23. Januar 2018

'Der Miami-Vice-Faktor' von Peter Waldbauer

Ein Buch für Leser, die sich gerne der alten Zeiten erinnern, die schwelgen wollen in der Nostalgie der Achtziger, der ausschweifenden Disco-Nächte, des „Saturday-Night-Fevers“ und der endlosen Exzesse.

Aber auch für jene, die der Unterschied interessiert zwischen den unzähligen Betriebstypen der Gastronomie. Was unterscheidet Bistro und Bar, Restaurant und Bistrorante, Resto-Bar und Café-Restaurant? Wo verläuft die klare Trennung zwischen Pinte und Pub, Kneipe und Beisl, Taverne und Spelunke? Wer die Feinheiten kennt und alle Untertypen der Betriebsart Discothek frei aufsagen kann, gewinnt vielleicht eines Tages bei Jauch die Million. Falls nicht, hat er immerhin erfahren, warum er nie am Türsteher vorbeikam und sich dabei gut unterhalten.

Die wilden Jahre der Achtziger. Ja, es war eine schöne Zeit. Über allem schwebte der Hauch von Miami Vice, jener Erfolgsserie mit Don Johnson und Philip Michael Thomas. Für die vielen Nachahmer damals bedeutete dies nicht nur kesse Sprüche, sondern auch das passende Outfit: Sonnenbrille und Stoppelbart, Sportwagen (am liebsten Ferrari) und pastellfarbenes Sakko. Vor allem galt es, jene Lässigkeit an den Tag zu legen, die leicht zum Lotterleben ausarten kann, in jedem Fall zum Hedonismus. Die grenzenlose Lust am Ausgehen – dafür war in den Achtzigern gesorgt.

Gleich lesen: Der Miami-Vice-Faktor: Erinnerungen an die goldenen Gastronomie-Jahre der Achtziger

Leseprobe:
Das goldene Zeitalter
Dieses Buch ist entstanden aus einer ungeordneten Sammlung von Aufzeichnungen, zahllosen Notizzetteln, Dutzenden von Restaurantbelegen, unzähligen Papierservietten, etc. Ein Wust an plötzlichen Einfällen, Assoziationen und Träumereien. Der Blick schweifte zurück in die Vergangenheit, versuchte längst Vergessenes zu erinnern. Nicht alles ist selbst erlebt, manches wurde erzählt, also überliefert. Auf Vollständigkeit darf dabei nicht gehofft werden.
Dreh- und Angelpunkt ist das goldene Gastronomiezeitalter in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Was sich so asbach-uralt anhört, dürfte indes einigen noch gut im Gedächtnis präsent sein. Vor allem jener Generation, die heute zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt ist.
Nach der Fresswelle der 1950er und 60er, der Bau- und Möbelwelle der 70er, bescherten uns die 1980er Jahre die Gastronomie- und Feizeitwelle. Erstmals geriet Ausgehen zum Mittelpunkt der privaten Lebensführung. Einfach deshalb, weil man alles andere mehr oder weniger schon hatte: Auto und modische Kleidung, schicke Wohnung mit teurer Stereoanlage und Videorekorder und erst recht einen sicheren Verdienst. So blieben die bevorzugten Interessen unter der Woche das Fitneß- und Sonnenstudio, an den Wochenenden die Discotheken und Kneipen und zwei- bis dreimal im Jahr der Urlaubstrip ins europäische Ausland, vorzugsweise nach Italien oder Spanien.
Möglich war dies durch einen allgemeinen und kräftigen Wirtschaftsaufschwung, der Anfang der Achtziger begann, jenes Jahrzehnt durchgängig anhielt und gegen Ende mit der Öffnung der Mauer noch einmal einen zusätzlichen Schub bekam bis zur Rezession 1992/93.
Fast zehn Jahre lang boomte die Industrie- und Exportnation Deutschland und mit ihr der Wohlstand der Mittelschicht. Die konnte es sich bald leisten, das Ausgehen nicht nur aufs Wochenende zu beschränken, sondern begann auch unter der Woche fleißig zu feiern. Neben dem „Platzhirsch“ Samstag und dem nur wenig schwächeren Freitag, bürgerte sich bald der Donnerstag als fester Ausgehtag ein, da er nahtlos ans Wochenende anschloss. Viele Discotheken weiteten ihre Öffnungszeiten auch auf den Mittwoch und Sonntag aus, womit fast die ganze Woche abgedeckt war. Vereinzelt gelang es manchen Betreibern sogar dienstags Gäste anzulocken, wenn auch unterstützt durch stark reduzierte Getränkepreise.
Ein neues Zauberwort machte die Runde: Erlebnisgastronomie. Dazu gehörten Aktionen wie Modeschauen und Misswahlen, Autogrammstunden und Showauftritte von Künstlern, 24-Stunden-Partys und Gewinnspiele, bei denen man Getränke- und Warengutscheine, Urlaubsreisen oder sogar ein Auto gewinnen konnte. Es war eine Zeit der grenzenlosen Partystimmung.
In den Neunzigern flaute diese Stimmung allmählich ab, der Zeitgeist wurde schnelllebiger, die Kommunikationsindustrie lockte mit PC, Handy, DVD, Nintendo und Internet. Hinzu trat ein demografischer Faktor. Die jungen Erwachsenen zwischen 18-25 Jahren wurden zahlreicher und die zahlungskräftigen 25-40 Jährigen wurden weniger. Eine neue Generation gewann die Oberhand.
Heute, Ende des zweiten Jahrzehnts im dritten Jahrtausend, ist die Situation verworren wie noch nie und keiner kann sicher sagen, wohin die Reise geht. Die Wirtschafts- und Finanzkrisen tun ein Übriges und drückt auf die Partystimmung. Ähnliche Zeiten, wie wir in den Achtzigern erlebten, erlebt heute wohl, wer in Shanghai und anderen „Boomtowns“ wohnt. Fest scheint nur zu stehen, dass die goldenen Achtziger unwiederbringlich vorüber sind. Grund genug also, noch einmal nostalgisch und sentimental zurückzublicken.

