8. September 2021

'Abels Vermächtnis' von Aileen O'Grian

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Blog Aileen O'Grian
Im Jahre 2080 ist der gesamte Süden Europas eine Wüstenregion. Nur wenige Menschen besiedeln das Gebiet und fristen dort ein armseliges Dasein. Der Norden riegelt sich ab und beutet die verarmten Süd- und Südosteuropäer aus.

Die Genmedi Corporation entwickelt aus menschlichen embryonalen Stammzellen Medizin gegen Diabetes, Rheuma und Leukämie. Um ausreichend Embryonen zu erhalten, werden die Frauen mehr schlecht als recht dafür bezahlt, dass sie ihren Körper für die Produktion von Eizellen zur Verfügung stellen. Für die meisten Familien ist es die einzige Einnahmequelle.

Der musisch begabte Abel wächst in einer privilegierten, reichen Familie in Berlin auf. Er möchte Pianist werden, doch sein Vater, Direktor der Genmedi Corporation, hat andere Ziele für ihn vorgesehen. Er zwingt den Jungen, auf seine Musik zu verzichten und BWL zu studieren und bei Genmedi einzusteigen. Mehrfach rebelliert Abel, doch letztendlich resigniert er und versucht, den Erwartungen seines Vaters zu entsprechen.

Als er nach dem Studium seine Tätigkeit bei der Genmedi aufnimmt, ist es eine seiner ersten eigenverantwortlichen Aufgaben, die Produktionsstätten in Spanien zu bereisen. Dort erlebt er, wie schwierig das Leben für die Menschen ist und wie sehr seine korrupte Firma die Familien ausbeutet. Er beschließt, die fast sklavenähnlichen Bedingungen, unter denen die Leute dort dahinvegetieren, aufzudecken und die Beteiligung der Genmedi an diesen Zuständen publik zu machen, ohne zu ahnen, in welche Gefahr er sich bringt. Wird es ihm gelingen, den Menschen zu helfen?

