9. Januar 2022

'Todesboten - Seelenweiß' von Mika D. Mon

Kindle | Taschenbuch
Website Mika D. Mon
Shiro kümmert sich um die ruhelosen Geister dieser Welt. Sein Job ist kalt, einsam und die Toten reden nicht. Perfekt, denn er braucht nichts und niemanden. Außer die Regeln seiner Rasse, die er blind befolgt: Kein Mitleid. Keine Liebe. Keine Gefühle.

Doch als bei einem blutigen Massaker ein ganzes Dorf ausradiert wird und alle Seelen spurlos verschwinden, bekommt Shiros scheinbar heile Welt Risse. Leider ist sein unverschämter Kollege Veit der Einzige, der ihm bei dem Mysterium um die gestohlenen Leben helfen kann. Genervt macht er sich mit dem selbstgefälligen Mistkerl auf den Weg, des Rätsels Lösung zu finden. Dabei ahnt er nicht, dass das Schicksal der ganzen Welt auf dem Spiel steht – und dass Regeln dazu da sind, gebrochen zu werden.

Der Auftakt der epischen Fantasyreihe von Mika D. Mon.

Anleser:
Ich arbeite allein.« Seine Stimme klang kompromisslos und kühl durch die schmale Gasse zwischen den kleinen Fachwerkhäusern. Die Spitze seines Katanas schwebte wenige Zentimeter vor der Kehle seines Gegenübers, dessen Gesicht sich in dem polierten Stahl der Klinge spiegelte.
»Ich habe dich auch vermisst, Shiro. Lange nicht gesehen.
Kein Grund, mir gleich um den Hals zu fallen.« Der große, schlanke Mann vor ihm hob unschuldig die Hände, ein fieses, spöttisches Lächeln auf den Lippen. In den grünen Augen war keine Furcht zu lesen. Nicht einmal Respekt. Bloß dieser nervtötende Schalk. Dieses lauernde, amüsierte Funkeln. Als wäre es ein verdammter Scherz, dass Shiro vor ihm stand und ihm mit ausgestrecktem Arm seine Waffe an den Hals hielt. Es kotzte ihn an.
Er verengte die Augen.
»Sag mal, willst du mich zu Eis erstarren lassen?«, fragte sein Gegenüber belustigt.
Wenn es nur so wäre.
»Verschwinde, Veit. Das hier ist mein Job.« Leicht schob er die Schwertspitze gegen die zarte Haut über der Kehle.
Veits Ausdruck wurde eine Spur dunkler, sein Adamsapfel bewegte sich leicht, als er schluckte. »Leider sehe ich kein Reserviert-Schild. Also, tut mir leid, Kumpel, aber wir werden uns diesen Job wohl teilen. Ich bin nämlich nicht den ganzen Weg bis hierhergekommen, um mich von dir fortschicken zu lassen, Kleiner. Wir sind beide dem Ruf gefolgt. Ganz wie früher.«
»Ich werde dir nicht noch einmal vertrauen.«
»Keine Sorge, ich bin diesmal auch ganz brav.« Veit legte einen Finger an die Rückseite des Katanas, wollte es wegdrücken, als wäre es aus Holz und keine tödliche Waffe.
Shiro hielt energisch dagegen, seine Mundwinkel zuckten nach unten. »Vergiss es. Es ist mir egal, von wo du gekommen bist. Selbst wenn du den weiten Weg von Arken bis hierher gewandert wärst. Diesen Job hier werde ich übernehmen. Allein.«
»Ach, komm schon. Was willst du tun? Mich kaltmachen?«
Veit sah ihn dermaßen provokant an, dass Shiro all seine Willenskraft aufbringen musste, um ihm das Schwert nicht aus schierer Wut durch den Kehlkopf zu rammen. Gut, vielleicht kam dieser Zorn nicht von irgendwo, sondern hatte viele Jahre Zeit gehabt, um zu reifen. Wie ein Wein, der tief unten im Keller gelagert hatte, vergessen über die Jahre. Aber noch während er damit beschäftigt war, den Klumpen Groll herunterzuwürgen, der seine Kehle hinaufkroch, redete der Mistkerl unbeirrt weiter.
»Wir wissen beide, dass du’s nicht tun wirst. Also können wir dieses kleine Geplänkel hier auch einfach überspringen, oder nicht?«
Shiro presste die Kiefer aufeinander, schraubte die Finger fester um den Griff des Schwertes, bis das alte, raue Leder qualvoll knarzte. Tief atmete er ein.
Veit hob geduldig die Brauen, steckte die Hände in die Taschen seiner Robe, als wartete er auf die nächste Kutsche.
