31. Oktober 2012

'Das Herz der Wölfin' von Cathy McAllister

Ein historischer Liebesroman. Bei einem Wikingerangriff auf seine Burg fällt dem Franken Fulk ein junger Wikingerbursche in die Hände. Die ungewöhnlichen, blauen Augen des Jungen, üben eine beunruhigende Anziehungskraft auf ihn auf, bis er eine verblüffende Entdeckung macht. Unter dem präparierten Wolfskopf steckt kein Junge, sondern eine junge Frau.

Zwischen Fulk und seiner schönen Gefangenen Ylfa knistert es gewaltig, doch die stolze Kriegerin bekämpft Fulk mit allen Mitteln.

Gleich lesen: Das Herz der Wölfin

Leseprobe:
Auf dem Sammelplatz warteten die Knechte mit den Pferden und die zurückkehrenden Jäger feierten ihre Jagderfolge erst einmal mit einem kräftigen Rotwein aus den mitgebrachten Weinschläuchen. Insgesamt war der Jagdausflug sehr erfolgreich gewesen. Zwei Keiler, ein prächtiger kleiner Bock, elf Kaninchen und acht Rebhühner.
„Du bist heute der König der Jagd.“ Brice, Fulks bester Freund, schlug ihm anerkennend auf die Schulter. „Dagegen sieht mein Böckchen recht mickrig aus.“
„Dafür hast du doppelt so viel Kaninchen wie ich und die Hälfte der Rebhühner gehen auch auf dich. Mir scheint, wir werden die nächsten Tage reichlich zu schmausen haben.“
„Ja mein Freund. Ich hoffe, dein Weinkeller ist gut gefüllt“, stimmte Brice lachend zu und zwinkerte.
„Ich habe genug Wein, um dich ein ganzes Jahr lang abzufüllen. Ich hoffe nur, du singst nicht wieder gar so zotige Lieder. Meine liebe Schwester gerbt uns sonst das Fell!“
„Gisela kann meinem Charme genauso wenig widerstehen, wie alle Weiber. Ich werde ihr ein paar schöne Worte ins Ohr flüstern und schon schnurrt sie wie ein Kätzchen.“
„Ha! Wohl eher wie ein Raubkätzchen. Mag sein, dass Gisela eine Schwäche für dich hat, aber das heißt noch lange nicht, dass sie dir aus der Hand fressen wird.“
„Wir werden sehen Fulk mein Freund. Ich habe vor, um sie zu werben – mit deinem Einverständnis vorausgesetzt.“ Fulk schaute seinen Freund verwundert an.
„Du willst um meine Schwester freien?“
„Gewiss. Warum nicht?“
Fulk schluckte. „Sie ist erst sechzehn“, gab er zu bedenken.
„Was sich ja wohl in drei Tagen ändern wird, wenn ich mich nicht sehr irre. Mit siebzehn sind die meisten Mädchen schon lange verheiratet. Ich denke, dass ich mit meinen vierundzwanzig Jahren noch nicht zu alt für sie bin und ein schönes Heim habe ich ihr auch zu bieten. Ich werde sie immer anständig behandeln, wie es einer Dame zukommt.“
„Das weiß ich, mein Freund. Wenn ich irgendeinem Mann meine Schwester anvertrauen würde, dann dir. Trotzdem ist die Vorstellung für mich noch ungewohnt. Ich sehe immer noch das kleine Mädchen in ihr.“
Brice grinste seinen Freund an.
„Mir scheint, du hast sie in der letzten Zeit nicht sehr genau angesehen. Sie ist eine Frau geworden, eine wunderschöne noch dazu.“ „Wir reden ein anderes Mal über meine Schwester. Jetzt sollten wir aufbrechen, damit wir vor Einbruch der Dunkelheit zur Burg gelangen“, lenkte Fulk von dem für ihn unangenehmen Thema ab.
Er gab die erforderlichen Anweisungen und schon bald war die kleine Jagdgesellschaft auf dem Heimweg. Es war ein Weg von gut zwei Stunden, den sie zurückzulegen hatten. Die erfolgreichen Jäger waren guter Laune und freuten sich auf einen saftigen Braten und einen kräftigenden Trunk am warmen Feuer. Es war des Abends schon recht kühl und man konnte bereits den nahenden Winter spüren.
Fulk ritt schweigsam auf seinem feurigen Rappen. Das Gerede seines Freundes über die Brautwerbung hatte ihn daran erinnert, dass es auch für ihn langsam Zeit wurde, an eine Vermählung zu denken. Leider hatte er nicht die geringste Ahnung, welche Braut er ins Auge fassen könnte. Es gab viele geeignete Kandidatinnen, die aufgrund ihrer Stellung und Abstammung infrage kämen, doch keine von ihnen vermochte ihn zu reizen. Es waren wahre Schönheiten darunter, kein Zweifel, dennoch ließ keine von ihnen den Wunsch in ihm aufkommen, mehr als nur ein paar vergnügliche Nächte mit ihr zu verbringen. Er beneidete Brice, der offenbar die Liebe gefunden hatte.
Fulk wusste selbst nicht, was er eigentlich von einer Frau erwartete. Einige Väter hätten ihm gern ihre Tochter als Braut gegeben, doch die meisten Frauen fürchteten ihn. Sein Ruf war nicht der Beste, hatten sich doch viele Legenden um ihn herum gebildet. Es stimmte, dass er ein gnadenloser Krieger war, doch er beschränkte Gewalt für gewöhnlich auf den Krieg und nicht gegen unschuldige Frauen und Kinder. Sein finsteres Erscheinungsbild sprach auch nicht gerade für ihn. Seine langen, schwarzen Locken ließen ihn stets wild und ungezähmt erscheinen und die grünen Augen waren die eines lauernden Raubtieres. Seine linke Wange wurde von einer hässlichen, gezackten Narbe entstellt, die er sich auf der Wolfsjagd zugezogen hatte. Im Allgemeinen machte sich Fulk nicht so viel daraus, dass die bleichen Jungfern ihn nicht haben wollten. Die Frauen hatten ohnehin keinen Geist, hatten nicht einmal eine eigene Meinung. Gab es denn keine Frau, die einen eigenen, denkenden Kopf besaß, der nicht nur hübsch, sondern auch klug war? Und die mutig genug war, den Teufel von Rabenfeld zu lieben?
Seine Mutter war eine kluge und mutige Frau gewesen. Seine Eltern hatten sich auch nach langen Ehejahren noch ihre tiefe Liebe und Leidenschaft erhalten gehabt. Es war jetzt fünf Jahre her, dass seine Eltern und sein jüngerer Bruder an einer rätselhaften Krankheit gestorben waren. „Woran denkst du?“, riss Brice seinen schweigsamen Freund aus den Grübeleien.
Fulk fuhr herum und sah seinen Freund an, der seinen Schimmel neben ihn lenkte. Er gewahrte einen besorgten Ausdruck auf Brice Gesicht.

"Das Herz der Wölfin" im Kindle-Shop

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30. Oktober 2012

'Blinde Vergeltung' von Bettina Büchel

Sie sind am Ziel Ihres persönlichen und beruflichen Erfolgs angelangt! Perfektes Aussehen, reichlich Geld auf dem Konto und Eigentümer eines florierenden Finanzunternehmens. Das Leben meint es gut mit Ihnen. Nichts und niemand kann Sie jetzt noch aufhalten. Doch von einem Tag auf den anderen gerät Ihr vermeintlich perfektes Leben völlig aus den Fugen. Eine unangemeldete Prüfung durch die Aufsichtsbehörde, Verdacht auf Veruntreuung von Kundengeldern zur persönlichen Bereicherung, und zu guter Letzt ein Toter, der in engem Kontakt zu Ihnen steht. Was glauben Sie, wem können Sie in dieser Situation jetzt noch trauen …

Eine großangelegte Intrige entwickelt sich um den erfolgreichen Investment-Banker Marc Binder. Ein spannender Thriller – und ganz nebenbei erfahren Sie einiges über die dunklen Ecken der Finanzwelt!

Gleich lesen: Auf dem Kindle

Leseprobe:
Hongkong war eine aufregende Stadt. Auf engstem Raum lebten Millionen von Menschen unterschiedlichster Rassen miteinander. Ein ungewöhnlicher Mix aus Reichtum und Armut. Im Kern der Stadt ragten die modernen Glastürme sämtlicher internationaler Banken und Investmentunternehmen in unermessliche Höhen. Hier wimmelte es während des Tages nur so an Geschäftsleuten in ihren schwarzen Business-Outfits und noblen Kostümen. Es gab kaum eine andere Stadt, in der man eine so immense Geschäftigkeit und Hektik erleben konnte. Nur wenig außerhalb sah man im Kontrast dazu die halb verfallenen Wohnhäuser der einheimischen Bevölkerung, deren Fassaden immer mehr abbröckelten und langsam aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit zu verschimmeln drohten.
In den heißen Monaten von Juni bis Oktober lag der Smog so unbarmherzig über der Stadt, dass man das Meer kaum noch erkennen konnte. Eine wahre Dunstglocke legte sich über die Innenstadt. Aber das störte Daniel nicht, er liebte diese rastlose Geschäftigkeit und den Lebensstil der Menschen, die hier seit Langem lebten. Sogar an die teilweise sehr intensiven Gerüche hatte er sich gewöhnt, die davon rührten, dass die hiesigen Metzgereien es mit dem Ausstellen der geschlachteten Hühner und Truthähne in den Schaufenstern nicht so genau nahmen.
Aber vor allem das Nachtleben sagte ihm zu, denn diese Stadt schlief niemals. Natürlich waren viele Bars und Clubs sehr touristisch ausgelegt, denn an Touristen mangelte es hier zu keiner Jahreszeit. Trotzdem hielt er sich gerade dort gerne auf, um sich zwischendurch wieder mit westlichen Charakteren austauschen zu können. Er musste sich jedoch auch eingestehen, dass ihn vor allem die asiatischen Mädchen, die sich in diesen Pubs aufhielten, um sich einen westlichen Mann zu angeln, reizten. Im Gegensatz zu den etwas üppig gebauten Antiguanerinnen waren hier die Mädchen sehr zierlich gebaut. Vielleicht etwas zu zierlich, aber dafür von einer Liebenswürdigkeit, von der die Männer in anderen Ländern nur träumen konnten. Er ließ keine Gelegenheit aus, sich von der Hingabe der Asiatinnen immer wieder verwöhnen zu lassen.

