25. Oktober 2019

'Sonnenblumenglück' von Morgan Stern

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Morgan Stern | Autorenseite im Blog
Selbst wenn du die Suche nach dem Richtigen längst aufgegeben hast, könntest du eines Tages von ihm gefunden und wachgeküsst werden.

Die eher bodenständige Melissa sehnte sich schon als kleines Mädchen nach einem Traumprinzen wie aus dem Bilderbuch. Leider ist dieser auch kurz vor ihrem 30. Geburtstag noch nicht in Sicht. Sie selbst kann außer einem grauen Büroalltag und ein paar Freunden wenig Aufregendes vorweisen.

Als sie auf einem Wochenendtrip dem finnischen Musiker Jani begegnet, lässt sie sich nur zu gerne von ihm im Sturm erobern und mitreißen. Ohne zu zögern, verabschiedet sie sich von ihrem alten Leben und folgt ihm in seine Heimat.

Doch wie viel Alltag verträgt ihre junge, leidenschaftliche Beziehung? Taugen Finnen in Tourbussen überhaupt als potenzielle Traummänner? Wie viele imaginäre Drachen müssen gejagt und Schlachten geschlagen werden, damit die große Liebe allen Widrigkeiten standhalten kann?

Leseprobe:
„Wagner.“ Ich räusperte mich. „Melissa Wagner.“
„Nein, habe ich hier nicht, Frau Weber.“
„Wagner. Nicht Weber.“ Ich spürte, wie mein Blutdruck langsam aber sicher in die Höhe schoss. Wie ich das hasste. Was war an meinem Nachnamen denn bitte so schwer? Nein, daran oder an dem möglicherweise begrenzten Horizont meines Gegenüber lag es sicher nicht. War ich der Dame am Schalter denn so zuwider?
„Hier ist es ja. Ein Ticket nach Berlin?“ Sie zog die Augenbrauen hoch und musterte mich von oben bis unten.
„So ist es.“ Nervös tippte ich mit den Fingern auf dem Kassenschalter herum. Konnte ich jetzt vielleicht endlich bezahlen? Es war ja nicht so, als wäre ich alleine in der Bahnhofshalle. Ganz im Gegenteil. Ich wagte einen Blick über meine Schulter und erntete dafür aufgebrachte und missmutige Blicke der anderen wartenden Kunden. Ob sie davon ausgingen, dass ich und wirklich nur ich persönlich dafür verantwortlich war, dass die Dame am Schalter so gar nicht vorankam? Was kümmerte es mich? Wenn ich nur endlich das blöde Ticket bekommen würde!

Memo an mich: Zugtickets nur noch online buchen und zu Hause ausdrucken.
Eigentlich war mir schon seit der ersten Idee zu dieser Reise klar gewesen, dass es nicht unbedingt mein persönliches Highlight werden würde. Wieso ich es dennoch gebucht hatte? Nun, meiner Freundin zuliebe. Weitestgehend. Aber beginnen wir am besten erst einmal mit ein paar Details.
Eva und ich, wir hatten uns vor vielen Jahren im Urlaub mit unseren Eltern kennengelernt. Zu dieser Zeit hatten wir beide schon ein – na ja sagen wir mal so – Alter, in dem man die eigenen Eltern so gar nicht mehr cool fand und eigentlich nicht mit ihnen gesehen werden wollte. Aus unserer beider Not heraus schlossen wir uns relativ rasch zusammen und wurden in der einen Woche richtige Freundinnen.
Eva war toll. Sie brachte mich zum Lachen, hatte eine Menge sinnloser Ideen, die aber dafür umso witziger waren und uns so manche langweilige Stunde erträglich machten. Es schmerzte fast, als sich unsere Wege wieder trennten, aber wir versprachen uns, in Kontakt zu bleiben. Ob überhaupt eine von uns das wirklich beabsichtigt hatte war fraglich, denn Urlaubsbekanntschaften blieben ja erfahrungsgemäß auch dort, wo sie begonnen hatten, und fanden so gut wie nie einen Weg in den Alltag.
Bei Eva und mir war es anders gelaufen. Wir hatten es tatsächlich geschafft, einen gewissen Kontakt aufrechtzuerhalten. Sie wohnte in München, ich in einer Kleinstadt im Ruhrgebiet – sonderlich oft sehen konnten wir uns also nicht. Dennoch schrieben wir uns und bis heute ist sie eine meiner engsten Vertrauten und eine wahre Freundin. Als sie vor ein paar Monaten auf die Idee kam, dass wir zu einem gemeinsamen Städtetrip aufbrechen könnten, war ich noch recht enthusiastisch. Ich hatte Eva über ein Jahr nicht gesehen und ich reiste gerne. Wieso also nicht?

Leider hatte ich nicht in Erwägung gezogen, dass es ihr dabei nicht darum ging, mit mir zusammen ein Ziel auszusuchen. Vielmehr war es so, dass sie schon längst entschieden hatte, dass Berlin – und auch wirklich nur Berlin – in Frage käme. Wieso auch immer, die Hauptstadt hatte auf mich bislang keinerlei Reiz ausgeübt und das änderte sich auch nicht, als Eva mir davon vorschwärmte. Sie war schon einmal dort gewesen, Abschlussfahrt mit ihrer Schulklasse. Sie liebte Großstädte schon immer und so war es wenig verwunderlich, dass auch Berlin es ihr regelrecht angetan hatte. Laut ihr müsste man die Stadt gesehen und vor allem erlebt haben, um sie verstehen zu können.
Ich hatte da meine Zweifel, allerdings wusste sie, dass ich ihrem Flehen und Bitten irgendwann nachgeben und mich breitschlagen lassen würde.
Die Buchung des Hotels hatte Eva übernommen, meine Aufgabe bestand quasi nur darin, das Zugticket zu holen und am richtigen Tag im richtigen Zug zu sitzen. Das würde ich hinkriegen. Dachte ich.

