13. Juli 2017

'Seeblick kostet extra: Eine Bodensee Krimikomödie' von Christiane Kördel

Ein humorvoller Krimi, spritzig, romantisch und absurd.
Kopfkino und gute Laune aus und in Konstanz am Bodensee.

Wenn der Drahtzieher des letzten Mordes freikommt und wenig später der leitende Kripoermittler tot im Gartenhaus liegt, kann das kein Zufall sein. Ines Fox wittert die Chance, ihren persönlichen Moriarty endlich hinter Gitter zu bringen. Allerdings hat sie mit Irrungen in Liebesdingen und Chaoswellen zu kämpfen, die gegen Konstanz branden. Als die Imperia, das Wahrzeichen, erschlagen und Ines samt Einwohnerschaft verflucht wird, soll sie die Stadt verlassen. Doch Ines trotzt. Wie lange noch? Und zu welchem Preis? Ines' außerkörperliche Erfahrungen, im ersten Teil „Seezeichen 13“ durchaus hilfreich, haben Fehlzündungen. Ja, hier ist rein gar nichts ernst zu nehmen.

Der zweite Fall der Ines Fox, locker mit Freude am Wortwitz erzählt. Ein Krimi, der sich nicht immer anfühlt wie einer.

Gleich lesen: Seeblick kostet extra: Eine Bodensee Krimikomödie (Ines Fox 2)

