'Echo des Lebens' von Gabriele Popma
Kindle (Unlimited) | Taschenbuch |
Mit siebzehn verliebt sich Marion in den Studenten Simon, der ihr hilft, ihr freudloses Elternhaus für eine Weile zu vergessen. Doch dann wird plötzlich ihr ganzes Leben aus den Fugen gerissen.
Jahre später hat sie ihren Weg gefunden und ist mit ihrer Familie glücklich. Da schlägt das Schicksal erneut zu und katapultiert sie in eine Lage, der sie sich nicht gewachsen fühlt. Zwei Freunde eröffnen ihr neue Perspektiven, doch damit fangen die Probleme erst richtig an. Marion muss Entscheidungen treffen, für die sie noch nicht bereit ist, und von denen dennoch ihr ganzes Glück abhängt.
Wird sie die Kraft haben, sich den neuen Herausforderungen zu stellen?
Leseprobe:
Das aufdringliche Schrillen des Handys durchschnitt die Stille in dem kleinen Büroraum. Der Ton war durch die Tasche, in der es steckte, deutlich gedämpft, doch Marion zuckte heftig zusammen. Sie saß über einer komplizierten Abrechnung und wollte sich nicht ablenken lassen. Egal, wer es war, er würde sich gedulden müssen.
Ihre Kollegin Julia, die ihr gegenüber saß, lachte. »Du brauchst mal einen vernünftigen Klingelton. Nicht so eine Sirene. Gehst du nicht ran?«
Marion seufzte. Ihre Konzentration war beim Teufel, also konnte sie das Gespräch genausogut annehmen. Sie nestelte das Handy aus ihrer Handtasche, die unter dem Tisch stand, als es verstummte.
»Problem gelöst«, grinste Julia.
Marion sah auf die Nummer. Die Vorwahl stammte aus ihrem Heimatort, aber ansonsten war sie ihr unbekannt. Sie würde nach Arbeitsschluss am Mittag zurückrufen. Auch eine neue WhatsApp-Nachricht hatte sie erhalten. Sie lächelte, als sie die Zeilen ihres Mannes las. ›Meine Konferenz fällt aus. Mache heute blau und fahre gleich heim‹, hatte er vor einer Stunde geschrieben. ›Vielleicht können wir nachmittags mit Stefanie rodeln gehen oder sonst was unternehmen. Hab dich lieb.‹
Eine gute Idee. Ihre Tochter würde sich über einen unverhofften Ausflug freuen.
Als sie das Handy zurück in die Tasche steckte, klingelte das Telefon, das zwischen den Schreibtischen stand. Julia sah sie an. »Du oder ich?«
»Du. Ich hatte heute früh schon etliche Gespräche. Ich muss diese Abrechnung fertig kriegen, bevor ich gehe.« Marion drehte sich zu ihrem Computer und hörte nur noch mit halbem Ohr, wie sich Julia mit dem Namen der Versicherungsgesellschaft, für die sie arbeiteten, meldete.
»Frau Degenhart? Ja, die ist hier. Einen Moment.«
Marion seufzte. Als sie die Hand nach dem Telefonhörer ausstreckte, warf sie Julia einen fragenden Blick zu.
»Jemand vom Klinikum Fürstenfeldbruck«, raunte die Kollegin, während sie die Telefonmuschel mit der Hand abdeckte.
»Wegen einer Abrechnung?« Noch mehr Arbeit. Marion stöhnte innerlich. »Degenhart«, meldete sie sich und erwartete, mit den Versicherungsdaten eines Patienten konfrontiert zu werden. Doch dann wurde sie blass. Julia hielt in ihrer Arbeit inne und beobachtete sie. Marion umklammerte den Hörer so fest, dass ihre Fingerknöchel langsam weiß wurden.
»Was ist los?«, fragte Julia alarmiert.
