29. Juni 2017

'Millionärin wider Willen: Elenas Haus' von Brigitte Teufl-Heimhilcher

Weiter geht es mit Elena, der glücklichen Lottogewinnerin, und ihrer Familie.

Nachdem Elena ihren Gewinn in ein Mietshaus investiert hat, beziehen ihr Sohn Axel und seine Familie eine der Dachgeschosswohnungen. Doch Axel ist wenig begeistert, als seine Schwester Kerstin ihre neue Anwaltskanzlei ebenfalls dort einrichtet und ihren Freund, der plötzlich als Alleinerziehender dasteht, gleich daneben einquartiert. Und was wird Elenas Freund sagen, wenn ihr Ex-Mann Ossi das alte Hofgebäude in eine Atelierwohnung umbaut?

Mit Umsicht und Tatkraft versucht Elena, alle Interessen unter einen Hut zu bringen – ob ihr das gelingen wird?

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Leseprobe:
„Zu einer ordentlichen Teestunde gehören eine ostfriesische Teemischung, Sahne, Kluntjes und Apfelkuchen“, sagte Elena und goss den heißen Tee über die riesigen Kandisstücke, die leise knackten. Dann stellte sie die Teekanne auf das Stövchen und lehnte sich behaglich in ihrem Fauteuil zurück.
„… und etwas Zeit“, ergänzte Henriette, die ihr gegenüber saß.
„Allerdings. Ich hoffe, du hast genug davon mitgebracht. Wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht gesehen.“
„Fast ein halbes Jahr. Zuletzt haben wir uns in diesem netten Biergarten getroffen, als du von Gut Landau zurückkamst. Weißt du noch? Du warst ziemlich euphorisch, weil du deiner Familie an diesem Wochenende endlich von deinem Lottogewinn erzählt hast und Helmut Burger dir so hilfreich zur Seite gestanden war.“
Die Erinnerung an Gut Landau zauberte ein Lächeln auf Elenas Gesicht. „Das waren wirklich schöne Stunden. Gut, dass wir sie genossen haben, die Zeit danach war ziemlich anstrengend.“
Henriette probierte ein Stück vom Apfelkuchen, dann lehnte sie sich mit der Teetasse in der Hand zurück. „Jetzt erzähl schon. Ich platze vor Neugier. Du hattest ja nicht einmal Zeit für ein ordentliches Telefonat.“
Ein ordentliches Telefonat dauerte bei Henriette nicht unter einer Stunde, E-Mails las sie hingegen nur selten und Smartphones lehnte sie rundweg ab. Das hatte den Kontakt in den letzten Monaten nahezu zum Erliegen gebracht.
„Das Traurigste an diesem Sommer war, dass Ossis Mutter, Rosalia, gestorben ist.“
„Ich weiß, du hast mir eine Todesanzeige geschickt. Sie war fast 89. Irgendwann müssen wir alle gehen.“
Elena nickte. „Erschütternd war es dennoch, weil es so unerwartet kam. Sie starb an den Folgen eines Unfalls. Ein Lastwagenfahrer hatte sie in der Abenddämmerung übersehen, als sie von einer Nachbarin nach Hause ging. Ossi war völlig neben der Spur.“
„Das geht bei ihm bekanntlich schnell.“
Seit Elenas Scheidung war Henriette nicht gut auf Ossi zu sprechen.
„Jedenfalls waren Yvonne und ich in den Ferien einige Zeit im Waldgau und haben versucht, ihn ein wenig aufzumuntern.“
„Ich nehme an, ihr wart erfolgreich.“
„Ja und nein. Yvonne hat ihn dazu überredet, sich einen Facebook-Account anlegen zu lassen. Sie meinte, das sei einfach total notwendig. Das bezweifle ich zwar, aber es schien ihn zumindest ein wenig zu beschäftigen. Solange wir bei ihm waren, war auch alles gut, aber das Alleinsein setzt ihm zu.“ Sie seufzte. „Zumindest haben wir ihm geholfen, Rosalias Sachen auszumustern. Yvonne fand das total spannend. Da waren Dinge dabei, die kannte sie überhaupt nicht.“
„Zum Beispiel?“
„Rosalia besaß noch Lockenwickler aus Metall, Netzhandschuhe, eine gehäkelte Handtasche aus Bast, aber am meisten amüsiert hat sie sich über ein altes Bettjäckchen.“
„Kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Kids wissen heute ja nicht einmal mehr, was eine Telefonzelle ist“, warf Henriette lachend ein.
