'Mordsherz: Nordseekrimi' von Ulrike Busch
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Wie ein Orkan fegt die Nachricht durch St. Peter-Ording: Buchhändlerin Magdalene Paulsen sitzt auf der Aussichtsdüne Maleens Knoll – tot, in der Hand ein zerbrochenes Lebkuchenherz.
Kürzlich erst hatte die Endfünfzigerin im Lotto gewonnen. Nun suchte sie auch privat das späte große Glück. Hat Magdalene zu viel gewollt? Ist es ein Zufall, dass sie auf der sagenumwobenen Düne starb? Der Aussichtspunkt ist nach einer Namensvetterin benannt, die dort einst vergeblich auf ihren Liebsten wartete.
Tammo Anders und Fenna Stern sind sicher: Der Mord hat mit Geld oder Liebe zu tun. Die Suche im engsten Umfeld der Toten erweist sich als schwierig. Doch dann stellen die Ermittler dem Täter eine Falle.
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Leseprobe:
Bis zum Sonnenuntergang dauerte es nicht mehr lange. Der Wind legte sich und diese seltsame Stille trat ein, die sich an Sommerabenden über Strand und Meer ausbreitete, als bedeckte jemand die Seelandschaft mit einer unsichtbaren Hülle, um sie zu schützen.
Hanne nahm Abschied von dem friedlichen Anblick. In gleichmäßigen Schritten marschierte sie zur Seebrücke und dann über dieses hölzerne Konstrukt, das sich scheinbar endlos lang dahinzog, zurück in den Ort.
Ihr Fahrrad wartete an einem der Ständer vor dem Blumenladen auf sie. Sie löste das Schloss, schwang sich in den Sattel und fuhr los.
Es ließ ihr keine Ruhe. Auf der Fahrt zu ihrer Wohnung machte sie einen Umweg zum Haus von Magdalene. Brennende Neugier war es, die sie dorthin trieb.
Lene hatte ein Haus gemietet, das einer Frau gehörte, die aus Sankt Peter-Ording stammte, aber seit Jahren in Düsseldorf lebte. Es lag jenseits der Landstraße, die den Ort der Länge nach in zwei Bereiche teilte – einen, der zur Seeseite hin lag, und einen, der zum Landesinneren hin ausgerichtet war und der an weite Felder und Wiesen grenzte. Das Haus war von einem üppigen Garten umgeben. Magdalene hatte die Natur geliebt.
Auch Falk und seine Frau wohnten in dieser Gegend. Ob Magdalene sich deshalb ein Haus auf dieser Seite des Dorfes gesucht hatte? Hatte der Wunsch, ihm nahe zu sein, über die Jahrzehnte hinweg nie nachgelassen?
Hanne brachte das Rad zum Stehen.
Vor der Gartenpforte des Hauses lagen Blumengebinde verstreut. Brennende Kerzen standen dazwischen. Grablichter mit eingebrannten Motiven – fliegenden Tauben, die einen Palmzweig im Schnabel trugen. Zeichen der Anteilnahme von Menschen, die um Magdalene trauerten.
Ein Gedanke gab Hanne einen Stich ins Herz. Wie wäre das, wenn sie selbst gestorben wäre? Würden die Bewohner von Sankt Peter-Ording auch für sie Blumen hinterlassen und Kerzen anzünden?
Unschlüssig stand Hanne da, die Hände auf dem Lenker, einen Fuß auf den Boden gestemmt, den anderen auf dem Pedal. So verharrte sie eine Weile.
Plötzlich spürte sie einen Krampf in der Wade. Sie stieg vom Rad und dehnte das Bein. Als der Muskel sich entspannte, hob sie sich wieder auf den Sattel und fuhr zum Blumenladen zurück.
Sie stellte einen Strauß aus Lilien, blauem Limonium und weißen Nelken zusammen. Dazu wählte sie Blätter der Schildblume und etwas Lederfarn. Zum Schluss entschied sie sich noch für eine blaue Distel. Sie legte die Pflanzen auf dem Tresen ab, schaltete das Radio ein, damit es nicht so unheimlich still im Ladenlokal war, und begann, den Strauß zu binden.
Das fertige Gebinde hielt sie mit ausgestrecktem Arm in die Luft und betrachtete es.
Ihr Blick wanderte weiter zum Fenster.
Ob Magdalene sehen konnte, was sie für sie tat?
Die Sonne war untergegangen, und die Dunkelheit brach ein. Es wurde Zeit, sich auf den Weg zu machen. Sie notierte, welche Pflanzen sie entnommen hatte. Das Geld für den Strauß würde sie morgen in die Kasse legen. Sie schloss den Laden wieder ab, deponierte das Blumengebinde im Fahrradkorb auf dem Gepäckträger und machte sich erneut auf zu Magdalenes Haus.
Die Straße lag gespenstisch ruhig da.
Hanne summte vor sich hin und lachte über sich selbst. Es war ihr, als versuchte sie, Geister zu verscheuchen, die schemenhaft sichtbar um sie herum tanzten. Dunst stieg über den Feldern auf, wie sie bei fortschreitender Dunkelheit erkennen konnte. Und wer wusste schon, welche Seelen sich dahinter verbargen?
Sie würde sich nicht lange aufhalten. Mit eingezogenem Kopf hielt sie vor Magdalenes Haus an und lehnte das Rad gegen den Gartenzaun. Sie hob den Strauß aus dem Fahrradkorb. Vorsichtig wickelte sie ihn aus dem Papier und legte ihn ab.
Er war unter all den Gebinden, die dort lagen das schönste. Sie schob die anderen Sträuße etwas beiseite, legte ihre Blumen in die Mitte und ordnete einige Kerzen so an, dass sie die Blüten erleuchteten.
Ein bewegender Anblick.
Sie faltete die Hände. Was würde sie zu Magdalene sagen, wenn sie wüsste, dass die verstorbene Freundin sie hören konnte?
Hanne schrak zusammen.
Ein schwacher Lichtschein fiel durch ein Fenster im oberen Stockwerk und streifte den Gehweg. Wie der Schein eines Leuchtturms war er aufgetaucht und nach wenigen Sekunden wieder verschwunden.
Sie drückte die Hand auf die Brust.
Da, wieder ein Licht, wieder nur für zwei Sekunden. Galt das ihr? Sie blickte sich um. Das Feld gegenüber dem Haus lag völlig im Dunkeln. Etwas raschelte in den Sträuchern, die die Grenze zur Straße markierten.
In Panik griff Hanne nach dem Fahrradlenker. Sie schob das Rad auf die Straße und blickte noch einmal in das obere Stockwerk von Magdalenes Haus.
Plötzlich erhellte der Lichtstrahl für einen Moment ein Gesicht hinter dem Fenster. Das war doch ... Satan!
Sie rettete sich auf den Sattel und trat in die Pedale, als ginge es um ihr Leben.
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Labels: Bücherbord, Ulrike Busch
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