2. Dezember 2011

Sind billige eBooks Ramsch?

Für unabhängige Autoren ist es eine knifflige Frage, mit welchem Preis sie ihre eBooks versehen. Einerseits wollen sie es ihren Lesern leicht machen, ihre Arbeiten kennen zu lernen, andererseits spüren sie die Gefahr, über den Preis ein negativ besetztes Qualitätssignal zu geben. Hält der Leser für weniger professionell, was wenig kostet?

Diese Gedanken sind begründet, denn noch orientieren sich Leser instinktiv am gewohnten Preisniveau des Buchhandels. Billige Bücher kennen sie nur vom Wühltisch mit den als Mängelexemplar gekennzeichneten Ladenhütern. Und die Verlage, die ihre Titel auch als eBook herausgeben, versuchen überwiegend, preislich möglichst nah an der Printausgabe zu bleiben. Genau genommen sind diese Preise nicht gerechtfertigt, müssten doch die Kosten für Druck, Logistik und Distribution bei der Kalkulation von eBooks eigentlich herausgerechnet werden.

Mit den wachsenden Möglichkeiten für Autoren, ihre Werke selbst digital zu publizieren, ist ein neues Marktsegment entstanden, auf das sich die Leser erst langsam einstellen. Es ist für sie eine neue Situation, dass unabhängige Autoren alle Fäden selbst in die Hand nehmen und ihre Bücher vermarkten. Etwas gesunde Skepsis ist dabei nur verständlich. Und um die Überwindung genau dieser Hürde geht es, wenn Autoren ihre Texte für ein Trinkgeld oder kostenlos anbieten. Sie wollen Leser finden, sich vorstellen, ihre Arbeit präsentieren. An Gewinn ist dabei zunächst nicht zu denken, der könnte höchstens als Ziel in weiter Ferne winken, wenn ein Autor eine große Zahl von Lesern überzeugt und an sich bindet.

Eine neue Perspektive ist nötig: Auf dem Markt der eBooks wimmelt es von Einladungen zu Lese-Erlebnissen, die es in dieser Form noch nie gegeben hat. Für ein paar Cent gibt es Entdeckungsreisen, die ganz nah an die Autoren führen, oft bis in ihre Schreibwerkstatt hinein. Wer die Instrumente des Internet nicht scheut, kann Feedback geben, Kontakt aufnehmen, weiteren Autoren begegnen - lebendiger und persönlicher geht es kaum. Leser, die sich auf dieses Abenteuer einlassen, werden schnell die Favoriten ihres Lieblingsgenres ausfindig machen und nicht mehr missen wollen.

Natürlich wird es auch Fehlgriffe geben. Wo gibt es sie nicht? Die Geschmäcker sind verschieden. Auch zwischen Buchdeckeln im Bestseller-Regal lauert einiges, was man persönlich als ärgerlichen, unerträglichen, langweiligen Fehlkauf abhaken muss. Doch bei eBooks geht da noch was: Hat der Fehlerteufel zugeschlagen, rutschen Formate durcheinander, holpert da etwas in der Handlung - der Leser kann eine gute Geschichte retten helfen, indem er den Autor darauf hinweist. Denn auch die Autoren lernen gerade, alle Arbeitsphasen vom Lektorat bis zum Layout selbst zu bestreiten. Wenig später kann dann garantiert eine überarbeitete Fassung auf den Reader geladen werden - und der Leser darf sich als Teil des Buches fühlen. Man stelle sich dies einmal bei einem gedruckten Buch vor.

Also keine Scheu vor eBooks für kleines Geld. Sie sind das Ticket in eine neue Lesewelt.

(c) Lutz Schafstädt, 2011 

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5 Kommentare:

Am/um 20. Dezember 2011 um 00:52 , Anonymous Nadja Leitner meinte...

