26. Februar 2016

'Die Tränen der Hexen' von Uwe Grießmann

Goslar 1499. In einer Mine am Rammelsberg stürzt ein Stollen ein und begräbt viele Bergarbeiter unter sich. Die Wasserträgerin Gerlinde wird beschuldigt, durch Hexerei für den Einsturz verantwortlich zu sein. Sie wird in den Hexenturm gesperrt, und der Dominikanermönch Henricus Institoris wird zur Aufklärung des Falles nach Goslar bestellt. Er kennt sich aus mit Hexen, hat schon vielen den Prozess gemacht und ein Hexengesetzbuch geschrieben, den Hexenhammer, ein sehr begehrtes Buch.

Der angesehene Goslarer Buchdruckermeister Wilhelm Wehrstett erhält von Henricus Institoris den Auftrag, den Hexenhammer nachzudrucken. Doch Wehrstett hadert, denn dieses Buch bringt nur Tod und Verderben. Wenn er es aber nicht druckt, muss er dann nicht befürchten, dass Institoris sich an Wehrstetts Frau rächt?

In Goslar findet eine regelrechte Hexenjagd statt. Jede gefolterte »Hexe« beschuldigt andere der Teufelsbuhlschaft. Kann Wehrstett diesen Wahnsinn aufhalten, oder wird seine eigene Frau auf dem Scheiterhaufen hingerichtet?

