'Leiser Strom (Nacht der Lichter 1)' von Isabella Mey
Kindle (unlimited) | Taschenbuch |
Unwillkürlich ducke ich mich tiefer, wobei sich ein Zweig unangenehm in meinen Nacken bohrt. Mein Herz pocht so laut, dass ich schon fürchte, Timon könnte es im Vorbeigehen hören. Ich komme mir total bescheuert vor in meinem Versteck, aber jetzt ist es zu spät für eine Planänderung. Ich wage kaum zu atmen, während er direkt auf mich zusteuert. Ein Ast knackt.
Oh, nein! War ich das?
Timon schaut in meine Richtung, was mich unwillkürlich zurückweichen lässt. Gleichzeitig bohrt sich ein spitzer Ast schmerzhaft in meinen Hintern. Der plötzliche Stich lässt mich abrupt empor fahren, ein zweiter Ast peitscht mir ins Gesicht. Keuchend schieße ich vorwärts, auf den Fußweg.
Dabei schleift meine blöde Tasche auf dem Boden mit, ich stolpere darüber und fliege förmlich auf den Mann zu, vor dem ich mich jetzt am liebsten in Luft aufgelöst hätte.
Immerhin reagiert er blitzschnell, indem er mich reflexartig auffängt, bevor mein Kopf Bekanntschaft mit dem Asphalt schließen kann.
Beinahe wie ein Paar liegen wir uns in den Armen, meine Tasche zwischen uns eingequetscht. Von der plötzlichen Nähe wird mir ganz schwindelig. Ein warmer Schauer durchflutet meinen Körper. Mir ist heiß und kalt zugleich und ein Meer an Schmetterlingen flattert so wild in meinem Bauch durcheinander, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.
Eine schüchterne junge Frau,
ein rätselhaftes Kribbeln,
mobbende Mitschüler,
viele romantische Momente
sowie bärtige fremde Männer
sind die Zutaten für "Nacht der Lichter", eine romantische Fantasy für Jugendliche und Erwachsene.
Komplett überarbeitete und veränderte Neuauflage des 2013 erschienenen Romans mit dem Titel Nachtlichter.
Weitere Bücher von Isabella Mey auf ihrer Autorenseite.
Leseprobe:
Seit ich denken kann, werde ich von Ängsten geplagt. Ich bin schüchtern, nicht nur ein bisschen, sondern furchtbar schrecklich schüchtern – so sehr, dass ich mit meinem Banknachbarn in der Schule bisher kein einziges Wort gesprochen habe. Wenn ich mit oder vor mehreren Menschen reden soll, fühlt es sich an, als stünde ich nackt auf einer riesengroßen Bühne, während ich vom Publikum eingehend gemustert werde. Jedes meiner Worte landet auf einer Waagschale, die darüber entscheidet, ob ich angenommen oder ausgepfiffen werde. Vor lauter Angst verstopfen dicke Klumpen meine Kehle, mir wird heiß und Schweiß tritt aus allen Poren. Das ist mir peinlich und da es mir zudem unangenehm ist, wenn alle meinen roten Kopf sehen können, verschlimmert sich dadurch mein Zustand. Keiner versteht, weshalb ich solche Angst habe zu reden, doch dafür gibt es keine logische Erklärung. Diese Angst ist einfach immer da und lässt sich nicht abstellen. Sie umgibt mich wie ein unsichtbarer Käfig, der nichts von mir nach außen lässt, nichts, was bewertet und abgewertet werden könnte. Ich versuche förmlich, mich unsichtbar zu machen, doch leider funktioniert das nicht wirklich.
Je mehr Menschen mich umgeben und je weniger vertraut sie mir sind, desto schlimmer erwischt es mich. Dabei ist meine Mutter die einzige Person, mit der ich mich normal unterhalten kann, abgesehen von meiner Handpuppe Bengi und der Ringelnatter Aphrodite, die in unserem Gartenteich lebt.
Ich wohne mit meiner Mutter in einem am Hang gelegenen Reihenmittelhaus mit kleinem Garten. Geschwister habe ich keine und wer mein Vater ist, weiß ich nicht. Mehr als einmal habe ich meine Mutter gelöchert, um etwas über ihn zu erfahren, aber sie macht ein so großes Geheimnis draus, dass ich zwischen kriminellem Zuhälter und prominentem Politiker alles für möglich halte. Dumm kann er jedenfalls nicht sein, denn immerhin bin ich mit einem überdurchschnittlichen IQ ausgestattet, den ich bestimmt nicht von meiner Mutter geerbt habe. Auf meine Noten schlägt sich das allerdings nicht nieder – wegen fehlender Mitarbeit und weil ich mich im Unterricht häufig langweile, was meine Gedanken abschweifen lässt.
***
Es ist ein Morgen wie jeder andere, als ich schreiend aus meinem Bett emporfahre. Das schweißnasse Nachthemd klebt auf meiner Haut und jagt einen eisigen Schauer darüber. Mit weit aufgerissenen Augen durchbohre ich die Finsternis. Mein Herz pocht so heftig, dass es bis in meine Ohren hinein pulsiert. Ich schließe die Lider und atme langsam ein und aus.
Keine Panik! Es war nur ein dummer Traum!
Ich fühle, wie kühle Atemluft durch meine Lungen strömt.
Warum habe ich immer wieder denselben Alptraum?
