23. Oktober 2012

'Ungerecht!' von Tine Sprandel

Ein altes Kloster mit Kreuzgang, Mönchen und Geheimgängen. Das ist die Schule, die Jakob nach dem Umzug der Familie erwartet. Die flapsige Bemerkung des Klassenlehrers über Überwachungskameras veranlasst Jakob, mit Jonny und Danny den Keller zu untersuchen, der an ihr Behelfs- Klassenzimmer angrenzt.

Jonny findet heraus, dass im siebzehnten Jahrhundert zwei Stiftsschüler aus diesem Kloster mit 12 Jahren als Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. So wie damals, vermutet er auch heute eine weitverzweigte Überwachungsaktion im Kloster. Bei der Aufklärung schlittern die Schüler in eine verbotene Situation nach der anderen, sie werden hintergangen und bestraft.

Jakobs neue Klasse ist so turbulent wie ungewöhnlich, doch dann droht ihm der Schulverweis. Ist das alles nicht irgendwie ungerecht?

Gleich lesen: Ungerecht!

Leseprobe:
In Geschichte stemmte Stupps seine Arme in die Hüften und sagte: „Heute werden wir das Kloster besichtigen.“
Das passte prima. Dann brauchte Jakob die Pläne nicht mehr zu suchen.
Die Schüler betraten direkt neben ihrem Klassenzimmer den Speisessaal. Ein kahlköpfiger Mann mit schwarzem Anzug begrüßte sie.
„Ich heiße Pater Heinrich. Sie werden erstaunt sein, dass ich keine Kutte trage“, sagte er. „Heutzutage, tragen wir die Kutte nur wenn wir unseren Dienst in der Gemeinschaft leisten und beim Gottesdienst. Wir haben weltliche Aufgaben, wie unser breites Seminar Angebot für Erwachsene und Jugendliche, ... Führungsqualitäten, Stressbewältigung ...“ Er redete ohne Ende und sie mussten stehen.
Während der Ansprache deckte ein verhuschter Mönch in dunkler Kutte die Tische mit dicken weißen Porzellantellern, solche die unkaputtbar sind. Er verteilte Gläser und murmelte Worte wie: „Ich bin schuldig, oh Herr vergib mir. Meine Gedanken haben gesündigt. Mein Fleisch ist rein. Meine Gedanken haben gesündigt.“
Matts stupste Jakob an. Jakob stupste Friedel an, der wiederum Carlo und so weiter. Dann schob Matts unauffällig einen Teller in die Mitte, Carlo den nächsten. Die Gläser folgten. Der Mönch schaute zu ihnen auf und zurück auf den Tisch, den er soeben eingedeckt hatte. Er schüttelte den Kopf. Er schob die Teller zur Seite. Jedoch nicht an ihren Platz, sondern zu einem Muster. Zuerst das „A“. Es folgte ein zweites „A“. dann ein „S“. Er nahm alle Gläser vom Tisch und von seinem Wägelchen, auf dem das Geschirr stand, und stellte sie zu einer Figur. Eine schwungvolle Linie entstand. Noch ein paar Linien und Jakob erkannte einen Vogel.
„Aasgeier“, flüsterte er.
Der kahlköpfige Pater im Anzug redete und redete.
„Unsere Seminar-Angebote richten sich an Menschen, die für ihr Leben eine neue Richtung suchen, die den Glauben in ihrem Herzen tragen und für einen Moment die Entschleunigung suchen ...“
Daniela hob ihren Arm und fragte höflich: „Entschuldigung, wie viele Mönche leben hier in diesen Gemäuern?“
Der kleine alte Mönch funkelte sie an, und verteilte schnell die Gläser und Teller an ihren richtigen Platz. Meinte er mit „Aasgeier“ die Schüler oder spielte er auf irgendetwas im Kloster an? Selbst ohne die Phantasie eines Jonny Depps musste Jakob sich die Frage stellen.
„Sieben, mein junges Fräulein“, antwortete der Pater. „Ich bin Pater Heinrich, am Tisch arbeitet unser Ältester, Pater Richard, nachher werden Sie Pater Anders kennen lernen, die vier anderen arbeiten gerade in den der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Bereichen.“
„Singen, sie sollen singen, damit ihre Seelen rein bleiben“, murmelte Pater Richard zum Tellerwägelchen gewandt.
Carlo schüttelte den Kopf und legte seine Hand an den Hals, als ob er gleich brechen müsste. Matts kicherte. Jonny zauberte einen Stift und ein Stück Papier aus seinem Hemd und zeichnete das Teller- und Gläsermuster ab.
Tatsächlich stimmte Pater Heinrich einen Ton an und ließ sie den Chor „Donna nobis vocit“ singen. Sie standen in diesem alten hohen Raum mit kleinen Tischen und unvorteilhaftem Porzellan und Antibruchgläsern wie Schandflecken eines weltlichen Lebens und Pater Anders ließ seine Arme in die Luft gleiten, als ob er die Stimmen in himmlische Höhen beflügeln wollte. Jakob schüttelte sich. Jonny hielt seine Lippen fest verschlossen und Matts Stimme, tief unten, lag manchmal etwas daneben, trotzdem: Der Gesang klang nach Himmel.
„Hört ihr die Akustik?“, fragte Pater Heinrich hinterher. „Deshalb bauen wir Klöster, deshalb folgt ihre Architektur bestimmten Gesetzen, deshalb suchen Menschen bei uns Verzückung, weil wir hier den himmlischen Sphären näher kommen – nur durch die Hilfe von Gott und seinen vollendeten Werken.“
Die Klasse wurde jetzt unruhig. Die meisten blickten zu Boden. Stupps schaute zur Decke. Der alte Mönch ließ einen Teller fallen, der scheppernd, aber ohne zu brechen auf dem Fliesenboden landete. „Entschuldigung“, sagte er laut. Leise murmelte er „Ich bin dumm, meine Gedanken sind schmutzig, meine Hände falsch.“
Pater Heinrich hüstelte.
„Jetzt ist uns die Zeit davon gelaufen ... können wir noch?“ wandte er sich an Stupps. Der schüttelte den Kopf.
„Ich glaube wir müssen die Führung auf ein anderes Mal verschieben. Bis hierher vielen Dank.“ Er fügte noch ein paar nette Worte hinzu und tätschelte Stupps die Schulter.

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Mehr über und von Tine Sprandel auf ihrer Website.

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1 Kommentare:

Am/um 23. Oktober 2012 um 13:04 , Anonymous Tine S meinte...

Danke Lutz, für die Veröffentlichung! Gruß T

 

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