27. Juli 2017

'Nett Working' von Ulla B. Müller

Liebe, waterproof

Sich neu zu verlieben könnte so einfach sein, wenn es bei Luisa nicht unbedingt unter Wasser passieren müsste. Bevor die taffe Büroassistentin abtauchen kann, um ihren Traumfroschmann aufzuspüren, muss sie zwei Dinge auf Vordermann bringen: Ihren Kontostand und ihre Figur. Alles nicht so easy! Ihr neuer Job entpuppt sich als Drahtseilakt, und das Fitnessarmband, mit dem die Pfunde nur so purzeln sollen, bringt nichts als Ärger. Wenn Sascha, ihr stets gut gelaunter Tauchlehrer, nicht wäre, hätte sie längst alles hingeworfen. Aber ist dieser allseits beliebte Sportfreak wirklich nur an ihr interessiert?

Ganz anders dagegen Luisas Kollege Alex. Der attraktive Laborleiter mit der hinreißend tiefen Stimme ist zwar zurückhaltend, aber dafür hilft er ihr immer wieder liebevoll aus der Klemme. Schade! Etwas mehr sportlicher Kampfgeist könnte bei dem charmanten Kerl Wunder wirken, findet sie. Stattdessen zieht Alex Bahnen im Hallenbad! Altmodischer geht es ja wohl nicht, oder?

„Nett Working“, das Lesevergnügen mit dem Frischekick für alle modernen Frauen, die Spaß an neuen Trends, Fitness und gefühlvollen Liebesgeschichten haben.

