6. Januar 2016

"Kristalladern (Inagi 1)" von Patricia Strunk

Tödliche Kristalle. Blitzspeiende Drachen. Doch von der größten Gefahr wissen sie nichts.

Seit Generationen fristen die Ureinwohner der Insel Inagi ihr Leben als Sklaven in den Kristallminen der Gohari. Jetzt droht die Kristallenergie zu versiegen. Als die siebzehnjährige Ishira ihre besondere Verbindung zur Energie entdeckt, ahnt sie nicht, dass sie dadurch in den Kampf um die Zukunft ihrer Heimat hineingezogen wird. Plötzlich hat sie Visionen von den Drachen, die seit Jahren die Siedlungen bedrohen. Gibt es eine Verbindung zwischen ihnen und der Energie? Doch der einzige Mensch, dem sie sich anvertrauen könnte, ist der verbitterte Krieger Yaren, der die Drachen unbarmherzig jagt.

Gleich lesen: Kristalladern (Inagi 1)

Leseprobe:
Ein entsetzter Aufschrei zerriss die Luft. „Amanori! Da hinten kommen Amanori!“
Beinahe zeitgleich begann im Fort auf der anderen Seite des Flusses der Alarmgong zu scheppern. Aufgeschreckt blickte Ishira zum Himmel. Die Echsen kamen von Norden und waren bereits so nah, dass sie deutlich die hellen Schuppen an Brust und Bauch erkennen konnte, die in den letzten Strahlen der Abendsonne aufglänzten. Es waren drei.
Unter den Bergleuten brach Panik aus. Die meisten rannten kopflos in Richtung Holzbrücke und stießen sich dabei gegenseitig aus dem Weg. Bevor Ishira einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte Kanhiro sie am Handgelenk gefasst und zog sie auf einen der großen Felsen zu, die das Ufer säumten. „Wir bleiben hier. Auf der Brücke haben die Amanori leichtes Spiel mit uns.“ Mit Gesten bedeutete er seinem Vater, gleichfalls in Deckung zu gehen.
Die Echsen hatten sie beinahe erreicht. Über die angstvollen Schreie der Dorfbewohner hinweg hörte sie das Rauschen des Windes in ihren mächtigen Schwingen. Die biegsamen Hälse waren weit vorgereckt. Jeden Moment würden die Amanori ihre Blitze ausstoßen, die einen Menschen innerhalb eines Lidschlags lähmten.
Ein Surren erfüllte die Luft, als die Kireshi auf den Wachtürmen des Forts ihre an überdimensionale Armbrüste erinnernden Geschütze abfeuerten. „Sinnlos“, spottete Kanhiro bitter. „Die Amanori sind außer Reichweite der Pfeile.“
Doch selbst, wenn die Pfeile ihr Ziel gefunden hätten, wären sie am dicken Schuppenpanzer der Echsen abgeprallt, ohne Schaden anzurichten. Ishira war sich nicht einmal sicher, ob menschliche Waffen diesen Geschöpfen überhaupt gefährlich werden konnten. Als sie den Felsen erreicht hatten, ließ ihr Freund sie los. Sein fassungsloser Gesichtsausdruck brachte Ishira dazu sich umzudrehen. Ihr Bruder, der dicht hinter ihnen gewesen war, balancierte hüpfend auf einem Bein und versuchte im Laufen, seine Hose anzuziehen. „Kenjin! Was machst du denn? Lass die Hose!“ Nervös knetete Ishira ihre Hände. Die Amanori waren schon viel zu nah!
Die ersten Blitze fanden ihre Ziele. Auf der Brücke sanken die Inagiri reihenweise in die Knie. Die Nachfolgenden stolperten über die sich zusammenkrampfenden Leiber, rissen sich bei dem Versuch, ihnen auszuweichen, gegenseitig zu Boden. Andere trampelten achtlos über sie hinweg in dem Bestreben, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Plötzlich war auch Kenjin von goldenem Feuer eingehüllt. Ishira schrie auf, als ihr Bruder taumelte, den Mund wie in einem stummen Laut der Überraschung geöffnet. Der Schwung seiner Bewegung trug ihn noch einen halben Schritt weiter, bevor er zusammenbrach und mit dem Gesicht nach unten in den Sand stürzte. Sie wollte zu ihm hinlaufen, doch Kanhiro packte sie am Arm und schob sie hinter den Felsen. „Du rührst dich nicht vom Fleck! Ich kümmere mich um Kenjin!“
Er rannte zu ihrem Bruder zurück, ohne auf die Gefahr für sich selbst zu achten, und hievte ihn sich auf die Schultern. Mit schweißfeuchten Händen beobachtete Ishira, wie die Amanori einen Bogen beschrieben. Diesmal teilten sie sich auf. Zwei flogen hinüber zur Garnison, während der dritte erneut auf die Flüchtenden zuhielt. Die ersten Bergleute hatten inzwischen das jenseitige Ufer erreicht. Als die Echse über sie hinweg fegte, warfen sie sich zu Boden. Eine ältere Frau reagierte nicht schnell genug. Der Amanori packte sie mit seinen Klauen und riss sie in die Höhe. Ihr schriller Todesschrei fuhr Ishira durch Mark und Bein. Mit einer ruckartigen Bewegung brach der Amanori der Frau das Genick und schleuderte sie wie ein Spielzeug, dessen er überdrüssig geworden war, in die Menge auf der Brücke. Im Tiefflug kam er über das Wasser und nahm sein nächstes Opfer ins Visier. Ishiras Herz setzte einen Schlag aus. „Pass auf, Hiro! Hinter dir!“
Er warf im Laufen einen raschen Blick über die Schulter und versuchte, sein Tempo noch zu steigern. Die Echse war in gerader Linie hinter ihm, was den grotesken Eindruck erweckte, als würden ihm Schwingen wachsen. Im letzten Moment erreichte er den Felsen und hechtete in Deckung. Der Blitz, der ihm gegolten hatte, knisterte über das Gestein und schlug Funken. Der Amanori stieß ein zorniges Rasseln aus und drehte ab.

Im Kindle-Shop: Kristalladern (Inagi 1)

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