»Ja, natürlich, ich komme gleich«, murmelte Marion. »Auf Wiedersehen.«
Julia stand auf und lief um ihren Schreibtisch herum. Marion hielt immer noch den Hörer in der Hand, hatte ihn aber sinken lassen. Behutsam legte Julia ihre Hand auf die Schulter der etwas älteren Kollegin. Langsam und wie aus tiefer Trance erwachend, sah Marion auf.
»Was ist passiert?«, wiederholte Julia.
»Mein Mann hatte einen Unfall.« Marions Stimme war nur ein leises Wispern.
»Einen Unfall? Mit dem Auto?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Du glaubst?«
»Sie haben mich nur gebeten, sofort zu kommen.« Ein Schauer durchlief Marion, doch er riss sie aus ihrer Starre. Sie ließ das Telefon achtlos fallen, während sie aufsprang und nach ihrer Jacke und Tasche griff. »Ich muss sofort hin.«
Julia schüttelte den Kopf. »Ich lasse dich auf keinen Fall fahren. Du bist viel zu aufgewühlt. Ich bringe dich hin.«
»Das musst du nicht.«
»Doch, das muss ich. Ich sage nur schnell Bescheid.«
Stumm starrte Marion durch die Windschutzscheibe. Es schneite schon wieder und sie kamen nur langsam voran. Sie war Julia dankbar für den Fahrdienst. Sie bezweifelte, dass sie sich im Moment auf den Verkehr konzentrieren konnte. Der Ring um ihre Brust zog sich immer enger zusammen und nahm ihr die Luft zum Atmen. Ihr Mann war verunglückt und es war schlimm. Sie wusste einfach, dass es schlimm war. Es war nur ein Gefühl und sie hoffte mit aller Macht, dass es sie trog. Fröstelnd zog sie den Reißverschluss ihrer gefütterten Jacke höher.
»Mach dir nicht so viele Sorgen«, versuchte Julia sie aufzumuntern. »Wahrscheinlich hat er nur ein paar Kratzer.«
»Dann hätte er selbst angerufen.«
»Vielleicht kann er nicht, weil sie ihn gerade verarzten. Sie haben deine Nummer doch sicher von ihm bekommen. Bestimmt hat er einfach darum gebeten, dich zu informieren.«
Marion atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen, doch es gelang ihr nicht. »Er hat in der Brieftasche einen Zettel mit allen Nummern, unter denen ich zu erreichen bin. Nein, ich fühle es ganz deutlich: Es ist etwas Furchtbares passiert.«
»Hoffentlich nicht.« Julia ließ die Freundin für den Rest der Fahrt in Ruhe. »Soll ich mitkommen?«, fragte sie, als sie vor dem großen Gebäudekomplex hielt.
»Lieb von dir, aber das kann dauern. Du könntest dich um meine Abrechnungen kümmern.«
»Du hast vielleicht Nerven.« Julia schüttelte den Kopf. »Das sollte jetzt deine geringste Sorge sein. Sag ihm einen Gruß von mir.« Sie nickte der Kollegin noch einmal aufmunternd zu, bevor sie wendete und zurückfuhr.
Marion sah ihr nach und fröstelte. Sie hatte Angst, das Krankenhaus zu betreten. Sie glaubte einfach nicht, dass Julia recht hatte. Irgendein unbestimmtes Gefühl sagte ihr, dass eine schreckliche Nachricht auf sie wartete. Es war wie ein lähmendes Entsetzen, das sich in ihre Glieder schlich.
Sie holte tief Luft. Vielleicht machte sie sich wirklich nur verrückt. Sie hasste es selbst, dass sie sich andauernd um alles Mögliche sorgte. Ihr Mann zog sie immer damit auf, dass sie viel zu jung für Sorgenfalten wäre, aber sie hatte in den letzten Jahren einfach zu viel verloren, um nicht ständig in Alarmbereitschaft zu sein.