Die Firmengründung war nahezu ein Kinderspiel. Nur die Suche nach geeigneten Büroräumlichkeiten entpuppte sich schwerer als erwartet, da das Immobiliengeschäft in Hongkong extrem boomte. Außerdem suchte er von Beginn an nach einem repräsentativen Geschäftsumfeld direkt im Zentrum, um bei wichtigen Partnern den gewünschten Eindruck zu hinterlassen. Kleine Brötchen zu backen war er nicht gewohnt und wollte dies auch in Zukunft nicht.
Hartnäckig verfolgte er sein Ziel, bis ihm ein für seinen Zweck ausgezeichnetes Objekt inmitten des Finanzdistrikts von Hongkong angeboten wurde. Nicht billig, aber auch nicht unverschämt. 500 qm im 22igsten Stockwerk eines bekannten Hongkonger Bürogebäudes war durchaus ein guter Start. Jetzt war es an der Zeit, auch die richtigen Mitarbeiter für sein Vorhaben zu finden. Er brauchte junge, attraktive Menschen, die mit vollem Elan und Enthusiasmus für ihn arbeiteten. Den Israeli, den er vor Kurzem in einer der hippen Bars im Central kennengelernt hatte, konnte er schon fast davon überzeugen, bei ihm einzusteigen. Er war Jude und somit, was das Gespür für gute Geschäfte anging, sicherlich ein Volltreffer. Zudem war er sehr wortgewandt. Er konnte derart überzeugend seine Meinung äußern, dass man gar nicht anders konnte, als ihm zuzustimmen.
Normalerweise war das doch seine Spezialität, dachte er.

Im Kindle-Shop: Blinde Vergeltung: Ein Hedgefonds-Manager unter Verdacht

Mehr über und von Bettina Büchel auf Ihrer Website.

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25. Oktober 2012

'Gott würfelt doch - Abgrund' von Lutz Kreutzer

Thriller über ein schier unglaubliches Leben. Das Leben des Walter Landes ist von Bildung und Wohlstand geprägt. Ein Ereignis stellt alles auf den Kopf: Walters Freundin Anna verschwindet spurlos, und plötzlich taucht ein Doppelgänger auf. Mit ihm begibt sich Walter auf eine erschreckende Irrfahrt in die Vergangenheit. Dann wird Walter angeklagt, sich selbst heimtückisch ermordet zu haben.

Während seiner Odyssee von Deutschland bis in die Nazi-Fluchtburg Eldorado erkennt Walter schließlich, dass in seinem Leben nichts mehr gilt: Wahrheiten entpuppen sich als Lügen, Sicherheiten als Trugschluss. Walter muss sich einem mächtigen Gegner stellen, um dessen perfiden Plan zu vereiteln.

Gleich lesen: Gott würfelt doch - Abgrund: (Band 1)

Leseprobe:
Vor sieben Tagen noch verwandelte das Weiß der Wand jeden Gedanken in meinem Kopf zu Schmerz. Nachdem sie mich endgültig eingesperrt hatten, schrie ich die Mauer sechseinhalb Stunden lang an, bis meine Stimme erstarb. Danach schlug ich meine Stirn dreimal dagegen, dorthin, von wo mich jetzt der Blutfleck erbleicht und fahl anstarrt. Nun stiere ich auf das Papier, das vor mir liegt, und ich habe beschlossen, es gleichgültig zu finden, ob ich in dieser Zelle stecke oder irgendwo anders dahinvegetiere. Ich habe inzwischen den Richterspruch akzeptiert, denn selbst wenn ich frei wäre, könnte ich all das, was geschehen ist, nicht mehr ungeschehen machen.

Sie haben mich verurteilt, weil ich, Walter Landes, am 16. Juli 1988, siebenundzwanzigjährig, angeblich mich, Walter Landes, heimtückisch getötet habe. Mein Urteil lautet: lebenslänglich. Sie haben sich - aus meiner Sicht - der Unfähigkeit preisgegeben, denn ich bin der einzige Mensch, der genau weiß, was vorgefallen ist. Menschen besitzen unterschiedliche Wahrheiten, und die meisten begreifen die große Wahrheit niemals; doch es reicht aus, wenn in diesem Fall nur ich der einen Wahrheit gerecht werde, denn sie wird nicht wahrer dadurch, dass mehr Menschen sie kennen; niemand will mir glauben, und ich bin keinem anderen mehr Rechenschaft schuldig.

Jetzt sitze ich auf einem zerkratzten Holzstuhl, an einem kleinen, schäbigen Resopaltisch, einen Bleistift in der Hand, den ich an seinem Ende zerkaut habe, verurteilt als Mörder; ein klares Fehlurteil! Denn wäre dem rechtens, so wäre ich der erste Selbstmörder, der verurteilt wurde.

Ich werde mir nicht die Qual bereiten, das Fehlurteil aufzuklären. Mein Fall scheint so glasklar, dass selbst meine Eltern erwägen, ich wäre mein Mörder. Und ich kann sie alle verstehen, dass sie das glauben. Im Grunde bin ich dankbar dafür, dass jetzt alles zu Ende gegangen ist, denn das Versteckspiel der letzten Jahre hat mich aufgefressen, und meine Seele ist dabei allmählich verbrannt.

Den Platz der Verzweiflung erkämpft sich mehr und mehr die Gleichgültigkeit in meinem Kopf. Ich werde aufschreiben, wie alles geschehen ist, nicht etwa um Recht zu erfahren. Nein, die Justiz interessiert mich nicht mehr, die Justiz ist - faktisch betrachtet - meiner nicht mehr würdig, denn ich habe ein Urteil provoziert, das es gar nicht geben kann und sie daher in die Absurdität geführt. Ich hause in dieser Zelle, vom Staatsanwalt angeprangert, von den Richtern verdammt, von den Menschen verteufelt, von den Medien ausgeweidet und von der Welt durch den Sumpf der Verachtung gezogen. Es ist im Grunde ein Segen für mich, gefangen gehalten zu werden, denn wenn ich wieder nach draußen käme, würde ich die Schmach, die über mich hereinbräche, nicht ertragen können. Und ich schreibe das alles nur deshalb auf, weil ich mir selbst ein Bild malen möchte; ein Bild - so schön, so grausam und so schmerzlich - wie es sich in dem Moment abzuzeichnen begann, als ich ihm zum ersten Mal begegnete.

Im Kindle-Shop: Gott würfelt doch - Abgrund: (Band 1)

Mehr über und von Lutz Kreutzer auf seiner Autoren-Website.

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24. Oktober 2012

'Sustainable Impact' von Marc F. Bloom

Ein Thriller, dessen englischer Titel mit eine Doppeldeutigkeit des Begriffes Impact aufgreift, die es im Deutschen so nicht gibt. Der junge Doktorand Richard Hirlinger trifft für einen Forschungsaufenthalt auf dem Cerro Paranal, dem weltweit leistungsfähigsten optischen Observatorium, in Chile ein. Kurz darauf entgeht er nur knapp einem Unfall, bei dem der führende Experte der Exoplaneten-Forschung unter ungeklärten Umständen ums Leben kommt ...

Bei seinen Nachforschungen macht Richard eine erschreckende Entdeckung, die ihn selbst zum Gejagten macht. Langsam ahnt er, dass er sich mitten in einer weitreichenden Verschwörungen befindet, die eine unerwartete Wendung nimmt.

Gleich lesen: Sustainable Impact - Ein globales Endspiel: Thriller

Leseprobe:
Eine leichte Brise blies die salzige Luft vom Atlantik landeinwärts. Die Sonne stand hoch am Himmel. Nur wenige Wolken durchquerten das perfekte Blau. Ein idealer Tag. Seltene Wasservögel und Amphibien bevölkerten die Küsten und Sümpfe des Merritt Island National Wildlife Refuge, eine Insel zwischen Indian und Banana River an der Ostküste Floridas. Der Jetty Park an der Nordost-Spitze einer langgezogenen Insel südöstlich von Merrit Island bildete die perfekte Kulisse für diesen sonnigen Spätsommermorgen. Im Park hatten sich bereits einige hundert Menschen versammelt. Allerdings waren es an diesem Morgen deutlich weniger als üblicherweise den Start des Space Shuttle verfolgten. Die meisten Besucher hatten sich auf Campingstühlen oder anderen Sitzgelegenheiten niedergelassen. Einige Familien hatten wasserabweisende Decken ausgebreitet und ein Picknick mitgebracht. In der vordersten Reihe hatten professionelle Beobachter Fernrohre mit Stativen aufgebaut. Sie alle warteten auf den Start der Rakete. Die Startrampe des Kennedy Space Center auf Cape Canaveral war in mehreren Kilometer Entfernung nur zu erahnen. Das Kennedy Space Center auf dem nördlichen Teil der vorgelagerten Inseln an der Ostküste Floridas umfasst ein gewaltiges Areal und ist aufgrund seiner Äquatornähe besonders geeignet für Raketenstarts.
Auch Edward Russel, Ingenieur und Leiter einer lokalen Telefongesellschaft, war an diesem Tag mit seiner Frau und den beiden Kindern gekommen, um den Start der Delta IV Rakete vom Jetty Park aus zu verfolgen. Bereits um sechs Uhr morgens waren sie in Tampa aufgebrochen und hatten die zweieinhalbstündige Fahrt ohne die erwarteten Staus hinter sich gebracht. Schon seit längerem hatte Edward Russel seinen beiden Kindern einen Besuch im Kennedy Space Center versprochen. Von der Gelegenheit, diesen Besuch mit der Beobachtung eines Raketenstarts zu verbinden, hatte er erst vor wenigen Tagen von einem ehemaligen Arbeitskollegen erfahren, der seit kurzem bei der NASA arbeitete.
Der Start der Rakete war für 10:23 Uhr angekündigt. Das war zumindest die Information, die sich unter den Wartenden herumgesprochen hatte. Edward Russel hatte zu seiner Verwunderung nichts über den geplanten Start im Internet oder in der Lokalpresse gefunden. Normalerweise berichtete die Presse immer von solchen Ereignissen, die sich dann regelmäßig zu einem Besuchermagnet entwickelten. Umso mehr freute er sich über den Geheimtipp und dass er den Tag mit seiner Frau und den Kindern hier verbringen konnte. Wahrscheinlich ein geheimer Militär- oder Spionage-Satellit, den sie hochschießen. Der kostet uns Steuerzahler wieder eine knappe Milliarde Dollar. Und die Zeitungen werden in einem Zweizeiler vom erfolgreichen Start eines Nachrichtensatelliten berichten. Wahrscheinlich ist das der Preis für die Sicherung unserer Freiheit.
Mit näher rücken der angekündigten Startzeit wurden die Besucher im Park unruhiger und drängten näher an die Küstenlinie heran. Wenige hundert Meter nördlich lag die Cape Canaveral Airforce Station mit ihren unzähligen Startrampen, die sich entlang der Küste nach Norden erstrecken. Edward Russel und seine Familie saßen noch immer bei den anderen Besuchern im Park und verzehrten mitgebrachte Bagels und heißen Kaffee aus der Thermoskanne. Die Kinder fragten ihrem Vater Löcher in den Bauch. Über Raumfahrt, den Weltraum und die Sterne. Edward Russel beantwortete schon seit der Autofahrt geduldig die Fragen. Als der Zeiger an Edward Russels Armbanduhr auf 23 Minuten nach zehn sprang kündigte eine leuchtende Wolke von Gas und Wasser, das zur Dämpfung der zerstörerischen Schallwellen beim Start auf die Unterseite der Rakete gesprüht wurde, das Zünden der Triebwerke an. Die mehr als 1.000 Tonnen schwere Delta IV Heavy Rakete mit insgesamt sieben gebündelten Zusatztriebwerken erhob sich wie in Zeitlupe von ihrer Startrampe. Als eine der stärksten derzeit verfügbaren Raketen kann sie eine Nutzlast von mehr als vier Tonnen in einen geostationären Orbit bringen.
Wenige Sekunden nach dem Zünden der Triebwerke hatte sich die Delta IV bereits über den Turm der Startrampe mit der Bezeichnung 37B, von der aus auch der erste Start eines unbemannten Apollo-Mondlandemoduls erfolgt war, erhoben.
Was für ein Start.
Die Kinder jubelten und sprangen vor Begeisterung in die Luft. Das aus der Ferne herüberdringende tiefe Grollen der Triebwerke war im gut acht Kilometer entfernten Jetty Park als ein dumpfes Grummeln zu hören. Langsam schwoll das Dröhnen weiter an. Die Rakete stieg immer höher in den Himmel. Der Feuerschweif, den die Booster-Triebwerke von der Verbrennung des Wasserstoffs hinter sich herzogen, war gleißender als das Licht der Sonne. Der Weg der Rakete durch die Atmosphäre wurde dabei von einer hellweißen Wolke aus dem Kondensat der Triebwerke nachgezeichnet.
Nach einigen Minuten – von der Rakete war nur noch das Triebwerk als Feuerpunkt an der Spitze des Kondenskegels zu erkennen – bemerkte Edward Russel, dass das Feuer der Triebwerke ins Stocken geriet.

