20. September 2016

'Mederia 1: Aufziehende Dunkelheit' von Sabine Schulter

Die Person, die das eigene Leben am meisten verändern wird, nennen die Dämonen von Mederia Schicksal. Jeder von ihnen besitzt eines und doch wird gerade Gray, dem Kronprinzen der Dämonen, prophezeit, dass sich um sein Schicksal herum sogar die ganze Welt verändern wird.

Die Gedanken an sie werden jedoch aus Grays Gedanken gelöscht, als der Hass zwischen dem Norden und Süden Mederias in einem allesverzehrenden Krieg gipfelt, der sein Volk fast vollständig vernichtet.

Voller Wut und dem Willen, diesen Krieg zu beenden, stürzt sich Gray in den Kampf und rettet eher aus Zufall der jungen Bardin Lana das Leben. Jener Frau, in deren Händen das Schicksal Mederias liegt.

Erster Teil der Mederia-Reihe.

Gleich lesen: Mederia 1: Aufziehende Dunkelheit

Leseprobe:
Die gläserne Brücke erbebte unter einer gewaltigen Explosion und bis auf Gray und die Wächterin wurde alle Anwesenden von den Füßen gerissen.
„Was war das?“, fragte eine der Priesterinnen angstvoll, aber niemand konnte ihr antworten. Gray aber ahnte böses.
„Lana!“, flüsterte er und wirbelte herum.
Er ignorierte den Schmerz in der Brust sowie die Rufe der anderen und sprang aus dem Fenster. Er breitete seine Schwingen aus und fing so einen Aufwind ein, der ihn nach oben trug, ohne dass er groß seine angegriffenen Kräfte in Anspruch nehmen musste. Er ließ sich immer höher in den sturmgepeitschten Himmel tragen, selbst wenn noch weitere Blitze über den Himmel zuckten.
Die Winde nutzend stieg Gray über die Türme des Schlosses und schwebte auf die nahe Stadt zu. Schon von hier konnte er die klaffende Wunde im Antlitz der stolzen Mauer sehen. Brocken waren aus ihr herausgerissen und wie weißer Zucker in die Häuser der Stadt verstreut worden.
Gray stöhnte auf. Nicht wegen der Schmerzen, sondern weil ihm eine Erinnerung kam. Er kannte dieses Bild aus seinen Visionen. Doch selbst wenn er sich gewünscht hätte, dass sie nicht eingetreten wäre, nutzte er sie, um Lana zu finden, die er ohne sie wohl in all dem Chaos und der Zerstörung ewig hätte suchen müssen.
Schreiende Elben stürzten davon, in heller Panik über den Verlust ihrer unzerstörbaren Mauer und Soldaten drängten Befehle brüllend nach vorn, um den Riss und damit den Zugang zur Stadt zu verteidigen. Sein Schicksal saß für ihn viel zu nah am Ort des Geschehens auf dem nassen Pflaster, so wie viele andere ebenfalls, die von der Explosion paralysiert oder verletzt wurden.
Gray zog die Augenbrauen zusammen, als er die Verletzten und Toten sah. Auch wenn der Regen das viele Blut bereits wegschwemmte, war es ein kein schöner Anblick.
Lana kam ihm hingegen nur leicht verletzt vor, als er vor ihr landete. Sie war wohl von der Druckwelle erfasst und zurückgeschleudert worden, denn er erkannte Schürfwunden und kleinere als auch größere Kratzer von herumfliegenden Trümmern, aber keine größere Menge an Blut. Sie bemerkte ihn gar nicht, saß einfach auf dem Pflaster und verbarg das Gesicht in den Händen. Gray wusste bereits, dass sie weinte, noch bevor er vor ihr in die Knie ging und ein Schluchzen zwischen ihren Händen hervordrang. Umsichtig entfaltete er seine Schwingen und bot ihnen beiden Schutz vor dem Regen.
„Lana“, sagte er behutsam.
„Ich konnte es nicht verhindern“, schluchzte sie und nahm die Hände herunter. „Schon wieder nicht.“
Ihre Tränen verbanden sich mit dem Wasser, das aus ihren Haaren und über ihr Gesicht rann. Ihre Augen wirkten rot und sowohl die Haare als auch ihre Kleidung klebten an ihrer Haut. Sie sah aus wie ein einziges Häufchen Elend. Gray verstand sie nur zu gut.
„Vielleicht war es einfach nicht unsere Aufgabe, dies hier zu verhindern. Mehr konnten wir nicht tun“, versuchte er sie zu trösten.
„Aber wenn ich es rechtzeitig zu Gareth geschafft hätte“, begann sie, doch Gray unterbrach sie.
„Dann wäre vielleicht das Gleiche geschehen. Gib nicht dir die Schuld. Ich bezweifle, dass Gareth etwas gegen ein Wesen aus den versiegelten Hallen hätte unternehmen können.“
„Aber…“
„Lana, du hast getan, was du konntest.“
