"Danach: Morgengrauen" von Scott Nicholson
Ein postapokalyptischer Thriller. Der Anfang vom Ende. Als Wissenschaftler der NASA außergewöhnlich intensive Sonnenaktivitäten bemerken, werden ihre Warnungen ignoriert. Kurz darauf kommt es zu Kommunikationsstörungen, Stromausfall und einem Zusammenbruch der technologischen Infrastruktur. Die extreme Sonnenstrahlung hat auch eine unvorhergesehene Nebenwirkung – eine Unterbrechung der Impulse im menschlichen Gehirn. Milliarden von Menschen sterben. Sie haben Glück gehabt ...
Es handelt sich hier um eine kurze Prequel-Novelle zur postapokalyptischen Danach-Reihe. Die darin geschilderten Ereignisse spielen sich vor Band 1 (Der Schock) ab. Die Lektüre ist jedoch keine Voraussetzung für das Verständnis von Band 1.
Gleich lesen: Morgengrauen: Ein postapokalyptischer Thriller (Danach 0)
Leseprobe:
Die Sonne sah aus wie eine gigantische Käsepizza, gebacken im heißesten Ofen der Hölle.
Dr. Daniel Chien starrte stirnrunzelnd auf den Bildschirm, wobei ihm der sich kräuselnde Käse weniger Sorgen bereitete als die aufsteigenden Blasen der roten Sauce. Jede Blase platzte mit einer Kraft von einhundert Milliarden Tonnen TNT und spuckte dabei elektromagnetische Strahlung in das Sonnensystem. Chien war sich natürlich bewusst, dass es sich bei der Pizza eigentlich um einen gewaltigen Stern handelte, um den sich die Erde und andere Planeten drehten, aber die Technik hatte das Ereignis auf die Ebene einer Reality-TV-Sendung ohne Werbeunterbrechungen reduziert.
Sir Isaac Newton ist beinahe erblindet, weil er in die Sonne gestarrt hatte, während ich in der Lage bin, es gefahrlos in der gemütlichen Umgebung meines klimatisierten Arbeitsplatzes zu tun.
Die Bilder, die das Solar Dynamics Observatory aufzeichnete, waren ein Wunder moderner Technik. Nicht nur, dass das satellitengestützte Observatorium eine kontinuierliche Beobachtung der Sonnenaktivitäten in Echtzeit ermöglichte, es nutzte auch eine Reihe von Solarkollektoren als Energiequelle. Die Daten erlaubten es Chien und anderen Wissenschaftlern, die elektromagnetischen Schwankungen der Sonne, die Sonnenwinde, die Sonnenfleckenaktivitäten und die Teilchenstrahlung zu studieren.
Die Ehrfurcht einflößende Schönheit des Systems hatte Chien von seiner Lehrtätigkeit an der Johns Hopkins Universität hierher gelockt. Schon als Kind in Vietnam war er von der Sonne als Lebensspenderin fasziniert gewesen. Die labile Position der Erde auf ihrer Umlaufbahn im genau richtigen Abstand zur Sonne war als etwas Wundersames einzustufen, auch wenn Chien darauf bedacht war, Diskussionen über Wissenschaft und Glauben zu vermeiden. Für ihn waren Wunder eben Wunder und bedurften keiner weiteren Verkomplizierungen. Sollten Ruhmsüchtige wie Newton doch die Schlagzeilen der Wissenschaftsgeschichte beherrschen, während Arbeitsknechte wie Chien Stück für Stück das Reservoir des Wissens erweiterten.
Andererseits trug seine Arbeit als Forscher nicht dazu bei, seine Wertschätzung der Sonnenmythen zu vermindern. Schließlich gab es kaum eine bessere Metapher für menschliche Selbstüberschätzung als Ikarus, der zu nah an die Sonne heranflog und dem deshalb die Flügel schmolzen.
Die Sonne, so pflegte Chien seinen Freunden zu sagen, war einfach cool.
