9. Januar 2015

'Exitus - Der Deal' von Lena Sander

Max bleibt nach einem schrecklichen Unglücksfall nur noch das, was er auf dem Leib trägt – und sein treuer Freund Björn. Als dieser spurlos verschwindet, entdeckt Max finstere Zusammenhänge, die ihn an den untersten Rand der Gesellschaft führen. Seine Nachforschungen entwickeln sich nach und nach zu einem Albtraum, aus dem es kein Erwachen gibt ...

Nichts ist so, wie es scheint!

Gleich lesen: Exitus - Der Deal







Leseprobe:
Die kleinen Füße tapsten über den kalten Steinboden. Gerade erwacht, nur mit ihrem kurzen, weißen Nachthemd bekleidet und dem einäugigen Teddybär im Arm, ging Johanna in Richtung Küche. Sie konnte ihre Eltern miteinander sprechen hören, die bestimmt wie jeden Morgen das Frühstück zubereiteten. Kurz vor der wuchtigen Eichentür stoppte das Mädchen, streckte die Hand nach oben und umfasste den Messinggriff. Ein heftiges Klopfen ließ sie zurückschrecken. Der Teddy fiel ihr aus dem Arm. Johanna starrte gebannt zur Tür. Das Klopfen wurde lauter und wandelte sich zu einem Hämmern, das sich auf den Fußboden übertrug – es suchte sich den Weg über ihre nackten Füße bis hinauf in ihren Magen …
»Hallo, können Sie mich hören?« Sie zuckte zusammen, als der Mann auf den Tisch klopfte, als würde er sich von seinen Stammtischbrüdern verabschieden. Johanna öffnete die Augen. Sie war gedanklich noch in ihrem Kindheitstraum. Verwirrt. Ihre Gedanken kreisten, sie wollten nicht anhalten, keine logische Erklärung liefern, nicht einmal einen Anhaltspunkt darüber, wer der Unbekannte ihr gegenüber war oder wo sie sich befand. Ihre Blicke schweiften über den Tisch, auf dessen Kante sie ihre Arme lehnte. Je länger sie auf die Holzmaserung starrte, umso mehr neue Muster formten sich daraus. Die Haut ihrer Hände war papierdünn, runzelig und voller Flecken. Dicke Adern zeichneten sich darunter ab.
»Hallo, hier spielt die Musik.« Sie spürte die Ablehnung und die Ungeduld ihres Gegenübers, der ihr Karten mit unterschiedlichen Motiven vor die Nase hielt. Sie fühlte sich nicht wohl in diesem spartanisch eingerichteten Raum. Die Tintenklecksbilder an den Wänden, die sie an einen Rorschachtest erinnerten, waren abschreckend und trugen nichts dazu bei, die nüchterne Atmosphäre aufzuheitern. Johanna musste die Augen zusammenkneifen, als sie hinauf in das grelle Neonlicht blickte. Der Stuhl, auf dem sie saß, war nicht gepolstert und daher sehr unbequem für ihren geschundenen Körper. Abermals schlug der Mann mit der Faust auf den Tisch, dabei kratzte der Siegelring, den er am kleinen Finger trug, über das Holz. Der barsche Tonfall zwang Johanna dazu, sich abzuwenden und auf den Boden zu sehen.
»Sehen Sie mich an!«, zischte der Fremde. Johanna gehorchte. Das grelle, flackernde Neonlicht spiegelte sich auf seiner Glatze. Johanna musste unweigerlich an Kojak denken, der, mit einem Lolli bewaffnet, die Straßen von Manhattan von den Bösewichten befreite. Der Gedanke an die alte US-amerikanische Krimiserie zauberte ihr ein Lächeln ins Gesicht.
»Was ist denn so lustig? Hören Sie mir überhaupt zu?« Johanna wollte nicht antworten, sie wollte sich nicht auf dieses Niveau begeben. Ein Strang, der um ihren Hals gebunden war, schnürte ihr die Luft ab. Der Druck, der auf ihren Kopf ausgeübt wurde, erhöhte sich und wurde unerträglich. Sie blickte nach rechts und konnte aus ihrem Augenwinkel Kabel erkennen, die von ihrem Kopf ausgehend bis zu einem Gerät führten, das neben dem Siegelringträger stand. Ihr Gegenüber griff nach der nächsten Karte und blieb mit dem Ärmel seines weißen Kittels an dem Stapel hängen. Die Karten rutschten zur Seite, glitten über den Rand der Tischplatte und verteilten sich auf dem Fußboden. Der Mann murmelte etwas Unverständliches vor sich hin und bückte sich unter den Tisch. Jetzt oder nie.
Johanna riss die Kopfbedeckung samt Kabel ab. Sie stützte sich auf die Tischplatte, kam in die Höhe, schob den Stuhl nach hinten und schlurfte, so schnell es ihr möglich war, in Richtung Tür. Die Türklinke war in greifbarer Nähe. Johanna streckte ihre Hand aus, umfasste den Griff und drückte diesen beherzt nach unten. »Halt, wo wollen Sie hin? Stehenbleiben!« Sie drehte sich nicht mehr um. Hinter ihr ertönte ein dumpfer Knall.
»Himmelherrgott noch mal, blöder Tisch«, hörte Johanna. Der Siegelringträger musste sich den Kopf gestoßen haben. Gut so!

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