"Sustainable Impact" im Kindle-Shop

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23. Oktober 2012

'Ungerecht!' von Tine Sprandel

Ein altes Kloster mit Kreuzgang, Mönchen und Geheimgängen. Das ist die Schule, die Jakob nach dem Umzug der Familie erwartet. Die flapsige Bemerkung des Klassenlehrers über Überwachungskameras veranlasst Jakob, mit Jonny und Danny den Keller zu untersuchen, der an ihr Behelfs- Klassenzimmer angrenzt.

Jonny findet heraus, dass im siebzehnten Jahrhundert zwei Stiftsschüler aus diesem Kloster mit 12 Jahren als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. So wie damals, vermutet er auch heute eine weitverzweigte Überwachungsaktion im Kloster. Bei der Aufklärung schlittern die Schüler in eine verbotene Situation nach der anderen, sie werden hintergangen und bestraft.

Jakobs neue Klasse ist so turbulent wie ungewöhnlich, doch dann droht ihm der Schulverweis. Ist das alles nicht irgendwie ungerecht?

Gleich lesen: Ungerecht!

Leseprobe:
In Geschichte stemmte Stupps seine Arme in die Hüften und sagte: „Heute werden wir das Kloster besichtigen.“
Das passte prima. Dann brauchte Jakob die Pläne nicht mehr zu suchen.
Die Schüler betraten direkt neben ihrem Klassenzimmer den Speisessaal. Ein kahlköpfiger Mann mit schwarzem Anzug begrüßte sie.
„Ich heiße Pater Heinrich. Sie werden erstaunt sein, dass ich keine Kutte trage“, sagte er. „Heutzutage, tragen wir die Kutte nur wenn wir unseren Dienst in der Gemeinschaft leisten und beim Gottesdienst. Wir haben weltliche Aufgaben, wie unser breites Seminar Angebot für Erwachsene und Jugendliche, ... Führungsqualitäten, Stressbewältigung ...“ Er redete ohne Ende und sie mussten stehen.
Während der Ansprache deckte ein verhuschter Mönch in dunkler Kutte die Tische mit dicken weißen Porzellantellern, solche die unkaputtbar sind. Er verteilte Gläser und murmelte Worte wie: „Ich bin schuldig, oh Herr vergib mir. Meine Gedanken haben gesündigt. Mein Fleisch ist rein. Meine Gedanken haben gesündigt.“
Matts stupste Jakob an. Jakob stupste Friedel an, der wiederum Carlo und so weiter. Dann schob Matts unauffällig einen Teller in die Mitte, Carlo den nächsten. Die Gläser folgten. Der Mönch schaute zu ihnen auf und zurück auf den Tisch, den er soeben eingedeckt hatte. Er schüttelte den Kopf. Er schob die Teller zur Seite. Jedoch nicht an ihren Platz, sondern zu einem Muster. Zuerst das „A“. Es folgte ein zweites „A“. dann ein „S“. Er nahm alle Gläser vom Tisch und von seinem Wägelchen, auf dem das Geschirr stand, und stellte sie zu einer Figur. Eine schwungvolle Linie entstand. Noch ein paar Linien und Jakob erkannte einen Vogel.
„Aasgeier“, flüsterte er.
Der kahlköpfige Pater im Anzug redete und redete.
„Unsere Seminar-Angebote richten sich an Menschen, die für ihr Leben eine neue Richtung suchen, die den Glauben in ihrem Herzen tragen und für einen Moment die Entschleunigung suchen ...“
Daniela hob ihren Arm und fragte höflich: „Entschuldigung, wie viele Mönche leben hier in diesen Gemäuern?“
Der kleine alte Mönch funkelte sie an, und verteilte schnell die Gläser und Teller an ihren richtigen Platz. Meinte er mit „Aasgeier“ die Schüler oder spielte er auf irgendetwas im Kloster an? Selbst ohne die Phantasie eines Jonny Depps musste Jakob sich die Frage stellen.
„Sieben, mein junges Fräulein“, antwortete der Pater. „Ich bin Pater Heinrich, am Tisch arbeitet unser Ältester, Pater Richard, nachher werden Sie Pater Anders kennen lernen, die vier anderen arbeiten gerade in den der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereichen.“
„Singen, sie sollen singen, damit ihre Seelen rein bleiben“, murmelte Pater Richard zum Tellerwägelchen gewandt.
Carlo schüttelte den Kopf und legte seine Hand an den Hals, als ob er gleich brechen müsste. Matts kicherte. Jonny zauberte einen Stift und ein Stück Papier aus seinem Hemd und zeichnete das Teller- und Gläsermuster ab.
Tatsächlich stimmte Pater Heinrich einen Ton an und ließ sie den Chor „Donna nobis vocit“ singen. Sie standen in diesem alten hohen Raum mit kleinen Tischen und unvorteilhaftem Porzellan und Antibruchgläsern wie Schandflecken eines weltlichen Lebens und Pater Anders ließ seine Arme in die Luft gleiten, als ob er die Stimmen in himmlische Höhen beflügeln wollte. Jakob schüttelte sich. Jonny hielt seine Lippen fest verschlossen und Matts Stimme, tief unten, lag manchmal etwas daneben, trotzdem: Der Gesang klang nach Himmel.
„Hört ihr die Akustik?“, fragte Pater Heinrich hinterher. „Deshalb bauen wir Klöster, deshalb folgt ihre Architektur bestimmten Gesetzen, deshalb suchen Menschen bei uns Verzückung, weil wir hier den himmlischen Sphären näher kommen – nur durch die Hilfe von Gott und seinen vollendeten Werken.“
Die Klasse wurde jetzt unruhig. Die meisten blickten zu Boden. Stupps schaute zur Decke. Der alte Mönch ließ einen Teller fallen, der scheppernd, aber ohne zu brechen auf dem Fliesenboden landete. „Entschuldigung“, sagte er laut. Leise murmelte er „Ich bin dumm, meine Gedanken sind schmutzig, meine Hände falsch.“
Pater Heinrich hüstelte.
„Jetzt ist uns die Zeit davon gelaufen ... können wir noch?“ wandte er sich an Stupps. Der schüttelte den Kopf.
„Ich glaube wir müssen die Führung auf ein anderes Mal verschieben. Bis hierher vielen Dank.“ Er fügte noch ein paar nette Worte hinzu und tätschelte Stupps die Schulter.

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22. Oktober 2012

'Kathy - Im Reich der Elfen' von Roman Fessler

Eine Fantasy-Geschichte für Kinder. Die Herkunft des 12 jährigen Mädchens Kathy ist geheimnisvoll. Zu ihrem Schutz wurde sie nach der Geburt von Eltern in der menschlichen Welt adoptiert. Kathy ist auserwählt und jetzt alt genug, das Elfenreich führen.

Eine spannende Geschichte für junge und junggebliebene Leser, die in eine magische Welt entführt. Dort leben Elfen, Feen, fliegende Ponys und Drachen und natürlich Glitzerelfen.

Gleich lesen: Kathy - Im Reich der Elfen (Fantasy)

