18. Juli 2016

'Inferno Damaskus' von D.W. Crusius

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Syrien - ein Land kurz vor dem Auseinanderfall.

Der Journalist Ulf Leitner hat viele Jahre von den Kriegsschauplätzen dieser Welt berichtet. Er sagt - Leichenberge kann man nur mit einem kräftigen Schluck Whisky aushalten. Mit den Leichenbergen wächst auch sein Alkoholkonsum. Erst kann ihn seine Frau Lydia nicht mehr ertragen und verlässt ihn. Dann erträgt der Chefredakteur seine ständigen Alkoholexzesse nicht mehr und wirft ihn raus. Ulf sitzt auf der Straße und hat nur ein Ziel - sich möglichst schnell mit Whisky unter die Erde zu bringen.

Lydia, Reporterin wie Ulf, will aus Syrien über Steinigungen moslemischer Frauen in den besetzten Gebieten berichten. Plötzlich bricht der Kontakt zu Lydia ab.

Leseprobe:
Ich starrte an die Decke. Mein Kopf dröhnte wie eine Pauke. Im Mund hatte ich einen Geschmack, als hätte ich mit Pisse gegurgelt. Mir war heiß und kotzübel. Die Bettdecke lag zusammengewurschtelt am Fußende. Ein rasselndes Geräusch, wie von einer Kettensäge, dröhnte in meinen Ohren. Ich drehte den Kopf zur Seite. Neben mir lag mit gespreizten Beinen eine Frau, nackend wie ich. Sie lag auf dem Rücken und schnarchte mit weit offenem Mund. Ihre wirren schwarzen Haare mussten gefärbt sein, ihr Schamhaar war eisgrau. Schmerzhaft grelles Tageslicht drang durch das Fenster in meine schnapsverdröhnten Augen.
Ich konnte mich an so gut wie nichts erinnern. Wer war die Frau? Irgendwer hatte mich fürchterlich abgefüllt. Im Zweifel ich selbst. Ich hob den Kopf und sah an mir runter. Über meiner Nudel halb runtergerutscht hing ein verschrumpelter Pariser.
Wo war ich hier gelandet und wie war der Name der Frau neben mir? Ich sah auf die Uhr. Neun Uhr. Ich musste hier raus, um 10:30 hatte ich ein Meeting in der Redaktion. Vor sechs Monaten hatten sie mich fristlos gefeuert. Jetzt wollten sie mich dringend sprechen.
Mein Hauptnahrungsmittel bestand aus Whisky, und wenn ich den weggetrunken hatte, hielt ich mich an Wodka, oder was eben sonst noch da war. Rasierwasser soff ich noch nicht, was wohl nur eine Frage der Zeit war. Grundlegend verändert hatten sich meine Lebensgewohnheiten durch den Rauswurf nicht. Nur der Fusel war von der billigeren Sorte. Scheiße.
Mit der letzten Presswehe erblickt man das Licht dieser Welt und dann wartet man sein ganzes Leben auf irgendetwas. Auf die Straßenbahn, den Kellner mit dem Whisky, dass die Frau endlich verschwindet, oder zurückkommt, auf das Ende des Lebens. Ich wollte die Wartezeit abkürzen und das auf halbwegs erträgliche Weise. Mit Whisky war die angenehmste Methode. Bis auf die teuflischen Magenschmerzen am Morgen danach.
Ich richtete mich mühsam auf und schwang die Beine aus dem Bett. Die Frau neben mir röchelte, als wäre sie kurz vorm Abnibbeln.
»Wills’te gehen?«, murmelte sie im Halbschlaf. »Wenns’te gehst, vergiss den Fuffie nicht und knall die Tür nicht so laut.«
Eine Nutte der preiswerteren Sorte, eine Fuffie-Nutte. Sie musste letzte Nacht auch besoffen gewesen sein, denn Frauen ihrer Art kassieren normalerweise vorher. Ich versuchte, mich an ihren Namen zu erinnern, er wollte mir nicht einfallen. War auch egal, ich nannte sowieso alle Nutten Gloria.
