7. März 2016

'Ab auf die Insel mit Sack und Pack' von Ellen Rot

Ich erzähle hier, was beim Umzug in ein anderes Land alles vorkommen kann, aber nicht muss. Es beschreibt, was beim Auswandern alles schief gehen kann. Haus verkaufen - Hunde an die Boxen gewöhnen - Flugangst bekämpfen. Mal treiben es in der neuen Heimat die Frösche viel zu bunt, oder es brennt eine Palme, oder es geschehen noch Zeichen und Wunder.

Nur die Geduld darf man(n)/Frau nie verlieren, denn hier auf der Insel ticken die Uhren etwas anders. Alles hat Zeit, sehr viel Zeit.

Gleich lesen: Ab auf die Insel mit Sack und Pack: Auswandern, Karibik, Humor, Hunde

Leseprobe:
Flug in die neue Heimat

Und wieder banges Warten. Wobei der Arm von meinem Mann sich sehr gut dazu eignet, um mich festzukrallen. Jetzt darf es nur nicht rumpeln, nein, das darf es nicht, sonst hat mein Göttergatte keinen Arm mehr, wenn wir auf der Insel ankommen. Blutüberströmt wird er dann aus dem Flieger steigen, alle werden ihn mitleidig anschauen und mich verachten, stell ich mir vor.
Jederzeit kämpfte ich bei all diesen vielen Flügen gegen die Flugangst. Alles versucht: Atemtechnik, auf die Brust tippen, Meditieren, Musik hören und vieles mehr. Nichts hilft. Ein Mittel hingegen funktioniert wunderbar: Schlaftablette reinschieben, mit Wasser nachschütten und bitte nicht wecken. Auch nicht zum Essen!
Man kann sich beim Essen sowieso kaum bewegen. Der Nachbar schiebt seinen Ellenbogen in meinen Teller. Der Vordermann klappt seinen Stuhl nach hinten, mein Rotwein kippt auf meine weiße Hose.
»Zappelphilipp«, denke ich.
Die Flugbegleiterin säuselt: »Möchten Sie noch ein Glas Rotwein?«
Weißwein gibt keine Flecken. Doch ich trinke Merlot, der hingegen sieht scheußlich aus, wenn er auf meiner Hose ankommt. Was denken die Passagiere, wenn ich einmal muss? Nein, ich habe nicht meine Tage, es ist ROTWEIN.
Will jetzt nur meine Ruhe. Kopfhörer aufsetzen, leise Traummusik hören und ganz langsam entschlummern.
Nach vier Stunden narkoseähnlichem Schlafen bin ich unerwartet hellwach und immer noch hoch oben in der Luft. Schrecklich. Mensch, das dauert.
Eine Flugbegleiterin wandelt durch den engen Korridor in ihrer ganz eigenen Art und fragt: »Haben Sie einen Wunsch?«
Ich bin wohl aus Panik an den falschen Knopf am Sitz geraten.
»Nein, danke. Ich will nur wissen, wie es den Hunden unten im Frachtraum ergeht. War schon jemand unten nachschauen?« Bonita, unsere Berner Sennen-Hündin, ist sehr sensibel und ängstlich. Wenn wir nicht in der Nähe sind, kann es gut sein, dass sie durchdreht!
»Nein, niemand kann da während des Fluges runter in den Frachtraum«, lautet die Antwort.
Mist, hat man uns doch zugesichert, dass nach den Hunden geschaut wird! Dass da jemand runter geht und nachschaut. Pustekuchen! Jetzt kommt zur Panik noch die Wut dazu und die Panik steigert sich. Armer Mann, sein Arm muss ein weiteres Mal dran glauben. Mit den Tränen muss ich nun kämpfen. Wir lieben unsere Vierbeiner. Wie kann man die einfach so einsperren? Sie kennen weder das Geräusch der Motoren noch die Turbulenzen. Bonita, die schon beim kleinsten Gewitter zu jammern und zittern beginnt. Sich bei solchen Gelegenheiten auf meine Knie setzen und kuscheln möchte, bei fünfund-dreißig Kilogramm Kampfgewicht. Wie verhält sich Bonita jetzt wohl da unten? Klar, der Tierarzt hat uns versichert, dass Hunde ab einer bestimmten Flug-höhe wegdösen. In eine Art Halbschlaf fallen. Wie beruhigend, wenn wir uns nicht davon überzeugen können … Möchte auch wieder in den Halbschlaf fallen, geht es mir durch den Kopf.