Leseprobe:
Es ist wieder so weit, es geht ab in den Urlaub. Kathy ist 12, sie freut sich auf die Berge, meist fährt sie mit ihren Eltern in die Berge. Sie liebt die Natur und fährt schon seit sie sich erinnern kann mit ihren Eltern nach Österreich, immer an denselben Ort. Sie kennt jeden Baum, jeden Stein, jedes Rascheln ist ihr vertraut. Die Fahrt dauert noch etwas. Sie schließt ihre Augen und sieht die kleine Berghütte vor sich, sie sieht ihr Zimmer, ihr Bett. Es ist kuschelig, mit schweren Decken und hohen Kissen. Und sie liebt es so sehr. Sie fühlt sich dort geborgen und beschützt. Mom und Dad freuen sich auch schon auf den Urlaub. Sie hatten zuerst überlegt dieses Mal vielleicht ans Meer zu fahren, aber Kathy hatte gebettelt und gefleht, doch wieder in die Berge zu fahren. Zum Glück haben sie sich überzeugen lassen. So wie sie sich doch fast immer von Kathy überzeugen lassen.
Das stetige Geräusch des Automotors geleitet Kathy in den Schlaf. Sie sieht sich im Traum über die Wiesen laufen, hin zu den Wäldern, die sie so liebt. Kleine Hasen tummeln sich und verschwinden schnell in ihren Höhlen, wenn Kathy naht. Sie fühlt sich merkwürdig, so anders. Ihr ist, als würde sie beobachtet. Es scheint, als ruft jemand ihren Namen. Sie schaut sich um. Es ist nichts zu sehen. Merkwürdig, sehr merkwürdig. Sie betritt den Wald und fühlt sich sofort zu Hause. Sie geht zu dem riesigen Baum, den sie letztes Jahr entdeckt hat. Früher ist er ihr nicht aufgefallen, aber er ist so riesig, er muss schon immer dort gewesen sein.
Sie geht um ihn herum und sieht die Öffnung, groß und einladend. Soll sie? Ja natürlich, es ist ihr Baum. Sie betritt die Öffnung und kommt ins Rutschen. Sie fällt und fällt und fällt.
Von dem Gefühl des Fallens erwacht sie. Sie sind angekommen. Hurra.. endlich. Kathy wartet nicht, bis Mom das Haus aufschließt oder Dad das Gepäck auslädt. Sie stürmt los, lachend, kreischend. Ihre Eltern schmunzeln, lassen sie laufen. Hier ist sie zu Hause. Sie schauen sich an, sind froh, dass sie doch wieder hierhergekommen sind.
Kathy kann nicht anhalten. Sie muss in den Wald. Da ist auch ihr Baum. Er ist ihr so vertraut. Sie sucht nach einer Öffnung. Da ist sie. Es ist genau wie im Traum. Sie schaut sich um, lächelt.. Ihre Eltern werden sie jetzt nicht vermissen. Also betritt sie die Öffnung und schließt die Augen.
Wie im Auto beginnt sie zu fallen. Sie hat keine Angst, es ist als ob alles so sein muss wie es gerade geschieht.
Sie landet auf weichem Gras, öffnet die Augen und schaut sich um. Es ist warm, Blumen blühen und Vögel zwitschern. Sie reibt sich die Augen, steht auf und geht einen Pfad entlang, der vor ihr liegt. Sie hat das Gefühl, dass ihr diverse Augenpaare folgen. Es ist aber niemand zu sehen. Sie hört ein Wispern, kann aber nichts verstehen. Sie geht weiter. Plötzlich schwebt etwas an ihr vorbei. Sie sieht genau hin. Es sieht aus.. ja wie.. wie eine Elfe? Ja, wie eine richtige Elfe. Aber es gibt doch gar keine Elfen. Oder doch? Sie staunt, die Elfe sieht sie an und lächelt. Kathy lächelt zurück, etwas schief. Sie weiß noch nicht, ob sie glauben soll was sie sieht. Die Elfe winkt ihr, ihr zu folgen. Kathy geht ihr nach bis zu einem kleinen Häuschen. Kaum dort angekommen, öffnet eine alte Frau und sagt. „Hallo Kathy, schön, dass du endlich da bist!“.
Kathy ist verwirrt. Sie kennt die alte Frau nicht, die Stimme kommt ihr aber vertraut vor, so als ob sie sie schon oft gehört hat. „Komm herein, Kathy“, sagt die Frau, „hab keine Angst“.
Kathy hat keine Angst. Sie folgt der Frau und staunt, als sie die Stube betritt. Plötzlich ist die Elfe gar nicht mehr so klein. Im Gegenteil. Sie ist genauso groß wie Kathy. In der Stube sitzen weitere Elfen und lächeln Kathy an. Es ist als ob sie nach Hause gekommen wäre.
Gerade als sie fragen will, was das zu bedeuten hat, hört Kathy die Stimme ihrer Mutter, die nach ihr ruft. Kathy dreht sich um und steht plötzlich wieder bei dem Baum.
„Kathy“, tadelt die Mutter. „Du bist seit Stunden weg, wir haben dich gesucht.“ Was, denkt Kathy, Stunden? Sie war doch nur wenige Minuten fort. Sie fühlt sich eigenartig und geht stumm neben der Mutter her. In der Nähe ist ein kleiner Bergsee, dorthin geht Kathy mit ihren Eltern und sie verbringen einen schönen ersten Nachmittag am See. Von der Fahrt erschöpft und müde von der klaren Luft schläft Kathy früh am Abend ein. Sie schläft unruhig und träumt, kann sich jedoch am nächsten Morgen an nichts erinnern. Irgendetwas hat sich geändert. Auch ihre Eltern sehen sie komisch an. Oder bildet sie sich das nur ein? Egal, die Sonne scheint und es ist herrlich warm. Das wird ein schöner neuer Tag, Kathy will nur noch raus. Ihre Mutter ermahnt sie, zum Mittagessen zurück zu sein. Kathy hat dies zwar wahrgenommen, aber nicht wirklich gehört. Sie ist schon wieder mit den Gedanken im Wald.
Die Bäume, die Sträucher, die Tiere – all das erwartet sie, all das gehört zu ihr. Ohne zu zögern betritt sie ihren Baum und lässt sich fallen. Dieses Mal ist es nicht mehr so beängstigend. Im Gegenteil, es kommt ihr richtig vertraut vor. Sie ist daheim. Unten angekommen erwartet sie bereits die kleine Elfe. Sie umarmen sich und Kathy lässt sich bereitwillig führen. Schnell sind sie bei dem Haus der alten Frau angekommen. Kathy hat so viele Fragen, wartet aber geduldig.

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18. Oktober 2012

'Rattenprinzessin Rapunzel' von Annette Paul

Ein Kinderbuch über eine ungewöhnliche Freundschaft mit Illustrationen von Krisi Sz.-Pöhls. Ich bin Prinz, eine kleine goldfarbene Ratte, und lebe freiwillig bei Rapunzel und ihrer verrückten Familie. Häufig muss ich mich eisern an Rapunzels Pulli festklammern, weil ich sonst bei ihrem Herumtoben hinunterfallen würde. Niemand nimmt hier Rücksicht auf eine kleine Ratte.

Ohne mich hätte Rapunzel ihre Geschwister und Künstlereltern bisher nicht so unbeschadet überstanden. Ich sorge dafür, dass sie in der Schule gut mitkommt, notfalls sage ich ihr leise vor, und zu einer netten, hilfsbereiten Rattenprinzessin heranwächst. Schließlich will ich sie eines Tages heiraten.

Gleich lesen: > > > Auf dem Kindle

Leseprobe:
Der VW-Bus wird langsamer, deshalb stecke ich meine Nase aus der Tasche heraus. Um uns herum sind Häuser. Damit ich besser sehen kann, klettere ich auf Rapunzels Schulter, dann weiter auf die Rücklehne. Wir fahren auf einer sechsspurigen Straße in einer Stadt. Winnetou bremst scharf. Obwohl ich mich sofort festkralle, fliege ich durch die Luft, dabei bin ich doch keine Fledermaus. Ich gleite genau zwischen Rücklehne und Nackenstütze des Fahrersitzes und lande in Winnetous Nacken. Dann rutsche ich langsam nach unten.
„Lehn dich nicht an“, schreit Rapunzel. Sie steht auf, beugt sich vor und greift mit der Hand in den Spalt, in dem ich sitze. Ich klettere ihr schon entgegen, mich an Winnetous Pulli festhaltend. Hier fühle ich mich überhaupt nicht wohl. Muss der dumme Kerl immer so verrückt fahren? Schließlich kann ich nicht mehr tun, als mich festhalten.
Uff, Rapunzel nimmt mich in ihre rettende Hand. Dankbar schmiege ich mich hinein. „Und wohin muss ich jetzt fahren?“, fragt Winnetou. Der Laster vor uns ist weg. „Geradeaus“, sagt Picasso, der einzige, der schon einmal hier war. Also fahren wir immer weiter auf dieser großen Straße.
„Immer noch?“, fragt Winnetou.
„Ja!“
„Und wo sind die anderen?“, fragt Rosenrot. „Die haben doch bestimmt gehalten, als wir bremsen mussten.“
„Vielleicht sind wir an ihnen vorbeigefahren.“, sagt Schneeweißchen.
„Nein, da ich habe darauf geachtet.“
Picasso schlägt den Stadtplan auf. Vorsichtshalber fährt Winnetou auf einen Parkplatz eines Supermarktes. Zu fünft schauen sie auf die Karte.
„Da ist der Ahornweg!“, sagt Rosenrot. Mit ihrem Zeigefinger zeigt sie auf einen kleinen schwarzen Strich in der Karte.
„Und wir sind hier!“ Winnetou zeigt auf eine große gelbe Straße weit unten. „Also wenden.“
„Soll ich lieber die Karte lesen?“, schlägt Rosenrot vor und zieht Picasso den Plan weg.
„Ja“, sagt Winnetou.
„Also Kinder, ich kann es hier vorne viel besser“, protestiert Picasso.
„Nein“, sagen Winnetou, Rosenrot und Schneeweißchen einstimmig.
„Wenn Rosenrot es macht, kommen wir wenigstens an“, sagt Rapunzel.
Picasso ist lieb, aber fürchterlich unpraktisch. Er konnte noch nie Karten lesen. Winnetou wendet und fährt zurück. An einer großen Kreuzung biegt er rechts ab. Dann geht es los.
„Bahnstraße, rechts in die Adenauerstraße.“
Schneeweißchen und Rapunzel suchen die Straßenschilder.
„Ahornweg!“, ruft Rapunzel. Ganz weit hinten steht der Laster vor einem Hochhaus. Hoffentlich haben die Anderen ihn schon ausgeladen. Diese Hektik der letzten Tage mag ich nämlich gar nicht.
Der Bus stoppt, und Rosenrot öffnet die Schiebetür. Sie springt hinaus, Schneeweißchen und Rapunzel springen hinterher. Ich rutsche von der Schulter und halte mich an Rapunzels langem Zopf fest. Gar kein schlechter Aussichtsplatz. Ich schaue mich um. Vor uns stehen drei Hochhäuser. Nachtigall kommt gerade aus dem vordersten. Links davon sind viele Garagen mit einer Asphaltfläche dazwischen. Zwei Mädchen stehen vor einem Garagentor und gaffen zu uns. Als sie genug gesehen haben, schlägt die eine ein Seil, das mit dem anderen Ende an dem Griff eines Garagentores befestigt ist. Das andere springt. Sie zählt laut dazu.
Rapunzel greift sich die Staffelei vom Laster, dann rennt sie zu ihrer Mutter. „Wo sind die Wohnungen?“
„Im dritten Stock.“
Picasso trägt mit Zorro den Küchentisch. Rapunzel läuft hinterher. Ich klettere aufgeregt ihren Zopf hoch und runter.
Mehr als der Tisch und zwei Personen passen nicht in den Aufzug, also rennt sie die Treppe hoch. Im zweiten Stock keucht sie wie eine alte Dampflokomotive. Trotzdem rennt sie weiter. Zweimal schlägt sie mit der Staffelei gegen die Wand. Aber die hat schon viele Ratscher, da machen ein paar mehr auch nichts aus.
Tatsächlich ist sie fast so schnell wie Picasso und Zorro. Die zerren gerade den Tisch aus dem Aufzug.
„Den Gang links, die dritte und vierte Tür“, sagt Picasso.
Rapunzel quetscht sich an ihnen vorbei und stürmt in die offenstehende dritte Tür. Rechts ist ein kleines Zimmer. „Prinz, dass ist unser Reich.“ Sie betritt es und dreht sich im Kreis, dann geht sie ans Fenster. Der Blick geht auf einen Spielplatz, dahinter liegen Weiden mit Pferden und Kühen.