Anleser:
Da Abel an diesem Abend keine Lust hatte, seinem Vater zu begegnen, ging er in eine Kneipe, setzte sich an den Tresen und bestellte ein Bier.
„Hallo Abel, wie geht es dir?“
Abel schaute hoch. Ein kräftiger junger Mann mit dunklen Haaren stand vor ihm. Er konnte sich an ihn nicht erinnern.
„Georg vom Fußballverein“, half der andere ihm.
„Ach ja, Georg, hallo, wie geht es dir?“ Abel lächelte sein Gegenüber an. Georg war der Einzige aus der Mannschaft gewesen, der nett zu ihm war. Die anderen hatten nie mit ihm spielen wollen. Abel konnte es ihnen nicht verdenken, schließlich war er ein schrecklicher Spieler gewesen. Er war nur zum Training gegangen, weil er seinem Vater gefallen wollte.
„Oh, ich spiele immer noch Fußball. Momentan bei den zweiten Herren, aber demnächst darf ich bei den ersten mitspielen.“ Georg bestellte für sich und Abel ein Bier.
„Ich gehe zum Tennisspielen. Leider bin ich da auch nicht sehr begabt. Aber ich bewege mich wenigstens an der frischen Luft“, erzählte Abel.
„Macht es dir Spaß?“ Georg schaute ihn prüfend an.
Abel konnte seinem Blick nicht standhalten.
„Du solltest nicht mehr versuchen, deinem Vater zu gefallen. Er muss dich so akzeptieren, wie du bist. Er kann dich doch nicht nach seinem Geschmack umformen. Du bist ein eigenständiger Mensch, mit eigenen Qualitäten, eigenen Gedanken und Gefühlen. Lass dich von ihm nicht kaputtmachen.“ Georg schüttelte missbilligend seinen Kopf.
Darüber musste Abel einmal gründlich nachdenken. Eines Tages, wenn er nicht mehr unter Prüfungsstress litt.
„Was machst du beruflich?“, fragte er stattdessen.
„Ich bin Zimmerer. Seit einem halben Jahr bin ich Geselle. Mein Chef hat mich übernommen. Aber ich möchte ins Ausland gehen. Ich suche etwas in Schweden oder Finnland.“ Die beiden unterhielten sich noch lange über Skandinavien und kamen dann auf Computer zu sprechen. Abel erzählte von der Netzwerkgruppe in der Schule und sogar von seinen Erfahrungen als Hacker - und von seiner Festnahme.
„Pech gehabt. In Softwarefirmen sollte man sich wirklich nicht herumtreiben.“ Georg lachte leise. Sie verabredeten sich für einen weiteren Abend, diesmal bei Georg. Bald trafen sie sich regelmäßig bei Georg zu Hause und hackten fremde Computer. Der alte Kitzel war wieder da und der Stolz, den Zugang geknackt zu haben. Daheim erzählte Abel auf die Frage, wo er sich herumtriebe, er würde mit einem Klassenkameraden für die Prüfung üben.
Im Frühsommer stießen sie auf eine kleine Firma, die Legionäre zur Bekämpfung der Aufstände im Süden anwarb.
„Junge, abenteuerliche Leute gesucht.“ – „Zeig, was in dir steckt!“
Georg lachte. „Rattenfänger. Als ob so ein Kampf gegen Terroristen ein Spiel, ein Abenteuer ist.“
„Irgendwelche Spinner“, meinte Abel.
„Nee, geschäftstüchtige Leute. Die wissen, wo man Geld machen kann. Einige Firmen zahlen bestimmt viel, damit ihre Anlagen geschützt sind.“
„Die haben doch ihre eigenen Leute.“
„Sicherheitsdienste sind viel professioneller, deren Anzeigen lesen wir gerade.“
Abel mochte Georg nicht glauben. Lange lasen sie sich durch die Firmenseiten. Sie fanden Beschreibungen der Ausbildungslager. Beschreibungen der Ausbildung selbst. Es hörte sich alles wie ein Abenteuer an. Werbung eben. Irgendwann stießen sie auf einen geheimen Bereich. Georg und Abel setzten ihren Ehrgeiz daran, den Eingang zu knacken. Nach drei Tagen hatten sie es geschafft. Sie fanden Personallisten. Aber die Leute hatten bestimmt Decknamen: Indiana Jones, Iron Man und Lara Croft konnte kaum jemand tatsächlich heißen. Sie fanden auch Listen mit Waffenbestellungen.
„Wollen die denn die ganze Bevölkerung in Südeuropa ausrotten?“, fragte Georg ungläubig. „Biologische Waffen, chemische Waffen, Nuklearsprengköpfe.“
„Dann wird hier alles radioaktiv verseucht. Den Betrieb sollten wir anzeigen“, regte sich Abel auf.
Sie klickten sich weiter durch die Firma.
Georg ließ die Seiten so schnell durchlaufen, dass Abel kaum etwas erkannte. Täuschte er sich oder las er da einen bekannten Namen? Aber große Geldsummen erkannte er. Plötzlich brach Georg die Leitung ab. „Wir müssen den PC verschwinden lassen. Hastig löschte er die Festplatte. „Kannst du ihn mit dem Auto zum Fluss bringen? Oder wo könnten wir ihn sonst loswerden?“
„Spinnst du jetzt völlig?“ Abel stand ratlos vor ihm.
„Nein, da steht doch ein Syndikat dahinter. Möchtest du die am Hals haben?“ Georg holte einen Seifenlappen und wischte den Computer gründlich ab. Dann zog er sich Gummihandschuhe über.
„Wie kommst du auf die Idee?“, fragte Abel überrascht.
„Hast du nicht die Geldbewegungen gesehen? Nach den Anschlägen auf Umweltaktivisten und Journalisten in den letzten Monaten wurden große Geldbeträge überwiesen. Wo steht dein Auto?“
„Nee, ich habe kein Auto. Wir müssen dein Motorrad nehmen. Vielleicht sollten wir ihn verbrennen?“, schlug Abel vor.
Georg nickte. „Ja, erst verbrennen und den Rest in den Fluss, dann können sie wenigstens keine Daten auslesen.“
Abel besorgte in einem Supermarkt hochprozentigen Rum. Anschließend fuhren sie aufs flache Land. An einem kleinen Strand am Flussufer übergossen sie den PC mit dem Alkohol und zündeten ihn an. Nach einer viertel Stunde war er ausgebrannt. Georg zog ein Angelboot unter den Büschen hervor, packte den Computer hinein und schob das Boot ins Wasser. Abel und er wateten durchs Wasser, bis es tief genug war und sie einsteigen konnten. Dann ruderten sie hinaus. Mitten im Fluss warfen sie den PC über Bord.
Langsam ruderten sie zurück. „Hast du von deinem Laptop aus diese obskure Firma angeklickt?“, fragte Georg besorgt.
„Nein, zum Glück nicht. Meinst du, das reicht, dass wir deinen Computer verschwinden ließen?“
„Keine Ahnung.“
Gleich am nächsten Tag kaufte Abel einen gebrauchten PC als Ersatz für Georgs.

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