet, der Pilz sei für Men- schen völlig harmlos.

»Schön möglich«, sagte Finn zu sich selbst, »aber habt ihr nicht auch behauptet, dass ihr den Pilz in ein paar Monaten in den Griff bekommt?« Tja, wie sagte man so schön? Irren ist menschlich.

Blick ins Buch (Leseprobe)

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