11. März 2013

'Die Chroniken von Mondoria - Das Artefakt' von Claudia und Urs Muther

Ein High-Fantasy-Roman für Erwachsene mit vielen Kampfszenen.

„Lebt er noch?“ Bei der Frage hob Nogg die Axt etwas höher. „Ja. Aber vielleicht hätte ich ihn nicht am Leben lassen sollen.“ Snip spielte für einen kurzen Moment mit dem Gedanken umzukehren und genau das nachzuholen. „Ich laufe gern zurück“, bot Nogg sich an. „Nein, dafür ist jetzt keine Zeit. Wir bleiben zusammen.“ Ein lautes Seufzen folgte auf Snips Entscheidung. „Ist nur ein Mensch. Davon gibt es doch genug“, murmelte der Ork vor sich hin.

Diese Helden wollen die Welt nicht retten. Sie verlieben sich nicht. Sie suchen magische Artefakte, Abenteuer und anständige Gegner - Monster bevorzugt.

Gleich lesen: Das Artefakt (Die Chroniken von Mondoria 1)

Leseprobe:
Alle Bandenmitglieder versammelten sich in der Mitte des Lagers. Essen und Trinken wurde gebracht, doch keiner rührte etwas an. Vielmehr schauten alle gebannt auf den Turm, als würden sie auf etwas warten. Schließlich öffnete sich die Tür und ein Hobgoblin trat heraus.
Augenblicklich brandete frenetischer Jubel auf. Das konnte nur Yan Tu sein, schoss es Snip durch den Kopf. Mit einem breiten Grinsen näherte sich der Bandenchef seiner Meute. Zwischen seinen Zähnen funkelte es golden. Quer über sein Gesicht, haarscharf am rechten Auge vorbei, verlief eine gezackte Narbe. Auf dem Kopf trug er ein rotes Tuch, das in Piratenmanier gebunden war. Im linken Ohr glitzerte ein goldener Ohrring, der einen Totenkopf darstellte. Seinen muskulösen Körper hatte er ganz in dunkles Leder gekleidet. Zwei lange Messer steckten über Kreuz in seinem Gürtel. Begleitet wurde Yan Tu von vier kräftigen Orks, die sich im Viereck um ihn herum gruppiert hatten. Als er näher kam, teilte sich die Menge vor ihm. Leichtfüßig sprang er auf eine herumliegende Kiste.
Mit einem Mal wurde es mucksmäuschenstill. Dann begann er zu sprechen und zog damit augenblicklich alle in seinen Bann. Er besaß eine sehr angenehme Stimme. Und mit ihr entfaltete sich ein Charisma, das man dem Hobgoblin auf den ersten Blick niemals zugetraut hätte. Die Worte, die aus Yan Tus Mund flossen, legten sich wie ein sanfter Hauch um und auf die Zuhörer und lullten sie vollkommen ein. Es fühlte sich einfach gut an – und richtig. Die Grünhäute gaben sich ganz der Geborgenheit hin. Alles Negative verschwand. Kein Zweifel, keine Angst blieb zurück. Sie waren stark, sie waren groß, sie waren mächtig. Und Yan Tu war ihr Anführer. Der beste, den es geben konnte. Sie riefen jetzt seinen Namen. Erst vereinzelt, dann stimmte die ganze Menge ein: „Yan Tu, Yan Tu…!“
Auch Snip konnte sich dem Einfluss der Stimme kaum entziehen. Nogg hatte bereits in die Jubelschreie mit eingestimmt. Snip überlegte unterdessen, was das Geheimnis des Anführers sein mochte. Spielte da vielleicht Magie eine Rolle? Vorsichtig zog er sein Monokel aus der Tasche und schaute kurz hindurch. Einige magische Gegenstände trug der Hobgoblin bei sich: die Dolche, sein Totenkopf-Ohrring. Doch ob einer davon für dieses Phänomen Verantwortung trug? Snip war sich da nicht sicher. Vielleicht saß diese Art von Magie viel tiefer, wurzelte im Wesen des Hobgoblins selbst. Eins stand aber fest: Diesen Yan Tu durften sie auf gar keinen Fall unterschätzen. Er konnte zu einem wirklich gefährlichen Gegner werden.
Während der nächsten Tage studierten sie die Abläufe im Lager sehr genau. Insbesondere dem Turm schenkten sie viel Aufmerksamkeit. Schnell zeigte sich, dass es durchaus geregelte Abläufe gab. Insbesondere die Wachwechsel beim Turm erfolgten nach einem exakten Plan. Der Turm selbst wurde rund um die Uhr von mindestens einem halben Dutzend Orks bewacht wurde. Dazu kamen die Wächter vor den drei Gebäuden rund um den Turm. Zugang zum Turm hatten nur sehr wenige Krieger. Vermutlich die hochrangigen Truppführer. Alle anderen, die sonst dem Turm zu nahe kamen, wurden von den Wächtern unsanft fortgejagt.

