14. September 2021

'Yalims Erbe: Die Auserwählten' von Martin Kuupa

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website Martin Kuupa
Wirst du dich dem Bündnis der Shanatary als würdig erweisen?

Dass er unmittelbar nach der Geburt über Leben und Tod seines eigen Fleisch und Blut entscheiden muss, wirft Fabien völlig aus der Bahn. Als er die vermeintliche Hilfe eines fremden Magiers annimmt, gerät alles außer Kontrolle.

Das mächtige Wesen droht, die gesamte Welt in den Abgrund zu reißen und nur ein uraltes Bündnis vermag es noch aufzuhalten.

Auf ihrer Suche nach den Auserwählten, stoßen die Magiari der Orden auf einen mysteriösen Krieger und ahnen nicht, dass seine Vergangenheit ihr ganzes Vorhaben in Gefahr bringt. Doch irgendwann tritt auch das dunkelste Geheimnis aus der Düsternis ans Licht.

Anleser:
Der Älteste des mormorischen Magiariordens, Merindor klappte das dicke Buch auf seinem Schoß zu und strich mit der Handfläche über den rauen Einband. Yora musste niesen, als sie den feinen Staub, der durch die stickige Luft tanzte, einatmete.
»Gesundheit«, lächelte der grau gewordene Magier und legte den Wälzer zur Seite auf einen klapprigen Holztisch.
Schon den halben Nachmittag verbrachte er damit, den beiden heranwachsenden Adeptari Yora und Philian die Tugenden des Ordens und den Umgang mit der Magie zu lehren. Inzwischen waren die Kerzen beinahe vollständig abgebrannt und leiteten das Ende des heutigen Unterrichts ein.
»Und Ihr wisst wirklich nicht, wie viele Gronieri in Mormora leben?«, wollte Philian wissen.
Der rundliche Zauberlehrling mit dem braunen strubbeligen Schopf kippelte auf dem Hocker hin und her und blickte Merindor erwartungsvoll an. Auch Yora, die mit ihrer hellen Haut und den weißen Haaren wie ein Glühwürmchen in der düsteren Hütte leuchtete, machte große Augen.
Der Älteste lachte und wurde schlagartig ernst. »Denkst du etwa, dass ich euch anlüge?«
Sofort wich dem Jungen die Farbe aus dem Gesicht. Die Adeptin traute sich ebenfalls keinen Mucks mehr zu machen und linste verstohlen zu ihrem Freund.
Merindor gluckste und winkte ab. »Ihr solltet euch jetzt mal sehen.« Obwohl er selbst die Gutmütigkeit in Person war, hatte er ab und an Freude daran, den großen Respekt der jungen Magiari, ihm gegenüber, für seine Späße auszunutzen.
Die Gesichter seiner Schüleri hellten sich wieder auf, auch wenn der kurze Schock augenscheinlich noch ein wenig nachwirkte.
»Die Frage ist doch ...«, er wandte sich Yora zu. »... hast du aufgepasst, was Gronieri sind?«
Die Adeptin biss sich auf die Lippe und nickte ihm selbstsicher zu. »Ja«, erwiderte sie und grinste. »Das sind Magiari, die keines Ordens würdig sind.«
»Und warum?«, hakte Merindor nach.
»Weil sie sich der Goh ... Gosch ...«
»Ja?« Der Älteste hob eine Braue.
»Weil sie sich der Ghonarasch-Magie bedient haben oder ihre Seelen böse sind«, half Philian seiner Freundin auf die Sprünge.
Merindor schmunzelte. »Das lasse ich gelten.«
Der Adept reckte triumphierend das Kinn in die Höhe und zog Yora an den Haaren, worauf er sich einen Tritt gegen das Schienbein einfing.
»Au«, zischte er und rieb sich die Stelle, die sie mit voller Wucht getroffen hatte.
»Es ist ihnen nicht möglich, die Kammer der Geister zu betreten, ohne den Zorn der Wächteri auf sich zu ziehen.« Jetzt grinste das Mädchen bis über beide Ohren.
»Stimmt nicht!« Philian streckte ihr die Zunge raus.
