'Emma Schumacher & Der Salon des Todes' von Andrea Instone
„Bitte kommen Sie, kommen Sie – sehen Sie nur. Sie ist tot, sie ist wahrhaftig tot!“
Bonn, Dezember 1926. Als Emma Schumacher ihre erste Arbeitsstelle als Stenotypistin eines Schönheitssalons antritt, möchte sie wie andere junge Frauen auch, vor allem eines: unabhängig sein. Nach anfänglichen Schwierigkeiten wächst sie an ihren Aufgaben, die vielfältiger sind als angenommen. Aber stand die Klärung eines Unfalls im Arbeitsvertrag? Oder war es doch Mord? Emma sorgt sich um neugewonnene Freundinnen und mischt sich ein. Dabei kommt sie der Gefahr näher, als ihr lieb sein kann. So hatte sie sich eine besinnliche Weihnachtszeit nicht vorgestellt.
Auch der zweite Band der Serie um Emma Schumacher verbindet geschickt Krimi, Liebe und Humor und öffnet ein Fenster zur Welt der Frauen in der Weimarer Republik.
Gleich lesen:
Für Kindle: Emma Schumacher & Der Salon des Todes (Fräulein Schumacher 2)
Leseprobe:
Nicht weniger aufgeregt als gestern betrat Emma den Salon an ihrem zweiten Arbeitstag. Musste sie sich bei Madame Mirabeau melden? Mademoiselle Elly hielt sich nicht im Verkaufsraum auf, doch zwei Angestellte tuschelten miteinander und zogen spitze Münder, während sie Emma von oben bis unten musterten und gar nicht daran dachten, es der Neuen leicht zu machen. Als Emma errötete, ihre Tasche fallen ließ und beim Erheben in ihren Mantelsaum trat, kicherten sie. Sie sprachen kein Wort, sondern beobachteten sie mit unverhüllter Schadenfreude.
Tausend Gedanken und Gefühle gingen Emma durch den Kopf: Scham und Schüchternheit, Empörung und Entrüstung. Diese albernen Gänse, hatten sie denn keine Sorge, sie könne sich bei den Lohnabrechnungen verzählen? Sie mochten ja wunderbar anzuschauen sein, aber einen feinen Charakter besaßen sie kaum.
Zorniger, als sie es von sich kannte, fuhr Emma sie an: „Ich habe einiges mit Madame Mirabeau zu besprechen. Sie ist in ihrem Büro? --- Sehr gut. Im Übrigen habe ich von meiner Tante, einer anerkannten Londoner Schönheit, gelernt, man möge niemals die Mundwinkel nach unten ziehen – das wirkt auf Herren höchst abstoßend!“
Die beiden Fräulein verfolgten Emmas Abgang mit offenen Mündern, doch kaum trat Emma in den Gang, hörte sie ihr Lachen. Schon bereute sie ihren Ausbruch: Hatte sie die Aussicht auf eine freundschaftliche Zusammenarbeit verdorben? Würde sie auch hier - wie schon auf der Londoner Stenotypisten-Schule - abseits stehen? Fremd sein und fremd bleiben?
„Ah, Mademoiselle Emma, haben Sie sich mit allem vertraut gemacht?“ Madame Mirabeau winkte sie herein und runzelte die Stirn, als Emma ihre Notizen hervorholte und begann, Fragen zu Ablage und Akten, Buchhaltung und Bilanz zu stellen.
„Richten Sie sich ein, wie Sie mögen. Ich möchte mit dieser Seite meines Unternehmens nicht behelligt werden. Ich teile Ihnen mit, was erledigt werden muss, und Sie besorgen alles Weitere. Solange es keine Mahnschreiben gibt oder eine Kundin verärgert wird, lasse ich Sie walten.“ Madame Mirabeau sprach schnell und wedelte mit ihren schmalen Händen, bis Emma sich wie eine lästige Fliege vorkam, die hinweg gescheucht werden sollte. Unschlüssig stand sie in der Tür.
Madame schaute sie unter hochgezogenen Augenbrauen an: „Allez, allez, Mademoiselle, an die Arbeit. Ah, gegen vier Uhr stelle ich Sie Ihren Mitarbeiterinnen vor, Sie kommen dann bitte nach unten, nicht wahr?“
Emma nickte, was Madame nicht mitbekam; sie schien ihre Anwesenheit bereits vergessen zu haben. Still begab Emma sich hinauf in ihr Büro. Großmama hatte recht: Arbeiten zu wollen, war eine dumme Idee. Hier hockte sie nun in diesem muffigen Kabuff und sollte ohne jede Anleitung handeln, während ihre Kolleginnen sie verlachten und sicherlich schon über sie herzogen. Wäre sie doch niemals hergekommen! Vielleicht sollte sie Madame sofort erklären, sie habe einen Fehler begangen, und heimkehren. Eine Träne kullerte aus dem Augenwinkel und diese Träne bewirkte, dass Emma sich aufrichtete und mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. „Du alberne Trine, du. Du hast noch nicht einmal eine Woche hinter dir und willst schon aufgeben? Los, mach dich an die Arbeit!“
Emma neigte nicht zu Selbstgesprächen, aber dieser Moment schien ihr angemessen für ermahnende Worte. Wie schrak sie jedoch zusammen, als hinter ihr ein hohes Lachen erklang. „Sie sind Mademoiselle Emma, ja? Madame bat mich, Ihnen ein wenig zur Hand zu gehen.“
Widerstrebend wandte Emma sich um; nun hatte sie mit ihrem zweiten kindischen Ausbruch den Kolleginnen noch mehr zum Tratschen gegeben. Doch das Mädchen, das ihr gegenüberstand, lächelte sie an und streckte ihr die Hand entgegen. „Ich bin die Gigi, also die Gisela. Eigentlich ja Mademoiselle Gisèle, aber wir sind ja im gleichen Alter, da klingt das doch albern, meinen Sie nicht auch? Aber vor Madame müssen Sie mich doch so nennen, sonst schimpft sie uns aus. Ach, entschuldigen Sie, ich schwatze viel zu viel, oder? Also, ich bin die Gisela.“
„Emma Schumacher. Ich –“
„Ach, das ist ja lustig! Schumacher? Ich bin eine Schuster! Da sind wir ja nahezu Verwandte. Lassen Sie uns anfangen, in einer Stunde habe ich eine Kundin zu Maniküre und Galvano-Massage. Mir soll es recht sein, wenn die glaubt, es macht sie jünger ... ach, vergessen Sie das bitte gleich wieder, ja? Wenn Madame das gehört hätte!“
Gigi griff den ersten Aktenordner auf Emmas Stapel und schlug ihn auf, dann erklärte sie ihr, welche Seifen, Cremes und Parfums sie bei welchen Lieferanten bezogen, welches der Mädchen Haare schnitt oder Nägel feilte und wann Gehälter und Rechnungen zu zahlen waren. Sie erzählte, wie der Arbeitsalltag im Salon Mirabelle ablief und – am wichtigsten überhaupt – welche Marotten und Meinungen Madame pflegte.
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Labels: Andrea Instone, History, Krimi, Liebe
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