11. Juni 2015

"Der Fluch der Greystokes: Die Suche" von Emilia Doyle

Emmas Bruder, Jack, ist ein Werwolf. Aufgrund erschreckender Vorfälle in den Vollmondnächten müssen die Geschwister fliehen und erreichen mit ihrem letzten Hab und Gut Bartonvill, die Heimat ihrer verstorbenen Mutter. Hier will Jack das Geheimnis um den grausamen Fluch der Greystokes lüften, den ihm sein Erzeuger Jonathan Greystoke vererbt hat. Auf einer Feier lernt Emma den überaus charmanten Gaven Drumond kennen. Doch dann geschieht in der folgenden Vollmondnacht ein Mord.

Jack, der bei der Toten gesehen wurde, wird verhaftet. Emma ist von seiner Unschuld überzeugt. Sie setzt alles daran, ihn aus dem Gefängnis zu holen. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf dunkle Geheimnisse und auf den mysteriösen Ewan Greystoke, Jacks Halbbruder. Emma gerät in höchste Gefahr.

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Leseprobe:
Der Abend hatte sich entgegen ihrer Erwartung zu einem sehr angenehmen entwickelt. Es war dunkel geworden. Verstohlen schaute sie zum Himmel. Die Wolken waren weniger geworden, sodass sogar einzelne Sterne sichtbar wurden. Der große gelbe Mond warf sein zerstörerisches Licht zwischen den Dächern zweier Häuser hindurch und brach sich in dem breiten Geäst der Bäume. Sie schluckte und wandte innerlich zitternd den Blick ab.
„Es ist Vollmond“, erklärte Drumond unsinnigerweise. „Ein Anblick, der schon Dichter dazu verführt hat, romantische Verse zu verfassen.“
Emma fühlte sich unwohl. Romantik? Was hatte der Mond mit Romantik zu tun? Sie wusste es besser. Dieses Mal war sie froh, als sie Jack auf sich zukommen sah. Da war es ihr auch egal, dass diese Josephine ihn begleitete. Sie hatte sich bei Jack eingehakt und lächelte zuckersüß.
Emma hatte Mühe, nicht erneut die Augen zu verdrehen. Sie gab sich nach außen erfreut, ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.
Nach kurzem, peinlichem Schweigen, ging Emma auf, dass es an ihr lag, die Herren miteinander bekannt zu machen. Erleichtert atmete sie anschließend auf, nachdem Jack zwar einen strengen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte, peinliche Kommentare aber ausblieben.
Drumond hingegen schien die Situation eher zu genießen und zeigte die ganze Zeit über ein schiefes, fast schon feixendes Grinsen. Trotzdem lag die Spannung beinah fühlbar in der Luft. Drumond und Josephine kannten einander und begrüßten sich im vertrauten Du, obwohl Emma das Gefühl hatte, dass er wenig erfreut über das Aufeinandertreffen schien.
„Es ist so schade, dass du gehen musst“, flötete Josephine und schmiegte sich dichter an Jack. „Ja, der Ansicht bin ich auch“, er zuckte bedauernd die Schultern und blickte dann Emma an, „aber was soll ich machen? Meine Schwester ist müde und möchte gerne gehen. Tja, so leid es mir tut, aber da muss ich mich wohl ihren Wünschen fügen.“ Er wandte sich mit aufgesetztem Lächeln wieder Josephine zu, die daraufhin eine Schnute zog und sich auf die Zehenspitzen stellte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern, worauf beide amüsiert lachten.
„Ich könnte Miss Garner zu Ihrer Unterkunft begleiten, wenn Sie gern noch bleiben möchten, Mr. Garner?“, bot Drumond an und vollführte dabei mit seinem Mund Grimassen, als müsste er verzweifelt einen Lachanfall verhindern.
Josephine sprang sogleich auf den Vorschlag an und bettelte Jack mit gekonntem Augenaufschlag förmlich an.
Jack beachtete sie nicht und starrte stattdessen Drumond finster an. „Vielen Dank, aber das erledige ich lieber selbst.“ Seine Stimme klang scharf.
Emma wollte um jeden Preis verhindern, dass es noch einmal zu einer peinlichen Szene kommen würde, und ergriff für ihren Bruder Partei. Immerhin war ihr nur allzu bewusst, dass es höchste Zeit war, zu gehen – wenn auch aus anderen Gründen.
Nachdem sie sich von dem Brautpaar verabschiedet hatten und sich auf dem Weg zur Pension befanden, ließ Emma ihren Unmut freien Lauf. „Sag mal, was sollte das eigentlich? Du hast mich vor Drumond unmöglich gemacht. Musste das sein?“
Jack legte ein derart zügiges Tempo vor, dass sie Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten und war etwas außer Atem.
Jack stoppte so abrupt, dass sie heftig gegen ihn stieß. „Halt dich von dem Kerl fern.“ Verärgert starrte er sie an.
„Ach ja? Und warum?“, langsam wurde sie wütend. „Er war sehr nett und freundlich, was man von dir nicht behaupten konnte. Du hast dich unmöglich aufgeführt.“
„Ich mag den Kerl nicht“, knurrte Jack unbeeindruckt.
„Oh, ist mir nicht entgangen.“ Emma und warf die Arme in die Luft. „Gibt es dazu auch eine Begründung?“
„Seine Augen.“
„ Seine Augen?“, wiederholte Emma fassungslos. „Du magst ihn nicht, weil dir seine Augen nicht gefallen? Das ist doch wohl ein Witz. Drumond ist …“
Jack packte sie grob an den Schultern und Emma erstarben die Worte, die ihr eben noch auf der Zunge lagen. Diese Augen, das waren nicht Jacks Augen. Es waren die Augen der Bestie in ihm. Sie schluckte schwer, ein kalter Schauder durchfuhr ihren Körper. Sie sollte ihn nicht reizen, nicht jetzt. Wut konnte seine Verwandlung beschleunigen, das hatte Jack ihr mal erzählt.
Sie war einmal Zeuge seiner Verwandlung geworden. Nie wieder wollte sie das erleben müssen. Allein bei dem Gedanken drohte sich, ihr der Magen umzudrehen.
Ihre Schultern schmerzten, als Jack sie losließ, aber sie widerstand dem Drang, sie zu reiben. Stumm, wie ein getadeltes Kind sah sie zu Boden.
Jack entfuhr ein eigenartiger Laut.
Sie blickte auf.
Er schielte zum Mond hinauf und nahm den Weg wieder auf.
Schweigend tat Emma es ihm gleich. Wenigstens ging er etwas langsamer, sodass sie neben ihm laufen konnte.
Er bewegte in merkwürdiger Art und Weise seine Hand, als versuche er, einen Krampf zu lockern. Die Finger hielt er gespreizt und krallte sie wieder zusammen. Sie zwang sich, den Blick abzuwenden und starrte auf ihre Füße.

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