5. März 2014

"The Wings of Kilimanjaro" von Alex Tannen

Im Schrottbus, Kolonialdampfer und Bummelzug durch Ostafrika. Platzende Busreifen bei voller Fahrt. Monatelanger Stromausfall auf Sansibar. Eine Woche Festsitzen im Provinzkaff. Alex Tannens Reisen durch Ostafrika sind eine Herausforderung für Nerven, Zeitpläne und seinen Rücken. Seine Abenteuer sind nicht der Kilimanjaro-Aufstieg oder wilde Tiere in der Serengeti, sondern das schiere Vorwärtskommen von A nach B.

Manche Orte erreicht er nur mühsam – von anderen kommt er kaum weg. Erst nach drei Anläufen schafft er es, mit dem legendären deutschen Kolonialdampfer „Liemba“ über den Tanganjikasee zu fahren. Für manche Tickets existieren gar keine Busse. Wenn Plan B nicht funktioniert, dann sicherlich Plan E. Motorenausfälle, überfüllte Kabinen und Verspätungen, die man nicht in Stunden zählt, sind fest einkalkuliert – genauso wie das schwerverdiente Kilimanjaro-Bier nach der Ankunft. Sein Fazit nach Fahrten in Sammeltaxis, auf Pick-up-Ladeflächen oder im klimatisierten Komfortbus: Obskure Fluggesellschaften dürften statistisch gesehen die sichersten lokalen Transportmittel sein.

Ein Road-Movie in 16 Kapiteln und mit 14 Bildern.

Gleich lesen: "The Wings of Kilimanjaro" von Alex Tannen

Leseprobe:
Sansibar, 31. Januar bis 6. Februar 2010. Das Ausmaß des fatalen Kabelbruchs erschließt sich erst mit dem Einbruch der Dunkelheit: Ganz Sansibar und mit ihr die Inselhauptstadt liegen völlig im Dunkeln. Einzig die Scheinwerfer der Autos werfen sporadisch Licht in die Straßen. Das Hauptstromkabel zur Insel soll kaputt sein, oder die Trafostation. Technisch präzise kann einem niemand erklären, was genau passiert ist, doch die Konsequenzen sind für jeden greifbar: Es gibt seit Monaten keinen Strom auf Sansibar. 600.000 Menschen auf der Hauptinsel eines immerhin halbautonomen Staates haben keinerlei zentrale Elektrizität, da der Strom ausschließlich vom Festland kommt.
Man könnte nun meinen, Kerzenhersteller, Petroleumlampenlieferanten und Batteriehändler hätten Hochkonjunktur. Doch nichts dergleichen: Keine Taschenlampenprozessionen ziehen durch die Straßen, nur wenig Kerzen erhellen die Hütten. Ein einziges Mal sehe ich eine wirklich gute Erfindung, ein Mobiltelefon mit eingebauter Taschenlampe, aber diese Technik hat sich offenbar nicht durchgesetzt. Die Sansibaris scheinen sich in ihr vorübergehend dunkles Schicksal gefügt zu haben.
Chronisch unzuverlässig war das Stromsystem schon immer, nicht untypisch für Afrika, daher haben einige Privatleute, Geschäfte und die Hotels ohnehin eigene Dieselgeneratoren. Doch eine komplette Stromversorgung sicherzustellen, tagelang, ja über Monate, das geht an die Grenzen: finanziell, lärmmäßig aber auch technisch, schließlich können die Generatoren nicht ununterbrochen laufen und auch kein Kraftwerk ersetzen. In den meisten Läden gibt es daher Getränke nur noch in Zimmertemperatur, Bankautomaten sind meist abgestellt, und so ist die strategische Stromplanung Teil der täglichen Urlaubsorganisation. Nur die kleinere Schwesterinsel Pemba, sonst systematisch benachteiligt gegenüber der Hauptinsel, ist erstmals in der Geschichte besser gestellt. Sie verfügt über ein eigenes Kabel zum Kontinent.
Dass die Deckenlampe im Hotel nicht funktioniert oder die Klimaanlage ausbleibt, liegt auf der Hand – aber dass auch die Wasserversorgung, die Dusche oder Toilette streiken, erschließt sich erst im zweiten Moment. Das Lebenswichtigste, zumindest für die Touristen, decken nun die Generatoren ab. An allen Ecken in der Inselhauptstadt lärmen sie, in den zentralen Altstadtgassen stehen sie dicht an dicht vor den Geschäften und Restaurants. In Zanzibar Town bietet jedoch allein das Hotel Serena Inn rund um die Uhr Stromservice. Das Haus hat seit jeher zwei Generatoren, die nun täglich 700 Liter Diesel verbrauchen, um den Pool sauber und die Zimmer kühl zu halten. Dafür hat das Hotel kurzerhand die Zimmerpreise um 20 Dollar erhöht, was nicht nur die Kosten ersetzt, sondern auch die Marktsituation widerspiegelt: Da alle anderen Hotels ihre Stromzeiten gestaffelt haben, ist das Serena ausgebucht. Neben der direkten Lage am Meer und dem üppigen Frühstück schätzen viele Touristen offenbar den Vorteil, nicht auf die Uhr schauen zu müssen, um zu entscheiden, ob sie prophylaktisch auf Toilette gehen oder schnell noch einmal duschen.
Ich wohne im The Africa House, das ebenfalls umfangreichen Elektroservice anbietet, aber nicht rund um die Uhr. Im Gegensatz zum Serena haben sie nur einen Generator und der braucht beim besten Willen einige technische Ruhepausen. Die Zimmerpreise sind daher stabil geblieben. An der Rezeption erhalte ich ein Merkblatt, das über die Stromzeiten informiert, also vor allem darüber, wann die Klimaanlage läuft: Morgens von 5 bis 10 Uhr, dann zwischen 13 und 15 Uhr und von 17 Uhr bis 1 Uhr nachts. Das ist üppig, woanders gibt es nur sechs Stunden täglich. Körperhygiene und abendliches Lesen scheinen also sichergestellt zu sein. Nur vor der nächtlichen Auszeit der Klimaanlage graut es mir ein wenig, schließlich ist Sansibar eine tropische Insel.
Aber was ist das schon verglichen mit den Sorgen der meisten Privathaushalte, die ihr Leben nun weitestgehend ohne Strom organisieren müssen? Manche Familien haben für einen Generator zusammengelegt und erzeugen für ein, zwei Stunden am Abend etwas Strom, um zu kochen und sich zu waschen. Einige Leute kommen aber offenbar mit der Selbstversorgung nicht richtig klar, man erzählt sich bereits wilde Geschichten à la „eine Familie ist erstickt, weil der Dieselgenerator im Zimmer stand.“ In den ersten Tagen des Stromausfalls war sogar der Kraftstoff ausverkauft. Knapp ist er immer noch und überdurchschnittlich teuer. Das Volk wird unruhig, und die Inselregierung und der Präsident von Sansibar sind langsam alarmiert. Denn es half nichts, dass die führende Partei vor einigen Tagen in sozialistischer Manier den Revolutionstag gefeiert hat. Der Strom für die Ansprache des Präsidenten – in der er die Errungenschaften, Erfolge und den Fortschritt der letzten Jahrzehnte gepriesen hat – kam natürlich vom Generator.

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