Shiro schloss die Augen, ließ die Luft aus seiner Lunge und die Anspannung aus den Muskeln weichen. Wieso konnte dieser blöde Typ nicht einfach verschwinden und irgendwo anders ihrer Aufgabe nachgehen? Musste es ausgerechnet dieser Ort und diese Seele sein?
»Ich werde jetzt dem Ruf folgen. Mir egal, was du tust.« Mit einem genervten Zucken seines Lids senkte er die Klinge langsam, wirbelte sie herum und steckte sie routiniert zurück in die Scheide an seiner rechten Hüfte. Wem machte er hier eigentlich etwas vor? Er war kein verdammter Mörder. Auch wenn es ihm nicht gefiel, konnte er ihn nicht zwingen, zu verschwinden. Damals war ihre Zusammenarbeit alles andere als gut geendet, aber er würde vor diesem verdammten Teufelskerl nicht den Kürzeren ziehen. Also öffnete er die Augen, sammelte sich und versuchte, seine glühenden Nerven mit einem Seufzen zu beruhigen.
»Dann können wir ja jetzt los«, stellte Veit zufrieden fest, kam auf ihn zu, als wäre nichts gewesen, und legte ihm freundschaftlich einen Arm um die Schulter. Benutzte ihn regelrecht als Lehne, während er losspazierte.
Shiro verkrampfte und schob ihn energisch von sich. Brachte eine Armlänge Abstand zwischen sie und warf ihm einen Fassmich-noch-mal-an-und-du-bist-tot-Blick zu. Dieser prallte jedoch an einem wölfischen Grinsen ab wie Pfeile an einem Stahlschild.
Shiro ging eiligen Schrittes voran. Bloß schnell den Job erledigen und dann weiter. Egal wohin. Hauptsache weg von Veit. Nach wenigen Metern hielt er an, horchte in sich hinein. Der Ruf war leise, er musste sich konzentrieren, um ihn wahrzunehmen.
»Hm«, kam es nachdenklich von seinem Zwangskollegen, der bei ihm anhielt und den Kopf lauschend schief neigte. Kurz darauf folgte ein: »Ah, ich hab sie! Hier entlang.«
Entschlossen marschierte Veit in Richtung der Hauptstraße.
Ohne zu zögern, setzte Shiro sich in Bewegung und ging neben ihm her.
Sie orientierten sich an einer Kreuzung neu. Er sah sich um.
Grobes Kopfsteinpflaster bedeckte den Boden und zu beiden Seiten ragten zweigeschossige Häuser aus Lehm und Holz in die Höhe. Geschäftiges Treiben herrschte. Unzählige Menschen drängten zu Fuß oder mit Eselkarren, die derart beladen waren, dass das Holz nur so ächzte, an ihnen vorbei. Die Nachmittagshitze flimmerte über den spitzen Ziegeldächern und ließ den Dreck auf den Wegen schmoren wie einen stinkenden Braten im Ofen. Eine Frau trug einen Korb mit einem Berg von Wäsche, sodass sie kaum darüber hinwegsehen konnte. Sie wäre beinahe vor eine heranrollende Kutsche gelaufen, die von zwei schwarzen Pferden gezogen wurde. Shiro packte die junge Magd gerade noch rechtzeitig am Arm und hielt sie auf. Der piekfeine Kutscher im grauen Anzug blickte nicht einmal zu ihnen herab. Bloß das lackierte Holz des Gefährts glänzte verächtlich.
Stattdessen lugte die gerettete Frau mit dankbarem Gesicht über ihre Schulter zu ihm. Dann wanderte ihre Aufmerksamkeit hinab zu seiner Hand. Plötzlich verdunkelte Furcht ihre Erleichterung und er bemerkte einen Schauer über ihren Körper rauschen. Das »Danke« erstickte auf ihren Lippen, als sie hastig davonlief und zwischen all den Leuten verschwand.
Teilnahmslos schaute er ihr nach, ehe er sich wieder auf den Weg machte.
Sein temporärer Begleiter war bereits einige Meter weiter vorn und Shiro hätte ihn wohl in dem Getümmel aus den Augen verloren, wäre Veit nicht einen Kopf größer als der Durchschnitt gewesen. Sein brauner Schopf lugte immer wieder hervor, schwebte gut sichtbar durch die Masse.
Sie erreichten den Marktplatz, welcher sich zwischen niedrigen Häusern und einer großen, opulenten Steinkirche erstreckte. Überall verteilt standen Holzbuden, aus denen Händler riefen und ihre Ware ausstellten. Sie priesen das leckerste Obst, die schönsten Kleider oder den frischesten Fisch an. Dem Gestank nach zu urteilen, war zumindest Letzteres eine Lüge.

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