Ich stand auf und das Zimmer drehte sich um mich wie ein Karussell. Mir wurde speiübel, als müsste ich gleich kotzen. Schwankend stand ich mit geschlossenen Augen neben dem Bett und wartete, dass der Brechanfall vorbeiging und ich die Augen wieder auf bekam. Mit einem Platsch rutschte der Pariser von meiner Nudel und landete auf den Boden.
Ich tappte den Flur entlang ins Badezimmer, hockte mich auf den Topf und erledigte das Übliche. Dann drehte ich mich um, kniete mich auf den Boden und kotzte. Auch wie üblich. Angewidert betrachtete ich den Inhalt der Kloschüssel. Wie Fetzen meiner Magenschleimhaut.
Taumelnd kam ich wieder hoch, schaffte es zum Waschbecken, klemmte den Mund unter den Hahn und trank in gierigen Zügen erst mal einen Eimer Wasser. In Frankfurt konnte man das Wasser risikolos trinken. In den Ländern, in denen ich mich üblicherweise rumtrieb, sollte man das tunlichst unterlassen. Mit Sicherheit erwischte einen die Scheißerei und in Afrika oder dem Nahen Osten konnte das durchaus tödlich enden. Dann brauchte es keine pfeifenden Querschläger, abgefeuert von irgendeinem durchgeknallten Guerillakämpfer.
Mühsam stemmte ich mich vom Wasserbecken hoch und blickte in den Spiegel. Ich wusste nicht, was sie von mir wollten, aber egal was es war, einen Job würden sie mir mit dem Gesicht nicht geben. Genaugenommen wollte ich auch keinen. Nur Whisky oder Wodka. Fünfhundert hatten sie als Vorschuss locker gemacht. Reichlich Fusel.
»Damit du wenigstens die Zugfahrt und ein Hotel bezahlen kannst«, hatte Eric gesagt.
Ich sah erneut auf die Uhr. Viel Zeit für eine große Reinigungsprozedur hatte ich nicht. Ich spritze mir mit beiden Händen Wasser auf den Oberkörper. Auf dem Boden lag ein altersgrau verfärbtes Handtuch und ich rieb mich trocken. Ich ging wieder zurück. Die Frau – Gloria war ihr Name, sagte ich das schon? – lag immer noch splitternackt auf dem Rücken und schnarchte, als wollte sie noch vor mir abkratzen.
Ich zog mich an und ging wieder ins Badezimmer, kämmte mich. Rasieren war nicht mehr, ich war so schon spät dran.
»Vergiss den Fuffie nicht«, hörte ich die Frau mahnen. Ich zog meine Geldbörse aus der Gesäßtasche und blickte hinein. Überraschenderweise war noch fast alles da. Nur dreißig oder vierzig Euro fehlten. Das war letzte Nacht für den Schnaps und die belegten Brötchen draufgegangen, die der Barmann besorgt hatte. Ich war in keinem Puff gewesen, in einer normalen Kneipe. Die röchelnde Frau im Bett hatte am Tresen gesessen. Wenn Nutten sich lange genug am Bordstein den Arsch abgefroren haben, müssen sie sich aufwärmen und bei der Gelegenheit hatte ich sie abgeschleppt. Oder sie mich.
Ich zog einen Fünfziger aus der Brieftasche und legte ihn auf den Tisch. Keine Ahnung, was ich dafür gekriegt hatte. An der Stelle ging ein Riss durch meine Erinnerung und ich blickte in ein tiefes, schwarzes Loch. Billiger als ein Hotel war es allemal. Hoffentlich erwartete Eric keine Hotelrechnung. Fuffie-Nutten geben keine Quittungen. Nur die teuren von einem Escort-Service ficken auf Rechnung und die kann man auch von der Steuer absetzen. Die Nutten heißen auch nicht Gloria, sie haben klangvolle Namen, wie Chantal oder Denise, Carmen. Seit es den Eisernen Vorhang nicht mehr gibt, heißen sie oft auch Irina, Olga oder Tatjana.
Ich zog mich an, hatte Schwierigkeiten, in die Hose zu kommen, konnte nicht auf einem Bein stehen. Dann nahm ich meine Reisetasche vom Boden und ging zur Tür.

Im Kindle-Shop: Inferno Damaskus

Mehr über und von D.W. Crusius auf seiner Website.



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