An so etwas wie Zukunftsvisionen glaube ich zwar nicht, doch verlief mein bisheriges Leben viel zu langweilig, um mir vorzustellen, dass sich in meiner Vergangenheit spektakuläre oder gar grausame Ereignisse verborgen halten, die sich in solchen Träumen manifestieren könnten. Schließlich heißt es ja, dass das Unterbewusstsein auf diese Weise längst vergessene Traumata verarbeitet. Mittlerweile bin ich es jedoch leid, sinnlose Gedankenschleifen um dieses Thema zu drehen, daher schüttele ich die Erinnerung an den Traum rasch ab.
Als ich die Augen wieder öffne, starren mich die grün leuchtenden Ziffern meines Radioweckers an – sechs Uhr. Wie jeden Morgen erwache ich exakt um diese Zeit, ohne dass ich dafür einen Wecker benötige – ein kleines Wunder, das ich mir selbst nicht erklären kann, jedoch ein äußerst praktisches.
Das nassgeschwitzte Nachthemd klebt erbärmlich auf meiner Haut, als ich es mühsam über den Kopf zerre. Statt aufzustehen, lasse ich mich ins Bett zurücksinken und kuschele mich in meine Decke. Zehn Minuten Ruhe gönne ich mir noch, bevor ich mich aus meiner sicheren Höhle in einen neuen Tag voller Angst hinauswage.
Ich versinke in einen leichten Dämmerzustand, der ab und zu vom sanften Geräusch unterbrochen wird, das der tropfende Wasserhahn im Bad hervorruft. Als ich wieder auf meinen Wecker blicke, springe ich regelrecht aus dem Bett. Ich muss wieder eingeschlafen sein.
Mist, das waren fünfzehn Minuten! Was ist nur heute mit mir los? Das passiert mir sonst nie.
Von der plötzlichen Anstrengung rast mein Herz und mir wird kurz schwarz vor Augen. Da es eh schon dunkel ist, sehe ich zusätzlich kleine Lichtblitze. Als sich mein Zustand bessert, erkenne ich die Schemen der Einrichtung: Schreibtisch, Kleiderschrank und die mit Büchern vollgestopften Regale.
Ich schleiche auf nackten Sohlen hinaus in den Flur, hinüber ins Bad. Eine Duftwolke des säuerlichen Putzmittels schlägt mir entgegen. Angewidert verziehe ich das Gesicht. Mehr als einmal habe ich mich bei meiner Mutter Tina beklagt, dass ich den Geruch nicht leiden kann, aber sie verteidigt das zweifelhafte Putzmittel, als ginge es um ihre Existenz. Wenn man dieses Thema und die Sache mit meinem Vater mal ausnimmt, kommen wir aber ansonsten ganz gut klar, auch wenn es mir manchmal schwerfällt, den in der Schule zurückgehaltenen Frust nicht an ihr auszulassen. Dafür muss jedoch manchmal mein bedauernswertes Kopfkissen als Bollwerk herhalten.
Ich tapse über die Fliesen geradewegs zum Waschbecken. Dort blickt mir ein schlankes Mädchen mit langen, blonden, leicht gewellten Haaren aus dem Spiegel entgegen. Mit den verschlafenen Augen und den elektrostatisch abstehenden Haaren erinnert sie mich ein bisschen an einen Engel beim Krippenspiel. Auch wirkt sie jünger als 19 Jahre, aus sicherer Quelle weiß ich allerdings, dass dieser Geburtstag bereits zwei Wochen hinter ihr liegt. Dementsprechend belege ich die 13. Klasse des Waldstadter Gymnasiums.
»Guten Morgen, Leisa«, grüße ich mit rauem Flüsterton die junge Frau.
Die Person im Spiegel lächelt freundlich zurück. Ohne mich aus den Augen zu lassen, drehe ich das Wasser auf, doch ich warte vergeblich auf warmes. Der Boiler unterm Waschbecken scheint noch immer defekt zu sein. Ich seufze genervt. Für meine Mutter haben solche Reparaturen einfach keine besonders hohe Priorität. Wäre ich durch meine Schüchternheit nicht so fürchterlich gehemmt, hätte ich schon längst selbst einen Handwerker bestellt. Unser Reihenhaus entstammt einer Erbschaft von meinen Großeltern und da meine Mutter als alleinerziehende Sekretärin nicht besonders viel verdient, fehlt das nötige Geld für eine Modernisierung. So hat das Haus sichtbar sein Greisenalter erreicht, die Räume werden von elektrischen Nachtspeicherheizungen gewärmt, im Wohnzimmer gibt es zusätzlich einen Kachelofen. Die Sanitäreinrichtungen sind fast schon antik und warmes Wasser gibt es nur über einen extra angebrachten Boiler.
Ich forme mit meinen Händen eine Schüssel, über die das kalte Nass quillt, dann platsche ich es mir ins Gesicht und fühle den erfrischenden Schauer, der mich augenblicklich von meiner morgendlichen Müdigkeit befreit. Ich spüre, wie die kleinen Wassertropfen über meine Haut perlen und beobachte das Hinabtropfen der Flüssigkeit im Spiegel. Dann recke ich die Schultern abwechselnd übers Becken, spüle die Achselhöhlen aus und rubbele mich wieder trocken.
Gedankenverloren schaue ich mir zu, wie ich die Bürste durch meine langen Haare gleiten lasse, als plötzlich ein schrilles Weckerläuten die Stille durchbricht. Aus dem Nebenzimmer vernehme ich ein lautes Gähnen und dann, wie nackte Füße über den Holzboden tapsen.
»Guten Morgen, mein Schatz«, sagt meine Mutter gähnend, während sie zum Badezimmer herein lugt.
»Morgen.« Ich wende mich zu ihr um und wir tauschen verschlafene Blicke aus.
Im Kindle-Shop: Leiser Strom (Nacht der Lichter 1).
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Labels: Fantasy, Isabella Mey
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