3. Juli 2017

'Aus der Zeit gefallen (Teil 1)' von Katharina Münz

Temporeich, lebensnah, aus der Zeit gefallen

Reenactment. Charlotte bekommt Herpes, wenn sie nur an das Wort denkt. Auf matschigen Äckern Wickie spielen entspricht nicht gerade ihrer Vorstellung von einem gelungenen Wochenende, aber was tut sie nicht alles ihrem Freund zuliebe. Doch dann erwischt sie Aleks mit ihrer – ehemals! - besten Freundin auf dem Mittsommerfest. Zutiefst verletzt flieht sie vom Museumsdorf, als ein lecker aussehender Fremder in A+-Gewandung ihr vors Auto und ins Leben fällt.

Mit »Aus der Zeit gefallen« wagt die ›Edition Wikinger im Herzen‹ einen Genreausflug in Richtung New Adult/Urban Fantasy/Contemporary Romance-Mix.

Achtung! Bei diesem E-Book handelt es sich um eine Art Vorab-›Single-Auskopplung‹ mit Cliffhanger-Ende! Wer »Aus der Zeit gefallen« komplett lesen möchte, möge bitte die vollständige Print-Veröffentlichung in ein paar Monaten abwarten!

Das Getriebe des Minis ächzt, als ich am Ende der langgestreckten Geraden herunterschalte und scharf nach rechts abbiege, nur um dem weiten Radius der sich anschließenden Linkskrümmung zu folgen.
»Aber natürlich!« Aleks‘ Erleichterung ist durch die Freisprecheinrichtung förmlich zu greifen.
»Natürlich?«, schreie ich und zucke selbst zusammen, weil sich meine Stimme überschlägt. »Nein! Natürlich nicht! Ich hasse dich du, verkacktes Arschloch! Dich und deine verfickte …« Meine Augen richten sich auf die regennasse Fahrbahn, die über den Damm zur Lindaunisbrücke führt. Verdammt! Was ist das?
Im Licht meiner Scheinwerfer taucht eine Gestalt auf, taumelt, stolpert, fängt sich.
»Ach du grüne Scheiße!« Ich umklammere das Lenkrad und trete das Bremspedal bis zum Anschlag durch. Was macht der mitten auf der Straße?
Das ABS ruckt und bockt, die Scheibenwischer fahren wie in Zeitlupe über die Frontscheibe, die Gestalt kommt näher. Noch näher.
Scheiße! Ich werde den totfahren!
Millisekunden dehnen sich zu Ewigkeiten. Das Auto verzögert, immer noch bockend, ich hänge im Gurt und das beschissene Schwert drückt gegen meinen linken Hüftknochen. Endlich - es erscheint mir als sei eine Ewigkeit vergangen, seit ich zu bremsen begonnen habe - kommt der Wagen mit abgewürgtem Motor zum Stehen.
Vorsichtig hebe ich den Blick.
Die Gestalt - ein Mann, das klatschnasse, schulterlange Haar vom Wind zerzaust - steht immer noch.
Gottseidank! Also habe ich ihn doch nicht totgefahren! Ich seufze erleichtert auf – nur um im nächsten Moment Zeuge zu werden, wie er hintenüberkippt.