Jeden Abend kam Yan Tu aus seinem Turm, hielt eine Ansprache und mischte sich unter seine Leute, um mit ihnen zu feiern. Doch auch während dieser Zeit blieb der Turm bewacht. Offensichtlich brauchte es eine kleine Armee, um in den Turm hineinzugelangen. Und die hatte Snip gerade nicht zur Verfügung. Immer wieder diskutierte er mit Nogg in der Hoffnung, dass sie irgendetwas übersehen hatten. Aber so sehr sie sich auch mühten – sie fanden einfach keinen gangbaren Weg.
Da kam ihnen der Zufall zur Hilfe. Yan Tu stand gerade wieder vor den Kriegern seiner Bande und hielt eine seiner inspirierenden Ansprachen. Alle schauten wie gebannt auf den Hobgoblin, hingen förmlich an seinen Lippen. Unvermittelt ertönte ein Schrei. Ein weiterer folgte. Die Meute schreckte aus ihrer Trance hoch und schaute sich irritiert um. Aber sie konnten nirgends etwas entdecken. Wieder ertönten Rufe. Die Wächter oben auf dem Grat des Talkessels gestikulierten wild mit den Armen. Alle schauten nach oben. Und da plötzlich zeichnete sich ein dunkler Umriss gegen den dunkelblauen Abendhimmel ab. Er bewegte sich schnell und kam immer näher. Offenbar steuerte er direkt auf das Lager zu. Die Wächter schossen einige Pfeile auf das Wesen ab – aber ohne Erfolg. Jetzt befand es sich bereits im Landeanflug auf das Lager. Seine Schwingen hatten eine gewaltige Spannbreite. Und auch das Wesen selbst besaß riesige Ausmaße.
Was konnte das nur sein? Die Grünhäute stoben auseinander. Nur wenige Sekunden später landete das Monstrum mit einem lauten Krachen auf dem Felsboden. Ein unglücklicher Goblin, der nicht mehr schnell genug wegkam, wurde wie eine Mücke zerquetscht. Der Boden bebte beim Aufprall. Einige Grünhäute gingen zu Boden. Langsam richtete sich das Wesen auf.
Es sah aus wie ein riesiger schwarzer Löwe mit fledermausartigen Schwingen. Die Struktur seiner Haut wirkte wie Marmor. Trotzdem war es beweglich und vor allem schnell. Snip schluckte. Dieses Wesen erinnerte ihn auffallend an die Statuen, die so zahlreich in Quandala herumstanden. Das Gefühl, das er beim Eingang der Bibliothek angesichts der steinernen Wächter verspürt hatte, kehrte zu ihm zurück, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken.
Das Monster blickte sich mit seinen unnatürlich leuchtenden Augen um, legte den majestätischen Kopf in den Nacken und stieß ein lautes Brüllen aus. Zu viel für einige der Grünhäute. Panisch rannten sie davon. Die Leibwachen von Yan Tu hingegen traten vor und stellten sich zwischen ihn und das Monstrum, die Hellebarden zum Schlag bereit. Da griff das Monster auch schon an. Mit einem geschmeidigen Satz hatte es den ersten Wächter erreicht und hieb ihm mit der Pranke den Kopf vom Leib, bevor dieser auch nur die Chance hatte zuzuschlagen. Von allen Seiten drangen nun die Orks auf das Wesen ein.
Yan Tu hatte instinktiv seine Dolche gezückt. Hilfesuchend schaute er zu den Wächtern beim Turm und gab ihnen ein Zeichen. Augenblicklich schnappten sie sich ihre Waffen und stürzten sich ebenfalls in den Kampf. Fast zeitgleich wurde die Tür des Turms von innen aufgestoßen und weitere Orks kamen herausgelaufen. Bei all der Hektik vergaßen sie, die Tür hinter sich wieder zu schließen.

Das war die Chance, auf die Snip gewartet hatte.

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Mehr von und über Claudia und Urs Muther auf ihrer Website www.wortbaukasten.de.

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