Im Kindle-Shop: Rattenprinzessin Rapunzel

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17. Oktober 2012

'Himmelstiefe - Zauber der Elemente' von Daphne Unruh

Ein Fantasy-Roman. Kühle Morgenluft und ein rosa verfärbter Himmel über Berlin. Als Kira (17) an diesem Morgen aufsteht, um den ersten Tag des letzten Schuljahres anzugehen und ausrechnet, dass sie jetzt nur noch 250 Schultage von der Freiheit trennen, endlich achtzehn zu sein und bei ihren Eltern auszuziehen, ahnt sie nicht, wie sehr ihre gewohnte Welt bald Kopf stehen wird.

Zuerst trifft sie die Liebe zu dem neuen Schüler Tim wie ein Blitzschlag. Gleichzeitig überfallen sie fiebrig-aggressive Schübe und seltsame Wahrnehmungsstörungen. Was ist nur los? Will sie ihre Verknalltheit in Tim den Mädchenschwarm nicht wahrhaben, oder dreht sie durch? Nichts dergleichen trifft zu. Die Symptome sind erste Anzeichen dafür, dass Kira besondere Fähigkeiten für eins der Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft und Äther ausbildet. Seltsame Schatten beginnen sie zu verfolgen. Im letzten Moment gelingt ihr die Flucht aus einer psychiatrischen Anstalt, in die ihre Eltern sie gesteckt haben, und sie findet mit Hilfe ihrer Chatfreundin Atropa den Weg in die magische Welt an die Akademie der Elemente, wo sie Leute ihresgleichen trifft, die in ihrem jeweiligen Element ausgebildet werden. Doch Kira fühlt sich zwischen den Welten. Sie will zurück zu Tim, aber das ist unmöglich, bevor sie nicht gelernt hat, mit ihren erwachenden Kräften umzugehen. Gleichzeitig ist da Leo, Element Feuer, zu dem sie sich „magisch“ hingezogen fühlt.

Atropa, Kiras Eltern, ihr Mentor Jerome, ihre Engelfreundin Neve oder der seltsame Pio - alle hüten sie Geheimnisse, die Kiras bisherige Identität völlig aus den Angeln heben. Doch nicht nur das: Kira ist auch an der Akademie der Elemente außergewöhnlich. Nach und nach entdeckt sie, dass sie nicht nur besondere Fähigkeiten besitzt, um ein Element zu beherrschen, sondern Talente in mehreren Elementen entwickelt. Das bedeutet sehr große Macht. Ein Geheimbund, der nicht nur die magische Welt bedroht, sondern auch die reale Welt, will sie mit allen Mitteln auf seine Seite ziehen. Die dringendsten Fragen, die sich Kira immer wieder stellen, sind: Wem kann sie vertrauen? Wer gehört zu ihren wahren Freunden? Was ist ihre Bestimmung? Und wen liebt sie wirklich, Leo oder Tim?

Gleich lesen: Himmelstiefe (Zauber der Elemente 1)

Leseprobe:
[...] Ich wirbelte durch einen Tunnel, an dessen Ende mir ein sehr warmes und helles Licht entgegen strahlte. Ich fühlte kein Wasser mehr um mich. Es schien fort zu sein, ich war so dankbar! Allerdings spürte ich meinen Körper ebenfalls nicht. In meinen Ohren klang eine unbeschreiblich süße Melodie. Oh je, so hatte Luisa Nahtoderfahrungen im Ethikunterricht beschrieben. Das hieß, ich war am Sterben. Meine Seele schwebte gerade in das Licht da vorne, während mein Körper auf den Grund des Sees gezogen wurde. Wilde Panik ergriff mich. Ich wollte nicht sterben! Panik? Von Angst hatte Luisa allerdings nichts gesagt. Leute, die dem Tod sehr nahe waren, fühlten sich rundum wohl und wollten nicht mehr zurück. Nur eine verschwindend geringe Prozentzahl machte Höllenerlebnisse durch. Gehörte ich etwa dazu? Das warme Licht raste heran. Ich wollte zurück und zwar sofort! Ich versuchte umzukehren, mit Armen und Beinen zu rudern, die ich nicht hatte, zu schreien, wollte auf keinen Fall in die Hölle. Aber ich hatte keine Chance. Das Licht erfasste mich. Ich musste kräftig niesen und riss dabei die Augen auf. Oh Gott! Das war ein sehr irdisches Gefühl. Ich spürte meinen Körper. Ich steckte drin. Ich war noch DA. Ich lag irgendwo herum. Und fragte mich im gleichen Moment, wo??
Die Sonne schien wohlig warm und leuchtend durch ein Blätterdach auf mich herab. Allerdings war das Blätterdach weiß und auch alles um mich herum sah aus wie eine glitzernde Schneelandschaft. Wie kam ich hierher, nachdem ich durch einen Abwasserkanal gestolpert und in einem unterirdischen See ertrunken war? War ich doch im Himmel? Ich versuchte mich ein wenig aufzurichten. Auf sehr irdische Weise taten mir dabei alle Knochen weh. Nichts passte zusammen. Ich zog meine Hände aus dem flaumigen Wolkenweiß. Sie waren menschlich rosig wie immer, nur eiskalt.
Langsam verstand ich, dass es kein Schnee und auch kein Wolkendampf war, auf dem ich lag. Ich befand mich in einer Landschaft, die komplett von einer Decke aus Blüten eingehüllt wurde. Winzige weiße Blütenblätter klebten an meinen Fingern. Unzählige weitere Blütenblätter rieselten wie Schnee aus den Bäumen. Trotzdem ging ein Zittern durch meinen Körper, als steckte ich in einer Schneewehe fest. Mein klitschnasser Schlafanzug klebte an mir. Tiefblaue Kälte kroch von den Beinen heran, obwohl sich die Luft tropisch warm anfühlte. Meine Füße brannten. Ich versuchte, sie zu bewegen und bemerkte, dass sie sich im eiskalten Wasser befanden. Sie waren nackt. Ich hatte meine Schuhe verloren. Nein, ich hatte ja gar keine Schuhe dabei gehabt. Die Erinnerung an die letzten Stunden kehrte zurück. Ich war aus einer Anstalt geflohen, beziehungsweise entführt worden und dann geflohen. Und nun lag ich am Rande eines Sees. Das Glitzern kam also nicht von den Blüten, sondern von der Oberfläche des Wassers, die sie bedeckten. War ich aus dem Wasser gekommen? Aber das war doch völlig unmöglich! Wahrscheinlich erlebte ich einen Realtraum, während ich angeschnallt im Krankenhaus lag, oder doch eine nahtodähnlichen Fantasie. Ich hatte nicht genug Kraft in den Beinen, um meine Füße aus dem Wasser zu ziehen. Ich sank zurück in das weiche Blütenmeer und schloss die Augen. Ich hatte überhaupt keine Kraft. Gut, jetzt war ich so weit. Ich wollte nicht mehr zurück in die Enge eines schwarzen Tunnels. Ich wollte einfach liegenbleiben. Mit geschlossenen Augen hörte ich wieder die süße leise Melodie. Sie war so schön, als hätte jedes herabfallende Blütenblatt einen anderen zarten Glockenton und zusammen ergaben sie bei der Berührung des Bodens einen wunderschönen Klang. Ich gab mich ganz hinein und rührte mich nicht mehr. Plötzlich schien sogar Gesang einzusetzen.
„Hallo?“ hörte ich. Dann nochmal:
„Hey!“
Ein seltsamer Liedanfang.
Jemand rüttelte unsensibel an meinen Schultern, völlig unpassend zur Situation. Ich spürte, wie die blaue Kälte, die gerade nach meinem Herz greifen wollte, zurück wich. Ich blinzelte in ein Gesicht. Die Krankenschwester? Nein. Das Gesicht war glatt und elfenbeinhell, mit blauen Augen darin und einem blassrosa Mund. Es war umrahmt von lockigen, schokobraunen Haaren, die über ein weißes Hemd fielen. Der Mund lächelte und die Augen schauten besorgt. Meine Lider waren so schwer.
„Nicht wieder einschlafen!“, befahl die Gestalt. Das musste ein Engel sein. Allerdings trug er kein Gewand, sondern das schlichte langärmelige Shirt ging nur knapp über den Bund einer weißen Kniehose. Gab es auch Engel in kurzen Hosen? Ich forschte nach Schuhen, konnte aber keine ausfindig machen, weil seine Füße bis zum Knöchel in den Blüten verschwanden. Jetzt zerrte der Engel an mir, zerrte mich ohne Erbarmen hoch.
„Los, komm, hilf mit. Sonst stirbst du! Los!“
Sonst stirbst du? Das hieß, ich war noch nicht tot. Und ich war irgendwo, wo man nicht tot sein sollte, auch wenn es hier Engel gab. Ich verstand rein gar nichts und beschloss, auf ihn zu hören. Oder besser, auf sie. Was Aussehen und Stimme anbelangte, war der Engel ein Mädchen. Sie war klein und zartgliedrig, aber schaffte es, mich hoch zu zerren und mit dem Oberkörper gegen einen Baum zu lehnen. Ich hustete und spuckte Wasser. Sie klopfte mir auf den Rücken. Ich lag jetzt in der prallen Sonne und spürte, wie ihre warmen Strahlen mit den Krallen der blauen Kälte in mir rangen.
„Wo bin ich?“, brachte ich hervor und hoffte, dass das Engel-Mädchen mein Flüstern überhaupt verstehen konnte.
„Du bist in Sicherheit, auch wenn ich mich frage, wie du das gemacht hast.“
„Was?“
„Na, überlebt … Los, versuch dich auf mich zu stützen, du musst raus aus dem nassen Zeug …“

In Kindle-Shop: Himmelstiefe (Zauber der Elemente 1)

Mehr über und von Daphne Unruh auf ihrer Website.

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16. Oktober 2012

'Ohne Skrupel - Ein Cori-Stein-Thriller' von Ingrid Glomp

Ein toter Banker, ein eiskalter Killer und kriminelle Machenschaften mit Medikamenten in der Dritten Welt. Die Journalistin Cori Stein weiß: Das ist die Story ihres Lebens. Doch jemand will um jeden Preis verhindern, dass sie sie erzählt.

Und dann ist da noch Leo, ein geheimnisvoller Fremder, der vorgibt, ihr helfen zu wollen. Gemeinsam mit ihm folgt sie der Spur von Kontinent zu Kontinent, um die Drahtzieher zu entlarven. Sie entdeckt schockierende Verbrechen, die anscheinend niemanden interessieren, und gerät von einer brenzligen Situation in die nächste. Schließlich läuft alles auf die Frage hinaus: Wem kann sie trauen und wem nicht?

