27. Juni 2016

'Stigmata' von Silvia Maria de Jong

Was tut eine Frau und Mutter, wenn sie erfährt, dass der Mann, der ihr das Leben gerettet hat und in den sie sich gerade zu verlieben beginnt, ein Mörder ist? Kann eine solche Beziehung eine Chance haben? Darf sie einen Mann mit einer solchen Vergangenheit überhaupt lieben? Und wird diese Liebe sie letztendlich töten?

Thierry und Liliana, beide vom Schicksal schwer gezeichnet, begegnen einander am Wendepunkt ihres Lebens. Thierry kehrt nach einer neunjährigen Haftstrafe zurück in seine Heimat, konfrontiert mit Anfeindungen und Verleumdung. Eine zarte Bande der Freundschaft entspinnt zwischen den Beiden. Er hilft Liliana, die nach dem Tod ihres Mannes dem Alkohol verfiel, wieder auf die Beine.

Eine Begegnung die auf den ersten Blick für Lilianna lebensrettend ist, auf dem Zweiten aber ebenso tödlich sein kann …

Gleich lesen: Stigmata

Leseprobe:
Sie stand mit dem Rücken an die Autotür gelehnt. Ihre Haltung drückte Anspannung aus.
Die intensiven grünen Augen funkelten in den sonst totenbleichen Gesichtszügen.
Als er sie so dort stehen sah, durchfuhr ihn ein Gedanke.
„Du weißt es“, sagte er heiser, unbewusst die vernichtenden Worte laut aussprechend.
Liliana starrte ihn an, fast so, als suche sie nach jenem Mahnmal, das sie bisher übersehen hatte, welches aber doch für jeden anderen scheinbar ersichtlich war.
„Lia, ich...“er machte einen Schritt auf sie zu, doch sie hob sogleich abwehrend die Hände, den Blick ängstlich auf den Hammer gerichtet, der noch immer in seiner Hand lag.
„Bleib...bleib wo du bist.“
Heißer Schmerz durchlief ihn. Sie hatte Angst. Angst vor ihm. Behutsam ließ er das Werkzeug zu Boden sinken.
„Liliana, lass mich erklären...“
„Jetzt? Warum ausgerechnet jetzt? Du hattest tagelang Zeit mir deine Version der Geschichte zu erzählen. Aber du...du hast es ja vorgezogen zu schweigen. Aus gutem Grund, nehme ich an.“ Ihre Worte klangen hart und anklagend, unterspült von Furcht und Trauer.
„Nur aus einem Grund“, sagte er leise. „Ich wusste nicht wie du reagieren würdest, wenn ich dir von meiner Vergangenheit erzähle. Schließlich kennen wir uns kaum...“
„Dann stimmt es...du hast deine Frau ermordet.“ Das war keine Frage, sondern einen nüchterne Feststellung. Ihre Stimme klang atemlos.
Sein zögerndes nicken ließ sie, auch wenn es kaum möglich schien, noch eine Spur stärker erblassen.
So als befürchte sie jeden Moment einen Anschlag seinerseits, drückte sie sich mit dem Rücken fester gegen die Autotür. Ihre Handtasche hielt sie wie ein Schutzschild an die Brust gepresst, um sich vor einem möglichen Kugelhagel zu schützen.
„Du bist direkt aus dem Gefängnis hierher zurückgekehrt?“ Unglaube lag in ihren Augen.
„Warum?“
In leiser Verzweiflung hob er beide Hände, die Handflächen zum Himmel gerichtet.
„Weil dies mein zu Hause ist. Es ist für mich unvorstellbar wo anders zu leben.
Die letzten neun Jahre waren unfassbar hart und nur der Gedanke daran, nach Oleron zurück zu kehren, hat mich aufrecht gehalten.“
Sie schnaubte verächtlich: „Kann ich mir vorstellen, dass die Jahre in der Strafanstalt kein Zuckerschlecken waren…Nach allem was man hört, hast du dir den Aufenthalt ja wohl selbst zuzuschreiben.“
Ihre Verachtung traf ihn. Dabei war er sich so sicher gewesen, dass sie anders war, als all jene, die ihn ungehört verurteilten. Mit dem richtigen Einfühlungsvermögen und ausgewählten Worten, hatte er ihr von den Geschehnissen erzählen wollen. Natürlich wäre sie erschüttert gewesen, vielleicht hätte auch eine Zeit lang Unverständnis in ihren Augen gestanden, aber sie hätten zumindest die Chance gehabt, ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten, vielleicht sogar zu vertiefen.
Mit einer Handbewegung, die seine tiefe Verzweiflung ausdrückte, wischte er sich den, noch immer fallenden Regen vom Gesicht.
„Das habe ich wohl..., dennoch hätte ich nie vermutet, dass du mich so schnell vorverurteilst.“
„Vorverurteilst? Thierry, du hast neun Jahre in einer Haftanstalt verbracht, als verurteilter Mörder! Wie kann ich dich da vorverurteilen? Das sind Tatsachen.“
Ihre Stimme hatte sich, während sie sprach, um einige Oktaven erhöht. Vermutlich ein Anzeichen aufsteigender Hysterie.
„Liliana, schenke mir eine Stunde deiner Zeit...dann wird dir klar...“
„Nein! Nein, hörst du. Ich will keine Erklärungen. Du hast dich in mein Leben gedrängt und viel schlimmer, du hast Elise Vertrauen im Handumdrehen gewonnen. Versuchst dich, “ sie deutete mit der linken Hand auf die bereits reparierten Fensterläden, „unentbehrlich zu machen. Und während du mit uns zusammen bist, entlockst du mir jedes meiner Geheimnisse, ohne jedoch auch nur das Geringste von dir Preis zu geben.“ Sie unterbrach sich kurz, um zitternd Luft zu holen.
„Gott, ich hätte meinem Gefühl trauen sollen. Von Anfang an habe ich gespürt, dass mit dir etwas nicht stimmt. Du, du warst zu glatt. Eine Spur zu hilfsbereit, eine Spur zu nett, zu verständnisvoll..., meine Güte, wenn ich nur daran denke, was ich dir alles anvertraut habe..., “
Ein Hauch von Abscheu zog über ihre schönen Gesichtszüge. Regentropfen verfingen sich in den langen dunklen Wimpern, rannen über ihre Wangen und tropften von ihrem Kinn.
Thierry senkte den Kopf und schloss gequält die Augen. Warum hatte er nicht längst mit ihr gesprochen?
Die Antwort darauf kannte er nur zu gut. Weil er eben dieses Reaktion ihrerseits befürchtet hatte. Sein schlimmster Albtraum wurde gerade Wahrheit.
Als er die Augen öffnete, bemerkte er das Blut an seinen Händen.
Verflucht, es ging wieder los. Es war immer dasselbe, wenn der emotionale Druck zu hoch wurde. Ohne jede Vorwarnung, platzte eine Ader und ein nicht unerheblicher Blutstrom floss aus seiner Nase.

Im Kindle-Shop: Stigmata

Mehr über und von Silvia Maria de Jong auf ihrer Website.

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