6. Januar 2015

"Hope - Unsere einzige Hoffnung" von Christin Thomas

»Du solltest aufhören den Erinnerungen nachzujagen, Sam. Die Erde ist heute nicht mehr als eine Fantasie.«

Der siebzehnjährige Samuel Stanson träumt davon, eines Tages zu seiner Heimat, der Erde, zurückzukehren. Doch dieser Wunsch rückt in unerreichbare Ferne, als er gezwungen ist, die Stadt Cyron Hals über Kopf zu verlassen. Er flieht mit seinem Vater, um dessen größte Errungenschaft zu retten: Sky, einen weiblichen Cyborg, der in der Lage ist wie ein Mensch zu fühlen. Inmitten des Krieges zwischen Technik und Magie keimt eine Liebe, die Hindernisse und Grenzen überwinden muss.

Eine Geschichte, in der die Liebe eines Jungen zu einer Maschine Grund genug ist, alles zu riskieren.

Gleich lesen: Hope - Unsere einzige Hoffnung


Leseprobe:
Rauch stieg im östlichen Teil der Stadt Cyron auf. In diesem Areal lagen die Labore, daher war das kein seltener Anblick. Dennoch waren kurz zuvor viele Menschen voller Panik aus dem Stadtarchiv und anderen nahegelegenen Gebäuden geeilt. Sie hatten eine kleine Erschütterung gespürt und fürchteten einen Anschlag der Magier. In den letzten Wochen hatten einige Angriffe die Angst der Bewohner in Cyron geschürt. Ihre Feinde hatten es auf das Hauptenergie-Netzwerk namens „Coroc“ abgesehen. Es war das Herzstück der Stadt, eine künstliche Intelligenz, die mit so ziemlich allem verbunden war. Würden die Magier es schaffen Coroc lahmzulegen, wäre die Stadt dem Untergang geweiht.
Professor Robert J. Stanson sah durch die verglaste Westwand seines Wohnzimmers. Erst vor Kurzem war er aus dem Forschungszentrum nach Hause gekommen. Die Erschütterung hatte auch ihn erfasst und zum Fenster getrieben. Sein Blick fiel auf den schwarzen Liegesessel, auf dem sein Sohn noch immer mit dem Hologramm eines Buches beschäftigt war.
„Du schaust nicht einmal aus deinen Geschichten auf, wenn Cyron tatsächlich angegriffen wird, oder?“
Sam sah ihn genervt an. „Bitte! Das passiert doch ständig in den Laboren. Bei den ganzen Explosionen wundert mich, dass sie es überhaupt schaffen irgendetwas fertig zu bauen.“
„Erfolg und Misserfolg liegen eben eng beieinander. Die Erfahrung wirst du sicher noch oft genug machen. Du solltest aufhören den Erinnerungen nachzujagen, Sam. Die Erde ist heute nicht mehr als eine Fantasie.“
Sein Sohn rollte mit den Augen und ließ das Hologramm erlöschen, bevor er sich aufsetzte. „Das sagst du immer. Aber es interessiert mich eben. Ich kann mit deinen Forschungen nichts anfangen – oder dem albernen Krieg vor der Haustür.“
Da waren sie wieder. Die Worte alberner Krieg, die Sams Vater nur allzu oft Sorgen bereiteten. Zu gern würde er auf ein Neues versuchen seinem Sohn den Ernst der Lage zu erklären, doch er wusste, dass Sam ihm nicht wirklich zuhören würde. Er war mit seinen Gedanken sicher wieder ganz woanders. Vielleicht hatte er ein Buch über das alte Ägypten gelesen, über Pyramiden, Pharaonen und Sonnengötter. Vielleicht war er aber auch mit seinen Gedanken auf den sieben Weltmeeren unterwegs gewesen, wo er Piraten jagte oder nach unentdeckten Inseln suchte.
„Ich kann nur hoffen, dass dein Unterricht bald weitergeht. Irgendwann verschwindest du noch in einem dieser Hologramme.“ Sam verschränkte genervt die Arme. „Bestimmt“, pflichtete er ihm sarkastisch bei.
„Mister Stanson?“, schon an der etwas verzerrten Stimme erkannte Sam, dass das liebste Spielzeug seines Vaters soeben den Raum betreten hatte: die gute Seele des Hauses, wie er sie oft nannte. Ein Roboter oder, wie man auf Hope sagte, ein Cyborg. In diesem Fall ein weiblicher, der dafür zuständig war das Haus sauber zu halten und einem sämtliche Erledigungen abzunehmen. Sein Vater hatte darauf bestanden ihr einen Namen zu geben, ihre Serienkennung war ihm zu unpersönlich. Dabei hatte diese Version noch nicht einmal eine K.I., obwohl sein Vater sich einen neuen Cyborg ohne Probleme hätte leisten können. Roboter waren unheimlich teuer und auf Hope ein Statussymbol, wie zu den Zeiten der Erde vielleicht eine Luxusyacht. Aber scheinbar hing sein Vater an diesem alten Modell. Für Sam war der Roboter allenfalls eine billige Haushaltshilfe, die seinem Vater die Hausarbeit erleichtern sollte - und seiner Mutter, wenn diese zu Hause war. Solange diese sich noch mindestens zwei weitere Jahre in der westlichen Außenanlage befand und sich um neue Energiequellen bemühte, musste er sich das Essen wohl weiterhin von Jenna machen lassen. Jenna! Schon den Namen fand er furchtbar unpassend. