31. Juli 2012

'Durchkreuzte Pläne' von Evelyn Sperber-Hummel

Sieben Kurzgeschichten über aufgewühlte Gefühle. Eine Frau gerät in Panik, sie ist nachts allein im Haus, die Balkontür quietscht, Schritte in der oberen Etage. Ein Spieler verzockt sein Leben. Im Schatten des Mondes lauert ein Serienmörder. Ein Horoskop führt auf die Spur der Wahrheit. Jemand wird Zeuge eines Mordes und will fliehen. Um solche Themen ranken sich die Geschichten in diesem Buch. Und immer sind Liebe und Hass, Sucht und Leidenschaft im Spiel.

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Leseprobe aus "Nur ein Techtelmechtel":
Nicht schon wieder, dachte Jasper, als er abends von der Arbeit kam. Ute saß am Küchentisch, ihr Gesicht war bleich und auf den Wangenknochen glühten die verräterischen Flecken. Sie glühten immer, wenn etwas Schreckliches ins Haus stand. „Nanu“, sagte er, „wieso bist du noch hier? Es ist Mittwoch, fährst du nicht zu deinen Astrologen? Ich habe heute Morgen extra die Straßenbahn genommen und dir das Auto da gelassen.“
Sie antwortete nicht.
„Mal wieder was Unangenehmes im Anmarsch?“ Er warf einen Blick auf das Horoskop, das vor ihr lag und den Vermerk ‚Eilt sehr!’ trug. Sie schob es ihm wortlos hin. Eine Stelle hatte sie rot markiert. Er las: Am 27. September dieses Jahres wird Ihnen etwas Furchtbares begegnen. „Wann ist das gekommen?“
„Vorhin. Ein Bote hat es gebracht.“
Er warf das Blatt auf den Tisch. Zorn stieg in ihm auf. Es war lächerlich, wie sehr Ute an die Sterne glaubte. Eine Frau von 38 Jahren! Vor sechs Monaten war sie einem astrologischen Zirkel beigetreten. Ein Experte erstellte den Mitgliedern Horoskope, die er ihnen in unregelmäßigen Abständen schickte. Und nun wurde ihr für diesen Tag kurzfristig etwas Schreckliches prophezeit. Was sollte schon passieren? „Ist doch alles Quatsch. Die Sterne können nicht in die Zukunft sehen.“ Er stand auf und holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. „Und dein Zwillingsbruder, was sagt Dieter zu der bedrohlichen Vorhersage? Oder ist ihm diesmal etwas anderes prophezeit worden als dir?“
„Dieter ist tot.“
In die Stille, die sich in der Küche ausbreitete, dröhnte das laute Summen des Kühlschranks. Jasper setzte sich hin. Er wollte etwas sagen, ihm fielen keine passenden Worte ein. Es war wie vor ein paar Wochen, als Ute ihm auf den Kopf sein Verhältnis mit einer seiner Mitarbeiterinnen zugesagt hatte. Du betrügst mich, hatte sie gesagt und wollte wissen, wer diese Frau war. Auch damals brannten auf ihren Wangen rote Flecke. Er hatte ihr den Namen nicht genannt. Wozu? Ein Techtelmechtel war’s gewesen, nichts weiter. Er hatte es längst beendet. „Woran ist er gestorben?“, fragte er.
„In seinem Auto war eine Bombe.“ Ute sprach leise und stockend.
Jaspers Kehle wurde trocken. Mechanisch öffnete er die Bierflasche, trank keinen Schluck, saß stumm da.
Eine Detonation zerfetzte die Stille. Jasper sprang auf und rannte zum Fenster. Das Auto, das er morgens aus der Garage geholt und vors Haus gestellt hatte, war geborsten. Ute trat neben ihn. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Keine roten Flecken, nur noch aschgraue fahle Haut. Sie stand da und starrte auf das Autowrack. Er wollte fluchen, das Entsetzen, das sich in ihm festkrallte, hinausbrüllen, beherrschte sich mühsam, seine Hände zitterten, als er Ute den Arm um die Schultern legte. „Komm“, sagte er und seine Stimme krächzte. Sie ließ sich ins Wohnzimmer führen, sanft legte er sie aufs Sofa, schob ihr ein Kissen unter den Kopf, deckte sie mit einer Wolldecke zu und wischte ihr die Schweißperlen von der eiskalten Stirn. „Ich rufe die Polizei.“ Er ging zum Telefon.
In Utes Kopf rotierten die Gedanken. Am 27. September wird Ihnen etwas Furchtbares begegnen. Der gleiche Satz hatte in Dieters Horoskop gestanden. Jetzt war er tot. Und ich wäre auch tot, wenn ich... Wer wusste, dass ich heute zu unserem Zirkel fahren wollte? Jasper hat mir das Auto vors Haus gestellt. Der Gedanke, der sich durch ihren Kopf quälte, schnürte ihr die Kehle zu. Jasper. Er wusste, dass ich heute...
Er kam zurück, beugte sich über sie und ergriff ihre Hand. Sie zog sie ihm weg, schlug die Decke zurück und sprang auf. „Rühr mich nicht an“, flüsterte sie und wich vor ihm zurück.
„Ute!“ Er wollte sie in die Arme nehmen. Sie stieß ihn von sich. „Du warst es!“ Sie sprach so leise, als habe sie Angst, jemand Fremdes könnte hinter dieses ungeheuerliche Geheimnis kommen. „Du wolltest mich los sein. Wegen dieser Frau, von wegen Techtelmechtel und längst beendet.“ Ihr Atem ging zitternd, stoßweise.
„Du bist ja verrückt.“ Er ging auf sie zu.
„Geh weg!“ Kein Flüstern mehr, sie kreischte, im kalkweißen Clownsgesicht leuchteten runde rote Flecke. Sie rannte aus der Küche in den Flur. Jasper folgte ihr. Sie riss die Tür zum Gästezimmer auf, stürzte hinein. Er rüttelte an der Klinke. Ute hatte sich eingeschlossen.
Es klingelte an der Haustür. Er öffnete, zwei Polizeibeamte, ein Mann und eine Frau, standen draußen. „Sie ist im Gästezimmer“, sagte er. Wieso sagte er das? Völlig zusammenhanglos. Die waren doch wegen des Autos gekommen, nicht wegen seiner Frau.
„Kriminalkommissarin Hanne Merk“, stellte die Frau sich vor und zeigte ihren Ausweis. Sie war zierlich, einen Kopf kleiner als er, vielleicht Mitte vierzig, „das ist mein Kollege Kommissar Behrens.“ Behrens war wuchtig, breitschultrig und wirkte neben seiner Kollegin wie ein Koloss. „Die Spurensicherung kümmert sich schon um das Auto“, sagte er.
Jasper ließ sie eintreten.
„Im Gästezimmer? Wer ist im Gästezimmer?“, fragte Hanne Merk.
„Meine Frau, sie tut sich was an, ist völlig durchgedreht.“
Aus dem Gästezimmer drangen stöhnende Laute.

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