6. April 2019

'Der Untergang Ijarias: Die Schatten erheben sich' von Malte Schiefer

Kindle (unlimited) | Tolino | Taschenbuch
In einer Welt voll dunkler Zauberer, machthungriger Adelsgeschlechter und sagenumwobener Drachen, reißt das Schicksal drei junge Menschen aus ihrem vorbestimmten Lebensweg. Doch abseits des Altbekannten lauern Gefahren.

Wer sind die Drachenreiter? Was verbirgt sich hinter den strahlenden Fassaden Ijarias? Und welche Geheimnisse sind in der Bibliothek der Königin versteckt? Nicht ahnend, dass ihre Schicksale miteinander verwoben sind, finden sich die drei Helden mit ungekannten Gefahren konfrontiert.

Denn Ijaria ist dem Untergang geweiht. Der Kampf um die Hauptstadt des freien Reiches hat begonnen.

Leseprobe:
In einem einzigen, riesigen Schwarm flogen die Sperlinge über die Stadt. Es waren Hunderte, Tausende und nochmal Tausende. Zusammen ergaben sie eine Wolke aus Federn, Krallen und Schnäbeln, die sich in immer neuen Formen mal hierhin, mal dorthin bewegten. Trotz ihrer großen Zahl gab es nie Verwirrung über Richtung und Ziel. Sie flogen hinunter zum breiten Fluss, der sich quer durch die Stadt zog, dann stiegen sie wieder hinauf, hoch zum königlichen Palast, der majestätisch über der Stadt thronte.
Hier, entgegen der Perfektion, mit welcher sich die Sperlinge aneinander orientierten, gab es mit einem Mal ein Durcheinander. Ein kleiner Vogel geriet durch einen überraschenden Wirbel aus der Bahn, wurde gegen einen großen, älteren Vogel geworfen und stürzte dann hinab, trudelte flatternd Richtung Boden. Erst hier bekam er sich wieder unter Kontrolle.
Sofort wollte er wieder hinauf, doch er hatte die Orientierung verloren. Flatternd verfing er sich im Geäst einer Weide, die in einem kleinen, von einer Mauer umgebenen Garten stand.
Im Schatten der Mauer lag ein Hund und schlief. Als der kleine Vogel den Hund entdeckte, geriet er erneut in das Geäst des Baumes. Er brach seitlich aus, versuchte in einem Fenster zu landen, verfehlte es und schaffte es dann knapp auf der steinernen Bank eines zweiten Fensters.
Das Fenster gehörte zu einem Haus, das an den Garten anschloss. Auch die zweite Landung wäre beinahe misslungen und der Vogel gab ein erschöpftes und aufgeregtes Zwitschern von sich, bevor er in das Zimmer hineinspähte. Das Zimmer war groß, sogar sehr groß. Links und rechts standen Regale, die bis zur Decke reichten und bis oben mit Büchern vollgestellt waren. In der Nähe der Fenster stand ein Tisch mit allerlei Papier, Tintenfässchen und Federhaltern.
Am Tisch saß ein junger Mann, groß, hager und mit zerzausten dunklen Haaren. Als der kleine Vogel sein aufgekratztes, fast panisches Zwitschern von sich gab, blicke er auf und sah den Vogel an. Schnell schaute der Vogel beiseite und sah, dass im Raum ein weiterer Mann stand, breiter und älter als der andere. Er trug einen schmalen Hut, unter welchem kaum noch Haare hervorkamen, hatte ein gerötetes Gesicht und starrte schweigend an die Decke des Zimmers, einen Finger nachdenklich auf die Lippen gelegt.
Der Vogel schaute zurück zu dem Jungen und sah, dass der ihn immer noch mit fragendem Blick beobachtete. Das war zu viel der Aufmerksamkeit. Mit einem weiteren aufgebrachten Zwitschern drehte der Vogel sich um, warf sich zurück in die Luft und machte sich auf, um zu seinem Schwarm zurückzukehren.
Der Junge starrte dem Vogel noch eine Weile hinterher, doch der plötzliche Klang einer Stimme ließ ihn zusammenzucken.
»Ich hab's!«, rief der andere Mann. »Jetzt weiß ich es, schreib …«, er machte eine Pause, in welcher er mit erhobenen Händen erstarrte, »schreib: Meine allerwerteste und verehrte Mirulla, in Demut wende ich mich an Euch, wohl wissend, dass ich Eure kostbare Zeit nur flüchtig …«