Unsicher ließ sie den Blick über den furchtbaren Anblick schweifen, um dann niedergeschlagen die Schultern hängen zu lassen. „Wozu sind wir dann hierhergekommen?“
Gray legte ihr eine Hand an die Wange, wodurch sie den Kopf hob. Ihre Augen blickten weit aufgerissen zu ihm und er entdeckte darin nicht nur Trauer, sondern auch Angst. „Wir haben Tesha gerettet und verhindert, dass ein Monster den Thron der Elben weiter zum Wanken bringt. Außerdem konnten wir eine Wächterin wecken, die nun auf unserer Seite steht und die Stadt der Elben ist noch nicht gefallen. In Tagen wie diesen ist das eine dankenswerte Anzahl an guten Dingen.“
Lana nickte, wenn auch immer noch betrübt. „Wahrscheinlich hast du recht“, flüsterte sie, so dass der Regen sie fast übertönte. Sie schloss die Augen und neigte sich ihm entgegen, damit sie die Stirn an seine Schulter legen konnte. „Danke, dass du da bist.“
Ihre leisen Worte freuten ihn trotz der furchtbaren Situation und statt ihr zu antworten, legte er ihr beruhigend eine Hand an den Hinterkopf. Eine ganze Weile saßen sie so da und ließen alles für kurze Zeit um sich herum vom Regen wegwaschen.
Lana hatte recht. Irgendwie hatten sie nicht das geschafft, was sie eigentlich erreichen wollten. Auch Gray war unzufrieden, vor allem wenn er den Blick über den Platz schweifen ließ.
Da versteifte sich Lana plötzlich und im selben Moment strichen ihre Finger vorsichtig über seine Brust. Wie Feuer brannte der Schmerz durch seine Adern und er zuckte vor ihren Fingern weg.
„Du bist verletzt!“, rief Lana vorwurfsvoll. „Wieso sagst du das nicht gleich? Stattdessen jammere ich dir die Ohren voll. Komm, wir müssen jemanden finden, der dir hilft.“
„Das kann warten“, meinte Gray, aber sie sprang bereits auf und hielt ihm eine Hand hin. Er ignorierte sie und stand ebenfalls auf. „Lana, hier gibt es andere Leute, die eher Hilfe brauchen als ich.“
„Aber“, begann sie und zupfte leicht an den Resten seines Hemdes, das bereits von Blut getränkt war. Sie sah deutlich die verbrannte und blutige Haut darunter.
Gray fing ihre Finger auf und drückte sie hinab, wohl weil es ihm Schmerzen bereitete, wenn sie ihn berührte. Trotzdem lächelte er sie beruhigend an. „Komm, lass uns Gareth suchen.“
Sie wollte ihn lieber schnell zu einem Heiler bringen, aber Gray blieb stur. „Wir haben schließlich noch eine Stadt zu retten.“
Er fasste ihre Hand und eilte mit ihr im Schlepptau an den Verletzten, den Helfern und Soldaten vorbei weiter auf die zerstörte Mauer zu. Immer mehr Glocken läuteten und zeigten damit, dass ein Angriff kurz bevorstand.
„Die Schatten!“, rief ein Soldat.
Das Wort wurde aufgenommen und immer weitergetragen. Jeder der noch eine Waffe halten konnte, griff sich eine und eilte zur Verteidigung der Stadt. Dadurch füllten sich die Straßen schnell und Lana hatte Mühe mit Gray mitzuhalten, obwohl er der Verletzte von ihnen beiden war.
Als die Verteidiger den weiteren Weg zu versperren begannen, packte Gray sie und sprang kurzerhand auf die Dächer, um dort weiter zu hetzen. Lana erkannte nur an dem kurzen Verengen seiner Augen, welche Schmerzen er leiden musste. Trotzdem rannten sie weiter.
Gigantisch türmte sich die Mauer vor ihnen auf, der Riss in dem weißen Stein wirkte wie eine Wunde und die Elben, die darauf zu eilten, schienen wie Blut, das bereit war, hinauszufließen. Lana wünschte, diesen Vergleich nie gemacht zu haben.
„Sieh!“, rief Gray über den Tumult und das Rauschen des Regens hinweg.
Lana folgte mit dem Blick seinem ausgestreckten Arm, darauf achtend, nicht über eine Unebenheit zu stolpern. Hinter der niedergerissenen Mauer brodelte das Land von lebender Dunkelheit, die mit geifernden Mäulern und rotglühenden Augen auf die Stadt zu schwappte.
„Es sind inzwischen viel zu viele. Die Elben werden sie nicht aufhalten können“, rief Lana. „Sie brauchen göttliche Magie.“
„Kannst du sie ihnen geben?“
„Ich weiß es nicht.“
Gray hielt abrupt an. „Wollen wir es ausprobieren?“
„Und wenn es nicht klappt?“, fragte sie angstvoll.
„Dann hole ich dich dort wieder heraus.“