Merindor hatte Freude daran, dass die Adeptari etwas Leben in seine sonst so einsame Hütte brachten. Er schmunzelte und hob die Hand. »Yora hat nicht gänzlich unrecht.«
»Hähä!«, machte die Magierin und wandte sich dem Ältesten zu. »Warum habe ich nicht ganz recht?«
Merindor lugte zu Philian hinüber. Der ließ sich nicht zweimal bitten und begann, das Gelernte wiederzugeben: »Die Wächteri würden den Gronieri schon vernichten, sobald er den heiligen Boden am Fuße der Berge betritt.«
Yora stieß ein genervtes Schnauben aus, ehe der Älteste wieder das Zepter übernahm. »Und warum ist es von allergrößter Wichtigkeit, dass es niemals einem Gronieri gelingt, die Kammer der Geister zu betreten?« Sein Blick verharrte auf Yora.
Sie zögerte und versuchte, unauffällig nach einem offenen Buch zu spähen. Dabei kaute sie unentschlossen auf der Lippe herum.
»Das weißt du, da bin ich mir sicher«, ermutigte Merindor sie.
»Weil dort die Seelen der altehrwürdigen Magiari ruhen und die goldene Schriftrolle?«
»Fragst du mich das, oder ist das deine Antwort?«
»Meine Antwort?«, klang es abermals eher nach einer weiteren Frage.
Merindor lächelte sanft und nickte. »Und weiter?«
»Die goldene Schriftrolle«, grinste Yora und der Älteste bemerkte ein Funkeln in ihren Augen, als sie weiter erzählte. »Kein Gronieri dieser Welt darf die goldene Schriftrolle in die Hände bekommen, weil er sonst in der Lage wäre, die Relikte der Macht aufzuspüren.«
»Was niemals geschehen darf!«, sagte Merindor und hob neben seiner Stimme auch mahnend den Zeigefinger. »Mit den Relikten wäre es für jeden Gronieri ein Leichtes, uns alle auszulöschen.«
Eine der Kerzen gab ein Zischen von sich und hauchte ihr Licht aus. Der Älteste sah kurz zwischen den Stofffetzen, die als Vorhang dienten, hindurch und bemerkte, dass es das schwindende Abendrot der Kerze bald gleichtun würde.
»So, jetzt aber zu deiner vorherigen Frage Philian, ob ich die Anzahl der Gronieri im Land kenne.« Er wartete einen Moment, bis er die volle Aufmerksamkeit der beiden Adeptari hatte. »Wir hatten ja vor einigen Wochen bereits darüber gesprochen, dass Pheleos` Schöpferi uns Magiari vor Jahrhunderten dazu auserkoren haben, das Gleichgewicht dieser Welt zu wahren.«
»Und die bösen Mächte in die Unterwelt zu verbannen«, ergänzte Yora und nestelte mit den Fingern an ihrem beigen Mantel herum.
Merindor nickte und wusste, dass es noch an ihr nagte, ihm seine Fragen zu Beginn nicht richtig beantwortet zu haben.
»Ganz genau. Aber nicht nur das. Wir sollten auch darauf achten, dass jeder neugeborene Magiari den Tugenden der Orden unterwiesen wird, sobald er alt genug ist.« Er seufzte und senkte den Blick. »Ich weiß nicht, ob wir zu nachlässig damit waren, oder ob diese Aufgabe von vorne herein nicht zu bewältigen gewesen war, aber wir verloren sehr schnell den Überblick. Hinzukam, dass viele Eltern es verheimlichten, wenn ihre Kinder mit dem Magiarigen auf die Welt kamen.«
»Wieso?«, frage Philian. »Ihr sagtet immer, dass wir stolz darauf sein sollen, was wir sind.«
Merindor legte ihm eine Hand auf das Knie. »Ja, so ist es auch. Aber schon der Gedanke daran, dass das eigene Kind später einmal mit Seelen aus der Unterwelt zu tun haben könnte, war für viele Eltern Grund genug, sie von den Orden und seinen Aufgaben fernzuhalten.«
Der Älteste erinnerte sich zurück an die Zeit, als die Ghonay sich erhoben hatte, um Pheleos aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die vielen Opfer, die der Krieg gegen die dunklen Mächte gefordert hatte, waren den Menschen in Erinnerung geblieben – mit ihnen die Angst um ihre Kinder.
