28. Januar 2016

"Fenster zur Freiheit - Eine Liebe in Arabien" von Heike Adami

Als Stewardess einer arabischen Fluggesellschaft hat Sophie den gutaussehenden wohlhabenden Latif kennen und lieben gelernt. Sie folgt ihm in sein Heimatland Bahrain, in ein Leben voller Luxus mit Villa, Maid, Gärtner und Driver.

Nach und nach merkt sie, dass sie im goldenen Käfig gefangen ist. Sie verliert ihr Selbstbewusstsein und fügt sich schließlich den Forderungen ihres arabischen Ehemannes. Wie viel Selbstverleugnung und Selbstaufgabe kann ihre Seele ertragen?

Sophie liebt ihren Mann. Sie ist entschlossen, bei ihm in Bahrain zu bleiben – bis sich die politische Situation im Land zuspitzt.

Die Autorin schildert eine Liebes- und Familiengeschichte im heutigen Arabien. Sie hat eine ähnliche Story in ihrer Familie erlebt. Das bewegte sie zu der Frage: Wie würde ich reagieren?

Gleich lesen: Fenster zur Freiheit - Eine Liebe in Arabien

Leseprobe aus dem XVI. Kapitel:
Sophie begleitet ihren Mann Latif zu einer Geschäftsreise nach Saudi Arabien. Diese Szene ist während des Dinners im Hotel.
[…] An diesem Abend war ich eine von ihnen. Bewusst konzentrierte ich mich auf uns. Doch es blieb nicht aus, dass ich das Paar am Nachbartisch sah. „Latif, ich fühle mich so fremdartig. Bei der Vorstellung in Bahrain würde in ein paar Monaten die gleiche Situation vorliegen, wie sie hier alltäglich ist, vergeht mir der Appetit. Schon an viele Gegebenheiten konnte und musste ich mich gewöhnen, aber diese Einschränkung ist jetzt der Gipfel!“
„Was meinst du? Weil hier kein Alkohol ausgeschenkt wird?“ „Nein, das ist mir von Bahrain bekannt. Ich meine viel mehr diese schwarze Tracht, die sichtlich das Essen der Frau erschwert. Merkst du nicht, wie sie mich daran hindert, ordentlich und mit Würde zu essen?“
Diese Millionen Jahre alte Aufnahme des Mahls war hier eine Kunst. Ich beobachtete sie und sah, was auf mich zukam. Mit Messer und Gabel zu hantieren, war schier unmöglich.
Mein bestelltes Lammcarpaccio mit Kürbiskernöl sollte mir das Dinner erleichtern. Dennoch stand mir eine erschwerte Ausführung bevor, um die geschnittenen, hauchdünnen Lammscheiben unter dem Niqab in den Mund zu befördern. Die Umsetzung wurde durch die schwarzen Seidenhandschuhe nicht erleichtert. Vielleicht sollte es edel ausschauen, aber effektiv war die Ausbeute nicht. Meine Finger rutschten sanft über die Gabel, deren Haltung in meiner Hand weich und gefühllos war. Meine mit Seide überzogenen Fingerkuppen landeten in dem Mix aus Kürbiskernöl und Balsamico. Abschlecken war nicht angesagt. Die ein oder andere Lammscheibe entglitt mir auf die weiße Tischdecke, das Öl lief herunter. Alles sah aus, als wäre ich die erste Frau, die unter einem Niqab essen müsste. Ich schämte mich. Aber es kannte und erkannte mich keiner und so sollte es mir doch gleichgültig sein.
Doch meine Beine waren anderer Meinung. In schnellem Rhythmus bewegten sie sich unter dem Tisch auf und ab. Die Nervosität hatte ein Ventil gefunden. Schnell wollte ich den Raum verlassen. Latif versuchte, die Situation zu beschönigen und redete mit einem Lächeln drauflos, als würde er dafür bezahlt. „Ich glaube, ich verzichte auf den Rest des Dinners. Lass uns nach oben gehen, bitte.“
Mit ernstem Blick sah er mich an. „Sophie, das ist unmöglich. Wie sieht das aus, wenn du jetzt den Raum verlässt, obwohl die Speise noch vor dir steht und du angefangen hast, zu essen. Meine Geschäftspartner schauen sowieso schon die ganze Zeit herüber.“
„Verstehst du denn nicht, wie ich mich fühle? Diese Frauen sind das von jeher gewohnt. Sie kennen es nicht anders. Aber ich fühle mich zugeknöpfter als eine mittelalterliche Nonne. Eine unbarmherzige Angelegenheit ist das. Die Last auf meinem Kopf erdrückt mich. Auch Atemnot stellt sich wieder ein. Die Hitze unter diesen Stoffballen sammelt sich wie in einem Kessel. Latif, ich fühle mich total unwohl. Das Gefühl ist beängstigend.“ Ich legte die Gabel zur Seite. Mir war es gleich, ob sie auf dem Teller oder dem Tischtuch lag, aber ich hatte sie so schräg auf den Teller gelegt, dass er kippte und das Öl über die Tischdecke auf Latifs feinen Hosenstoff floss. Ich sah es nicht. Meine Hände übernahmen die Bewegung, die aus mir herauswollte.
Latifs Blick wollte mir mehr sagen. „Sophie, jetzt ist es gut. Nimm deine Hände unter den Tisch. Siehst du nicht, was du mit deiner Fuchtelei anrichtest.“
Entsetzt bemerkte ich seine Hose. Ich beugte meinen Kopf so weit nach vorn, wie es möglich war. Doch um etwas genauer zu sehen, hätte ich aufstehen müssen. Und wer weiß was dann noch passiert wäre? Ich hätte schreien können und zwang mich doch zur Ruhe. „Wie bitte schön soll ich bei dieser Sicht, die so groß ist, wie drei Financial Times aufeinandergelegt, irgendetwas sehen? Ich hätte im Gym meine Halsmuskulatur stärken sollen. Dann könnte ich jetzt meinen Kopf so drehen, wenden und beugen, um auch das kleinste Tohuwabohu zu entdecken. Das macht keinen Spaß. So gefällt mir das Leben nicht. Ich fühle mich wie eine Aussätzige. Latif, dieser Niqab erschlägt meine Seele.“ Ich spürte, wie sich mein Hals zuschnürte und Trauer in mir aufstieg. Mehrmals musste ich beim Reden schlucken, um gegen die Tränen anzukämpfen. Ich weiß nicht, ob Latif wirklich geistig neben mir saß. Er sah in die Runde und grüßte mit einem Lächeln fremde Menschen. Latif schien andere Probleme zu haben. Es kam mir vor, als sei ich für ihn in diesem Moment mit meinem Thema zweitrangig. […]

Im Kindle-Shop: Fenster zur Freiheit - Eine Liebe in Arabien

Mehr über und von Heike Adami auf ihrer Website.

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1 Kommentare:

Am/um 6. Februar 2016 um 17:51 , Anonymous heike adami meinte...

Lieber Lutz, vielen Dank für die tolle Arbeit.

 

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