13. September 2013

"Der zweite Gral" von Boris von Smercek

Ein geheimnisvoller, packender Thiller. Um an die Formel zur Lebensverlängerung zu gelangen, erscheint manchen Menschen kein Preis zu hoch. Die Gemeinschaft der Gerechten, ein Orden, dessen Wurzeln in die Zeit des dritten Kreuzzuges zurückreichen, existiert bis zum heutigen Tag. Ihr Anliegen: Gerechtigkeit schaffen, wo Recht versagt.

Bei einer Mitgliederversammlung in Schottland wird ein blutiger Anschlag verübt, bei dem fast alle Mitglieder des Ordens ums Leben kommen. Eine der Überlebenden ist Lara Mosehni, und die junge Frau setzt alle Hebel in Bewegung, um die Hintermänner des Anschlags ausfindig zu machen. Die Spur führt in ein kleines Dorf im Sudan, wo immer wieder Kinder, schwangere Frauen und Greise verschwinden, und nach Arabien, wo ein Scheich behauptet, den Heiligen Gral, eine Formel zur Lebensverlängerung, gefunden zu haben ...

Gleich lesen: Der zweite Gral

Leseprobe:
Kobe Kulundu gähnte und streckte sich. Da er die ganze Nacht auf seinem Schreibtischstuhl verbracht hatte, fühlte er sich verspannt und ausgelaugt. Er konnte es kaum erwarten, endlich nach Hause zu fahren, gemeinsam mit seiner Frau zu frühstücken und sich dann ins Bett zu verkriechen.
Er warf einen Blick zur Wanduhr, die über dem Eingang der kleinen, aber behaglich eingerichteten Hütte des Wildhüter-Basiscamps in San-ta-Wani hing. Kurz vor sieben. Noch über eine Stunde bis zum Schichtwechsel.
Kobe Kulundu fuhr sich mit beiden Händen über das rabenschwarze Gesicht, dann durch sein Kraushaar, das an den Schläfen bereits ergraute. Noch einmal gähnte er herzhaft; dann stand er auf, um sich frischen Kaffee aufzubrühen.
Im Allgemeinen liebte Kobe seinen Job. Als Wildhüter des Moremi-Reservats trug er eine große Verantwortung. Außerdem brachte diese Tätigkeit viel Abwechslung. Nur den nächtlichen Bürodienst konnte Kobe nicht ausstehen. Manchmal erschienen ihm die Stunden am Schreibtisch endlos.
Er beschloss, sich zu rasieren und sich die Zähne zu putzen. Als er ins Büro zurückkehrte, war der Kaffee fertig.
Er goss sich eine Tasse ein und ging damit nach draußen, um sich die steifen Beine zu vertreten. Die Sonne war bereits aufgegangen, aber noch war ihr Licht matt, und sie brachte keine Wärme. Erst in einigen Stunden würde sie ihre ganze Kraft entwickeln und das Land in prächtige Orangetöne tauchen.
Kobe Kulundu nippte an seinem Kaffee und fröstelte. Noch lag die Kühle der Nacht über dem Reservat. Er krempelte die Ärmel seiner khakifarbenen Uniform herunter und trank einen weiteren Schluck Kaffee. Dann drehte er eine gemächliche Runde auf der feinsandigen, verdorrten Fläche vor der Blockhütte des San-ta-Wani Basiscamps, während er sich weiter nach seiner Frau und seinem Bett sehnte. Im Büro erwachte das Funkgerät mit statischem Knacken zum Leben. Das war eigenartig. Der einzige Mensch, mit dem Kobe Kulundu über Funk in Verbindung stand, war sein Kollege Carl Tombe, der heute Nacht den Außendienst übernommen hatte. Für gewöhnlich meldete Carl sich nur alle zwei Stunden, um seine Position durchzugeben. Sein letzter Funkspruch lag aber gerade mal eine Stunde zurück. Irgendetwas musste passiert sein.
Kobe Kulundu eilte ins Büro und nahm den Funkspruch entgegen.
»Ich bin’s, Carl.« Die Stimme klang blechern.
»Dachte ich mir schon. Was gibt’s?«
»’ne ziemliche Überraschung, würde ich sagen.«
