26. Oktober 2014

"Anonymus" von Christian Jaschinski

Die erfolgreiche Polizeipsychologin Miriam Bleyk wird zu einem Banküberfall mit Geiselnahme gerufen. Als SEK-Einsatzleiter wartet dort schon ihr Ex-Freund, der sie vor zwei Jahren mit einer Kollegin betrogen hatte.

In der Bank agiert ein intelligenter und technisch hoch versierter Geiselnehmer, der mit den Ermittlern Rätselspielchen treibt.

Was will er? Und wer wird das Katz-und-Maus-Spiel gewinnen?

Gleich lesen: > > > Auf dem Kindle






Leseprobe:
»Bist Du nicht befangen?« Die Polizeipsychologin Miriam Bleyk ist gerade aus dem olivgrünen Eurocopter Dauphin geklettert, der mitten auf der Kreuzung Martin-Luther- und Damm-Straße gelandet ist. Das SEK hat den Block um das Bankhaus Dinkelsbühler weiträumig abgeriegelt. Die warmen Strahlen der Nachmittagssonne spiegeln sich in den staubigen Scheiben der verlassenen Kebap-Bude an der Ecke, auf einem der Stehtische lässt der leichte Wind einen umgekippten Cola-Becher hin- und herrollen. Dann wohl keinen Lamacun, wenn´s hier länger dauert.
Kommandoführer Kilian Schönberger hat Miriam erwartet. Er lehnt an dem unscheinbaren weißen Sprinter und schüttelt lächelnd den Kopf. »Komm schon. Nur weil ich hier in Rawetz aufgewachsen bin?«
»Na ja ...« Sie will nicht unnötig Stress mit ihm und unterdrückt die Kritik. Wenn ein Familienangehöriger oder Freund in den Fall involviert ist oder sein könnte, fehlt oft der professionelle Abstand und es kann problematisch werden. Kilian ist zwar schon ein halbes Leben aus Marktredwitz weg, das von den Einheimischen liebevoll Rawetz genannt wird. Aber seine Eltern und seine kleine Schwester wohnen immer noch hier in der fränkischen Kleinstadt. Zumindest war das vor gut zwei Jahren noch so. »Dann lass mal hören: Wieviel Leute sind drin?«
»Wissen wir noch nicht. Dafür hat der Oberbürgermeister schon angerufen.«
»Ihr habt einen Oberbürgermeister? Wieviel Millionen Menschen leben denn hier?«
»Ironie ist an dieser Stelle wohl kaum angebracht. Er möchte in einer halben Stunde einen Statusbericht.«
Miriam atmet tief aus und nickt gleichzeitig, geht aber nicht weiter auf Kilians letzte Äußerungen ein. Politiker, Presse und ein emotional involvierter Kommandoführer. Na dann!
»Haben sie sich schon gemeldet?«
»Hör´s Dir an!«
Kilian macht die Tür zum Sprinter auf. Er lässt Miriam den Vortritt, steigt hinter ihr ein und nickt Anna Dollinger zu. Die Elektronikspezialistin von der Technischen Einsatzgruppe startet die Aufnahme und eine verzerrte Stimme kommt metallisch, mit ständig wechselnder Tonlage aus den Lautsprechern:
»Tiger, Tiger, grelle Pracht
in den Dickichten der Nacht.
Wes unsterblich Aug und Hand
wohl Dein furchtbar Gleichmaß band?«
Ein kurzes Rauschen. Dann: »Holen Sie Miriam Bleyk!«
Miriam wiegt den Kopf im Takt des Gedichtes.
»Und?« Kilian trägt seinen schwarzen Overall mit Schutzweste und erwartet von der Analystin eine erste Einschätzung. Die Sturmmaske hat er zur Seite gelegt.
Er ist immer noch sehr attraktiv. Die kurzen schwarzen Haare, durch die sie so gerne ihre Finger gleiten ließ, der dunkle Dreitagebart, die vollen Lippen, die strahlend grünen Augen. Konzentrier Dich! Miriam erwischte ihn vor zwei Jahren mit einer Kollegin in ihrer gemeinsamen Wohnung. Kurz vorher hatten sie hier noch Weihnachten mit seiner Familie gefeiert. Und bei der großen Silvesterparty in Nürnberg hatte sie gar mit einem Heiratsantrag gerechnet. Ihn sich gewünscht. Wie der Neujahrskuss bei Harry & Sally. Wie lächerlich! Seitdem gehen sie sich möglichst aus dem Weg. Sie hat keine große Szene gemacht. Contenance! War unendlich traurig und verletzt. Es stimmt also: von einem schönen Teller isst man nicht allein. Jetzt reden sie nur noch, wenn es sich beruflich nicht vermeiden lässt.

Im Kindle-Shop: Anonymus: - Krimikurzgeschichte -

Mehr über und von Christian Jaschinski auf seiner Website.

Labels: , ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite