'Nico in Mirathasia' von Veronika Aretz
Wenn plötzlich alles anders ist ... Ein Kinderbuch mit Problemthema. Der 13-jährige Nico ist durch einen Unfall an den Rollstuhl gefesselt. Für ihn bricht eine Welt zusammen, Freunde und Mitschüler wenden sich von ihm ab und eigentlich ganz alltägliche Dinge sind nun für ihn ein Problem. Hoffnungslosigkeit und Zorn machen ihn immer trauriger – wäre da nicht Mirathasia, das Land, das nur Kinder besuchen dürfen.
Das so fantastisch ist, das nicht mal die ständig ärgernde Bande mit Carlos als Anführer ihn davon abhalten können, es zu besuchen. Denn dort kann er seine Beine wieder bewegen, dort findet er neue Freunde, und außerdem gibt es da noch dieses Mädchen Sarah …
Band 1 der fantastischen Serie um ein Land, in das man nur durch das kindliche Sehen gelangen kann.
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Leseprobe:
Nico sah die Mädchen durch das hohe Unkraut kommen. Sein eben noch lachendes Gesicht erstarrte und wurde ganz fahl. Das durfte doch nicht wahr sein! Gerade erst war er den geheimen Weg hierher geschlichen und unmittelbar darauf erschienen die beiden. Folgten sie ihm etwa auf Schritt und Tritt?
Nur mit Mühe konnte er den Kloß in seinem Hals lösen und seine Freunde warnen: „Achtung!“ Er hatte es geahnt! Janine und Isabelle hatten ihm bereits heute nach der Schule aufgelauert und versucht, ihn auszuquetschen. Sie wussten schon lange, dass er sich mit ein paar Jungs traf und tolle Sachen unternahm – obwohl er nie ein Sterbenswörtchen darüber erzählt hatte. Das konnte er schwören! Der Unterschlupf, den er mit seinen Freunden Lucas, Dominik und Felix fast täglich aufsuchte, war nur für ihre Clique gedacht – und für sonst niemanden.
Hektisch sah sich Nico um. Er musste für sich und seine Kameraden ein Versteck finden! Auf dem alten Bahnhofsplatz lag genügend Schutt herum, meist zerrissene Polster aus den Zügen oder verrostete Teile einer Maschine. Sogar ein ausgebrannter Waggon war dabei, den sie häufig als Picknickplatz benutzten. Das Coole war, dass sie dort Würstchen grillen konnten, ohne in Gefahr zu geraten, alles niederzubrennen. Jeder von ihnen hatte natürlich noch seinen geheimen Platz, wo er sich verbergen konnte. Das musste sein, damit sie nicht gesehen werden, wenn ein Zug vorbeigerauscht kommt. Das Gebiet weiter vorne mieden sie, denn da lag auch schon der Bahnhof. Dicke Stromkabel führten quer über das Gelände und außerdem trieben sich dort häufig Arbeiter herum. Erst vor ein paar Tagen hatten sie sieben Waggons abgestellt.
Mittlerweile hatten die Mädchen sie offenbar doch entdeckt, denn sie winkten ihnen zu. Janine zeigte ein breites Lächeln und warf ihre langen braunen Haare über die Schultern. Auch Isabelle lachte die Jungen an und wippte im Gehen mit ihren Hüften, wie Mädchen das halt manchmal taten. Wie sie so vieles taten, was Jungen nicht verstanden. Sich zum Beispiel umziehen. Die beiden hatten andere Sachen an als heute Morgen in der Klasse. Nette Sachen. Aber auf die Idee, sich etwas Neues anzuziehen, wäre Nico trotzdem nie gekommen.
„Woher wissen die hiervon?“, brauste Dominik auf. Stirnrunzelnd blickte er Nico an. „Ich hab dich heute mit Janine und Isabelle zusammen gesehen. Hast du uns verraten?“
Nico ballte die Fäuste. „Nein! Ich hab nichts verraten! Das würde ich niemals tun!“
Aber sie mussten ihm gefolgt sein. Sie mussten gesehen haben, wie er sich durch die Büsche gezwängt hatte und dann durch das Loch im Zaun geschlüpft war. Vielleicht hätte er sich doch besser noch einmal richtig umschauen sollen, dann hätte er die Mädchen wahrscheinlich rechtzeitig bemerkt. Die Jungen hatten sich geschworen, niemandem auch nur ein Sterbenswörtchen über diesen Ort zu erzählen. Jetzt aber war ihr Geheimnis für immer verloren …
„Hi!“, rief Janine schon von Weitem und schwenkte dabei einen prall gefüllten Beutel. „Wir wollen bei euch mitmachen!“
„Wie habt ihr uns gefunden? Hat Nico uns etwa verpetzt?“, platzte es aus Felix heraus.
„Nein, nicht direkt“, antwortete sie und wiegte den Kopf hin und her. „Wir sind ihm gefolgt. Aber rausbekommen hätten wir es sowieso.“
Also doch! Nico wollte vor Scham im Boden versinken.
„Das wirst du büßen!“, fauchte ihn Felix auch schon an.
„Ich hab doch gar nichts gesagt!“, protestierte Nico. „Ich hab nicht mal …“
„Halt die Klappe! Du machst alles nur noch schlimmer!“ Felix straffte sich, bevor er sich den beiden Mädchen wieder zuwendete.
„Wir haben euch was mitgebracht. Sozusagen als Einstand“, säuselte Isabelle. „Ich hab Kuchen und Limo.“ Sie hielt den Beutel bereitwillig auf, damit die Jungen einen Blick hineinwerfen konnten.
„Und ich hab Nüsse und Schokoriegel“, ergänzte Janine ebenso begeistert und klimperte mit den Wimpern. Sie strahlte, als Dominik anerkennend die Augenbrauen hob. Er war ein Vielfraß, das wusste jeder. Ihn hatten sie also bereits eingewickelt, aber bei den anderen würde ihr Bestechungsversuch ins Leere laufen. Da war sich Nico ziemlich sicher.
„Schokoriegel?“, fragte Lucas auch prompt.
Nico stöhnte auf. Lucas war der Jüngste in ihrer Clique und leicht zu beeinflussen.
Immerhin guckte Felix die Mädchen ziemlich grimmig an. „Verschwindet!“, sagte er, doch längst nicht so böse, wie Nico es sich gewünscht hätte. „Für euch ist hier kein Platz!“
„Oookaaayyy …“ Janine zog das Wort in die Länge. Ihr Lächeln hatte sich in ein Grinsen verwandelt, ganz beiläufig, aber Nico erkannte es sofort. „Tja, das ist schade. Isabelle, dann müssen wir doch noch bei Herrn Siebendorf vorbei. Er ist sicher froh, wenn wir …“
„NEIN!“
Nico hatte es ausgerufen, voller Zorn und Abscheu. Sie wollten tatsächlich beim Bahnhofsvorsteher petzen gehen, wollten sie glatt erpressen! Der Mann würde ihr ganzes Reich zerstören und alles vernichten, was sie sich hier aufgebaut hatten.
„Wartet mal!“ Felix hielt Janine am Ärmel fest. „Darüber können wir doch reden. Vielleicht finden wir ein kleines Plätzchen für euch.“
Dominik grunzte, aber Nico konnte nicht erkennen, ob es zustimmend oder ablehnend war. Vielleicht hielt er sich auch nur aus der ganzen Sache raus, um es sich mit Felix nicht zu verscherzen, der sich hier eindeutig als Boss aufspielte.
„Kommt mit in unser Versteck!“, wandte sich Felix nun an Isabelle und Janine. „Gleich müsste ein ICE vorbeirattern. Wäre doch blöd, wenn uns einer hier sehen würde.“
Nur widerwillig folgte ihnen Nico. Er war enttäuscht. Sie hätten die Mädchen lieber vom Grundstück verjagen sollen, sie rausekeln oder was auch immer. Ihr Geheimnis würde sich so schnell in der Schule herumsprechen wie Hitzefrei im Sommer – und dann wäre es aus mit ihrer Freiheit.
Im Kindle-Shop: Nico in Mirathasia: Wenn plötzlich alles anders ist ... (Sarah & Nico (Qindie) 1)
Labels: eBooks, Kinder, Kinderbücher, Veronika Aretz
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