Lana sah in dem roten Glühen seiner Augen den Willen, andere zu retten, wo er bei seinem eigenen Volk versagt hatte und auch Lana wusste, dass sie es zumindest versuchen wollte. Kurz blickte sie ihn noch an, dann griff sie sein Hand fester. „Versuchen wir es.“
Ohne Verzögerung hob Gray sie von den Füßen und sprang von dem Haus hinaus in den stürmischen Tag. Eine Böe ergriff sie, riss sie davon und brachte sie in Sekundenschnelle direkt an den Durchbruch. Die Elben, die bang aber fest auf die erste Welle der Angreifer warteten, zuckten überrascht zurück, als sie direkt zwischen ihnen landeten.
„Los, Lana“, rief Gray.
„Ja, einen kleinen Moment.“ Verzweifelt suchte sie die Quelle ihrer Macht, aber sie war so aufgeregt und ihr Herz schlug so schnell, dass sie es einfach nicht schaffte. Die Soldaten wollten sie schon zur Seite schieben, aber Gray schirmte sie ab, bot ihr so viel Ruhe, wie es die Situation zuließ. Und doch klappte es nicht. Die Schatten waren fast heran und Lana glaubte bereits, das Tappen der dunklen Pfoten hören zu können.
„Du schaffst das“, beschwor Gray sie.
Mit einem tiefen Atemzug schloss sie die Augen und tauchte tief in sich ein. Im letzten Moment erreichte sie ihr Ziel und ließ unkontrolliert das heraus, was in ihr verborgen lag. Ein Schrei drang aus ihrer Kehle und sie riss die Augen in dem Moment auf, als der erste Schatten die Klauen nach ihr ausstreckte.
Mit einer Handbewegung stieß sie ihn zurück und die Magie brach aus ihr heraus wie ein golden glühendes Schild, das sich auf ganzer Breite und Höhe der Mauer stabilisierte. Wie eine dunkle Flut brachen die Schatten daran und drängten sie allein durch ihre Masse zurück.
Grays starke Gestalt gab ihr Halt, beschützte mit ihr zusammen dieses Bollwerk gegen die Dunkelheit. Aber ihr Kraft schwand so schnell.
Die Schatten verloschen wie Rauch im Wind, aber jeder, der starb, entriss ihr ein wenig Magie und sie wusste nicht, ob sie genug davon haben würde. Sie keuchte und ihre Finger begannen zu zittern.
Da legte sich eine weitere Hand auf ihre Schulter und sogleich ließ der Druck auf sie nach. Neue Energie floss in sie hinein und überrascht wandte sie den Kopf. Neben Gray, der sie stützte, waren alle Elben zurückgetreten und bestaunten das goldene Schild. Doch nun war Gareth zusätzlich an ihrer Seite und nickte ihr unerschütterlich zu. Hinter ihm drängten sich Priester der verschiedenen Gottheiten durch die Verteidiger und durch jeden, der sich ihrem Verbund anschloss, wurde Lana kräftiger. Ihr Schild schwoll an und begann so intensiv zu leuchten, dass bald der Blick nach außen verwehrt blieb.
„Jetzt fehlt nur noch eine Kleinigkeit“, meinte Gareth, legte seine Hand auf Lanas ausgestreckte und machte… irgendwas.
Lana spürte einen Ruck an ihrer Magie und dann wie sie abbrach, weil sie nicht mehr benötigt wurde. Wie ein Stück Phantommauer fügte sich das goldene Schild in die Wunde und verschloss den Weg hinaus oder hinein in die Stadt.
„Meinen Glückwunsch, Lady Eleana, ihr habt mit unserer bescheidenen Hilfe gerade einen äußerst effektiven Segen auf diese Stadt gewirkt“, grinste Gareth und klopfte ihr auf die Schulter.
„Heißt das, sie können uns nichts mehr anhaben?“, fragte sie ein wenig mit der Situation überfordert.
„Vorerst nicht, nein. Die Mauer schützt uns und die Elben wissen ihre Stadt nun zu verteidigen“
Fast gingen seine Worte in dem Jubel der Elben unter, die verstanden hatten, dass sie der Dunkelheit entkommen waren. Wenn vielleicht auch nur für kurze Zeit.
Erschöpft blickt Lana zu Gray. „Wir haben es wirklich geschafft.“
Ihre Stimme erklang rau und so leise, dass sie sich selbst kaum verstand. Trotzdem hatte er sie verstanden und lächelte genauso erschöpft wie sie, aber mit einem stolzen Funkeln in den Augen. „Ja, das haben wir. Und nun beschwere ich mich nicht mehr, wenn du zu einem Arzt möchtest. Sollen andere sich um den Rest kümmern.“
Völlig entkräftet, aber erleichtert lehnte sie sich kurz an ihn, um sich dann einen Weg durch die Verteidiger zu bahnen.

Im Kindle-Shop: Mederia 1: Aufziehende Dunkelheit

Mehr über und von Sabine Schulter auf ihrer Website.

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