2. Oktober 2019

'Romeo & Julia: Reanimiert' von Jan Lindner

Kindle (unlimited)
Website Jan Lindner
Die Klassikerparodie im digitalen Zeitalter

Welche Geschütze fährt der anstößige Para-Graf Eifelturm auf, um bei der gerade mal 13-jährigen Julia zu landen? Mit welch psychoaktivem Cocktail will Pharma-Pfarrer Florenzo das handysüchtige Mädchen vor jenem Eifelturm bewahren? Und hätte Romeo das Zeitliche gesegnet, wenn er regelmäßig seine Nachrichten gecheckt hätte?

„Romeo & Julia: Reanimiert“ haucht dem Klassiker von William Shakespeare neues Leben ein, indem sich die Herren via „Prügel-App“ die Köpfe einschlagen und die neugierige, sächselnde Amme nicht einmal vor den Menstruationsspuren in Julias Höschen Halt macht. Ein modernes Theaterstück - im lockeren Gewand einer aberwitzigen Liebesgeschichte.

Leseprobe:
ERSTER AKT - DRITTE SZENE
Julias Zimmer
Julia liegt mit übergeschlagenem Bein auf ihrem Bett, in ihr Handy vertieft.

JULIA. Ei, ei, was weiß mein Handy zu berichten:
    Ein neues Video der Beauty-Queen;
     vom Promi-Pärchen schlüpfrige Geschichten;
    mein Kommentar im Online-Magazin.
(Es klopft an der Tür.)
    Doch was ist das?! Es klopfet an der Türe!
    Das war kein Klingelton, kein Sound im Chat!
    Ein echtes Klopfen geht mir an die Niere.
    „Was ist denn los? Ich liege noch im Bett!“
(Frau Cabriolet steht mit Julias Amme vor der Tür.)

FRAU CABRIOLET. Was sagst du da? „Der Sieger ist doch nett?“

JULIA. (Lauter.) Nein nein! Ich sag: „Ich liege noch im Bett!“

AMME. Wat sachtse nu? „Ich wieche noch was Mett?“

JULIA. Nicht doch! Ich sag: Ich liege noch im Bett!

FRAU CABRIOLET. „Der Jüngling ist kokett“?

AMME. „Un gut im Bett?“

JULIA. (Nun auch mit sächsischem Dialekt.)
    MEEN GOTT! Ich sach: „Ich liiieche noch im Bett!!!“

AMME. Achsou! Se meint, se lieche noch im Bett.

FRAU CABRIOLET. Dann ist's ja gut. Dann kommen wir herein.
(Öffnet langsam die Tür. Tritt ein, die Amme eilig hinterher.)

JULIA. (Richtet sich erzürnt auf.)
    Was soll denn das? Was stört ihr mich zur Stunde?!

FRAU CABRIOLET. Nur ruhig, mein Kind. Wir wollen freundlich sein.
    Wir bringen dir nur allerbeste Kunde.
    Doch was zunächst uns auf dem Herzen liegt:
    Wie ist's um deine Reifezeit bestellt?
    Ist's schon soweit, dass Neugier überwiegt
    und dich um deine zarte Unschuld prellt?

AMME. De gute Frau, se spricht in Hüroglüfn!
    Se fragt, ob de bereits Intresse hast,
    um deinen Unnorleib zu üborprüfn.
    Sag: Hat ä Bube dich schon angefasst?

JULIA. (Noch wütender.)
    Nie! Nimmer! Nein! Was soll die Fragerei?
    Ich bin noch nicht mal vierzehn Jahre alt!
    Und wäre ich in einen Kerl verknallt -
    ich gäb's gewiss zum Schnattern euch nicht frei!

AMME. Ohou, de Dame hält sich wohl bedeckt!
(Zu Frau Cabriolet.)
    'N gutes Zeichn is ne kecke Schnutn,
    denn was sich hindor großm Groll vorsteckt:
    'Ne selbstbewusste Frau un Mounatsblutn!

FRAU CABRIOLET. Und damit wär' die Pubertät belegt:
    Mit erstem Blute schwillt die Blüte an.
    Sobald dich jede Kleinigkeit erregt,
    bist du gewiss bereit für einen Mann. -

AMME. Lass mich orzähln! Ich bin ganz ausm Häusschn!
    Es geht um den bekanntn Para-Grafn,
    dor grad um deine junge Hand anhält!
    Gescheit issor. Un gut gebaut, mein Mäusschn!
    Bei souner Aussicht gönnt i nimmor schlafn!

FRAU CABRIOLET. Ich bin mir sicher, dass er dir gefällt.

JULIA. Und wenn's so wär', dann hat's euch nicht zu scheren!
    Bei Männern brauch ich keinen Denkanstoß!
    Und auch mein Zyklus kann euer entbehren:
    Ein Kind wird in der Regel selber groß.
(Von ihrem Handy ertönen Klopfzeichen.)
    Doch lasst nun eure Julia mal in Ruhe.
(Deutet auf ihr Handy.)
    Die Freundinnen, die weiblich sind - ihr wisst -
    und feminin und reichlich ungeküsst.
    Wir sind zwar schon verliebt - doch nur in Schuhe!

FRAU CABRIOLET. Nun, wie du meinst. Doch heut' bei uns'rer Fete
    bekommst du ohnehin ihn zu Gesicht ... -

AMME. De wirst schou sehn: Dor Bub is ä Gedicht!
    Un obndrein besitztorn Haufn Knete!
    Na, wenn ä Mädl da nich wuschich wird?!

FRAU CABRIOLET. Man könnt' sich ja zunächst mal unterhalten! -

AMME. Un dann de Kraft dor Liebe frei entfaltn,
    wenn sich ä Blick gen Housnstall vorirrt. -

JULIA. Genug jetzt! Schluss! Da drüben ist die Tür!

AMME. (Sanft, sich entschuldigend.)
    Abor mein Gind: Mir gönn da doch nix für!
    Mir wolln doch nur das Beste für das Mädl.
    Ich seh dich noch im Stramplor nüborrennen -
    un trügste nu ä Schleior, müsst ich flennen!

FRAU CABRIOLET. Gewiss. Im Schleier machtest du dich edel.
(Julias Handy tönt nun wiederholt und penetrant.)

JULIA. Wie dem auch sei: Ich bin noch nicht so weit!
    Doch euch zu Liebe werd' ich mich bemühen
    und mir für heut' was Nettes drüberziehen.
    Doch seid so gut und gönnt mir jetzt die Zeit.

AMME. Na fein, mein Schatz. Da sehmor uns ja spätor.

FRAU CABRIOLET. Und hoffentlich dann ohne viel Gezeter.
(Frau Cabriolet und Amme ab.)

JULIA. Da! Endlich sind sie fort! Die Plagegeister!
(Wirft sich wieder auf's Bett, schlägt ein Bein über das andere und widmet sich ihrem Handy.)
    Uh! Anton schreibt! Der Ex von Désirée
    und Freund vom Süßen aus der Klasse D! -
    Der mit den Stoppeln unterm Kinn: wie heißt der?!

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