9. Juli 2014

"Taten ohne Täter" von Friedrich Wulf

Theo Kremer unterrichtet Englisch an einer Schule, wo erwachsene Schüler ihr Abitur nachholen. Theo gehört zum üblichen Zoo von Lehrern und ist gesegnet mit einem robusten Ego. Doch dann widerfahren ihm Dinge, die er nicht erklären kann. Sind es Schüler, die ihm ans Leder wollen oder gar die Kollegen, fragt sich Theo. Dass Sex und das Internet dabei eine Rolle spielen, lässt sich nicht vermeiden.

"Taten ohne Täter" ist eine zunehmend bizarrer werdende Geschichte über einen selbstbewussten Mann, dessen Wahrnehmung immer paranoider wird und der zum Opfer wird von "Taten ohne Täter". Wer mit einem soliden Sinn für absurden Humor ausgestattet ist, der wird sicherlich häufig schmunzeln, wird wohl auch breit grinsen und auszuschließen ist auch nicht, dass er laut auflacht. Im Roman sind einige Stellen verlinkt, denn jüngere Leser wissen möglicherweise nicht, was Präsident Clinton mit Monica Lewinsky zu schaffen hatte.

Gleich lesen: "Taten ohne Täter" von Friedrich Wulf

Leseprobe:
„Ich weiß Theo, dir passiert so was nicht“, sagte Günther. „Nein, stimmt, mir ist so was noch nie passiert.“ Aber wundert mich nicht, wer nur die Peitsche schwingt, erzieht Kettenhunde und die bellen nicht nur, dachte ich, sagte jedoch: „Seltsam, vielen Studierenden hätte ich das zugetraut. Aber denen! Nein wirklich nicht. Das sind meine Musterleute“, schüttelte ich den Kopf. „Dass gerade die Cleversten dir so mitspielen. Ich meine, man kuckt doch vorher auf den Stuhl, auf den man sich setzen will.“
Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Theo Kremer ist der Name und ich bin der Erzähler und das Opfer der Ereignisse.
Dass die Erlegnisse - Versprecher! Aber den lass ich mal stehen, denn er passt, ist gar kein schlechtes Wort: Erlegnisse. Dass die Erlebnisse an manchen Stellen alles andere als realistisch erscheinen mögen, liegt an den Umständen und an der Angst, die verrückt machen kann. Ja, Angst kann wirklich aberwitzige Spinnereien in den Kopf pflanzen, kann arge Dinge bewirken, auch erfinderisch machen. Angst kann verrückt und erfinderisch machen. Die Erfindungsgeschichte der Menschheit eine Geschichte der Angst? Hat schon mal jemand darüber geforscht? Du schwafelst ab, Theo! Günther hat längst noch nicht ausgemault.
„Theo, das sind Erwachsene, rechnest du damit, dass die sich wie Kindsköpfe gebärden?“ „Nein, du hast recht, tun sie ja auch nicht, bei mir jedenfalls tun sie das nicht.“
Ich war gespannt, wie er heute seine verbeamtete Aufsehermentalität verbrämen würde. „Du weißt, immer hart, aber gerecht, ist meine Maxime.“ Ja, manchmal muss man die Peitsche schwingen, aber man muss sie auch handhaben können wie ein Zirkusartist, sonst schlägt man sich am Ende selbst, dachte ich. „Ich bin immer für Geradlinigkeit gewesenen im Leben wie in der Schule, ich habe Briefe, sag ich dir, zig Briefe habe ich von Ehemaligen, die erst später gemerkt haben, dass ich sie richtig angepackt habe, dass ich ihnen den Schlendrian ausgetrieben habe, das schreiben sie mir, zig sage ich dir - zig.“ Sein Zeigefinger verprügelte die Luft. Kein Verbogener bemerkt, dass er einer ist, auch das ist ein Glück unserer ewigen Selbsttäuschung; der Paranoide ist zu beneiden, er braucht kein Kino. Aber ich sagte. „Ja, sie erfinden sich ihr Leben zurecht.“ „Genau sie finden sich im Leben zurecht, weil ich ihnen die Faxen ausgetrieben habe, sonst hätten sie das Abi niemals geschafft und jetzt studieren sie sogar Mathe. Aber die Bande!“ Günthers Daumen wies über seine rechte Schulter in die Richtung des Klassenraums. „Vor allen Dingen deine Vier, -schrecklich! Seit einigen Tagen haben sie eine neue Macke, malen ein Fragezeichen in die Luft und raunzen im Chor. ‚Bei Donner, Witz oder beim Segen.‘ Kannst du mir mal sagen, was der Unsinn soll?“ Es war ein schönes Stück Arbeit, nur im Kopf zu grinsen.
Natürlich wusste ich, was das bedeutete, schließlich, - den Unsinn hatte ich angeregt, sie hatten nur die ersten Zeilen abgewandelt.
„Jedenfalls die Bande will einfach nicht einsehen...“ „Was gut ist für Erwachsene“, ergänzte ich. „Was gut ist für den Erfolg in der Schule und im Leben, das ist kein Schlecken von kandierten Äpfeln.“ „Nein, nur der Gehärtete und scharf Geschliffene kommt an, wenn es hart auf hart zugeht und so geht es nun mal zu da draußen, nicht wahr, früh übt sich der harte Hund.“ „Ja, genau, ja so ungefähr, aber seit wann denkst du...?“ „Ach Günther, du weißt doch, was Clausewitz bei Waterloo gesagt hat, nicht wahr?“ „Nun, was hat er gesagt?“ „Wer seinen Gegner vernichten will, der muss ihn zuerst studieren.“ „Ja, ja ich weiß, aber partnerschaftliche Anbiederung liegt mir nicht.“ „Schon wieder falsch, nicht nur Peitsche und Zuckerbrot. Zeig Ihnen die Nützlichkeit deines Unterrichts, wer für sich einen Nutzen sieht, der - Mensch Günther, das liegt doch auf der Hand: Die müssen ihren Nutzen sehen.“ „Ich unterrichte Mathematik.“ „Ja, stimmt - da hast du dann wohl wirklich ein Problem.“

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