Gleich lesen: Nett Working - Liebesroman

Leseprobe:
Das war er also! Luisa bekam eine Gänsehaut. Noch nie hatte sie solch ein riesiges Exemplar gesehen. Diese Länge! Diese elementare Kraft, die die Muskeln unter seiner samtigen Hülle vermuten ließen! Einfach atemberaubend!
Am liebsten hätte sie den Arm ausgestreckt, um ihn zu berühren. Doch bevor sie diesen Schritt wagen konnte, musste sie wissen, wie Jacques dazu stand. Sie drehte den Kopf zu ihm und sah ihn fragend an. Er wusste, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dieses Prunkstück der Schöpfung zu berühren. Aber er gab ihr mit der flachen Hand ein klares Stoppzeichen. Danach bewegte er die Hand waagerecht auf und ab. Im gleichen Atemzug deutete er auf Pierre, den Kameramann, der sich ganz vorsichtig rückwärtsbewegte.
Luisa hatte verstanden. Sie reduzierte die Schwimmbewegungen ihrer Arme und Beine auf ein Minimum. Jacques Cousteau, die beiden Männer der Calypso und sie konnten ihr Glück kaum fassen. Sie waren in diesem Augenblick so dicht an dem riesigen Walhai, dass es viel zu riskant war, ihn durch eine Berührung zu erschrecken. Mit einem kräftigen Schlag seiner riesigen Antriebsflosse hätte er die Tauchgruppe in Lebensgefahr gebracht.
Zu schwebenden Neoprenpuppen erstarrt verfolgten sie das langsame Weiterziehen des Giganten. Als er hinter einem Makrelenschwarm verschwunden war, deutete Luisa dem Leiter der Expedition per Handzeichen an, wie fasziniert sie von dem Ereignis war. Jacques nickte ihr verständnisvoll zu. Im nächsten Moment wies er in die Richtung, in die der Tauchgang fortgesetzt werden sollte.
Von gleichmäßigen Flossenschlägen angetrieben glitt Luisa hinter der Tauchgruppe durch das warme Wasser des Riffs. Ruhig und monoton atmete sie durch die Maske ein und aus. Das sanfte Blubbern der Luftblasen, die aus dem Mundstück ihres Atemgeräts zur Wasseroberfläche perlten, wirkte beruhigend, ja, fast hypnotisch. Sonnenstrahlen fielen durch das kristallklare Wasser und ließen den Sandboden zwischen den Korallenbänken und den umherquirlenden Fischen hell und überdeutlich aufleuchten. Wie in Trance sog Luisa die phantastischen Farben und Formen dieser Wunderwelt in sich auf. Herrlich, diese Schwerelosigkeit ihres Körpers! Wie ein winziges, unbedeutendes Etwas schwebte sie in der unfassbaren Weite des Ozeans dahin.
Mit einem Mal hielt sie in der Abwärtsbewegung inne und betrachtete fasziniert einen Schwarm weiß gebänderter Clownfische, die im wogenden Wasser eine Seeanemone umschwirrten. Als sie über die Riffkante hinwegschwamm, tat sich ein Abgrund auf, der so tief war, dass sie den Boden nur schemenhaft erkennen konnte. Finster war es dort unten, aber Angst hatte sie keine. Mit geschmeidigen Beinschlägen paddelte sie gemeinsam mit den anderen tiefer und tiefer, die Arme dicht an den Körper gelegt.
Da! Was war das? Aus weiter Ferne drang ein dumpfes Alarmsignal an ihre Ohren. Beunruhigt stoppte Luisa ihre Beinbewegungen und lauschte. Kam das Geräusch etwa von ihrem Atemgerät? Mit einem Mal hatte sie das Gefühl, nicht mehr tief genug durchatmen zu können. Panik breitete sich in ihr aus. Während sie immer angestrengter nach Luft rang, versuchte sie die Quelle des Geräuschs auszumachen, das nun grässlich laut und ganz dicht an ihrem Kopf losschrillte. Mein Gott, sie bekam nicht genug Sauerstoff! Für ein zügiges Auftauchen war sie bereits viel zu tief. Gleich würde sie ohnmächtig werden und leblos in die Tiefe sinken. Am liebsten hätte sie um Hilfe geschrien, aber mit einer Tauchermaske auf dem Gesicht? Und wo waren plötzlich die anderen abgeblieben?
Beim nächsten Losschrillen des Alarms riss Luisa die Augen auf. Für eine Sekunde starrte sie schwer atmend ins Schwarze. Dann begann sie so wild mit Armen und Beinen zu rudern, dass ihre Bettdecke im hohen Bogen auf den Boden segelte. Sie war gerettet! Befreit durchatmend starrte sie erst zur Zimmerdecke, dann auf den Wecker, der statt der Alarmintervalle nun einen nervigen Dauerton von sich gab. Warum mussten ihre schönsten Träume immer so ernüchternd enden? Kein sanftes Auftauchen, kein Boot, das an der vereinbarten Stelle auf sie wartete und kein Froschmann, der sie zärtlich in seine starken Arme schloss!
Kaum hatte sie den Wecker zum Verstummen gebracht, fuhr ihr der nächste Schreck in die Glieder. Es war bereits kurz vor halb acht. Ganze zweiunddreißig Minuten blieben ihr, um sich frisch zu machen, adrett anzuziehen, fünf Kilometer durch den dichtesten Berufsverkehr zu preschen und die hundert Meter vom Parkplatz bis zu ihrem neuen Arbeitsplatz in Rekordzeit zurückzulegen. Und das nicht, wie vor kurzem noch, in bequemen weißen Jeans, Klinik-Kasack und Reformhaus-Sandaletten, sondern im schicken, engen Rock mit Bluse und Pumps. In ihrem alten Job in der Privatklinik am Schloss wäre es kein Problem gewesen, ein paar Minuten zu spät zu kommen. Da hatte man morgens eine halbe Stunde Gleitzeit zur Verfügung. Doch seit genau zwei Tagen war sie keine unterbezahlte, teilzeitbeschäftigte medizinisch-technische Assistentin mehr, sondern eine vollzeitbeschäftigte Schnittstelle. So jedenfalls hatte ihr Frederic Marlow die Stelle beim Einstellungsgespräch beschrieben. Dabei vertraute er ihr auch seine Erleichterung an, als er beim Durchsehen der unzähligen Bewerbungen auf sie gestoßen war. Auf ihren erstaunten Blick hin hatte er versichert, dass nur sie die passenden Fähigkeiten mitbrächte. »Ihre Aufgabe, Frau Paulus, ist es ab jetzt, unser Labor und die Produktion informationstechnisch mit der Unternehmensleitung, also mit mir, zu verbinden. Der heiße Draht sozusagen.« Für die ungewollte Zweideutigkeit seiner letzten Worte entschuldigte er sich sofort: »Bitte, nicht falsch verstehen!«
Während sich Luisa von einer roten Ampel zur nächsten vorarbeitete, dachte sie abermals über den seltsamen Verlauf des Einstellungsgesprächs nach, und wieder wurde ihr ganz flau im Magen. Nicht, weil ihr neuer Vorgesetzter attraktiv und ungewöhnlich zuvorkommend gewesen war. Eher wegen ihrer Verunsicherung, der ihn dazu veranlasst hatte, ihr Mut zu machen. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Paulus«, hatte er ihr zugeraunt. »Das kriegen wir schon hin.«
Das väterliche Wir in seinem verbalen Rettungspaket hatte dann langsam ihre Schreckstarre gelöst. »Verwaltungsarbeit ist zwar absolutes Neuland für mich, aber ich versichere Ihnen, dass ich mich schnell und gewissenhaft einarbeiten werde«, hatte sie mit geröteten Wangen geantwortet. So eine Chance bekam man schließlich nur einmal! Auf keinen Fall durfte sie den Eindruck erwecken, sie könne mit ihrer zukünftigen Arbeit überfordert sein.
»Ich werde Ihnen die anfallenden Aufgaben bis ins Detail erklären. Außerdem können Sie jeder Zeit Herrn Dr. Urdenbach, unseren Laborleiter, fragen, wenn Ihnen etwas unklar ist. Und dann warten wir einfach mal ab, wie Sie zurechtkommen.«
»Danke. Das ist wirklich sehr nett von Ihnen«, war Luisas betretene Antwort gewesen. Bei dem Wort zurechtkommen hatte sie sofort das große, unausgesprochene Fragezeichen in seinem Blick gesehen. Schon klar, ein geschmeidiger Einstieg sah anders aus!
Umso erstaunter war sie über sein wohlwollendes Nicken gewesen, bei dem er einen Zipfel seines Oberlippenbarts mit den Fingern zwirbelte.
Für längeres Haar in männlichen Gesichtern hatte sie nicht viel übrig. Dennoch musste sie zugeben, dass der extravagante Schnäuzer dem stämmigen Mann guttat. Er gab ihm etwas Nobles und lenkte von den kindlich kleinen Ohren ab. Sein akkurater Kurzhaarschnitt wirkte dagegen so einfallslos wie der eines Bundeswehrrekruten. Luisa schätzte ihren neuen Chef auf Ende dreißig. Mit dem hellen Seidentuch in der Brusttasche seines Anzugs hätte er gut in ihrer Lieblingsfernsehserie mitwirken können. Die männlichen Hauptdarsteller spielten darin überwiegend reiche, gutaussehende Aristokraten. Als Regisseurin hätte sie ihm allerdings die Rolle des intriganten Gegenspielers verpasst. Aus welchem Grund konnte sie gar nicht genau sagen. Wahrscheinlich hatte es mit weiblicher Intuition zu tun, dass sie gleich bei der ersten Begegnung nach dem Haar in der Suppe suchte. Vielleicht lag es auch daran, dass ihr Frederic Marlow einfach einen Deut zu nett und zu hilfsbereit war.

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