***

„Oh, Melli!“ Eva ließ ihre Reisetasche fallen und stürmte mit offenen Armen auf mich zu. „Da bist du ja endlich!“ Überschwänglich gab sie mir ein paar Küsschen auf die Wange und drückte mich an sich.
„Schön, dich zu sehen“, grinste ich erleichtert.
„Alles gut geklappt? Wir können sofort los. Das wird so toll!“ Sie eilte zurück, schnappte ihre Tasche, warf sie gekonnt lässig über ihre Schultern und stand wieder auffordernd vor mir. „Komm, wir nehmen ein Taxi.“
Zugegeben, ich mochte sie wirklich und ich hatte sie vermisst. Auch nach all den Jahren und den unterschiedlichen Leben, die wir führten. Allerdings war es zwischenzeitlich klar ersichtlich, dass wir nicht wirklich viele Gemeinsamkeiten hatten. Zudem waren wir einfach erwachsen geworden, sie hatte in München studiert, arbeitete als Architektin und widmete sich leidenschaftlich gerne dem Nachtleben.
Und ich? Neben einer langweiligen Ausbildung und meinem mindestens genauso „spannenden“ Bürojob, dem ich noch heute mit Ende zwanzig die Treue hielt, konnte ich nicht viel Aufregendes berichten.
Dennoch mochte ich mein bodenständiges Leben, meinen überschaubaren Bekanntenkreis und das Kleinstadtidyll, welches ich Heimat nannte. Natürlich fragte ich mich hin und wieder, ob es da draußen nicht noch mehr gab. Ob nicht ein spannendes, ganz tolles anderes Leben auf mich wartete und ich es verpasste, weil ich mich schlicht und ergreifend nicht danach umsah?
Existierte irgendwo dieser eine Mensch? Mein Seelenverwandter? Wie definierte man Liebe? Wo war sie zu finden? Was war Glück? Und vor allem, wo war es?

Nüchtern betrachtet hatte ich alles, um glücklich zu sein. Meine Familie, ein paar Freunde, ein Dach über dem Kopf und genügend Geld zum Leben. War das nicht die Definition von Glück?
Ich kannte das Gefühl von Alleinsein, von Hoffnungslosigkeit und Resignation ebenso gut wie das der Zufriedenheit. Hatte alles davon selbst erlebt, gefühlt und war daran gewachsen.

Die Zeiten, in denen ich voller Illusionen durch die Welt schritt und daran glaubte, dass irgendwann der berühmte Tag X kommen würde, an dem sich mein Leben von Grund auf ändern und zum Besseren wenden würde, waren längst vorbei. Aus dem kleinen Mädchen mit den blonden Locken war eine erwachsene Frau geworden. Ich rannte nicht mehr so unbeschwert wie damals durch Sonnenblumenfelder und hielt auch nur noch selten so akribisch Ausschau nach vierblättrigen Kleeblättern. Wenn ich es tat, dann nicht mehr in der Hoffnung, dass ich meinen Träumen damit ein Stückchen näher kommen könnte.

Wie die meisten Mädchen hatte auch ich insgeheim sehr lange an meinen Vorstellungen eines perfekten Lebens festgehalten, auf meinen Prinzen mit dem Pferd gewartet. Nicht, dass ich Pferden je viel hätte abgewinnen können, aber rein theoretisch gehörte dieses Tier eben zum Bild des Prinzen.
In der Realität ließ meine Menschenkenntnis leider gerade in Bezug auf Männer etwas zu wünschen übrig. Vielleicht hatte ich in jungen Jahren auch einfach zu euphorisch Ausschau gehalten und mich dabei so verunsichern lassen, dass ich die Wahrheit gar nicht mehr vom vermeintlich schönen Schein unterscheiden konnte? Wer konnte das schon so genau sagen?

Unterm Strich hatte ich jedenfalls weitaus mehr Frösche als Prinzen geküsst und jene wenigen mit scheinbar blauem Blut hatten definitiv andere Defizite, mit denen ich nicht leben konnte oder wollte. Kurzum, ich hatte kein sonderlich glückliches Händchen für Beziehungen. Allerdings konnte ich wenigstens mit Stolz behaupten, dass ich diese eher destruktiven Verbindungen meist selbst beendete, und das in den meisten Fällen bereits bevor man mir zu sehr hatte weh tun können.
Mit den Jahren hatte ich mich damit abgefunden, dass ich nichts erzwingen konnte und war dementsprechend auch nicht mehr auf der Suche nach Mr. Right. Vielleicht würde er eines schönen Tages vor meiner Türe stehen, vielleicht auch nicht.
Ich hatte die Schnauze voll davon, mich auf Kompromisse einzulassen, nur um mir am Ende doch wieder eingestehen zu müssen, dass ich gar nicht der Typ Mensch war, der mit Kompromissen leben konnte. Ich ging davon aus, dass ich möglicherweise beziehungsgestört war, im schlimmsten Fall mangelte es mir auch an jeglicher Sozialkompetenz. Fakt war jedoch, dass ich diesen Teil von mir nicht ändern konnte. Nicht ändern wollte. Und schon gar nicht für jemand anderen, für eine Beziehung, die nur funktionieren würde, wenn ich mich selbst verbiegen würde, um dem anderen zu gefallen.
Ganz ehrlich, wohin hätte eine solche Partnerschaft schon führen sollen? Wenn man nicht seiner selbst wegen geliebt wurde, wurde man überhaupt nicht geliebt.

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