»Und was für eine?«
»Nun ...« Carl Tombe zögerte. »Das solltest du dir besser selbst ansehen.«
Auch das noch, dachte Kobe Kulundu. »Ist es wichtiger als das Frühstück mit meiner Frau?«
»Würde ich so sagen, ja.«
»Könntest du etwas konkreter werden?«
»Komm einfach her und sieh’s dir an. Und bring etwas Milch mit.«
Kobe ahnte, was das bedeutete. »Wo bist du?«
»Ziemlich genau zwölf Kilometer westlich von meiner letzten Position. Etwa zwei Kilometer nördlich des Boro.« Der Boro war einer der Flussausläufer, die das Okawango-Becken durchzogen.
»Also gut.« Kobe Kulundu seufzte. »In einer halben Stunde bin ich bei dir.«
Die kleine, einmotorige Cessna 172 Skyhawk flog kerzengerade über die morgendliche Savanne, dem Lauf des Boro entgegen. Mit der Sonne im Rücken hatte Kobe Kulundu keine Schwierigkeiten, sein Ziel zu finden. Schon von weitem sah er den Lkw und die Elefantenkadaver; dann erspähte er auch den Wildhüter-Jeep, neben dem Carl Tombe stand und ihm zuwinkte. Kulundu nahm Gas weg, ließ die Cessna einen Bogen beschreiben und landete. Da die Umgebung eben war, konnte er das Flugzeug bis auf wenige Meter an den Ort des Geschehens heranrollen lassen. Er stellte den Motor ab und stieg aus.
Kopfschüttelnd kam er auf seinen Kollegen zu. »Verdammt ...«, murmelte er, während sein Blick von einem toten Elefanten zum anderen wanderte. Die grauen Körper lagen im Umkreis von mehreren hundert Metern verstreut wie eine willkürliche Ansammlung riesiger Findlinge. »Wie viele sind es? Neun?«
Carl Tombe nickte. »Zwei Bullen, sieben Kühe. Und dieses Kalb.« Er führte Kulundu ein paar Schritte weiter um den Lkw herum. An der vorderen Stoßstange hatte er mit einem Seil ein Jungtier angebunden. »Ungefähr ein Jahr alt, würde ich sagen.«
Kulundu nickte. »Die Milch ist im Flugzeug«, sagte er. »Eine Flasche auch. Der Kleine sieht hungrig aus. Am besten, wir futtern ihn erst mal. Dann sehen wir weiter.«
»Ich erledige das. In der Zwischenzeit solltest du einen Blick in den Stauraum werfen.«
»Da würd ich gern drauf verzichten. Beim Gedanken an all die Tiere, die für die Stoßzähne sterben mussten, wird mir übel. Am schlimmsten ist, dass die Kerle, die das getan haben, wieder mal davongekommen sind.«
Carl Tombe grinste. »Diesmal nicht, Kobe. Diesmal nicht.«
Der Laderaum bot ein wahrhaft außergewöhnliches Bild. Im hinteren Teil stapelten sich, wie bei solchen Funden üblich, dutzende von Stoßzähnen. Doch auf der Freifläche davor lagen fünf Männer nebeneinander auf dem Rücken.
Kobe Kulundu stieg auf die Laderampe. Die Wilderer starrten ihn mit großen Augen an, rührten sich aber nicht. Sie waren gefesselt und geknebelt und lagen eng an eng wie Ölsardinen in einer Dose.
Vier der Männer bluteten – einer am Arm, drei an den Beinen. Kulundu verspürte kein Mitleid. Wildererbanden wie diese schlachteten rücksichtslos Elefanten ab, um das Elfenbein außer Landes zu schmuggeln. Diese Verbrecher hatten es nicht besser verdient. Dennoch holte Kulundu seinen Medizinkoffer aus der Cessna und verarztete die Männer, damit ihre Wunden sich nicht entzündeten.
Als er fertig war, gesellte er sich wieder zu Carl Tombe, der auf der Frontstoßstange des Lkw saß und noch immer damit beschäftigt war, das Elefantenbaby zu futtern. Es nuckelte eifrig an der Milchflasche und strich dem Wildhüter dabei unermüdlich mit dem Rüssel über den Kopf.

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