Leseprobe:
„Nicht schuldig im Sinne der Anklage“, nuschelt der Richter und schiebt wiederholt seine Brille nach oben. Dabei zieht er ein Gesicht, als wäre ihm völlig unklar, was er da von sich gibt. Oder als wäre er nicht damit einverstanden?
Ein entsetzter Ruck geht durch das Publikum gepaart mit allerlei Lauten der Bestürzung. Mich trifft die Nachricht mit voller Wucht und setzt mich gleich mal außer Gefecht. Ich kann nicht mehr folgen, wieso, weshalb, warum das so sein soll und welchen bösen Paragrafen man die Schuld dafür in die Schuhe schiebt.
„Nein!“, kreische ich deutlich verzögert und springe auf. Das Getuschel im Saal verstummt. Alle Blicke richten sich auf mich. Ich schwanke wie bei leichtem Seegang und greife nach der Lehne vor mir. Etwas Verlässliches muss her! Wie bestellt legt sich eine Hand auf meinen Rücken. Sie bleibt, bis ich mich wieder neben Dr. Frieder auf die Bank sinken lasse. Rot bis in die Haarspitzen, war ja klar, aber das ist im Moment nebensächlich.
Das darf doch nicht wahr sein! Nach dem ersten Schock um-klammert mich Fassungslosigkeit und droht mir die Luft abzuschnüren. Vor wenigen Minuten noch konnte ich kaum still sitzen. Nach Wochen im Gerichtssaal fieberte ich dem Urteil entgegen. Ich wollte den Drahtzieher der Ermordung meines Mitarbeiters Bernd Gerold endlich und für lange Zeit hinter Schloss und Riegel sehen. Jetzt möchte ich einfach der Schwerkraft nachgeben, loslassen, hinabgleiten und durch das alte Gemäuer fließen. Irgendwann käme ich in Neuseeland heraus, bei meinem Glück geradewegs unter einem Schaf während es ... Wenigstens ist dort Frühling.
Sein Blick hat meinen gefunden. Das blasse Gesicht des 28-Jährigen verzieht sich zu einem Lächeln. Von allem haben diese Gesichtszüge irgendwie zu viel: zu viel Stirn, zu viel Lippen und eine zu lange Nase. In einer charakteristischen Bewegung streicht er das dunkle Haar nach hinten, das er mit deutlich zu viel Gel an den Schädel gekleistert trägt. Kurz spukt mir durch den Kopf, wie er wohl seinen exzessiven Pomadenkonsum in der Untersuchungshaft gesichert hat.
Ich würde sein Lächeln als charmant auslegen. Ich würde ihn seiner markanten Gesichtszüge und hohen Wangenknochen wegen sogar als gut aussehend einstufen, wüsste ich nicht, wer und was er ist. Roger Merian. Die schmalen Schultern im italienischen Maßanzug morsen ‚war wohl nichts‘. Soll das versöhnlich wirken? Dazu neigt er leicht den Kopf, was auch eher sympathisch rüberkommt. Wie ich das hasse!
Ganze fünf hochkarätige Anwälte hat er aufgefahren. Sie schütteln sich die Hände, klopfen sich auf die Schultern, begleiten ihren Sieg mit Gesten, die überall die gleichen sind. Aktenberge verschwinden in Koffern. Was keinen Platz findet, wird unter den Arm geklemmt.
Die Strafverteidiger haben ihre Hausaufgaben gemacht, das muss man ihnen lassen. Sie nahmen alles und jeden auseinander, mich eingeschlossen. Während der Verhandlung gab es Abende, an denen ich die zehntausend Puzzleteile meiner selbst wieder zusammensetzen musste. Dr. Frieders Hauptaufgabe bestand darin, mir meinen Bauplan zu zeigen. Er erinnerte mich, wer ich bin, und wer der Böse ist in diesem Spiel.
Spiel. Für Roger Merian ist alles ein Spiel. Je härter die Nuss, je höher das Risiko, desto größer der Kick. Das Lebenselixier dieses machthungrigen Schweizer Psychopathen: Unfreiwilligen Mitspielern kranke Spiele aufzwängen, die sie nur mit Müh und Not lösen können. Er setzt Menschen wie Schachfiguren, um seine Ziele zu erreichen.
Den Titel Psychopath verpasse ich ihm nicht leichtfertig. Tatsächlich erfüllt er die Kriterien der gebräuchlichen Checklisten. Aber ich bin hier natürlich nur Laie.
Als Roger Merian abgeführt wurde, war Schluss mit den Spielchen – dachte ich. Erstaunlich schnell wurde das Gerichtsverfahren begonnen und durchgezogen. Ganz im Interesse des mächtigen Angeklagten. Heute trifft es mich aus heiterem Himmel, dass die Anklage in allen Punkten abgeschmettert wurde. Habe ich es einfach nicht wahrhaben wollen?
„Was ist jetzt mit dem Tatbestand der Freiheitsberaubung?“, flüstere ich und neige mich schräg zu Dr. Frieder, ohne Roger Merian aus den Augen zu lassen. Die Freiheitsberaubung bezieht sich auf meine Person.
Als ich keine Antwort erhalte, schaue ich Dr. Frieder ins Gesicht. Mein sonst so relaxter Norddeutscher wirkt angespannt. Hinter die Sonnenbräune unter dem Blondschopf hat sich Blässe geschlichen.
„So‘n Schiet“, sagt er tonlos.
„Du meinst, er ...“ Ich schlucke, wage kaum, es auszusprechen, gebe mir aber schließlich einen Ruck. „Kommt er frei?“
Dr. Frieder vollführt ein einzelnes, sehr langsames Nicken.
Ich schaue mich um. Mein Blick trifft den von Arthur von Leisfall, seit Kurzem Kriminaloberkommissar. Stocksteif thront er in tadellosem grauen Zwirn. Zuletzt die rechte Hand von Kriminalhauptkommissar Michael Schroff, der die Ermittlungen im Mordfall führte, könnte er dessen Nachfolger werden, wenn man den Gerüchten Glauben schenken darf. Arthurs Pokerface zeigt keine Regung, es wäre auch das erste Mal. Wieso nur habe ich mir da Hoffnungen gemacht?
Auf der anderen Seite, zwischen ihren Journalistenkollegen, sehe ich Mama sitzen, wie aus dem Ei gepellt. Rot lackierte Fingernägel umklammern ein Notebook. Mama hält sich kerzengerade, wahrt die Fassung. Sie sieht mich an und presst die Lippen zusammen. Im Geiste höre ich sie sagen ‚Och, meine Kleine!‘
Mir wird schlecht. Nun, es ist ja naheliegend, dass er freikommt, wenn er nicht verurteilt wird, weil er für nicht schuldig befunden wird. Nicht, dass ich zu dumm oder naiv wäre, das zu verstehen. Mein kopfscheuer Verstand braucht nur heute und hier eine gesonderte Belehrung: Ja, es ist auch heute und hier, wie es immer ist. Keine Ausnahme, sorry Ines. Nicht schuldig bedeutet, dass er freikommt.

*

„Schokokuchen?“ Dr. Frieder hält mir wie einem Kleinkind eine Gabel vor den Mund, zu deren Ladung ich selten Nein sage. Lieblingsdroge.
Übrigens, mein Name ist Ines Fox. Ich wohne in Konstanz, der größten Kleinstadt am Bodensee. Beruflich bin ich Jungunternehmerin und Inhaberin von Foxinet Webdesigns. Privat leide ich an krankhafter Neugier und Einmischeritis. Gelegentlich, öfter als mir lieb ist, beweise ich Mut zu meinem eigenen Chaosstil. Rein äußerlich meine ich Ähnlichkeit mit einem Leuchtturm zu haben: rote Locken mit weißer Haut auf erhöhter Ebene.
Trotzig schüttle ich den Kopf, gehe ganz auf in der aktuell zugewiesenen Kleinkindrolle …

Im Kindle-Shop: Seeblick kostet extra: Eine Bodensee Krimikomödie (Ines Fox 2)

Mehr über und von Christiane Kördel auf ihrer Website.

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