Der Scotch Club in Aachen – Die erste Discothek der Welt
Die erste Discothek der Welt wurde 1959 in Aachen gegründet. Als ihr Erfinder gilt der österreichische Kaufmann Franzkarl Schwendinger, der sein exklusives Speiselokal Scotch Club (am Dahmengraben, Peterstraße gelegen) in eine Discothek umwandelte. Die Schallplatte als „tote“ Musik sollte durch einen Diskjockey lebendig gemacht werden. Vorbild hierfür war der Rundfunk, denn dort wurden schon seit geraumer Zeit Musiktitel von den Discjockeys anmoderiert.
Um den ersten Deejay im Aachener Scotch Club rangt sich eine schöne Anekdote. Der für die Eröffnung engagierte Mann, ein Kölner Opernsänger, entpuppte sich als großer Reinfall, da er sich nicht traute, einen Kontakt zum Publkum herzustellen und wortlos eine Platte nach der anderen auflegte. Inhaber Schwendinger wurde es langsam peinlich. Um sich vor der eingeladenen Presse nicht völlig zu blamieren, fragte er nonchalant denjenigen der anwesenden Journalisten, der sich am meisten darüber mokierte, ob er nicht selbst einmal eine Ansage am Mikrofon probieren wolle, um so zur Animation der Gäste beizutragen. Bei dem Angesprochenen handelte es sich um den 19-jährigen Volontär Klaus Quirini, der für die Aachener Zeitung über die Eröffnung berichten sollte.
Quirini war nicht lange verlegen und legte munter los mit den Worten: „Meine Damen und Herren, wir krempeln die Hosenbeine hoch und lassen Wasser in den Saal, denn ein Schiff wird kommen mit Lale Andersen!“ (Gemeint war der gleichnamige Hit der Sängerin Lale Andersen, die 1939 mit Lili Marleen einen Welthit landete.) Quirinis Art der Moderation war ganz nach Schwendingers Geschmack und wurde auch von den Gästen begeistert aufgenommen. Am Ende des Abendes wurde er als Discjockey engagiert für umgerechnet 400 Euro DM, zu jener Zeit ein fürstliches Salär und das fünfzehnfache seines Zeitungsgehalts.
Um seine Familie mit seinem neuen Job nicht in Verlegenheit zu bringen, legte sich Quirini den Künstlernamen „Heinrich“ zu. Rückblickend erzählt er: „Ich war vertraglich verpflichtet, in weißem Hemd mit Krawatte zum Dienst zu erscheinen, andernfalls drohte die fristlose Kündigung!“
So wurde Klaus Quirini, mit neunzehn damals eigentlich noch minderjährig, der erste moderierende Disc-Jockey im Scotch Club, der damals noch Jockey-Tanz-Bar hieß. Die strenge Kleiderordnung galt natürlich auch für die Gäste. Männer mussten Krawatte und Jacket tragen, Damen in Hosen fanden erst gar keinen Einlass. Quirini ist übrigens noch heute der Meinung, dass die Kleiderordnung, die eine Discothek vorschreibt, wesentlich dazu beiträgt, die Zusammensetzung des Publikums zu steuern.
Auch wenn die Verhältnisse im Scotch Club aus heutiger Sicht nostalgisch erscheinen mögen (die Gäste klatschten noch nach jeder Ansage des Moderators), liegt hier die Urzelle der modernen „Discothek“. Ein Begriff, der sich wenig später in der breiten Bevölkerung durchsetzte.
Das Konzept des Scotch-Clubs wurde für viele Gastronomen zum Vorbild und breitete sich über Westfalen, Belgien und die Niederlande nach und nach in die ganze Welt aus. Aachen wurde zur Discotheken-Hochburg Deutschlands mit zeitweise 42 Discotheken. In den USA entstand diese Betriebsart erst 1974.
Quirini wurde bundesweit bekannt, galt fortan als Pionier einer neuen Branche und gründete mehrere Verbände: die Deutsche Disc-Jockey Organisation (DDO, 1963) , den Verband der Deutschen Discotheken-Unternehmer (DDU, 1970) und den Verband Deutscher Musikschaffender (VDM, 1974). Im Jahr 1968, fast zehn Jahre nach seinem Debüt im Aachener Scotch Club, war Quirini wieder der Vorläufer, diesmal als erster Disc-Jockey der Schweiz, im Züricher Lokal Playground. Der berühmte Aachener Scotch Club ist seit 1992 geschlossen.

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