Gleich lesen: Die Tränen der Hexen: Historischer Roman aus dem Harz

Leseprobe:
Im Kindle-Shop: Eingerahmt wurde die Kaiserpfalz von mächtigen Gebäuden. Da waren die beiden Wohnstätten der Weltgeistlichen, die Kurie der Ritter zu Herlinberg und die Kurie der Bruderschaft derer von Steinberg. Dann standen dort die Kapellen Sankt Ulrich und die Liebfrauenkapelle der Aula Regia, das Kaiserhaus und der Dom.
Der Kaiserbleek, der zentrale Platz zwischen all den Bauwerken, war seit geraumer Zeit schon überfüllt. Die Bürger Goslars wollten die angekündigte Predigt des Dominikaners und Inquisitors Doktor Henricus Institoris hören. Doch sie gelangten nicht in den Dom, der schier aus allen Angeln barst. Es dauerte eine Zeitlang, bis die letzten das begriffen, noch etwas länger, bis sie sich damit abgefunden hatten. Murrend und schimpfend drängten sie von der Pfalz Richtung Marktkirche, nach Sankt Jakobi oder zur Stephanikirche. Irgendwo würden sie schon noch ein Plätzchen finden, wo sie die heilige Messe besuchen konnten.
Diejenigen, die es in den Dom geschafft hatten,rangen dicht gedrängt nach Luft. Die vielen ungewaschenen Körper verströmten in der Enge einen intensiven säuerlichen Geruch. Kaum ein Geräusch war zu hören, außer dem monotonen Singsang des Gebets, das gerade gesprochen wurde. Abgetrennt vom gemeinen Volk saßen die Kleriker erhöht im Chorgestühl. Nur der Bischofssitz war leer. Denn Bischof Berthold von Klauenberg stand mit dem Rücken zur Gemeinde vor dem Hauptaltar, mit ausgebreiteten, erhobenen Armen, und betete auf Latein, welches die Sprache für den gesamten Gottesdienst war. Er nuschelte das Glaubensbekenntnis, als sollten auch die Lateinkundigen ihn nicht verstehen.
»Credo in unum Deum,
Patrem omnipotentem,
factorem caeli et terrae,
visibilium omnium et invisibilium.«
Henricus Institoris sah sich um. In dem überfüllten Dom, der Simon und Judas, nicht gerade seinen Lieblingsheiligen, geweiht war, drängten sich die Menschen dicht aneinander, um der Sacra Liturgia, der heiligen Messe beizuwohnen. Er selbst hatte noch keinen Ton gesagt, das Beten überließ er den Priestern. Acht an der Zahl saßen an seiner Seite. Er dachte kurz an die Predigt, die er nach dem Nicänischen Glaubensbekenntnis halten wollte.
»Et in unum Dominum Iesum Christum,
Filium Dei unigenitum,
et ex Patre natum ante omnia saecula.
Deum de Deo, Lumen de Lumine,
Deum verum de Deo vero,
genitum non factum,
consubstantialem Patri;
per quem omnia facta sunt.«
Institoris bereitete sich nicht besonders gründlich vor. Diese Predigt hatte er schon so oft gehalten, dass er sie im Schlaf hätte vortragen können. So entging seinen Augen nichts. Wachsam ließ er den Blick über die Köpfe wandern, um die Heuchler und Ketzer, die Spione Satans ausfindig zu machen.
»Qui propter nos homines
et propter nostram salutem
descendit de caelis.
Et incarnatus est
de Spiritu Sancto ex Maria Virgine,
et homo factus est.«
So betete der Bischof den monotonen Singsang fort. Nur wenige der Kirchenbesucher sprachen mit, noch weniger verstanden, was sie sagten.
Da, diese Frau dort! Die, die neben dem hochgewachsenen Mann mit der Glatze. Die, da war Institoris sich sicher, die hatte den bösen Blick. Sollte er etwa schon die zweite, wenn man die Wamst mitzählte, sogar die dritte Hexe gefunden haben?
»Crucifixus etiam pro nobis sub Pontio Pilato,
passus et sepultus est,
et resurrexit tertia die,
secundum Scripturas,
et ascendit in caelum,
sedet ad dexteram Patris. Et iterum venturus est cum gloria,
iudicare vivos et mortuos,
cuius regni non erit finis.«
Institoris fixierte das Weib, bevor er sich an den Priester auf dem Nachbarstuhl wandte. Erflüsterte: »Siehst du den großen Kerl neben der ersten Säule zur Linken? Den mit der Glatze?«
»Das ist der Wollenweber Joseph Kleffer«, antwortete der Gottesmann.
»Ah. Ist die im dunklen Gewand daneben sein Weib?«, fragte der Inquisitor und lehnte sich zurück.
»Richtig. Das ist Julia Kleffer, des Wollenwebers Frau.«
»Et in Spiritum Sanctum,
Dominum et vivificantem,
qui ex Patre procedit.
Qui cum Patre et Filio
simul adoratur et conglorificatur:
qui locutus est per prophetas.«
Institoris verzog den Mund zu einem säuerlichen Grinsen. Ganz sicher würde er dessen Frau einer genaueren Betrachtung unterziehen. Den fragenden Blick des Nachbarn ließ er unbeantwortet.
»Et unam, sanctam, catholicam
et apostolicam Ecclesiam.
Confiteor unum baptisma
in remissionem peccatorum.«
Und da! Oder die andere? Institoris schauderte. Drei hatte er schon entdeckt. Drei, die infrage kamen, im Pakt mit Satan zu stehen.
Seit wie vielen Jahren machte er jetzt schon Jagd auf die Teufelsbrut? Im Jahr des Herrn 1482 war er zum Prior des Klosters Sylo im elsässischen Schlettstadt berufen worden. Kurz darauf wurde er zu einem Hexenprozess nach Ravensburg gerufen. Dort gelang es ihm, die ersten zwei vermaledeiten Unholdinnen auf den Scheiterhaufen zu bringen. Nach diesem Erfolg beorderte man ihn immer häufiger dorthin, wo es Probleme mit dieser Brut gab. Seit siebzehn langen Jahren reiste er bereits durch die Lande und führte dieses aufreibende Leben, im Kampf gegen Ketzer, Satansanbeter und Hexen.

Im Kindle-Shop: Die Tränen der Hexen: Historischer Roman aus dem Harz

Mehr über und von Uwe Grießmann auf seiner Website.

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