Er empfand noch immer eine kindliche Freude an den Echtzeitbildern der Sonne, die in einer Vielzahl von Spektren aufgenommen wurden und für die Allgemeinheit auf der Webseite der NASA zugänglich waren. Eine Anordnung von hochentwickelten Instrumenten maß unterschiedliche Wellenlängen und bot zwei Dutzend Möglichkeiten, Sonnenphänomene zu beobachten und zu messen. Die Hauptansicht war diejenige, die nun seine Aufmerksamkeit auf sich zog, und obwohl er sich des launischen Temperaments der Sonne sehr wohl bewusst war, gefielen ihm die unregelmäßigen Ausbrüche auf ihrer Oberfläche nicht.
Jemand lässt die Pizza anbrennen.
»Katherine?«, sagte er, um die andere diensthabende Wissenschaftlerin in den Räumen des SDO im Goddard Weltraumzentrum auf sich aufmerksam zu machen. Dr. Katherine Swain war ein paar Jahre älter als er, hatte zwanzig Jahre bei der NASA auf dem Buckel und hegte keinerlei romantische Gedanken, was die Sonne betraf.
»Ja?«, antwortete sie und blickte genervt von ihrem Laptop auf. Sie hatte Daniel anvertraut, dass sie unter »familiären Problemen« litt, und Daniel hatte eine höfliche Besorgnis an den Tag gelegt, ohne sich nach Details zu erkundigen. Was auch bedeutete, dass er sie in Ruhe ließ, solange nichts Wichtiges passierte. »Sieht aus wie unregelmäßige Plasmaaktivität.«
»Wir befinden uns in einer unregelmäßigen Phase«, verkündete sie, ohne das wegzuklicken, mit dem sie sich gerade beschäftigt hatte. »Der Mond hat seine Tage.«
Ähnlich wie Frauen, der Mond oder andere natürliche Objekte, durchlief auch die Sonne nahezu perfekt vorhersagbare Verhaltenszyklen. Sonnenzyklen dauerten etwa elf Jahre und das Studium von Radionukliden im arktischen Eis hatte es den Forschern ermöglicht, eine genaue Geschichte der Sonne über verschiedene geologische Epochen hinweg zu schreiben. Obwohl die Zyklen erkennbaren Mustern folgten, herrschte allgemeine Übereinstimmung darüber, dass der derzeitige Zyklus zu den aktivsten zählte, die jemals festgehalten worden waren.
»Es ist nicht nur normal unregelmäßig«, sagte er. »Es ist verrückt.«
»Ah, kommt jetzt der große Knall?«, stichelte Katherine. »Tippe, sie hätten auf dich hören sollen, oder?«
Chien hatte als Mitglied einer Kommission, die die Anfälligkeit des Landes bei einem Angriff mit elektromagnetischen Impulsen einschätzen sollte, vor einem Unterausschuss der amerikanischen Streitkräfte ausgesagt. Er hatte vor den Auswirkungen massiver Sonneneruptionen gewarnt, aber seine Katastrophenszenarien waren von der als wichtiger eingeschätzten Gefahr tieffliegender Atomraketen in den Hintergrund gedrängt worden. Das Militär konnte nicht gegen die Sonne kämpfen und es konnte sich auch nicht mehrere Milliarden Dollar an Steuergeldern sichern, indem es die Angst der Regierung vor der Sonne schürte. Ganz abgesehen davon, dass terroristische Bedrohungen viel mehr Sexappeal besaßen als Wahrscheinlichkeitsrechnungen.
Im vergangenen Jahr hatte Chien einen Bericht mitverfasst, der ein düsteres Bild vom Versagen der Infrastruktur nach einer massiven Sonneneruption zeichnete und von der »größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der Menschheit« sprach. Seitdem nannten Katherine und die anderen SDO-Wissenschaftler Chien ironisch »Dr. Apokalypse«.
Chien hatte sich in seiner ruhigen Art nicht erschüttern lassen. Außerdem war es nicht wirklich eine Frage des »Ob«, sondern des »Wann«. Doch nicht einmal Chien hatte erwartet, dass das »Wann« jetzt sein würde.
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Mehr über und von Scott Nicholson auf seiner Website.
Labels: Dystopie, Science Fiction, SciFi, Scott Nicholson, Thriller
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