Gleich lesen: Aus der Zeit gefallen - Thórsteinn vs. Charlotte: Teil 1

Leseprobe:
»Kommt er zu sich?«, fragt die Assistenzärztin in professionellem Tonfall und fasst an sein anderes Handgelenk, um den Puls zu fühlen.
»Ich weiß nicht«, erwidere ich. »Er hat seine Finger bewegt, und ich habe gespürt, wie er meine gedrückt hat.«
»Das hört sich doch gut an«, meint sie und nimmt das Stethoskop vom Hals. »Ich finde es nett, wie Sie sich um ihn kümmern.«
»Naja«, versetze ich. »Muss ich doch. Irgendwie. Schließlich habe ich ihn fast überfahren.«
»Fast«, wendet sie ein und lächelt. Dann zwinkert sie. »Aber verständlich ist es. So was kriege ich auch nicht alle Tage zu sehen.«
»Nee?« Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.
»Nee«, bestätigt sie. »Der Standard sind hier eher schlaffe Anfangszwanziger, die den Magen ausgepumpt haben wollen, gestresste Mittvierziger, die beim Marathontraining einen kleinen Herzinfarkt erlitten haben, und wackelige alte Herren, die ihre Medikamente durcheinandergebracht haben. Aber nicht so wa…«
»Schauen Sie!«, platze ich heraus. »Seine Augenlider flattern!«
»Wirklich, er kommt zu sich!«
Die Worte der Ärztin gehen fast im hektischen Piepen der Monitore unter, als der Prachtkerl sich im Bett aufsetzt, um sich schaut und den Blick seiner grauen Augen auf mich heftet.
Doch nicht Tiefblau, denke ich, und somit nicht jedem Klischee entsprechend. Eher dem silbrig schimmernden Graugrün der Salbeiblätter in Mums Kräutergarten.
Doch das wird auf der Stelle von der Schwärze der Pupillen verschluckt, die sich weiten, als ein Schwall unverständlicher Silben aus dem Mund des Fremden kommt.
Mit der Rechten zerquetscht er fast meine Finger, dann packt er, ehe ich mich aus seiner Reichweite bringen kann, mit der linken Hand auch noch meinen Oberarm. Der Tonfall seiner Worte wird eindringlicher, fordernder und flehentlicher zugleich, während sich seine Aufregung im fieberhaften Fiepen der Überwachungsgeräte abbildet.
»Was ist?« Dr. Riefflin stürmt ins Zimmer, begleitet von einer ganzen Schar Schwestern und Krankenpflegern.
»Zustand nach Schock«, erklärt die Assistenzärztin und versucht, mich aus der Umklammerung zu lösen. »Patient eingeliefert ohne feststellbare innere und äußere Verletzungen abgesehen von Nasenbluten. Reagiert auf Wiedererlangen des Bewusstseins mit einem Angriff auf Begleitperson.«
Die Eindringlichkeit der Silben aus dem Mund des Prachtkerls verstärkt sich erneut, während er die kräftigen Hände der Ärztin abschüttelt wie einen Schwarm lästiger Fliegen und mich noch fester packt.
»… Milliliter Diazepam … intravenös … Schnell doch! Schneller!« Fetzen der Anweisungen des Oberarztes durchdringen den lautstarken Redeschwall des Fremden.
Er schiebt sich halb aus dem Bett, bemerkt dann erst den Infusionsschlauch an seinem rechten Arm und will ihn gerade herausziehen, als sich wie auf ein geheimes Zeichen hin zwei Pfleger auf ihn stürzen.
Ich werde kurzerhand mit ins Bett gepresst, weil der Prachtkerl meinen Arm immer noch wie einen Schraubstock umklammert.
Dann entspannt er sich für einen Moment, und ich will gerade fragen, womit sie ihn weggeschossen haben, als er sich erregter denn zuvor im Bett aufrichtet. Seine Worte sind jetzt ein Schreien. Wütend, verzweifelt, und mir treten Tränen in die Augen, weil er mir sicher jeden Augenblick die Hand bricht, so fest, wie er zudrückt.
»Verdammte Scheiße … paradoxe Reaktion …«, erhasche ich die Stimme der Assistenzärztin unter all dem Geschrei.
»… Dormicum …«, zischt Dr. Riefflin direkt neben meinem Ohr. »… und Propofol hinterher …«
Ich sehe, wie erneut Nadeln in den Infusionsschlauch gestochen werden und der Inhalt der Spritzen injiziert wird, dann erschlafft der Körper des Prachtkerls endlich.

Im Kindle-Shop: Aus der Zeit gefallen - Thórsteinn vs. Charlotte: Teil 1

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