Gleich lesen: Ohne Skrupel: Thriller

Leseprobe:
Der Leibwächter betrat drohend den Raum. Und er hatte einen Kollegen mitgebracht, der Cori an einen Sumo-Ringer denken ließ. Schon klar: falsches Land. Doch der Kerl war zwar nicht besonders groß, aber unheimlich massig.
Ohne die Männer aus den Augen zu lassen, schob Leo Cori zur Seite und stellte sich vor sie, was ihr die Sicht nahm.
So ging das nicht. Sie stellte sich neben ihn.
Naomi Li überschüttete die Kerle mit einer schnellen Folge chinesischer Laute.
Wortlos setzten die beiden sich in Bewegung.
Nur gut, dass Cori Sneakers trug. Die Männer wirkten stark, aber nicht besonders schnell und wendig. Es gab nur ein Problem: Der Leibwächter besaß eine Pistole und – nächstes Problem – er schwenkte sie hin und her und bedeutete Cori mitzukommen.
„Sie wollen uns trennen“, sagte Leo auf Deutsch. Seine Stimme klang ruhig.
„Auf keinen Fall“, antwortete Cori ebenso ruhig.
„Gut. Das sehe ich auch so“, sagte Leo.
Der Leibwächter machte einen Schritt auf sie zu. Die Bewegung seiner Pistolenhand wurde nachdrücklicher.
„Mach einmal, was ich dir sage.“ Leos Stimme erlaubte keine Widerrede. „Sie wollen dich. Wenn ich mich also auf den Kerl mit der Waffe stürze, rennst du los, so schnell und so weit du kannst. Fertig?“
Was für eine Frage. Sie war fertig geboren worden.

Leo attackierte den Leibwächter mit solcher Wucht, dass er ihn in eine der Vitrinen drückte. Die Scheiben zerbarsten mit lautem Klirren, Glasscherben flogen durch die Luft.
Cori fasste die Tür ins Auge, rannte los und prallte gegen Sumo, der ihr erstaunlich flink den Weg verstellt hatte.
Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Leo versuchte, seinem Gegner die Waffe zu entringen. Krachend löste sich ein Schuss. Putz rieselte von der Decke.
Wie sollte es Leo gelingen, sich gegen den Leibwächter durchzusetzen, mit der Kraft seiner linken Hand gegen dessen vermutlich stärkere rechte?
Doch Cori hatte eigene Sorgen. Zwar war sie dem Griff des Sumo-Kerls ausgewichen, doch noch immer stand er zwischen ihr und der Tür.
Naomi Li hatte sich in den hinteren Teil des Raums zurückgezogen. Sie hielt es anscheinend nicht für nötig sich einzumischen. War das gut oder schlecht?
Während Sumo und Cori sich misstrauisch beäugten, hörte sie das Schnaufen der beiden anderen Männer, die immer noch um die Waffe rangen. Wenigstens hatte sich kein weiterer Schuss gelöst.
Sie brauchte eine Idee. Und zwar eine gute und schnell.
Erst jetzt fiel Cori auf, dass auf den Schränken und in den Vitrinen nicht, wie bei einer feinen Dame wie Naomi Li zu erwarten, Vasen und andere Keramik zur Schau gestellt wurden, sondern ausgesuchte, traditionelle chinesische Waffen.
Sumo und sie hatten eine Pattsituation erreicht. Wenn sie sich einen Schritt nach links bewegte, machte er einen nach rechts. Wenn er nach ihr griff, wich sie aus. Und gleichzeitig kämpfte Leo um sein Leben.
Mit zwei Sätzen war sie bei der Sitzgruppe, fasste das Tischchen an zwei seiner Beine, und ehe Sumo wusste, wie ihm geschah, war das Möbel auf ihn niedergekracht.
Es zersplitterte in seine Einzelteile, so dass Cori nur noch die beiden zierlich geschwungenen Beine in Händen hielt. Doch es hatte seinen Zweck erfüllt. Sumo war in sich zusammengesunken und rührte sich nicht mehr.
Dafür hatte Leo ein neues Problem. Zwar hatte er seinem Gegner offenbar die Pistole entwinden können, denn die lag, für Cori unerreichbar, jenseits der beiden Kämpfenden auf dem Palisanderboden.
Der Leibwächter hatte sich jedoch mit einer Art Schwert mit breiter Klinge bewaffnet und die war aus extrem scharfem Metall.
Entsetzt schnappte Cori nach Luft. Sie musste etwas tun. Aber was? Wenn sie nur die Pistole erreichen könnte.
Der Leibwächter stürzte sich, das Schwert hoch über den Kopf erhoben, auf Leo.
Der griff nach der schon reichlich ramponierten Vitrine zu seiner Rechten, kippte sie leicht und warf sie seinem Angreifer entgegen.
Ein Schmerzensschrei. Eine gezackte Glasscherbe im Türrahmen der Vitrine hatte die Schulter des Leibwächters getroffen, Blut spritzte, das Schwert krachte zu Boden.
Leo war der Weg zu der Pistole abgeschnitten, aber Cori sah eine Chance, sie zu erreichen.
Doch der Leibwächter war schneller. Er warf sich zu Boden, streckte seine unverletzte Linke aus. Leo setzte über die Vitrine und versperrte Cori damit den Weg. Der Leibwächter wechselte die Waffe in die rechte Hand, hob den Arm – und Leo lief zu Coris Entsetzen direkt in die Schusslinie.
Ohne dass sie später sagen konnte, wie es geschah, hatte sie plötzlich mit beiden Händen das Schwert ergriffen, das Leos Gegner kurz zuvor entglitten war. Das Heft war glitschig von seinem Blut, aber lang genug, dass sie es mit beiden Händen umfassen konnte. Sie holte aus und nahm die Hand, die die Pistole hielt, ins Visier. Das Schwert mit seiner etwa 70 cm langen, nach vorn breiter werdenden Klinge war erstaunlich leicht. Deutlich, wie in Zeitlupe, sah sie, wie der Zeigefinger des Gangsters sich am Abzug krümmte, da fuhr das Schwert herab. Sie fühlte einen schwachen Widerstand, Blut pulste aus dem getroffenen Arm des Leibwächters. Ein Schuss löste sich und traf scheppernd einen Schild an der Wand. Weit weg von Leo.

Im Kindle-Shop: Ohne Skrupel: Thriller

Mehr über und von Ingrid Glomp in ihrem Autoren-Blog.

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15. Oktober 2012

'KATZ oder Lügen haben schlanke Beine' von Matthias Zipfel

Ein humorvoller Detektivroman. Eigentlich fängt alles ganz vielversprechend an: Eigenes Detektivbüro eröffnet, attraktive Spitzenassistentin gefunden und der erste Auftrag lässt auch nicht lange auf sich warten. Der erscheint zwar etwas skurril, zugegeben, aber wenigstens nicht gefährlich.

Wer kann denn schon ahnen, dass man bei der Suche nach einem entführten Dobermann auf einen plastischen Chirurgen und seine plastische Gattin stößt oder auf einen handgreiflichen Kerl, der Bretter sägt, wenn er nicht gerade Leute schlägt? Ganz zu schweigen von der Leiche im Straßengraben! Mit viel Witz, Improvisationstalent und Selbstironie erlebt Romanheld Arno Katz die großen und kleinen Niederlagen, aber auch die Glücksmomente des Alltags.