Wie es ihm wohl ging? Sie würde es nie erfahren, wenn sie weiter vor dem Krankenhaus stand und die Fassade hinauf starrte. Seufzend setzte sie sich in Bewegung. Erst bei der Anmeldung blieb sie stehen.
»Mein Name ist Marion Degenhart«, sagte sie zu dem älteren Mann, der sie freundlich ansah. »Ich bin angerufen worden.«
»Ah ja.« Der Angestellte nickte. »Ich sage gleich Bescheid. Nehmen Sie doch bitte einen Moment Platz.«
Nach kaum fünf Minuten wurde sie von einer Schwester abgeholt.
»Frau Degenhart? Ich bin Schwester Ina. Würden Sie bitte mitkommen?«
Sie stand auf. Bildete sie es sich nur ein oder hatte die Schwester ihr einen mitleidigen Blick zugeworfen? Der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer.
»Bitte sagen Sie mir, was mit meinem Mann ist«, presste sie mühsam hervor. »Wie geht es ihm?«
»Er hatte einen schweren Unfall, Frau Degenhart«, meinte die junge Schwester leise. »Der behandelnde Arzt, Herr Dr. Drescher, möchte mit Ihnen sprechen.«
So schlimm war es also, dass sogar der Arzt mit ihr reden wollte, bevor sie ihren Mann sehen durfte? Marion wurde schwindelig. Die Wände schienen auf sie zuzukommen und sie zu erdrücken. Sie tastete nach einem Halt.
Schwester Ina legte ihr eine stützende Hand auf den Arm. »Möchten Sie sich einen Moment setzen?«
»Nein, danke, es geht schon.« Marion presste die Lippen aufeinander. Sie wollte endlich wissen, wie es ihrem Mann ging.
Der Marsch durch die Gänge erschien ihr endlos. Wie lange waren sie bereits unterwegs? Fünf Minuten? Zehn? Oder waren es erst Sekunden? Sie bewegte sich wie in einem Nebel, ohne jegliches Zeitgefühl. Der lähmende Schrecken hatte sie wieder im Griff und verhinderte, dass sie einen vernünftigen Gedanken fassen konnte. Erst, als die Schwester an eine Tür klopfte und sie nach einer kurzen Ankündigung eintreten ließ, schaffte sie es, die Benommenheit abzuschütteln. Gefasst trat sie auf den Arzt zu, der von seinem Schreibtisch aufgestanden war. Er musste etwa Mitte Fünfzig sein und lächelte sie so warm und aufmunternd an, dass Marion wieder zu hoffen begann.
»Bitte nehmen Sie Platz, Frau Degenhart.«
»Bitte, was ist mit meinem Mann?«
»Wie es den Anschein hat, ist er auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern gekommen und hat die Kontrolle über seinen Wagen verloren. Er hat sich mehrmals überschlagen und ist dann gegen einen Baum geprallt.«
Vor Marions innerem Auge lief der Unfall wie auf einer Kinoleinwand in 3D ab. Ein eiskalter Schauer ließ sie erzittern. Sie wollte das nicht hören. Sie wollte zurück an die Arbeit und einfach so weitermachen wie bisher. Dann würde ihr Schatz auch am Abend zu ihr nach Hause kommen. Er würde sie küssen und sie fragen, wie ihr Tag gewesen war. Und sie würde sich an seine Schulter schmiegen und ihn nie wieder loslassen.
»Im Moment wird Ihr Mann operiert«, fuhr Dr. Drescher fort. »Eine Schwester wird Ihnen noch die nötigen Formulare bringen, die Sie bitte ausfüllen.«
»Wie schlimm ist es?« Marion hörte ihre eigene Stimme kaum.
»Ich will Ihnen nichts vormachen, Frau Degenhart. Der Zustand Ihres Mannes ist sehr ernst. Aber nicht hoffnungslos ...
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Labels: Gabriele Popma, Liebe
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