'Gut geknurrt ist halb gewonnen' von Marion Zerbst
Das Buch erzählt die Geschichte eines höchst eigenwilligen Collies, an dem alle Erziehungsversuche erfolglos abzuprallen scheinen. Er bellt nicht auf Befehl, sondern nur, wenn ihm danach zumute ist – vor Freude, aus Wut, manchmal sogar aus purer Bosheit mitten in der Nacht. Gib Laut? Nein, danke.
Medikamente einnehmen? Nur über seine Leiche. Er entdeckt die in mikroskopisch kleine Stücke geteilten Tabletten überall – in seiner Futterschüssel, in seiner Leberwurst, ja sogar als harten, bitteren Kern in seiner Lieblingsschokolade – und spuckt sie gnadenlos wieder aus.
Immer nur einfallslos im Schritttempo neben Herrchen hertrotten? Kein Thema – er ist schließlich nicht auf den Kopf gefallen. Um Abwechslung in den Morgenspaziergang zu bringen, bleibt er plötzlich stehen und stemmt sich ruckartig nach hinten – mit dem Erfolg, dass ihm das Halsband über den Kopf rutscht. Noch eine geschickte Bewegung und die lästige lederne Schnur schleift schlapp hinter seinem Herrn und Meister auf der Straße her.
Das Buch verrät viele Tricks und lustige Begebenheiten aus der Welt eines höchst eigenwilligen Vierbeiners. Es erzählt von seinem erbitterten Kampf gegen Herrchens Bierflasche, von seinen seltsamen (leider oft von Misserfolg gekrönten) Liebesabenteuern und von Herrchens Geburtstagsfeier beim Nobelitaliener, bei der durch höhere Gewalt und unkonventionelles Hundeverhalten gleich ein ganzer Tisch ins Wanken geriet. Und es berichtet natürlich auch vom Ende der Welt: Wenn Feuerwerkskörper die winternächtliche Stille zerreißen und sich der sonst so selbstbewusste Collie, mit hoch erhobener Rute und Stolz im Blick, sich in ein zitterndes Häufchen Elend verwandelt, das zähneklappernd vor der Toilettentür kauert und sich verständnislos fragt, was es an Silvester denn eigentlich zu feiern gibt. Schließlich müssten die Menschen doch längst aus Erfahrung wissen, dass das neue Jahr nicht besser wird als das alte ...
Gleich lesen: Gut geknurrt ist halb gewonnen
Leseprobe:
Im ersten halben Jahr entscheidet sich die wichtige Frage: Wer erzieht denn nun eigentlich wen – das Herrchen den Hund oder der Hund das Herrchen?
Herrchen hat schon vor deiner Geburt zahlreiche Hundeerziehungs-Ratgeber gekauft und versucht nun erbittert, seine neu erworbenen Kenntnisse an dir auszuprobieren. Sein pädagogischer Eifer ist kaum zu bremsen, denn für ihn steht letzten Endes viel mehr auf dem Spiel als für dich. Du hast lediglich ein paar Annehmlichkeiten und Freiheiten zu verteidigen, auf die du nur ungern verzichten würdest. Für Herrchen aber geht es im Grunde um seinen Stolz und seine Selbstachtung – um die uralte Grönemeyersche Existenzfrage: „Wann ist der Mann ein Mann?“ (Doch bestimmt nicht, wenn ihm der eigene Hund auf dem Kopf herumtanzt.) Und nicht zuletzt will natürlich auch die hart erkämpfte Herrschaft des Menschen über die Natur immer wieder neu bestätigt und bewiesen sein. (Die Zweibeiner haben bei der Lektüre der Bibel wohl einiges falsch verstanden.)
Kurzum: Dir steht ein langer, schwieriger Kampf bevor. Aber aussichtslos ist deine Situation keineswegs, auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht so aussehen mag, als seist du der Schwächere. Denn dafür hast du das größere Durchhaltevermögen und die besseren Nerven. Und wenn du dir zusätzlich auch noch ein paar subtile Strategien aneignest, wie man mit autoritätssüchtigen Herrchen und Frauchen umgeht, werden solche Lächerlichkeiten wie „Sitz“, „Gib Pfote“ und „Aber bitte nicht beißen!“ bald genauso elegant an dir abprallen wie dein alter Gummiball an Frauchens neuer Blumenvase.
Bei Fuß
Dieses Spiel hast du gar nicht so gern. Aber Herrchen spielt es mit wachsender Leidenschaft, denn natürlich ist er der Meinung, dass keiner ihm auch nur um eine Nasenlänge voraus sein sollte – schon gar nicht der eigene Hund.
„Bei Fuß“, sagt er genau in dem gelassenen, stereotypen Tonfall, in dem der Ratgeber für gewaltfreie Hundeerziehung es empfiehlt, und setzt angewidert hinzu: „Zieh doch nicht so.“
Und das alle fünf Meter.
Aber zum Glück lässt dieses Spielchen sich umkehren (schließlich leben wir im Zeitalter der Demokratie): Auch du kannst dein Herrchen durch plötzliches Stehenbleiben und ruckhaftes Nach-hinten-Stemmen zwingen, bei Fuß zu gehen, falls er zu sehr an der Leine ziehen sollte. Und manchmal hat das sogar noch einen ebenso unerwarteten wie beglückenden Nebeneffekt: Durch deinen plötzlichen Ruck nach hinten und Herrchens gleichzeitiges Ziehen nach vorn kann es passieren, dass das Halsband über deinen Kopf rutscht. Noch eine geschickte Bewegung, und die lästige lederne Schnur, die dich an deinen Besitzer fesselt, schleift schlapp hinter Herrchen auf der Straße her. Ehe er sich über den plötzlich fehlenden Widerstand wundert, bist du schon über alle Berge.
