16. Dezember 2011

Allein schreiben, vereint vermarkten - eine Weihnachts-Vision

Schreiben ist eine stille, kontemplative Angelegenheit. Verkaufen ist das komplette Gegenteil. Beides ist Handwerk, will angeeignet sein, beansprucht Ressourcen und setzt unabhängige Autoren unter Spannung. Wir Indies (welch treffliches Kürzel) üben uns gerade in diesem Spagat - samt aller mit dieser ungewohnten Übung verbundenen Fortschritte und Blessuren. Ich will die allgegenwärtige weihnachtliche Stimmung, positiv besetzt von Vorfreude und Erwartung, nutzen, und zu ein paar besinnlich-beschaulichen Gedanken über das eBook-Marketing verführen.

Machen wir es uns am besten etwas gemütlich, zünden eine Kerze an, schauen in das warme Licht und träumen den Autoren-Traum. Er ist so schlicht wie verzaubernd und auch die innere Flamme lodert freudig auf: Die Leser finden mein Buch, sind begeistert, wollen mehr. All die Mühen, das Ringen, der Zweifel finden sich belohnt. Wirtschaftlicher Erfolg wird - vorsichtshalber und bescheiden - nur vage in Erwägung gezogen und schwebt höchstens als wohlige Brise durch die Gedanken, wenn von den atemberaubenden Erfolgsgeschichten einzelner Autoren die Rede ist.

Doch es ist ratsam, mutig zu träumen, um Optimismus, Ausdauer und Selbstvertrauen für die Wirklichkeit zu tanken. Denn als Indie-Autor bietet man mit seinen eBooks nicht nur der etablierten Verlagslandschaft Paroli, man betritt als Einzelkämpfer einen Markt, der bereits von unzähligen Kollegen bevölkert wird, die gleichfalls um die Aufmerksamkeit der Leser buhlen. In den sozialen Netzwerken wird so ambitioniert und massiv geworben, dass die einzelnen Botschaften - so originell sie auch seien - gleichsam als Schwall die Rezipienten überschütten. Der Neuling lernt dabei schnell: Es sind selten Leser, die Notiz von einem neuen eBook nehmen. Vor allem stößt man in den Netzwerken auf Gruppen, Listen, Portale und Foren, in denen sich Autoren tummeln.

Aber das ist überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil. So lange es das Internet gibt, wird es von Autoren genutzt, um die eigenen Texte zu präsentieren und sich über Fragen des Schreibhandwerks auszutauschen. Im gegenseitigen Geben und Nehmen haben sich Autorengruppen gebildet, die teilweise seit vielen Jahren Bestand haben und in denen ein freundschaftliches und kollegiales Klima herrscht. Mit den sozialen Netzwerken ist es für Autoren viel einfacher geworden, miteinander Kontakt aufzunehmen und zu halten. Mit dem rasanten Wachstum des eBook-Marktes und der damit verbundenen Möglichkeiten für das unabhängige Publizieren sind neue Communities entstanden, in denen es vorrangig um Fragen des Marketings geht. In dieser Bereitschaft, sich auch als potentielle Wettbewerber gegenseitig zu helfen, besteht die eigentliche Bedrohung für den bisherigen Buchmarkt. Noch treten die Indie-Autoren überwiegend als Einzelkämpfer auf und bündeln allenfalls ihre Aktivitäten, doch schon sind auch Kristallisationsprozesse sichtbar, die auf eine Verschmelzung der Kräfte setzen: allein schreiben, vereint vermarkten.

Ich bin der festen Überzeugung, dass sich diese Entwicklung weiter beschleunigt und sich gemeinschaftliche Vermarktungsstrukturen herausbilden werden. Ich wage die Prognose, dass es stabile Autoren-Communities geben wird, die unter einem gemeinsamen thematischen Dach und mit gemeinsamen Qualitätskriterien ihre eBooks vermarkten - als Label, als Marke, als genossenschaftlich organisierter Indie-Verlag, wie auch immer. Die Positionierung am Markt und Sichtbarkeit für die Leser wird sich nur auf diese Weise nachhaltig verbessern können.

Das alles ist Zukunftsmusik und sicher gibt es viele Autoren, die in dieses Lied nicht einstimmen möchten. Vielleicht noch nicht. Die Entwicklungen sind in vollem Gange und erst langfristig wird sich erweisen, in welchem Umfang sich die Indie-Autoren auf dem eBook-Markt behaupten können. Ich denke, die Chancen werden wachsen, je besser es gelingt, die Kräfte zu vereinen - oder anders gesagt, die gebündelten Ressourcen so effektiv wie möglich einzusetzen. Es geht nicht darum, die künstlerische Unabhängigkeit oder kreative Identität zu beschneiden, sondern gemeinschaftlich den Marketing-Aufwand so zu lenken, dass auch noch ausreichend Zeit zum Schreiben bleibt. Und das eben nicht in der Form, sich mit einem Dienstleister zu verbünden - dann wären wir ja schon wieder auf den alten Wegen unterwegs - sondern durch die Entwicklung neuer Instrumente und Strukturen.

Leser finden und binden - das geht eine Weile ganz allein, bis Energie und Optimismus verpulvert sind - oder eben gemeinsam. Ich weiß, das alles steht noch ganz am Anfang und die Autoren sind erst dabei, die Möglichkeiten dafür auszuloten.

Vielleicht sehe ich auch viel zu viel, im munter flackernden Kerzenlicht. Es ist Weihnachten, die Zeit der Träume und Hoffnungen, der Besinnung und des Ausblicks, der Familie, der Geborgenheit, der Gemeinschaft ... und nun blase ich die Kerze aus und werde noch eine Weihnachtsgeschichte lesen - natürlich in einem eBook.

(c) Lutz Schafstädt, 2011

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