21. August 2012

'Dämonengeburt / Das Blutkreuz der Templer' von Norman Nekro

Der „Pilotfilm“ zur Froebius!-Serie. Professor Froebius wird nachts auf das Schloss eines mysteriösen Grafen gerufen, dessen Tocher in den Wehen furchtbare Qualen erleidet. Der Medicus leitet erfolgreich die Niederkunft ein - doch als er das Neugeborene in den Händen hält, weigert sich sein Verstand, das Gesehene zu begreifen.

Ein gestohlenes Templerkreuz aus massivem Silber fängt plötzlich zu bluten an: Der im Sterben liegende Dieb beauftragt Professor Froebius, die unheimliche Reliquie an ihren Ursprungsort, eine zerfallene Kapelle in der Toskana, zurückzubrigen. Doch auch die rechtmäßigen Eigentümer erheben im Namen eines uralten Dämons Anspruch darauf ...

Gleich lesen: "Dämonengeburt / Das Blutkreuz der Templer (Froebius. Im Bannkreis des Unheimlichen 1)"

Leseprobe:
Schnarrend setzten sich die Zuggewichte der wurmstichigen Standuhr in Bewegung, worauf ein dünnes Glöckchen die Mitternacht einbimmelte. Mit einem erschreckten Ächzen fuhr Professor Dr. Johann Jakob Fürchtegott Froebius von dem Folianten hoch. „Bin ich doch wieder eingeschlafen!“, murmelte der hagere Endvierziger in dem bordeauxfarbenen Hausmantel halb verwirrt, halb ärgerlich. Blinzelnd blickte er um sich. Die Kerze, einzige Lichtquelle in dem engen Studierzimmer, war schon fast auf den Rand des bronzenen Ständers heruntergebrannt. Ihr unruhiges Flackern spiegelte sich in einem gläsernen Henkelkrug, der einen abgestandenen Rest Braunbier enthielt. Daneben hatte eine umgekippte langstielige Tonpfeife ihre Asche über den verkratzten dunklen Nußbaumschreibtisch verstreut.
„Man ist eben nicht mehr der Jüngste“, tröstete sich Froebius über seinen unbeabsichtigten Ausflug in Morpheus' Arme hinweg. Er hatte den ganzen Abend das neueste Traktat seines Medizinerkollegen und Freundes Sondermeier aus Königsberg studiert, das in einer druckfrischen ledergebundenen Prachtausgabe vor ihm auf dem Tisch lag. Unter dem Titel „Die heilsame Wirkung des Tabakrauchs bei Erkrankungen der Lunge und der Atemwege“ berichtet der in allen deutschen Fürstentümern bekannte und hoch renommierte Spezialist von seinen erfolgreichen Therapien. Das regelmäßige Inhalieren von Pfeifen- oder Zigarrenrauch, so seine These, bringe selbst Schwererkrankten wenn nicht gerade die endgültige Genesung, so aber zumindest doch eine spürbare Linderung ihrer Leiden.
Froebius nahm sich fest vor, die Therapievorschläge seines Freundes in der eigenen Praxis auszuprobieren.
Seit drei Jahren wirkte er als allgemein anerkannter und beliebter Medicus in einer immer noch von, wie er fand, hoffnungslos altmodischen Fachwerkhäusern geprägten Kleinstadt am Main. Zuvor hatte der examinierte Doktor der Medizin als Feldscher im Dienste des preußischen Jägerregimentes Nr. 23 ebenso unruhige wie gefährliche Zeiten durchlebt. Als dann die Preußen gemeinsam mit ihren britischen und niederländischen Alliierten beim Örtchen Waterloo im fernen Belgien dem größenwahnsinnigen Napoleon endgültigen den Garaus gemacht hatten, war für ihn die Zeit des Abschieds vom Militär gekommen.
Weil er im Feldlazarett das Leben Hunderter armer Teufel durch das fachmännische Abtrennen ihrer zerschossenen Gliedmaße gerettet hatte, erhielt der Ex-Feldscher vom preußischen Kriegsministerium nicht nur einen der spartanischen Staatsphilosophie entsprechenden kargen Ehrensold zugesprochen. Ganz besonders stolz war Froebius auf eine von König Friedrich Wilhelm III. persönlich unterzeichnete Urkunde, die ihn zum Professor der medizinischen Wissenschaft adelte. Als dann aber der ersehnte Ruf an den Lehrstuhl einer renommierten Universität ausblieb, kehrte er in seine Heimatstadt zurück, um dort das beschauliche Leben eines ehrbaren Provinzdoktors zu führen.
Mißmutig räumte der glücklose Professor den Schreibtisch auf. Endlich zu heiraten, sinnierte er dabei, wäre vielleicht doch nicht so schlecht. Eine Ehefrau würde den Haushalt perfekt in Ordnung und ihm so eine Menge unnützer Arbeit vom Leibe halten.
Unten im Erdgeschoß hämmerte es plötzlich gegen die Tür. Die Donnerschläge hallten durch das ganze Haus und brachten die Möbel zum Zittern. Selbst die mechanischen Eingeweide der alten Standuhr protestierten mit einem widerwilligen Knirschen gegen die nächtliche Störung.
Froebius fuhr erschreckt zusammen. „Wer um Himmels Willen kann das sein“, japste er. „Um diese Zeit?“. Hastig fuhren  seine Hände durch die prätorianisch kurz geschnittenen Haare, dann machte er sich auf den Weg zur Haustür. Aufgeregt schwangen die Mantelschöße im Rhythmus der Schritte mit. Als es die engen Holzstiegen hinabging, wäre der Professor fast über die verfluchte dritte Stufe mit dem lockeren Trittbrett gestolpert.

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