'Danach: Das Echo' von Scott Nichsolson
Eine gewaltige Sonneneruption hat die technologische Infrastruktur der Erde ausgelöscht und Milliarden von Menschen getötet. Die wenigen Überlebenden müssen feststellen, dass sich einige von ihnen verändert haben ...
Sechs Wochen nach dem Schock. Die Rauchfahnen am Horizont sind dünner geworden und Rachel Wheeler ist gemeinsam mit ihren beiden Gefährten auf dem Weg in die Berge, wo ihr Großvater Franklin ein Überlebenscamp errichtet hat. Die »Zapphirne« genannten Mutanten scheinen sich von blutrünstigen Mördern zu etwas noch viel Bedrohlicherem zu verändern. Eine geheime militärische Anlage könnte der Kern eines Wiederaufbaus der Zivilisation sein, aber Franklin traut den Absichten der Soldaten nicht.
Und die Zapphirne passen sich schneller an die neue Welt an als die menschlichen Überlebenden, die um ihren Platz in einer Zukunft kämpfen müssen, in der sie womöglich keine Rolle mehr spielen.
Gleich lesen: Das Echo: Ein postapokalyptischer Thriller (Danach 2)
Leseprobe:
Die Septembersonne brannte sich ihren Weg durch die Baumkronen wie ein Kaleidoskop aus Gold, Scharlachrot und Violett – Letzteres so weltuntergangsdüster, dass es an einigen Stellen schien, als ob der Wald unter Blutergüssen litt.
Die Luft war rein, der Dunstschleier befand sich zum größten Teil hinter ihnen, wo Charlotte und Winston-Salem völlig heruntergebrannt waren. Man hatte vergessen, die Vögel darüber zu informieren, dass es mit der Welt zu Ende gegangen war, weshalb ihre Lieder und ihr Gezwitscher von den hohen Ästen herabklangen. Insgesamt fühlte es sich für Rachel Wheeler nur an wie ein weiterer gewöhnlicher Tag im Danach.
Wenn man nicht an die Toten und an die Befallenen denkt. Und daran, dass uns der nächste Sonnensturm in den Wahnsinn schmoren könnte.
Ihre Beine schmerzten, obwohl sie mit den Meilen kräftiger geworden waren. DeVontay Jones, der dunkelhäutige Mann mit dem Glasauge, der hinter ihr ging, konnte kaum Schritt halten. Oder vielleicht ließ er sich auch nur Zeit, damit Stephen wie ein normaler Junge seinem Forscherdrang freien Lauf lassen, hier eine Blume pflücken und dort mit einem Stecken in einer Schlammpfütze herumspielen konnte. Gerade wirbelte er die ersten gefallenen Herbstblätter auf und freute sich über die lauten, schlurfenden Geräuschen, die seine Schuhe in ihnen verursachten.
»Wie lange noch?«, fragte DeVontay.
»Du hast die Landkarte.«
»Ich interessier’ mich nicht für Zahlen«, sagte er mit dem für die Einwohner von Philadelphia typischen Akzent, obwohl der in den sechs Wochen, seit die Sonneneruptionen alle Abgrenzungen ausgelöscht hatten, schon schwächer geworden war. »Wie viel von unserem Leben müssen wir noch im Wald herumspazieren?«
»Den Rest unseres Lebens«, antwortete Rachel. Da Stephen außer Hörweite war, konnte sie hinzufügen: »Was vielleicht nicht mehr lange sein wird.«
»Fräulein Optimismus«, sagte DeVontay voller Sarkasmus. »Was ist aus den aufmunternden Worten geworden, aus den Gebeten und dem Glauben?«
Rachel wollte sich nicht mit dem Glauben auseinandersetzen. Irgendwo unterwegs hatten die Leichen, die Gemetzel und der andauernde Schrecken ein schartiges Loch in die Wand ihres Herzens gerissen. Das wenige Licht, das sich noch darin befunden hatte, war mit der gleichen traurigen Unvermeidlichkeit entflohen wie Luft aus einem löchrigen Ballon. Nachdem der Glaube das Weite gesuchte hatte, hatte sich die Hartnäckigkeit das Kreuz aufgebürdet und sie vorwärts in die Berge getrieben.
Als die Hoffnung gestorben war, war die Wut in die Schlachtreihe getreten.
»Ich glaube noch«, sagte sie und schämte sich nicht wegen der Lüge. Sie glaubte nun einfach an etwas Anderes. An das Überleben.
»Nun, ich glaube, wir sollten mal für ’ne Minute Pause machen«, erwiderte DeVontay. »Du weißt vielleicht, wo wir sind, aber ich würde trotzdem gerne mal einen Blick auf die Karte werfen.«
»Mach jetzt nur keine Witze über Frauen am Steuer«, warnte Rachel.
»Würde mir nich’ mal im Traum nicht einfallen.« Er versuchte zu zwinkern, aber das Augenlid senkte sich nur halb über sein Glasauge, wodurch eher der Eindruck eines unheimlichen, lüsternen Blicks entstand.
»Stephen!«, rief Rachel.
Der Junge war in den Bäumen verschwunden und hatte damit gegen ihre Regel verstoßen, immer in Sichtweite voneinander zu bleiben. Nicht, dass Rachel sich Sorgen machte. Seit sie vor fünf Tagen das Farmhaus verlassen hatten, waren sie auf der Straße durch den Wald geblieben und hatten nur gelegentlich eine Schnellstraße gekreuzt oder ein Haus gesehen. Während dieser Zeit war ihnen kein Zapphirn begegnet, auch wenn der Wind manchmal seltsam glucksende Geräusche aus der Ferne zu ihnen trug.
»Der Junge hat Probleme mit den Ohren«, sagte DeVontay.
Rachel bemerkte, dass ihm unbehaglich zumute war, denn er ließ den Riemen seines Gewehrs von der Schulter auf seinen Arm hinabgleiten, um die Waffe einsatzbereit zu haben. »Wir sind hier draußen in Sicherheit«, verkündete sie. »Es gibt nichts, das die Zapphirne jagen könnten.«
Sie verdrängte die Erinnerung an die Zapphirne, denen sie in Charlotte begegnet war und die sich auf die Überlebenden gestürzt hatten. Sie taten dies, weil sie dazu getrieben wurden, alle lebendigen Wesen zu zerstören, auf die sie trafen. Aber die Zapphirne – eine Bezeichnung, die von einfallsreichen Bloggern in der Frühphase der Sonnenstürme geprägt und dann von den Massenmedien aufgegriffen wurde – waren in erster Linie in den Wohngebieten geblieben. Rachel führte es auf die Unterdrückung ihrer Intelligenz zurück: Weil sie keinen direkten Grund für das Umherwandern hatten, blieben sie dort, wo ihre Gehirne durchgeschmort waren. DeVontay hingegen vertrat eine andere Theorie: Dort war es leichter, Beute zu finden.
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Mehr über und von Scott Nichsolson auf seiner Website.
Labels: Bücherbord, Dystopie, Science Fiction, SciFi, Scott Nicholson, Thriller
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