Obwohl sie alle damals nur knapp ihrem Verderben entkommen waren und die Gefahr deutlich gemacht hatte, wie wichtig die Aufgabe der Magiari war, hatte es wenige zum Umdenken gebracht. Dabei kamen meist genau die Kinder vom rechten Weg ab, die mit ihren magischen Fähigkeiten nicht umzugehen wussten. Zu verlockend und mächtig waren diese mystischen Kräfte, deren richtigen Umgang sie jedoch niemand lehrte.
»Ich hab das Mama auch schon öfter sagen hören«, warf Yora in die Stille im Raum.
»Was denn, meine Liebe?« Merindor sah sie besorgt an.
»Dass sie die Eltern nicht versteht, die ihre Kinder vom Orden fern halten wollen.«
»Leider sehen das nicht alles so wie deine Mutter.« Der Älteste stieß einen tiefen Seufzer aus. »Aber es ist etwas anderes, wenn einer der Elternteile normalsterblich ist. Dann ist das Verständnis für die Verantwortung, die wir zu tragen haben, nicht so groß.«
»Meine Mutter sagt immer, dass Papa es eh nicht miterleben wird, bis es bei mir soweit ist«, erwiderte Philian und zuckte mit den Schultern.
Merindor lächelte sanft und hatte Mitleid mit dem Jungen. Er war einer der wenigen Kinder, die er kannte, bei denen die Eltern nicht beide Magiari waren. Nicht nur, dass die Lebenserwartung der Menschen mit etwa siebzig Jahren deutlich unter ihrer lag, auch nahm man die heranwachsenden Zauberi aus solchem Hause oft nicht ernst. Die Beleidigungen und Ausgrenzungen hatten in der Vergangenheit oft dazu geführt, dass die »Falschen Magiari«, wie man sie herabwürdigend bezeichnete, verbittert wurden und sich mithilfe der verbotenen Ghonarasch-Magie an ihren Peinigeri zu rächen versuchten.
Der Älteste driftete abermals in schmerzhafte Erinnerungen ab. Vor seinem inneren Auge tauchten verzweifelte Eltern auf, die ihn auf Knien anflehten, ihr Kind zu retten und seine Seele zu verschonen. Doch so sehr es ihm auch jedes Mal einen Stich ins Herz versetzt und viele schlaflose Nächte beschert hatte – als Ordensführer durfte er keine Ausnahmen machen und war gezwungen, jegliche dieser Racheakte mit der Verbannung in die Ghonay zu bestrafen.
Ein harsches Klopfen holte ihn zurück ins Hier und Jetzt.
»Merindor? Merindor, seid ihr Zuhause?«
»Augenblick, Kinder«, vertröstete er die Adeptari und hievte seine müden Knochen zur Tür.
Er hatte sie erst einen Spalt geöffnet, da schlug ihm schon der Geruch von fettigem Braten und Bier entgegen, der mit jedem Atemstoß des hechelnden Soldaten penetranter wurde. Offenbar hatte man den schwitzenden Mann gerade beim Abendessen gestört.
Merindor rümpfte so unauffällig wie möglich die Nase und verbeugte sich. »Soldat, was kann ich für Euch tun?«
»Prinz Fabien verlangt nach euch. Ihr sollt der Geburt seines Kindes beiwohnen.«
»Das ist doch ein freudiges Ereignis«, lächelte der Magier, verspürte zeitgleich jedoch ein merkwürdiges Gefühl, das er nicht einzuordnen vermochte. »Wozu braucht ihr mich?«
»Fragt nicht mich«, erwiderte der Mann, der sich allmählich gefangen hatte und wieder etwas ruhiger atmete. »Ich habe nur den Auftrag, Euch sofort zu ihm zu bringen.«
Merindor biss sich nachdenklich auf die Unterlippe und griff zu seinem Mantel. »Wir sind für heute fertig«, rief er über die Schulter ins Innere der Hütte. »Ich muss etwas Wichtiges erledigen. Lest bis zum nächsten Mal das Kapitel über die Doyo-godan und ihre Kräfte.«

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite