11. November 2014

"30 Unzen Gold" von Bea Milana

30 UNZEN GOLD ist eine mörderische Erzählung über die Verkäuferin Jolanta. Sie rettet ihrem Mann das Leben, doch dann entdeckt sie mehr als nur ein dunkles Geheimnis.

"Entschuldigen Sie sich nicht zu spät, es kann sie das Leben kosten."

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Leseprobe:
Es war das fehlende Geräusch, das Jolanda am frühen Morgen weckte. Ihre Nerven hatten sich während des Schlafes vollkommen auf die Tür konzentriert. Wie ein Tier mit gespitzten Ohren. Sie hatten gehorcht, ob das feine Geklimper von Metall, das die beiden Umdrehungen des Schlüssels verursachten, dieses Ich-bin-da-Geräusch erklingen würde.
Helles Licht drängte bereits durch die Ritzen des Rollos. Verschwommene Zeiger deuteten eine Uhrzeit an. Er müsste längst da sein.
Entfernt bellte ein Hund. Noch weiter entfernt antwortete ein zweiter. Sie setzte die Brille auf. Schon nach sieben. Sie raufte sich die Haare, die sie am Abend vorher gewaschen hatte, damit sie gut rochen, und zog sich das Kissen über den Kopf. Später schreckte sie hoch. Sie musste noch einmal eingedöst sein, die Tür war bereits geöffnet und er eingetreten. Sie spürte es an dem kühlen Luftzug, der zu ihr nach oben zog. Die gleichen Rituale: das Poltern der Kofferrollen auf dem unebenen, steinernen Boden; der Wurf des Schlüssels in das Körbchen auf der Ablage, doch dieses Mal flog er daneben und landete mit einem metallischen Klirren auf dem Granit der Küchenplatte; das Klacken der Schuhe, mit einem Griff ausgezogen und in die Ecke geschmissen; das Schließen der Tür, ein zweifacher heftiger Ruck, begleitet von einem leisen Fluchen. Seit seiner Abreise war sie verzogen und schloss nur noch mit Mühe.
Nicht lange danach die schweren Schritte, die die Treppe emporstiegen. Sein Atem, seine Lust. Sie wusste alles vorher. Nach achtzehn Jahren weiß man das. Man kennt die immer wiederkehrenden Bewegungen des Mannes an seiner Seite, wie den Wechsel der Jahreszeiten oder den Lauf des Sonnenlichts. Selbst wenn sie blind wäre, würde sie ihn am Rhythmus seiner Bewegungen erkennen. Wenigstens darauf konnte sie sich verlassen.
Mit dem Sex, der selbstverständlich folgen würde, verhielt es sich ein wenig anders. Erstaunlicherweise war er Schwankungen unterworfen, der Dauer der Abwesenheit, der Tageszeit, der Stimmung, des Alkoholeinflusses. Ihr Aussehen war dabei unerheblich. Selbst wenn sie sich eine Mülltüte über den Kopf stülpen würde, würde er sie lieben, oder das tun, was er darunter verstand. Vorerst das raschelnde Geräusch von Stoff, der vom Körper gezogen und fallen gelassen wurde. Auch auf den Holzrahmen des Bettes war Verlass, er knarzte. Vor fünfzehn Jahren, kurz nachdem sie das Bett gekauft hatten, war er gebrochen und von ihm wieder geflickt worden. Seitdem mieden sie heftige Bewegungen. Wer wollte schon mit Karacho auf dem Boden landen?
»Bist du wach?«, fragte er leise.
Sie spürte sein Gewicht auf der Matratze, die sich ein wenig absenkte. Aber es war nicht nur sein physisches Gewicht, sondern die Last, die Anstrengung der Arbeit, die sich an diesem Ort ablud. Bei ihr. Er zog das Kissen von ihren gesträhnten Haaren, die das Grau zu übertrumpfen suchten, und schob ihren Nacken frei. Feiner Haarflaum schmiegte sich an die von der Sonne gebräunten Haut. Seine Lippen streiften vom Haaransatz den Nacken herunter und blieben in ihrer Halsbeuge hängen. Eine empfindliche Stelle, die eine Gänsehaut hervorrief. Noch immer. Erst küsste, dann saugte er die Haut in sich hinein und gab sie mit einem Schmatzer wieder frei.
»Die Fähre hatte Verspätung», sagte er und legte sich nun neben sie. Jolanda blinzelte. Sie wusste, dass er wusste, dass sie nicht mehr schlief. Wahrscheinlich hörte er es an ihrem Atem. Und selbst wenn sie noch schlafen würde, würde er soviel Krach machen, dass sie aufwachen musste. Nun sollte sie für ihn da sein.
»Eine grauenhafte Nacht. Ich habe kaum schlafen können. Der Typ in meiner Kabine schnarchte ununterbrochen.«
Auch das war nichts Neues. Immer, wenn er mit der Fähre von seinen Auslandsgeschäften auf die Insel zurückfuhr, war die Nacht eine unruhige. Entweder die See war aufgewühlt oder die vielen Lkw-Fahrer, die Tag-ein Tag-aus dafür Sorge trugen, dass die Insel mit Waren versorgt wurde. Einige kannte er bereits. Und sie grüßten ihn mittlerweile als einen der ihren.
Sie drehte sich um und schlang die Arme um ihn. »Ich warte schon auf dich. Schon lange«, hauchte sie ihm entgegen. Alles folgte seinem natürlichen Gang. Ihre Bereitschaft ermunterte ihn. Sein Penis wurde steif.
Dieses Mal waren sie besonders lange getrennt gewesen. Sechs Wochen. Nach drei Wochen hatte sie ihn immer noch nicht vermisst, doch bis zum Tag seiner Rückkehr wuchs die Sehnsucht nach seiner Nähe, nach den Gesprächen, nach der Gewissheit füreinander da zu sein.
Sie drehte sich um und rieb ihren Hintern an seinem Geschlecht. Sie drangen ineinander ein und verschmolzen zu einem Körper, ritten zusammen auf einer Wiese, von gelben Blümchen durchtränkt, fegten durch Täler und überflogen Schluchten, schnell, immer schneller – vergessen der gleichförmige Alltagssex, der in den Tagen danach folgen würde –, sie taumelten, stürzten übereinander und zerfetzten sich die Haut, wandten sich, ihre Körper bäumten sich auf – verlassen die Sorgen, die Ängste, der Alltag, die Streitereien –, dieses Mal türmte ungeahnte Lust sich auf und trieb sie stürmend auf den Gipfel zu.

Im Kindle-Shop: 30 Unzen Gold

Mehr über und von Bea Milana auf ihrer Website.

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