16. August 2018

'Dead Mountain' von Stefan Barth

Kindle (unlimited)
Du bist fünfzehn.
Doch statt Partys und erster Liebe kämpfst du ums Überleben.


Die Toten haben begonnen, die Lebenden zu fressen. Der einzige Mensch, den du noch hast, ist dein jüngerer Bruder.

Ihr habt den Winter in der Sicherheit der Alpen verbracht. Aber jetzt kommt der Frühling, und mit der Schneeschmelze erscheinen die Toten in den Bergen. Wie lange könnt ihr hier oben allein noch durchhalten?

Dann trefft ihr Ralf. Ein Mann. Einer, der wie ihr miterleben musste, wie die Welt in Blut und Eingeweiden versank. Endlich wieder ein Erwachsener in eurem Leben.

Jetzt wird alles besser.
Oder?


Leseprobe:
Sie hören ihn, bevor sie ihn sehen.
Oder riechen.
Henni bleibt stehen und blickt zu Fabio.
Die Hand des Jungen umklammert den mattschwarzen Sportbogen so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Seine braunen Augen sind weit aufgerissen.
Sie lauschen.
Der Wind rauscht in den Bäumen, an deren Ästen die Blätter erst vor wenigen Tagen in voller Pracht zu sprießen begonnen haben.
Da ist es wieder.
Das Klingeln.
Ein Glöckchen.
Fabio runzelt die Stirn und Henni sieht, dass er etwas sagen will. Sie hebt eine Hand und schüttelt den Kopf.
Er schluckt die unausgesprochenen Worte wieder runter.
Das Klingeln wird lauter.
Für einen kurzen Moment schlägt ihr Herz nicht nur aus Angst, sondern auch aus Hoffnung schneller. Doch dann hört sie die schweren, schlurfenden Schritte, die das klingelnde Glöckchen begleiten.
Das Fünkchen Hoffnung verglüht.
Sie überlegt, ob sie nicht einfach abhauen sollen, aber sie verwirft den Gedanken gleich wieder. Wenn sich einer von denen hier oben rumtreibt, nützt es nichts, dem Problem aus dem Weg zu gehen.
Henni zeigt nach rechts.
Zwischen den Bäumen, etwa zwanzig Meter weiter, ist der Wanderpfad zu erkennen.
Fabio nickt. Er zieht einen der zwölf Fiberglas-Pfeile aus dem Köcher auf seinem Rücken und legt ihn auf den Bogen. Er hat täglich mit dem Ding geübt, seit sie den Bogen, mitsamt Pfeilen, Köcher und einer Strohzielscheibe, vor einem halben Jahr in der Graudingerhütte gefunden haben.
Sieht aus, als wird sich gleich zeigen, ob sich das Üben gelohnt hat.
Henni umklammert den Griff der langstieligen Axt fester und blickt noch einmal zu Fabio.
Er nickt.
Henni setzt sich in Bewegung. Pirscht sich Schritt für Schritt durchs Unterholz, darauf bedacht, so wenig Geräusche wie möglich zu machen. Aus den Augenwinkeln registriert sie Fabio, der sich, ein Stück versetzt, neben ihr bewegt.
Ein Ast bricht unter den Sohlen ihrer ausgelatschten Converse und das Geräusch kommt ihr vor wie eine Explosion. Sie bleibt abrupt stehen. Dreht den Kopf, sieht zu Fabio.
Er beißt sich auf die Lippen.
Weiter.
Das, was Henni durch die Bäume hindurch vom Wanderpfad erkennen kann, ist leer. Bis auf die Gräser und blühenden Wildblumen, die sich ihren Weg durch das Erdreich bahnen. So muss es jetzt überall sein. Die Natur holt sich zurück, was der Mensch ihr genommen hat. Noch ein oder zwei Jahre, dann wird der Pfad nicht mehr zu erkennen sein.
Das Klingeln des Glöckchens wird lauter.
Die schlurfenden Schritte auch.
Die Kinder bleiben wieder abrupt stehen.
Denn jetzt sehen sie den Wanderer.
Er kommt um eine Biegung, seine Schritte abgehackt und ungelenk, die Arme baumeln leblos hin und her. Er schlurft und wankt wie ein Betrunkener, aber das vollkommen geräuschlos, kein Atmen oder Schnaufen ist zu hören. Die Lederschuhe sind ausgelatscht und schmutzig, genau wie die fast schwarzen Socken und die verwesende, faulige Haut der Waden und Oberschenkel.
Das wettergegerbte Leder der Trachtenhose, an deren Brusttasche das kleine Glöckchen hängt, ist von hellen Rissen durchzogen. Das Hemd darunter war wohl mal weiß, jetzt ist es schmutzig grau. Vorne und oben am Kragen ist der Stoff noch dunkler: getrocknetes, schwarz verkrustetes Blut, das aus einem grässlichen Loch im Hals gelaufen ist.
Aber Blut kommt schon lange nicht mehr aus der Wunde, stattdessen scheint das faulige Fleisch des Loches in seiner Kehle in ständiger Bewegung. Doch das sind nur Fliegen und Maden, die sich darin tummeln. Leblose weiße Augen starren aus einem eingefallenen Gesicht, dessen Mund halb offen steht, drinnen die verrotteten Reste eines Gebisses.
Henni und Fabio starren den Wanderer an. Er ist nicht der erste seiner Art, den sie sehen, aber der letzte ist lange her und der Anblick fast genauso schockierend wie beim allerersten Mal.
Henni spürt ein kaltes Kribbeln, das in ihrem Nacken startet und sich dann über ihren ganzen Körper ausbreitet. Sie tauscht einen Blick mit Fabio und in diesem Moment verstummt das Glöckchen.

Im Kindle-Shop: Dead Mountain.
Mehr über und von Stefan Barth auf seiner Website.



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