Es dauert nur noch vier Stunden, bis wir in der Dominikanischen Republik landen. Mein Mann unterhält sich mit seinem Sohn. Dann wird wieder gezockt oder in den Fernseher geguckt. Ich fahre meine Krallen aus, lass sie langsam in den Arm meines Liebsten bohren, bis ich langsam weiter vor mich hindöse. Dann, eine halbe Stunde vor der Landung, werde ich sehr sanft, mit Kuss und einer Cola geweckt. Typisch meine bessere Hälfte, ich bedanke mich - immer noch nervös - dafür. Vor allem, als ich den Arm meines Gatten genau ansehe. Hoppla, ist das etwa von mir? Von wem kann das denn sonst sein? Solche Kratzspuren! Ist da was, was ich nicht weiß? Hat sich mein Mann ab und zu auf einem anderen Sitz niedergelassen? Mein Gatte hält eine ganze Menge aus, wenn es um mich geht. Ich bin mir dessen nicht immer so bewusst. All die Jahre, die wir zusammengearbeitet und gelebt haben. Immer vierundzwanzig Stunden zusammen, mit allen Hochs und Tiefs. Die Beziehung hat sehr darunter gelitten. Und genau das soll sich jetzt hoffentlich bessern - durch die Auswanderung.
Sitz gerade stellen, Snacks werden verteilt, frisch machen. Das mit dem Auffrischen der Fassade ist immer so eine Sache:
1. Gibt es doch im Verhältnis zur Anzahl der Passagiere mordsmäßig wenige Toiletten. Vier für circa dreihundert Männlein und Weiblein!
2. Es gibt Weiblein, die Ihr Make-up stundenlang auftragen müssen, damit die Maskerade auch hält. Aber dann bitte nicht lachen, sonst splittert die Fassade ab. Ob die in Wirklichkeit daran denken, dass auf der Insel ungefähr dreißig Grad herrschen?
3. Dann sind noch jene, die sich rasieren, Zähne putzen, die Toilette benutzen und Spuren von allem hinterlassen. Gerüche. Miese Gerüche. Spuren, die in der Schüssel kleben und von denen man lieber nichts erzählt.
Vor mir hat wohl genauso jemand, der mit größter Wahrscheinlichkeit einige Biere zu viel intus hat, die Toilette benutzt. Geschwitzt hat er auch ganz enorm. Sodass man die diversen Parfums der vorherigen Benutzer nicht mehr unterscheiden kann. Unerträglich. Papier? Gibt es da nicht einmal mehr Toilettenpapier? Haarstoppeln im Waschbecken, die Toilette mit Spuren. Ach nein, muss das sein? Keiner sagt etwas. Soll der Nächste schauen, wie er klarkommt. Na super, zum Rotwein auf der weißen Hose, noch so etwas. Was nun? Zurück durch die glotzende Menge latschen. Papiertaschentuch holen, wieder anstehen. Beine zusammen und verklemmen, hüpfen, von einem Bein auf das andere treten. Vor allem kein Aufsehen erregen. So verrichte ich nur das Nötigste, um die beengte Kabine dann sofort wieder zu verlassen. Immer noch stehen Schlangen davor. Die nachfolgende Benutzerin hingegen guckt zu mir herüber mit verächtlichem Blick, als sie die Toilettenkabine wieder verlässt. Nein. Hilfe das war ICH nicht. Hinterlasse ich solche Spuren?
»Bitte kehren Sie alle auf Ihre Plätze zurück. Stellen Sie Ihre Sitze in die gerade Position. Schnallen Sie sich an und stehen Sie erst wieder auf, wenn der Flieger zum Stehen gekommen ist«, säuselt eine Stimme im Bordlautsprecher. »Wir landen in wenigen Minuten in Puerto Plata. Die Außentemperatur liegt bei dreißig Grad.«

Im Kindle-Shop: Ab auf die Insel mit Sack und Pack: Auswandern, Karibik, Humor, Hunde

Mehr über und von Ellen Rot auf ihrer Website.

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