25. Januar 2016

'Bayerisch Kongo (Alpen Krimi)' von Lutz Kreutzer

Friedrich Sperber, kongoerfahrener Geophysiker und Mann für besondere Fälle beim bayerischen Landeskriminalamt, ist raubeinig, scharfsinnig und nicht unbedingt politisch korrekt. Sein erster Fall: eine übel zugerichtete Leiche eines Afrikaners, der mit einer Machete in den beschaulichen Isar-Auen ermordet wurde.

"Intelligent gemachter Alpenkrimi der erfrischend anderen Art." (Lesermeinung)

Kurze Zeit später stoßen Sperber und das Team um die kompetente Kommissarin Martha Kieninger auf zwei weitere Leichen. Sie hängen im Berg und stören die Ruhe im Voralpenland. Die Nachforschungen führen die Ermittler zu einem mysteriösen belgischen Söldner – und auf Deutsche und Österreicher mit rabenschwarzer Vergangenheit …

Sperbers erster Fall - spannend, schwarz & actionreich.

Gleich lesen: Bayerisch Kongo (Alpen Krimi)

Leseprobe:
Der Wallner Hias hatte schon in aller Früh gemolken, gefüttert und ausgemistet. Jetzt standen die Kühe zufrieden im Stall. Dann hatte er seine Hühner besucht und zehn Eier aufgesammelt. Und er hatte etwa eine Viertelstunde mit seinen Tieren gesprochen. Das machte er jeden Morgen. Danach ging er in die Küche, trank einen Milchkaffee und aß ein Speckbrot und ein Ei.
Der Wallner Hias war in der Gegend von Schleching ein geachteter Mann. Er war Bergführer und hatte als junger Bursch für seine Heimat bei internationalen Skirennen Medaillen eingefahren. Jeder, der an seinem Haus vorbeiging, grüßte ihn freundlich. Die meisten blieben stehen auf einen Plausch. Aber nur selten ließ sich der Hias auf ein längeres Gespräch ein. Er hatte schon alles erzählt.
Er freute sich auf den Frühling und auf sein Almhaus. Vor fünfundvierzig Jahren hatte er es mit seiner Rosl zu einem kleinen Alpengasthof ausgebaut. Das Geschäft ging gut damals, besser als sie es sich erträumt hatten. Er liebte seine schöne Rosl und sie ihren stolzen Hias. Sie lebten einen Traum. Bis zu dem Tag, als die Rosl auf der Alm zu Tode kam.
Sie hatte eine Kuh am Gatter angebunden, wie sie es immer tat, wenn sie die Kühe am frühen Abend melkte. Die Kuh war unruhig, sie trat den Melkeimer um, und die Rosl fluchte. Sie versuchte, den Eimer abzufangen, was ihr nicht gelang. Sie beugte sich vor und fiel seitwärts vom Schemel. Und dann zuckte die Kuh mit ihrem Huf derart, dass sie die Rosl hart an der Schläfe traf. Rosl war auf der Stelle tot. Sie wurde nur siebenundzwanzig Jahre alt.
Lange hatte er getrauert. Sein damals erst dreijähriger Sohn Flori vermisste seine Mutter so sehr, dass er, wenn der Hias ihn abends ins Bett brachte, nicht aufhören wollte zu weinen. Es dauerte Jahre, bis sich die beiden an den neuen Alltag gewöhnt hatten. An ein Leben ohne Frau und ohne Mutter. Aber das Schicksal und der Herrgott hatten es so gewollt. Der Hias musste seinen Mann stehen. Und der Hias würde niemals aufgeben.
Viele Frauen hätten ihn gern geheiratet, den Hias. Doch er tat es nicht, weil es seinem Flori das Herz gebrochen hätte. Der Junge reagierte allergisch auf jede Frau, die sich seinem Vater näherte. Als Kleinkind schrie er aus Leibeskräften. Später schlug er den Frauen gegen die Beine. Noch später reagierte er mit kalter Verachtung und Boshaftigkeiten. Und der Hias liebte seinen Sohn über alles.
Flori sprach wenig. In der Schule blieb er zurück. Die Leute hatten Mitleid mit ihm und hielten ihn für dumm. Mitleid! Das war das Schrecklichste, was sich der Hias vorstellen konnte. Mitleid mit ihm und dem Flori! Aber die Leute waren nun mal so. Dabei war der Flori nie dumm gewesen. Es gab allerdings nur wenige Momente, wo der Hias sah, dass der Flori auch glücklich sein konnte. Diese Momente waren der größte Schatz, den der Hias besaß. Immer, wenn er mit dem Flori auf die Berge wanderte, und später, wenn er ihn durch die Wände führte, lächelte der Flori auf dem Gipfel. Er lächelte und freute sich. Dann waren sie wieder zu dritt.