„Ossi war dann im September ein paar Tage hier und dieses Wochenende fahren Axel, Yvonne und Maren zu ihm, damit er zu Allerheiligen nicht allein ist.“
„Apropos Axel. Ich habe mir sein Buch gekauft und es auch gelesen. Ich fand es superspannend und hochinteressant. Wie verkauft es sich?“
„Könnte besser sein, sagt Maren. Aber er nimmt sich auch viel zu wenig Zeit für die Werbung. Pia Moser meint, er müsse es laufend bewerben. Aber du kennst ihn ja. Werbung in eigener Sache, das liegt ihm gar nicht.“
„Das kann ich gut verstehen, aber muss er als Neo-Politiker nicht genau das machen?“
„Er sagt, das Werben für die Partei sei etwas ganz anderes, denn dabei ginge es einzig und allein um die Sache.“
„Ihm vielleicht“, sinnierte Henriette. „Bei anderen geht es bedauerlicherweise um alles andere, nur nicht um die Sache. Und wer ist Pia Moser?“
„Pia war Bezirksrätin wie Axel, hauptberuflich ist sie Journalistin und Autorin. Ich fürchte übrigens, die beiden hatten im vergangenen Winter ein Verhältnis.“
„Ehrlich?“
„Leider. Scheint aber vorbei zu sein. Dennoch arbeitet sie seit Kurzem in seiner Partei mit.“
„Weiß Maren davon?“
„Ich glaube nicht. Zumindest ist nichts zu mir durchgedrungen. Aber zurück zu Axels Politkarriere. Seit er die Ökologische Mitte gegründet hat, arbeitet er wie noch selten in seinem Leben und redet mit einem Enthusiasmus über seine Arbeit, das glaubst du nicht.“
„Doch. Habe ich nicht immer gesagt, der Bub ist begabt und leistungsbereit, er hatte einfach nur noch nicht das richtige Betätigungsfeld gefunden.“
Das hatte Henriette tatsächlich gesagt, und Elena hat es auch gern geglaubt. Doch in den letzten Jahren hatte sie den Glauben daran mehr und mehr verloren.
„Ökologische Mitte ist ein guter Name für eine Partei, was meinst du?“
„Doch, ich habe sie sogar gewählt.“
„Aus Überzeugung oder aus alter Loyalität?“
„Beides“, schmunzelte Henriette und nahm sich noch ein Stück vom Apfelkuchen.
„Hast du übrigens seine Online-Zeitung schon gelesen? Er nennt sie Plusminus, weil nicht nur über ‚Bad News‘ berichtet wird.“
Henriette schüttelte verneinend den Kopf: „Du weißt ja, online und Henriette schließen einander aus.“
„Solltest du aber, so viele ‚Good News‘ findest du sonst nirgends. Macht wirklich Spaß, sie zu lesen.“
„Sollte er eines Tages eine richtige Zeitung herausgeben, werde ich zu den ersten Abonnenten gehören. Sag ihm das.“
„Und du meinst, eine richtige Zeitung ist aus Papier?“
„Exakt. So wie ein richtiges Buch aus Papier besteht. Aber wie auch immer, jedenfalls hat Axel endlich seinen Weg gefunden.“
„Absolut. Trotzdem hätte er Maren beim Umzug in die Dachgeschoss-Wohnung in der Nelkengasse nicht so hängenlassen dürfen.“ Es war Elena anzuhören, was sie davon hielt.
„Wie ich dich kenne, bist du für ihn eingesprungen.“
„So gut ich eben konnte. Was hätte ich denn sonst machen sollen?“
„Und das Haus in der Nelkengasse ist jenes, das du mit dem Geld aus dem Lottogewinn gekauft hast?“
Elena nickte zustimmend, trank von ihrem Tee und fuhr fort: „Kerstin ist Maren auch zur Hand gegangen, sie hat im Moment ohnehin nicht allzu viel zu tun.“
„Ich dachte, sie will eine eigene Kanzlei eröffnen?“
„Das hat sie auch, aber zurzeit arbeitet sie noch von zu Hause, weil ihr neues Büro, ebenfalls in der Nelkengasse, erst dieser Tage fertig wird. Der Vormieter ist leider später als erwartet ausgezogen. Aber sobald das neue Büro fertig ist, will sie richtig loslegen.“
„Wird ihr sicher guttun, ein paar Wochen etwas leiser zu treten. Aber nun zu dir. Wie lebt man so, als Hauseigentümerin?“