Die nun folgenden Stunden unerwarteter Freiheit solltest du mit Bedacht nutzen und in vollen Zügen genießen, denn sie werden so bald nicht wiederkehren. (Aber vergiss nicht, immer erst nach links und nach rechts zu schauen, ehe du die Straße überquerst!)
Begrüßung per Handschlag – oder lieber doch nicht?
„Gib Pfote“, sagt Herrchen und streckt dir auffordernd seine breite, eheberingte Pranke hin.
Aber du hast leider gerade gar keine Lust dazu. Das ist heute schon das dritte Mal; Herrchen ist unendlich stolz, dass du dieses völlig überflüssige Kunststück endlich begriffen hast, und meint, das nun unbedingt allen Leuten vorführen zu müssen. Wenn die Menschen das Gefühl haben, sich zur Begrüßung um jeden Preis die Hände schütteln und dabei Millionen von Bakterien übertragen zu müssen – gibt es einen vernünftigen Grund, warum Hunde das deshalb auch tun sollten? Die Körpersprache des Hundes unterscheidet sich in vielen grundsätzlichen Dingen von der des Menschen. Aber das kannst du ihm nicht begreiflich machen, denn er versteht deine Körpersprache nicht.
Also weigerst du dich einfach und tust, als hättest du seine Aufforderung nicht gehört. Statt nun zu sagen: „Na schön, dann eben nicht – wir probieren es ein anderes Mal, wenn du besser drauf bist“, wie jeder vernünftige Mensch es tun würde (aber wo gibt es schon einen vernünftigen Menschen?), beharrt Herrchen auf seinem Ansinnen. Er macht einen Grundsatzkonflikt daraus. Für ihn geht es um Sein oder Nichtsein.
Du musst seinen Standpunkt verstehen – er denkt: Wenn ich mich nicht mal in so einer Bagatelle durchsetzen kann, wie soll ich es dann in wichtigeren, grundlegenden Dingen schaffen, ihm zu beweisen, wer der Herr ist? Er will sein Gesicht nicht verlieren – zumal auch noch der Nachbar zuschaut. (Dass auch du ein Gesicht zu verlieren hast, daran denkt er nicht.) Schon hebt er humorlos die Hand und droht mit einem Klaps auf den Hintern. Was nun?
Ich kannte mal einen Hund, der hat sich in solchen Situationen mit unnachahmlicher Würde und Eleganz aus der Affäre gezogen: Er streckte seinem Herrchen mit schlapper, lustloser Handbewegung die Rechte zum pflichtschuldigen Gruß hin – aber er drehte dabei den Kopf zur Seite und zog abfällig die Lefzen herunter, als wolle er sagen: „Na schön, wenn du darauf bestehst, dann muss ich ja wohl, denn du bist schließlich das Herrchen, und ich bin nur der Hund. Aber freiwillig tue ich das nicht.“
So kannst auch du es künftig machen, wenn du mal wieder gar keine Lust zum Pfotegeben hast. (Und insgeheim hämisch in dich hineingrinsen und an die Millionen von Bakterien denken, die du dabei auf Herrchen überträgst.)
Auf Befehl bellen? Nein danke
„Gib Laut“, sagt Herrchen in einem Ton, der keinen Zweifel daran lässt, dass er es ernst meint.
Aber da hat er sich getäuscht. Du bellst nicht auf Befehl. Du bellst, wenn dir danach ist – vor Freude, aus Wut, manchmal sogar aus purer Bosheit mitten in der Nacht. Aber die Schnauze aufzumachen und Töne von dir zu geben, bloß weil jemand sagt: „Gib Laut“ – das ist nun wirklich ein bisschen zu viel verlangt.
Genau das Gleiche gilt im Grunde genommen auch fürs Beißen. Beißen macht nämlich keinen Spaß, wenn man es nicht aus einer plötzlichen Eingebung heraus tut – da fehlt einfach die Spontaneität. Und die möchtest du dir auf jeden Fall bewahren, denn sie ist von all deinen Eigenschaften die liebenswerteste; sie ist das, was den Vierbeiner vom Zweibeiner unterscheidet (außer dem guten Gebiss, natürlich).
In blindem Gehorsam zuschnappen, bloß weil irgendjemand versehentlich Herrchens Brieftasche an sich genommen hat und deinem Herrn und Meister nun nichts Besseres einfällt, als mit hysterisch überkippender Stimme „Fass“ zu schreien? Nein. Du stellst deine Zähne nicht in den Dienst von Herrchens kleinlichen Rachefeldzügen. Und außerdem: Neulich hat die Nachbarshündin dir deinen Knochen weggenommen, und Herrchen hat keinen Finger gerührt, um dafür zu sorgen, dass du ihn wiederbekamst. Wenn das seine Solidarität ist, dann reagierst du auch nicht auf seine albernen „Fass“-Befehle.
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Labels: Erzählungen, Marion Zerbst, Tiere
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