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte Sam darauf bestanden, sie zumindest mit dem Kennungskürzel Q anzusprechen. Q wäre ein wesentlich passenderer Spitzname gewesen. Aber er wurde ja nie nach seiner Meinung gefragt! Wenn es um Roboter ging, war sein Vater in seiner eigenen Welt. Mit dem Erschaffen der K.I. durchbrachen die Techniker laut Meinung der Magier ihre Grenzen. Schließlich spielten sie Gott mit den Maschinen.
Sam hatte selbst keine Meinung dazu, er war mit Robotern aufgewachsen. Er konnte sie nicht als ebenbürtig ansehen, jedoch auch nicht als unnütze Gesellschaft. Für ihn war es vollkommen normal, dass fast alles technisch gesteuert wurde. Wieso sollte es falsch sein, einen Cyborg an die Tür zu schicken? Das war doch immer noch freundlicher und menschlicher, als einem Gast die Tür einfach ferngesteuert zu öffnen.
Aber was wusste er schon? Während er sich in seinen Gedanken verloren hatte, war sein Vater längst in ein Gespräch mit Jenna vertieft. Sam hatte nur Bruchstücke davon aufgeschnappt. Es ging um eine neue Roboter-Serie der K.I.-Entwicklung und sein Vater wurde nun wohl zum endgültigen Testlauf gerufen. Alles andere war irgendwie an ihm vorbeigegangen.
„Willst du mich begleiten?“ Sein Vater strahlte plötzlich wieder diese wahnsinnige Vorfreude aus, die man ihm immer ansah, wenn eine seiner Forschungen sich dem Ende neigte. Durch die zahlreichen Angriffe der Magier waren die Schulen vorübergehend geschlossen worden. Selbst die Grenzgebiete außerhalb der Stadt waren zum Sperrgebiet erklärt worden. Alles aus Sicherheitsgründen. Wohin hätte Sam also sonst gehen können, wenn ihn alles andere in Cyron langsam langweilte?
„Wenn ich jetzt mitkomme, darf ich wieder ins Stadtarchiv. Ist das ein Deal?“
Sein Vater lächelte. Das war eindeutig ein gutes Zeichen, wenn man bedachte, dass Sam ein zweiwöchiges Verbot erhalten hatte. Davon waren gerade einmal drei Tage vorüber, die ihm schon jetzt wie eine Ewigkeit vorkamen. „Abgemacht“, willigte sein Vater ein. Er wollte seinen Sohn unbedingt an diesem Testlauf teilhaben lassen, denn er plante etwas ganz Besonderes und war gern dazu bereit einmal ein Auge zuzudrücken. Sam klatschte voller Freude in die Hände und sprang vom Sessel auf.
„Aber“, ertönte die Stimme seines Vaters plötzlich mit mahnender Stimme, „ich will, dass du dich dann auch an die Regeln hältst. Erwische ich dich noch einmal dabei, wie du dich nachts aus dem Haus schleichst, kannst du dem Archivmaterial der Erde für mindestens einen Monat auf Wiedersehen sagen. Ist das deutlich genug, junger Mann?“
Sam nickte, auch wenn er am liebsten den Kopf geschüttelt und seinem Vater einen Vogel gezeigt hätte. Er schlich sich ja nicht ohne Grund aus dem Haus! Sein Vater war doch auch irgendwann einmal 17 gewesen. Man sollte meinen, er wüsste, wie wichtig es war auf einer Party aufzutauchen, um nicht als Außenseiter dazustehen. Oft genug musste Sam sich blöde Sprüche von seinen Mitschülern anhören, seitdem sie ihm das Hologramm-Armband geklaut hatten und seine Vorliebe für alte Geschichten entdeckt hatten. Der Zeitreisende hatten sie ihn genannt. Schon der Unterricht in Geschichte war für die meisten langweilig und uncool. Das Leben von früher war für seine Mitschüler primitiv und lächerlich. Die Entwicklung dahinter erkannten sie nicht, aber Sam war auch nicht daran interessiert ihnen das Thema näherzubringen. Er musste seinen scheußlichen Spitznamen loswerden und wieder einer von ihnen werden. Andernfalls würde das Abschlussjahr ein wahrer Alptraum werden.