Gleich lesen: KATZ oder Lügen haben schlanke Beine

Leseprobe:
Vielleicht hätte ich es nicht so eilig haben sollen, kann schon sein. Ich hatte es aber nun mal eilig, strebte deshalb also oberdynamisch auf den Eingang zu und merkte, natürlich, als es schon zu spät war, durch Socke und Sohle: Der letzte Schritt war seltsam weich. Wie Dichtungsmasse. Eine Konsistenz, die sich fein in jeder Ritze verteilt, und das auch noch mit diabolischer Haftkraft. War aber keine Dichtungsmasse, sondern das Ergebnis finaler Futterverwertung beim Gassi gehen.
Ich ging zurück auf den Bürgersteig und versuchte, mit verdrehtem Fuß die Schweinerei an der Bordsteinkante abzustreifen. Vergebens. Und das machte mich streitlustig. Gerne hätte ich jetzt mit dem Hausmeister geplaudert! Oder mit diesem vierbeinigen Mistvieh, das anonym und im Vorbeigehen vor fremde Hauseingänge kackte. Oder mit seinem Besitzer, der genau in dem Moment als sein Hund, albern gekrümmt und mit glasigem Blick in die Unendlichkeit neben ihm hockte, etwas gaaanz, gaaanz Interessantes am Himmel entdeckte.
Genau so hatte ich ihn mir vorgestellt, den Auftakt des ersten Tages in meiner eigenen Firma. Dabei hatte ich schon genug Schwierigkeiten hinter mich gebracht. Immerhin hatte ich sämtliche Ersparnisse lockergemacht. Und zusätzlich einen Haufen Schulden fabriziert. Es war schwer genug, dem sonnenbankgebräunten Jüngelchen von der Stadtsparkasse einen Kredit aus den Rippen zu leiern. In seiner glatten Miene hatten Skepsis und die freudige Erwartung von Zinseinnahmen deutlich sichtbar miteinander gerungen. Eine Ewigkeit stand es unentschieden, dann bekam ich endlich meinen Kredit. Aber eines stand fest: Sympathie hatte dabei die geringste Rolle gespielt oder, anders ausgedrückt: Am liebsten hätte ich das Geld nicht angenommen, das er mir am liebsten gar nicht erst gegeben hätte. Aber so viel Mäkeligkeit konnte ich mir nicht leisten. War schon mein zweiter Anlauf Fuß zu fassen, und den wollte ich auf keinen Fall verpatzen. Damit es jetzt endlich losgehen konnte, mein neues Dasein als Detektiv.
Vor der Glastür zu meinem Büro wartete eine Frau von Mitte zwanzig. Vielleicht auch etwas älter. Jedenfalls endlos lange Beine in matt glänzenden Nylons, fester Knackpopo im engen schwarzen Rock, schulterlange dunkelblonde Haare und, als sie sich zu mir herumdrehte, leuchtend blaue Augen, aus denen mir eine gehörige Portion Intelligenz entgegenblitzte. Und sie roch so gut. Hyazinthenextrakt mit einer Spur verliebter, peruanischer Hirschkuh und einem Hauch Himbeereis. Wahrscheinlich hieß ihr Parfüm »Verheißung am Morgen«, »Gewaschene Überraschung« oder einfach nur »Pheromon für Detektive«. Heiliger Bimbam – da zeigte der liebe Gott aber wirklich mal, dass er sein Handwerk verstand! Zumindest, wenn er guter Laune war.
»Herr Kotz? Mein Name ist Sonia Morelli. Ich komme wegen Ihrer Annonce«, sagte sie.
Morelli, ein Name weich wie Mandelmilch, dachte ich. Und dass sie eine richtige Gänsehautstimme hatte. Wenn auch fast ein bisschen zu tief. Aber nicht ohne.
»Freut mich sehr! Übrigens: Nicht dass es wichtig wäre, aber mein Name ist Katz.«
»Oh, dann scheint da aber etwas schief gelaufen zu sein!«
Sie deutete mit dem Zeigefinger auf die gläserne Eingangstür. Mein Blick folgte artig, und im nächsten Moment gefror mein Lächeln: »Arno Kotz, Detektiv« stand da. Tadellos gestaltet, aber trotzdem falsch.
»Okay gehen wir erst mal hinein und unterhalten uns ein bisschen«, sagte ich. Meine Stimme klang jetzt etwas gereizt: Es war noch nicht mal ganz neun und meine positiven Vorsätze wurden bereits in Windeseile aufgebraucht. Wenn das so weiter ginge, dann gute Nacht schon am Vormittag!
Meine Laune besserte sich schlagartig, als Sonia Morelli vor meinem Schreibtisch Platz nahm und die Beine übereinanderschlug. Ich machte es mir inzwischen in meinem ledernen Schreibtischsessel bequem. Na ja, eigentlich Kunstleder. Aber ziemlich echt. Echt Kunstleder quasi.
Auf dem Schreibtisch ging es übersichtlich zu: Notizblock mit schwarzem Filzstift, Laptop, rechts ein kleiner Humidor mit Zigarren – meine Leidenschaft! – und daneben ein Foto von mir aus längst vergangenen Tagen. Siegerehrung. Arno Katz, das kleine Jüngelchen mit Riesen-Trophäe, die große Hoffnung im 100-Meter-Sprint, schnell wie der Wind. Nicht, dass ich mit diesem Bild angeben wollte, aber ich konnte mich auch nicht davon trennen. Lag so viel Stolz und Freude drin, so viel Zuversicht und Zukunft. Und war, ehrlich gesagt, eigentlich auch das einzige vernünftige Foto, das es von mir gab.
Mein Blick wanderte vom Foto über die Tischkante, zwei tadellose Beine entlang, dann, mit gerade noch anständiger Verzögerung, höher und höher und saugte sich schließlich in den himmelblauen Augen meines Gegenübers fest.
»Also, Frau Morelli ...«
»... Sonia, nennen Sie mich Sonia ...«
»... in Ordnung, Sonia, Sie kommen also wegen der Annonce. Aber Ihnen ist schon klar, dass ich bei der ausgeschriebenen Stelle an eine Art bezahltes Praktikum gedacht habe, oder? Das Geschäft läuft erst an, wissen Sie, und dass bedeutet: Im Moment kann ich ...«
»... also, was die Bezahlung angeht, hätte ich einen Vorschlag: Machen wir doch eine Probezeit aus, ein halbes Jahr oder so, in dem ich gar nichts von Ihnen bekomme. Und danach sehen wir dann schon weiter.«
»Ich glaube, ich verstehe jetzt nicht so recht ...«
»Also, die Sache ist die: Ich habe die letzten Jahre als Model gearbeitet – Mode, Werbespots, ein paar Nebenrollen in ziemlich doofen, kleinen Filmen und so – und dabei nicht schlecht verdient. Zumindest so gut, dass ich bis auf Weiteres davon leben kann. Aber jetzt möchte ich mal etwas ganz anderes machen. Ein Buch schreiben, einen Krimi vielleicht. Und da wäre dieser Job für mich die perfekte Inspiration. An der Quelle sozusagen. Meine Qualifikation stimmt übrigens auch: Ich spreche fließend Englisch und Französisch, kenne mich mit dem Computer und den gängigen Officeprogrammen aus, Internet und E-Mail natürlich sowieso. Am Telefon bin ich unschlagbar. Und außerdem fände ich es sehr aufregend, für einen Detektiv zu arbeiten.«
Ich lehnte mich in meinen Sessel zurück, hob beschwichtigend die Arme und hoffte, das Glitzern in meinen Augen würde mich gleich selber Lügen strafen. Wenigstens ein bisschen.
»Na ja, Sonia, so aufregend wie Sie wahrscheinlich denken ist der Job eines Detektivs nun auch wieder nicht.«
»Vielleicht. Aber ich stelle mir das alles trotzdem ziemlich interessant und abwechslungsreich vor. Und bestimmt wären wir ein tolles Team! Habe ich so im Gefühl.«
Ich überlegte einen Augenblick. War natürlich reine Verzögerungstaktik, denn ihr Angebot war absolut unwiderstehlich! Und ich sah jetzt den Fehltritt im Hauseingang mit völlig neuen Augen.

"KATZ oder Lügen haben schlanke Beine" im Kindle-Shop

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10. Oktober 2012

'Die Flammenmönche (Froebius. Im Bannkreis des Unheimlichen 2)' von Norman Nekro

Eine weitere Mystery-Geschichte aus der Froebius-Serie. Fast ein Jahrtausend lang war das Benediktinerkloster Marienthal ein hoch angesehenes Zentrum für Spiritualität, Kultur und wissenschaftliche Forschung. Als die deutschen Fürsten 1803 ihre Gebietsverluste an Napoleon zum Vorwand nahmen, überall im Reich den Kirchenbesitz zu enteignen und damit die eigenen Schatullen zu füllen, verfiel das Schmuckstück romanisch-gotischer Baukunst innerhalb weniger Jahre zur ausgeplünderten Ruine.

Aber auch nach der Zerstörung fand der einst heilige Ort keinen Frieden. Schnell verbreitete sich in der benachbarten kleinen Stadt am Main die Legende von den gespenstischen Flammenmönchen: Aus Rache für ihre Vertreibung aus Marienthal sollen sie jeden, der dem Klostergelände zu nahe kommt, mit höllischem Feuer qualvoll zu Tode brennen.
Über diese Gruselgeschichte konnte Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius bislang nur schmunzeln. Bis man ihm eines Tages eine Brandleiche zur Obduktion brachte, die in so ziemlich allen Details die geltenden Naturgesetze auf den Kopf stellte. Dass die Logik eines kühlen Verstandes alleine den Kampf gegen Geister, Dämonen, Vampire und allem, was sonst noch die Nächte unsicher macht, nicht gewinnen kann, muss Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius immer wieder widerwillig zugeben. Denn der praktische Arzt aus der Nach-Napoleon-Ära um 1818 ist alles andere als ein passionierter „Geisterjäger“. Er sieht sich als kritischen Wissenschaftler, der nur das akzeptiert, was man mit Formeln berechnen und in Experimenten nachweisen kann. So passt es ganz und gar nicht in sein sorgfältig gepflegtes Weltbild, dass ihn der Bannkreis des Unheimlichen nicht mehr aus den Klauen lässt ...

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Leseprobe:
„Jetzt bitte nicht mehr atmen, Mademoiselle.“
Die pummelige Siebzehnjährige nickte tapfer, schloss die Augen, presste die Lippen zusammen und hielt die Luft an. Den nackten Rücken dem Arzt zugewandt, drückte sie mit verkrampften Fäusten ihr zusammengeknülltes Hemd fest vor die Brust. Es war offensichtlich, dass sich das Mädchen in Grund und Boden schämte.
Mit betont professioneller Sachlichkeit setzte Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius das Hörrohr vorsichtig in Höhe des linken Lungenflügels an. Ich darf das junge Ding auf keinen Fall noch mehr aufregen, dachte der hagere Endvierziger. Die kippt mir sonst noch um.
Auf der schneeweißen Haut der Patientin zeichneten sich die Druckstellen des Korsetts in bizarren Mustern ab. Der Arzt legte seinen Kopf an die Ohrplatte aus Elfenbein, horchte, klopfte sanft auf die untersuchte Stelle und horchte wieder. Dann schob er den Holztrichter in eine andere Position und die Prozedur begann von neuem. Froebius war stolz darauf, dass er zu den wenigen Medizinern im Herzogtum Nassau zählte, die bereits mit dieser neuen Erfindung, Stethoskop genannt, arbeiten konnten. Erst vor zwei Jahren hatte ein französischer Kollege das revolutionäre Diagnosegerät entwickelt. Der Professor war einer der ersten gewesen, die es sich angeschafft haben.
Der Arzt hob den Kopf und trat einen Schritt von seiner Patientin zurück. „Danke, das war's. Sie können sich wieder ankleiden.“ Das Mädchen warf ihm einen dankbaren Blick zu und verschwand hinter dem vergilbten Paravent, der eine Ecke des altväterlich eingerichteten Sprechzimmers vor neugierigen Blicken abschirmte. Froebius krempelte die Hemdsärmel herunter, schloss die Manschetten und zog wieder seine Hausjacke aus weinrotem Samt an.
„Alles in Ordnung, Madame Schneider“, sagte er zu der Gouvernante, die ebenso stumm wie verbissen auf einem harten Holzstuhl hockte. „Es ist nur eine leichte Sommererkältung. Wenn das junge Fräulein Zugluft und Feuchtigkeit meidet, wird es sich bald wieder wohl fühlen.“
Die grauhaarige, aber mit den ungeheuerlichsten Farbexzessen der aktuellen Empire-Mode ausstaffierte alte Jungfer hatte den Arzt während der Untersuchung nicht einen Moment aus den Augen gelassen. Auch jetzt signalisierte ihr unter dem kanariengelben Schutenhut hervorstechender Geierblick unverhohlenes Misstrauen. „Naa, dafür hätt's ja wohl net den Dokter gebraucht“, keifte die Alte in der breiten Mundart der Maingegend. „Aber wenn's dem gnädigen Herrn um sei' Töchterche geht, is' ihm nix zu deuer...“.
Missmutig stand die Frau auf und durchwühlte ausgiebig ihre protzig bestickte Brokathandtasche. Ungeduldig zählte Froebius im Geist die Sekunden mit, bis sie endlich die Geldbörse in der Hand hielt. Mit nervender Akribie eine Münze nach der anderen mehrfach abzählend, legte die Gouvernante zwei Gulden und vierzig Kreuzer auf den verkratzten Nussbaumschreibtisch.
„Vergesse Se net, uns die Quittung zu schicke“, mahnte sie den Arzt. „Anna-Christinche, biste fertig?“ Der Professor deutete eine galante Verbeugung an und geleitete den grellbunten Drachen mitsamt seinem Schützling zur Tür. Als die Schritte der Frauen die altersschwache Holztreppe zum Erdgeschoss hinabknarrten, atmete er erleichtert auf und wischte sich mit seinem Schneuztuch den Schweiß von der Stirn.