Da es von Johannes Zum Winkel oben erwähnt wurde, muss ich mich hier mal als absoluter Indie-Autoren-Fan (welch seltsame Wortneuschöpfung) für diese aussprechen. Denn, Indie-Autor ist nicht immer auch gleichbedeutend mit unlektoriert.
Ich bin mir sicher, Herr Zum Winkel meinte das nicht negativ (es klang jedenfalls nicht so, oder?) aber ich weiß, dass auch viele Indie-Autoren Wert auf ein gutes Lektorat legen. Und das äußert sich übrigens auch in den Verkäufen.
Betrachtet man zum Beispiel die Sparte der historischen Romane auf amazon, so spielen dort seit Monaten die Indie-Autoren David Gray und Emily Bold ganz vorne mit.
Bei beiden weiß ich, dass die Bücher lektoriert wurden.
Und das ist auch wichtig, denn es fällt in diesem Fall zwar vielleicht das Kontrollorgan Verlag weg, eine Differenzierungsaufgabe aber bleibt. Sie fällt nun dem Leser zu. Und über kurz oder lang kann auch der Leser ein lektoriertes von einem unlektorierten Buch unterscheiden.
Die Tatsache, dass ein Lektor notwendig ist, ist und bleibt für mich bestehen unabhängig von der "independence" eines Autors.
Allerdings möchte ich Herrn Zum Winkel in sofern recht geben, dass Indie-Autoren in der Wahl ihrer Lektoren wohl wesentlich ungebundener sind, als die Riege der Verlagsautoren.
Das äußert sich dann häufig auch in den Strukturen des Textes, die wesentlich charakteristischer für den jeweiligen Unabhängigen sind, als es die Verlagsbücher, meiner Meinung nach, jemals sein können.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich wie schon erwähnt ja ein Fan der entstehenden "Indie-Bewegung" bin (wenn man es mal so nennen darf) und daher natürlich eine gewisse Voreingenommenheit vorhanden ist.

In diesem Sinne wünsche ich jetzt erstmal eine gute Nacht und eine besinnliche Vorweihnachtszeit! :-)

 
Am/um 18. Mai 2012 um 15:36 , Anonymous DetlevCrusius meinte...

Es ist ein Unterschied, ob ich Kurzgeschichten verfasse (Mein russisches Tagebuch) oder einen Roman mit 300 Seiten. Auf 20 Seiten behalte ich den Überblick, auf 300 Seiten oder mehr schaffe ich das nicht.
Korrektorat - da gibt es genügend Software und Online-Hilfen und es werden täglich mehr. Aber ist eine Geschichte spannend oder nicht, das sagt mir jemand, der das Buch einfach mal "gegenlist".
Wenn mir der Leser sagt - das Buch ist nicht spannend, dann ist es zu spät. Ich muss es vorher wissen und das sagt mir nur ein kritischer Testleser, wobei ich das Wort Lektor vermeiden möchte. Wenn der TestleserIn auch noch Schreibstil begutachtet - um so besser. Aber Blähwörter finde ich auch anders und Blähtexte (um nicht zu sagen Blödtexte) erkenne ich inzwischen selbst.

Gruß
Detlev Crusius

 
Am/um 13. Juli 2012 um 17:24 , Anonymous Kai Blum meinte...

Ich kann mich Nikola anschließen: Ich gehöre auch zu jenen Autoren, die einen Verlag haben, aber dennoch Freude am Experimentieren empfinden. Durch die Arbeit mit einem Verlag habe ich viel gelernt und ein Lektorat sowie ein professionelles Layout und Cover-Design gehören für mich einfach dazu, auch wenn ich das selber bezahlen muss.

Die Erfahrungen der Indie-Autoren finde ich sehr wertvoll und die Preisgestaltung bereitet mir wirklich Kopfzerbrechen. Ich möchte den Preis eigentlich niedrig halten, mache mir aber Sorgen, dass das Buch dann von den Lesern möglicherweise übergangen wird. Deshalb: Vielen Dank für diesen Beitrag und an alle, die ihre Meinung dazu geschrieben haben!