Und dann war auch noch der Florian von ihm gegangen, mit achtzehn. Der Arzt bescheinigte Unfalltod. Im eigenen Haus. Die Beerdigung war groß gewesen, noch größer als bei seiner Frau. Er hatte es wahrlich nicht leicht gehabt, der Hias. Doch heute ging es ihm wieder gut. Lange war das alles her. Er war darüber hinweggekommen.
Heute wollte er auf die Alm. Es war kalt. Wenn er dort oben allein war, fand er so viel Glück, dass ihm alle Schwere von der Seele wich. Die Welt dort oben, die gehörte nur ihm. Zu dieser Jahreszeit kamen nur selten Gäste. Ab und zu ein Skitourengeher, ab und zu ein Wilderer, und manchmal besuchte ihn ein Freund von der Bergwacht. Der Hias kannte sie alle.
Er packte etwas zu essen und ein paar Flaschen Bier ein, steckte alles in seinen Rucksack und bestieg seinen Geländewagen. Es lag kaum Schnee, das war ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Zu wenig Niederschlag, dachte der Hias. Und so war es bis hinauf zu den Gipfeln ringsherum grün.
Der Fahrweg war gut in Schuss, kaum Winterschäden. Ab und zu ein kleines Schlagloch, doch das machte seinem Auto nichts aus. Über ihm stieß die Kampenwand, gelb von der Morgensonne, scharf in den blauen Himmel.
Nach zwanzig Minuten war er an seiner Hütte. In Kürze würde das Frühjahr da sein, dachte er. Er öffnete die Schlösser zur Tür der Hütte. Den Schlüssel legte er wie immer unter den Brennholzstapel zurück. Er öffnete die Fensterverschläge und zündete ein Feuer an. Holzvorräte hatte er genug.
Bald knisterte und prasselte es im Ofen, das Wasser wurde heiß, und der Tee dampfte. Er schloss die Fenster und sperrte die Wärme des Ofens in der Stube ein. Dann setzte er sich in die Sonne. Er zündete sich ein Pfeifchen an, trank den Tee und einen Enzianschnaps. Für den Hias gab es kaum etwas Schöneres als den Blick auf die Kampenwand. Einfach zuschauen, wie sich am Berg nichts veränderte. Bis zum Frühjahr und zur ersten Almrauschblüte. So saß er und genoss bis zum späten Nachmittag.
Plötzlich hörte er ein leises Rauschen, das allmählich zum Motorengeräusch wurde. Ein Auto? Hier um diese Zeit? Er stand auf und versuchte etwas zu erkennen. Von unten näherte sich tatsächlich ein dunkler Wagen. Er kroch sehr langsam den Berg herauf. Außergewöhnlich langsam. Es war ein teurer Wagen, das konnte er jetzt sehen. Aber er kannte die Marke nicht. Merkwürdig, was will denn der hier?, fragte er sich.
Der Wagen kam näher, blieb etwa fünfzig Meter vor der Hütte stehen. Ein Leihwagen einer Münchner Kette. Die Beifahrertür öffnete sich, heraus stieg eine Frau. Sie trug Wanderausrüstung. Die Frau streckte sich, sah sich um und kam dann winkend auf ihn zu.
Er bekam einen Schreck. Seine Hände zitterten und wurden schweißnass. Er konnte es nicht glauben. Nein, das war sie nicht. Oder doch? Sein Herz schlug höher. Seine Augen wurden feucht. Als Desiré vor ihm stand, bekam er erst kein Wort heraus, dann schluchzte er auf und fiel ihr um den Hals. Mit tränenerstickter Stimme sagte er: »Mei, Dirndl! Wo kommst denn du auf einmal her?« Er hielt sie fest an sich gedrückt. Seine Tränen flossen, und er kam sich vor wie ein Narr.
»Hias, wie geht es dir?«, rief sie voller Freude. Auch ihre Tränen kullerten.
Er hielt sie an den Armen auf kurzen Abstand und sagte: »Du weißt ja gar net, was alles passiert ist in der langen Zeit.«
Hias zitterte. Seine Ruhe war dahin. Alles kam wieder hoch, war wieder da. Wie früher. Er weinte und brachte kein Wort mehr heraus.

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