Sein Vater schickte Jenna, um ihm und Sam ihre Mäntel zu bringen. „Sehr gern“, lautete ihre verzerrte Antwort und schon verließ sie das Wohnzimmer in Richtung Flur. Sie brachte ihnen zügig zwei weiße Mäntel. Was auch sonst? Zu dieser Zeit war Weiß unglaublich in Mode. Schräg geschnitten und eng anliegend, mit passenden weißen Handschuhen. Sam war eher ein unauffälliger Typ. Dunkle und unscheinbare, schlichte Kleidung hätte seinen Geschmack eher getroffen. Mit den blonden Haaren und der hellen Haut kam er sich schon blass genug vor. Doch er wurde auch bei solchen Dingen nicht gefragt. In Cyron sah einer wie der andere aus und das schien auch jedem zu gefallen.
„Willst du das nicht hierlassen?“ Sein Vater deutete auf das Hologramm-Armband. Sam griff instinktiv danach und umklammerte es mit seiner rechten Hand, als wollte sein Vater es ihm wegnehmen. „Natürlich nicht. Vielleicht will ich Aufnahmen machen.“ Sein Vater lachte. „Die lassen dich niemals mit einem Gerät wie diesem da rein. Bilder sind nicht sicher, mein Sohn.“
„Das sind Erinnerungen auch nicht mehr. Was ist denn, wenn die Magier dich eines Tages entführen und sich in deinem Kopf einfach alles ansehen, was sie wissen wollen?“ Sein Vater strich sich über den Mantel, als wollte er ihn noch etwas zurechtrücken. „Ich wäre sicher tot, ehe sie irgendetwas wüssten.“ Sein Lächeln erlosch. „Deshalb ist dein alberner Krieg vor der Haustür auch gar nicht so lustig.“ Dann wandte er sich an Jenna, der er zur Verabschiedung stets zunickte. Sam ging wie immer achtlos an ihr vorbei, während er sich das Armband abstreifte und es in seine Manteltasche steckte. Er ließ sich nichts anmerken, doch allein der Gedanke an den Tod seines Vaters ließ ihn erschaudern.

Im Kindle-Shop: Hope - Unsere einzige Hoffnung

Mehr über und von Christin Thomas auf ihrer Website.

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