Viele Grüße,
Kai

 
Am/um 25. August 2012 um 14:12 , Anonymous DetlevCrusius meinte...

Ich möchte das Thema noch einmal aufgreifen, auch, weil es sich immer dann stellt, wenn man gerade etwas veröffentlichen will. Das ist aktuelle bei mir „Der Plan - Marionetten, Teil 4“.

Ich denke und rechne wie folgt. Veröffentliche ich ein Buch über einen Verlag, bringt mir das 1,75 pro Buch. Der Kunde zahlt 19,80. Beim Taschenbuch ist es ähnlich, der Kunde zahlt 12 Euro (rund), ich bekomme -,50 Euro.

Will ich das verdiene, was mir der Verlag zahlt, kann ich das eBook für 0,99 bis 2,99 verkaufen. Dann verdiene ich, was ich bisher verdient habe und der Leser kauft schneller ein zweites drittes Buch von mir. Mir geht gerade durch den Kopf, dass ich auf das Cover den Satz schreiben sollte – Beim Buchhändler müssten Sie 12 Euro zahlen. Also überlegen Sie nicht so lange!

Ferner – ein 450 Seiten Buch oder, wie ich es habe, 1.200 Seiten (Kasino Rossija) als eBook zu einem einigermaßen vernünftigen Preis zu verkaufen, ist kaum möglich, solange man nicht Dan Brown oder Ken Follett heißt. Also teile ich die 450 oder 1.200 Seiten in mehrere Portionen von jeweils 100 bis 200 Seiten an den Stellen auf, dass das Lesen trotzdem Spaß macht, und verkaufe jede Fortsetzung für 0,99 Euro. Die Einzelbücher sind auch als Fortsetzungen bezeichnet. 1.200 Seiten sind 6 – 7 Einzelbücher = 6 - 7 x 0,99. Das funktioniert und das macht Spaß. Wenn der erste Teil vom Inhalt schon schlecht ist, werden die Folgen nicht gekauft. Wenn ich beim dritten Teil von 1.200 Seiten merke, es hakt, dann kann ich mir Gedanken über den Inhalt / Spannung machen und die Folgen entsprechend umbauen. Einige Monate nach den Veröeffentlichungen schiebe ich noch einen Sammelband hinterher - 7 Bücher zum Preis von 5 = 4,99.

Alles, was ich zukünftig schreibe, werde ich nach diesem Muster anlegen. Es berücksichtigt auch den Trend weg vom „dicken Schmöker“, hin zur kurzen Geschichte.

Das sind meine Überlegungen. Die AutorenInnen, die nur schreiben, weil sie der Welt was Gutes tun wollen, weil es Hobby ist und die überhaupt nicht an den schnöden Mammon denken, müssen diese Überlegungen nicht anstellen. Ich bin da anders.

Detlev

 
Am/um 19. Oktober 2012 um 13:30 , Anonymous Anonym meinte...

Ich entdecke gerade die Welt der eBooks aus Leser-Perspektive und habe mir tatsächlich die gleiche Frage gestellt: kann ein Buch für 99 Cent etwas taugen? Frei nach Motto "was nix kost, is auch nix"? Nun, ich habe es einfach mal ausprobiert, denn 99 Cent tun mir eben auch nicht weh. Und mittlerweile bin ich - immer mit diesem Gedanken im Hinterkopf - begeistert dabei, weitere günstige eBooks (das heißt bei mir so bis 2,99 etwa - dann allerdings für mind. 200 Seiten) einfach auszuprobieren. Ja, das geht schonmal schief (aber dann waren es ja nur 99 Cent) - aber ich hatte auch schon viel Spaß damit. Also liebe Autoren: gerne weiter so - Ihr werdet zumindest von mir nicht als Ramsch abgetan ;-)

 

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