„Als Hauseigentümerin lebt man wie früher auch, zum Glück erledigen das Meiste Helmuts Kanzlei oder eben der Steuerberater. Helmuts Idee, das Geld aus dem Lottogewinn in ein Mietshaus zu stecken und den Kindern einzelne Wohnungen zu schenken, war goldrichtig. Kerstin hat ihre zweite Wohnung übrigens an meinen Nachfolger Klaus Fritsch vermietet.“
„Du hast damals erwähnt, dass sich die beiden … angefreundet haben. Ist da etwas Ernstes daraus geworden?“
„Wie ernst das ist, kann ich dir nicht sagen. Du weißt ja, über Kerstins Gefühlswelt war ich noch nie besonders gut informiert.“
„Na, haben sie jetzt ein Verhältnis oder nicht?“
„Nachdem sie gemeinsam ein paar Tage Urlaub gemacht und seinen Vater im Allgäu besucht haben, ist wohl davon auszugehen. Habe ich dir übrigens erzählt, dass ich Klaus‘ Urlaubsvertretung übernommen habe?“
„Hast du. Hat’s Spaß gemacht?“
„Sehr. So sehr, dass ich mich anschließend habe bequatschen lassen, diese Allergiebekämpfungsmethode zu erlernen. Deswegen war ich im Oktober dann auch drei Wochen in Baden, dort fand nämlich der Kurs statt.“
„Aber du warst dieser Methode gegenüber doch immer etwas skeptisch.“
Elena lächelte. „Wer heilt, hat halt recht, und du weißt ja, Kerstin geht es viel besser, seit sie sich von Klaus Fritsch behandeln lässt. Leider hat die Schulmedizin bei Allergien und Unverträglichkeiten immer noch wenig anzubieten. Mit Schulmedizin hat das Ganze auch nicht allzu viel zu tun. Trotzdem gebe ich Klaus recht, wenn er sagt, diese Methode gehört in die Hand von Medizinern. Möchtest du noch ein Stück Kuchen?“
„Ich hatte doch schon zwei, aber zur Feier des Tages lasse ich mich noch zu einem überreden. Hast du vielleicht auch einen Schluck Rum für den Tee?“
„Selbstverständlich. Wie konnte ich das nur vergessen?“, lachte Elena und erhob sich.
Wenig später brachte sie ein Kristallkännchen mit Rum und zündete eine Kerze an, denn es wurde bereits dämmrig.
Als sie wieder Platz genommen hatte, sagte sie: „Weißt du, nachdem Kerstin solche Erfolge mit dieser Methode hatte, dachte ich mir, es gibt so viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht erklären können. Warum nicht eine Methode versuchen, die vielen Menschen helfen kann, auch wenn ich sie immer noch nicht hundertprozentig durchschaut habe.“
„Stimmt schon. Ich durchschau ja auch nicht, warum ich eine Mail bekomme, nur weil du auf einen Knopf drückst“, warf Henriette ein.
„So ähnlich habe ich mir das auch gedacht. Jedenfalls helfe ich Klaus seither an zwei Nachmittagen pro Woche in der Praxis. Er hat durch diese Methode bereits so viele neue Patienten, dass er einfach nicht genügend Termine anbieten konnte.“
„Schön für ihn, aber übernimmst du dich auch nicht? Gemeinsam mit deinem Engagement bei den ‚Ärzten ohne Grenzen‘ bist du wieder ganz schön im Einsatz.“ Die Besorgnis war Henriette anzuhören.
„Kein bisschen. Es geht mir richtig gut, seit ich wieder etwas Vernünftiges zu tun habe.“
„Und was ist mit Helmut?“
Elena lächelte verschmitzt. „Der ist mit seiner Kanzlei ja auch noch voll im Einsatz. Aber es gibt Anlass zur Hoffnung. Er hat mich sogar in Baden besucht und ist übers Wochenende geblieben.“
„Hört, hört! Seid ihr jetzt … Ich meine, habt ihr …?“
Elena nickte und spürte, wie sie leicht errötete. Also wirklich, sie war doch kein Schulmädchen mehr. Zeit, das Thema zu wechseln. Resolut sagte sie: „So, jetzt aber zu dir.“
„Nur nicht ablenken. Erst will ich noch wissen, wie das jetzt so ist mit euch beiden. Was soll daraus werden?“
Elena rührte in ihrer Teetasse. „Um ehrlich zu sein, das wissen wir selbst noch nicht genau. Im Moment ist es gut, so wie es ist.“

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Mehr über und von Brigitte Teufl-Heimhilcher auf ihrer Website.

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