Im Kindle-Shop: Die Flammenmönche (Froebius. Im Bannkreis des Unheimlichen 2)

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8. Oktober 2012

'Nacht der Verdammten' von Birgit Böckli

Ein Horrorkurzroman. Zunächst ist es Neugier, die den 13-jährigen Darius antreibt, als er von unerklärlichen Todesfällen erfährt, doch schon bald findet er sich in einem Alptraum wieder, aus dem es kein Entrinnen gibt.

Wer ist der unheimliche Killer, der nur in Vollmondnächten zuschlägt? Und was steckt wirklich hinter den Geschichten über sogenannte Wolfsmenschen? In einer Urlaubspension lernt Darius den Biologen Professor Falken kennen, der ein starkes Interesse an diesen Fragen zu haben scheint. Bald schon macht sich Darius selbst auf die Suche nach Antworten ...

Gleich lesen: Nacht der Verdammten

Leseprobe:
„Sieh mal, hast du das gelesen?" Der Junge reichte seiner Mutter eine Zeitung über den Tisch, wobei er beinahe die Colaflasche umgestoßen hätte.
„Pass doch auf! Was meinst du denn? Mondscheinkiller, was soll das bitte sein?" Regina Mainhard warf ihrem Sprössling einen sorgenvollen Blick zu. Darius mochte aussehen wie das blühende Leben, er hatte sogar ein wenig Farbe bekommen, seitdem sie hier waren, doch wie er sich tatsächlich fühlte, wusste selbst sie nicht zu sagen. Wie reagierte ein Dreizehnjähriger auf den Tod des Vaters?
Sie schob die düsteren Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf den Artikel. „Seit drei Monaten sind hier Menschen gestorben? In Vollmondnächten?" Das klang wie ein Schauermärchen.
Darius grinste, und die winzigen Sommersprossen auf seiner Nase leuchteten in der Sonne wie Goldstaub. „Nicht einfach gestorben. Sie wurden richtig zerfleischt! Eine Katze hat's auch erwischt."
Regina lief es eiskalt den Rücken herunter. „Na, also wenn ich das gewusst hätte.." Sie griff ein wenig hektisch nach ihrem Limonadenglas und zuckte zusammen, als Professor Falken plötzlich an ihrem Tisch stand. Der Mann tauchte stets aus dem Nichts auf wie ein Schatten. Nur das schlechte Gewissen, beruhigte sie sich. Als wäre sie Schuld am Tod ihres Mannes, als hätte sie dem Jungen den Vater genommen. Wahrscheinlich war sie es, die in Behandlung gehörte.
„Na, Darius, hast du deine Mutter schon gefragt? Wir wollten nämlich zusammen angeln gehen, wenn Sie nichts dagegen haben.”
Regina seufzte. Das Lächeln des alternden Mannes tat ihr gut. „Hören Sie, Professor, wissen Sie etwas über diesen Mörder, der sich hier herumtreiben soll?" fragte sie ängstlich und warf ihrem Sohn einen weiteren zweifelnden Blick zu.
„Na, na. Sie machen sich wohl Sorgen, wie? Also, laut Zeitungsmeldungen war sich die Polizei da nie so sicher, ob es sich überhaupt um einen Menschen gehandelt hat. Die Spuren deuteten eher auf einen Bären oder ähnliches hin. Seltsam war allerdings, dass es ausnahmslos in Vollmondnächten zu solchen Angriffen kam. Aber ich kann Sie beruhigen, beim letzten Vollmond ist rein gar nichts vorgefallen, das Raubtier scheint weitergezogen zu sein, vielleicht wurde es auch erlegt. Außerdem wollen wir ja nachmittags zum See. Der Finkenweiher soll sehr schön sein. Und ganz ehrlich, ein Junge in Darius’ Alter langweilt sich doch auf die Dauer an einem solchen Ort."
Und damit hatte er sie. Regina spürte, wie ihr flau im Magen wurde.
„Darf ich, Mama?"
„Na schön, aber du bist vor Einbruch der Dunkelheit wieder in der Pension. Und geh dem Professor nicht so auf die Nerven, ja?" Sie lächelte unglücklich.

"Nacht der Verdammten" im Kindle-Shop

Mehr über und von Birgit Böckli auf ihrer Autoren-Website.

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3. Oktober 2012

'Von heimtückischen Morden' von Christian Grohganz

Fünf niederträchtige Kurzgeschichten über rätselhafte, niederträchtige und vor allem heimtückische Morde:

Auf einer Insel - umgeben von dunklen Schatten - wird einem Studenten bewusst, wie gefährlich manche Nebenjobs sein können.

Bei einem unerwarteten Treffen holt zwei Freunde die Vergangenheit ein - während der Werwolf-Mörder in der Stadt umhergeht ...

'Er kommt und holt dich!' – mit unheilvollem Text droht eine Ketten-Mail einem Mädchen. Alles Humbug oder lauert das wahre Grauen im Internet? Ein Hausherr befürchtet, dass sich etwas unter seinem Fliesenboden bewegt – während ein Kommissar eine Leiche sucht. Den letzten Blick im Auge einer Toten festhalten – so erhofft sich ein Polizist einen Serienmörder zu finden.

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Leseprobe aus "Buhnen":
„Die Zeiten ändern sich“, hatte sein Großvater gemurmelt, als sie ihn von seiner Arbeit am Ostseestrand pensionierten – ein Jahr nach der Wende. In der DDR diente das ehemalige Fischerdorf mit dem kilometerlangen Sand als 'Naturbühne zur Erholung des sozialistischen Arbeiters', wie es in SED-Broschüren bezeichnet wurde. Stefans Großvater war oberster Beauftragter für Abschnitt Nord und Süd gewesen – oder Bademeister für alle, wie Stefans Großvater es selbst gern nannte.
„Ja, Opa hat immer davon geschwärmt, dass man in der DDR so frei war, FKK und so, aber in Wirklichkeit war da niemand frei, es gab Regeln und Bestimmungen für alles. Und davor waren die Nazis da und die haben sich genauso aufgeführt. Seit man zurückdenkt, haben alle den Strand für sich vereinnahmt“, hatte Stefans Vater gesagt.
Als Stefans Großvater in Pension ging, kamen die Investoren und die Kapitalisten. Sie kauften von der Stadt auf, was vorher in 'Volksbesitz' war, bauten schicke Hotels, Cafés und Erholungszentren. Erlebnistourismus nannte man das.
Die ersten Jahre vergingen anarchistisch: Wildes Campen, Müllverpestung und Fäkalien neben spielenden Kindern waren keine Seltenheit - die Stadtverwaltung war völlig überfordert.
Stefans Vater sah die Gunst der Stunde, machte sich selbstständig und eröffnete eine Strandsicherheitsfirma - im Auftrag der Hotelketten. Wie in der DDR wurden verschiedene Abschnitte gesperrt - damals noch für SED-Kader, heute für zahlende Bankiers, Oligarchen und Internetmillionäre. Der Strand wurde zu einem Prestigeobjekt des Bundeslandes – ein wahrer Touristenmagnet. Ein Höhepunkt: Eine kleine Insel, nicht weit entfernt von der Stadt. Abgeschottet und naturbelassen, aber komplett zu mieten, wenn man das nötige Kleingeld aufbringen konnte.
„Jung', wie wäre es, wenn du dir ein paar Euro dazuverdienst?“, hatte Stefans Vater gefragt, als sein Sohn ein Meeresbiologie-Studium angefangen hatte. Stefan war am Wasser aufgewachsen, aber hatte sich, seit er drei war, nicht einmal mehr mit den Zehenspitzen in die Ostsee getraut, nachdem er bei einem Wellengang fast ertrunken war.
Faszination und Urangst, beides verband Stefan mit dem Strand, deswegen konnte er sich keinen besseren Nebenjob vorstellen und sagte seinem Vater sofort zu.
Danach ging Stefan dreimal die Woche auf nächtliche Patrouille. Sein Vater hatte ihm die guten Strecken zugewiesen - unter anderem die Insel - und selten traf er bei seinen Rundgängen überhaupt auf Leute. In den letzten zwei Jahren hatte Stefan fast jede Situation ohne große Worte lösen können und nur einmal musste er mit seinem Elektroschocker drohen.
Es war ein ruhiger Studentenjob, definitiv besser als in einem Baumarkt an der Kasse zu stehen oder als Maskottchen im Fußballstadium herumzuturnen.
Das Rauschen der Ostsee, der weitläufige glitzernde Sternenhimmel und der knirschende Sand unter den Füßen, ließen Stefan höchstens zeitweise Einsamkeit spüren und führten schlimmstenfalls zu einer sanften Melancholie.
Doch in dieser Nacht war er nicht allein.

Die einzige Verbindung zur Insel war eine Stahlbrücke mit Eichenbohlenbelag aus dem frühen 19. Jahrhundert, die unter Denkmalschutz stand. Die Brücke fuhr mechanisch zur Seite, wenn man an einer Kurbel drehte, was nach den Vorschriften des Ordnungsamtes wegen des Schiffsverkehrs immer gemacht werden musste, wenn gerade keine Personen zur Insel übersetzen wollte. 500 Meter dahinter befand sich der erste Campingplatz und keine 500 Meter weiter begannen die angrenzenden Hotels.
Stefan hatte pflichtbewusst die Kurbel gedreht, war im Schein seiner Taschenlampe über die Brücke gelaufen und hatte auf der Insel die Brücke wieder in Schräglage versetzt. Das Funkgerät knackte und Arnulf hatte das Team wissen lassen, dass es gleich regnen und er sich erst einmal einen Grog genehmigen würde. Prüfend hatte Stefan die Finger ausgestreckt und die ersten Tropfen waren ihm auf die Handinnenfläche gefallen. „Fantastisch“, hatte Stefan gemurmelt und spielte für einen kurzen Moment mit dem Gedanken sofort wieder aufs Festland zu übersiedeln - als er das seltsame Geräusch vernahm.
Es klang wie das Pfeifen des Windes, nur gespenstischer. Stefan hatte das Funkgerät und den Elektroschock an seinem Gürtel befingert und war in das Innere der Insel vorgedrungen. Das Geräusch wurde lauter und manifestierte sich zu einem eigenartigen Sing-Sang.
Für einen Moment war Stefan hinter einer Düne stehen geblieben, lauschte seinem Atem und dem eigenartigen Summen.
Je mehr er hörte, desto klarer wurde ihm, dass es sich um Worte in einer fremden Sprache handelte - vielleicht Latein.
Klingt jedenfalls unheimlich, dachte Stefan und musste sich zwingen weiterzugehen.
„Maßregel 1 des Sicherheitshandbuchs“, murmelte er. „Ruhe bewahren und die Situation unter Kontrolle bringen.“
Der Kegel der Taschenlampe leuchtete die Büsche ab und Stefan war tiefer in den Inselwald eingedrungen.

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