Er unterbrach sich, erstarrte erneut und begann dann mit den Armen zu wedeln.
»Nein!«, rief er und warf dem Jungen einen besorgten Blick zu, »schreib das nicht, hast du das schon geschrieben? Wenn ja, dann brauchen wir einen neuen Bogen Papier, das klingt ja fürchterlich. Viel zu förmlich, viel zu unterwürfig. Ich muss noch einmal überlegen.«
Der junge Mann, der noch nichts geschrieben, ja nicht einmal die Feder in eines der Tintenfässchen getunkt hatte, nickte und stieß einen leisen Seufzer aus.
Der andere Mann begann im Zimmer auf- und abzulaufen, wobei er vor sich hin murmelte. Hin und wieder blieb er stehen und sagte »Schreib!«, bevor er dann mit einem »Nein nein, schreib noch nichts« wieder begann, im Zimmer seine Kreise zu drehen.
Der Junge wartete geduldig. Nur manchmal warf er einen nervösen Blick zum Fenster oder zur Tür, als fiele ihm etwas ein, das er vergessen hatte.
»So wird das nichts«, sagte der Mann plötzlich mit weinerlicher Stimme, »mir fehlen einfach die Worte, ich weiß einfach nicht, wie ich es ihr sagen soll.«
Der Junge nickte dem Mann verständnisvoll zu, ohne jedoch etwas zu sagen. Nach kurzer Überlegung schien dieser einen Entschluss gefasst zu haben.
»Ich …«, begann er, als hätte er sich daran gewöhnt, seine Gedanken erst hören zu müssen, um ihre Qualität zu beurteilen, »ich werde … Ich werde einen Poeten beauftragen!«
Seine Gesichtszüge entspannten sich und ein hoffnungsvolles Lächeln trat auf sein Gesicht.
»Das ist es! Ich werde einen Poeten beauftragen! Er wird etwas für mich schreiben können! Das wird klappen!«
Fast schien er einfach gehen zu wollen, als ihm einfiel, dass er nicht alleine war.
»Oh«, sagte er beschämt, »und … tut mir leid, wenn ich deine Zeit verschwendet habe, Borian, ich komme sicher ein anderes Mal auf deine Hilfe zurück. Guten Tag!«
Der Junge nickte wieder.
»Ich heiße Jorian«, sagte er leise.
Der Mann würdigte ihn kaum eines weiteren Blickes.
»Ah, sicher, wie auch immer. Nun, auf Wiedersehen!«
Mit diesen Worten verließ er das Zimmer.
Kaum war der Mann fort, begann Jorian, die Unterlagen auf dem Tisch notdürftig zusammenzuräumen.
Während er das Papier zusammenlegte und die Feder in eine dafür vorgesehene Tasche packte, dachte er über den vorangegangenen Besuch nach. Der Mann war ein Adliger namens Lut Stain. Stain hatte sich verliebt, in eine Mirulla Soundso, aber er traute sich nicht, es ihr offen zu sagen. Stattdessen war er auf die Idee gekommen, ihr einen Brief zu schreiben. Damit kam das nächste Problem. Seine Schrift war über alle Maßen unansehnlich und dauernd änderte er seine Meinung, was genau die richtigen Worte waren, um sich Mirulla anzuvertrauen. Er hatte ein Beispiel seiner vorangegangenen Versuche dabei gehabt und Jorian verstand gut, warum er sich an einen Schreiber gewandt hatte. Aber warum an ihn? Warum kamen diese Leute immer zu ihm? Lag es daran, dass er noch jünger war als seine Kollegen? Glaubten sie, er verstünde nicht, worum es bei ihren Briefchen und geheimen Schreiben ging?
Kopfschüttelnd betrachtete er den Schreibtisch. Er befand sich in einem katastrophalen Zustand und seine Mutter würde alles andere als zufrieden sein. Seine grobe Art, die Sachen zusammenzuräumen hatte Spuren hinterlassen. Zwei Bögen Papier hatten einen Knick und er hatte Tinte über den Tisch verschmiert. Normalerweise unterliefen ihm solche Fehler nicht, im Gegenteil. Er legte viel Wert auf geordnete Arbeitsmaterialien. Später würde er ordentlicher aufräumen, jetzt aber hatte er anderes im Sinn. Beinahe im Laufschritt verließ er das Haus durch die Hintertür.

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