30. August 2017

'Back to the Fact: Eine persönliche Zeitreise in die 80er und zurück ...' von Michael Kraft

Great Scott! Fake News, alternative Fakten, Lügenpresse – Begriffe, denen man im postfaktischen Zeitalter kaum noch entkommen kann. Früher war alles besser, das weiß doch jeder! Retro und Nostalgie sind derzeit sehr populär, die Sehnsucht nach besseren Zeiten ist nicht zu übersehen.

Doch war die gute alte Zeit wirklich besser? Oder neigen wir dazu, uns nur an die guten Dinge zu erinnern und vergessen dabei, dass wir in einer Gegenwart leben, für die wir die Weichen in ebendieser „guten alten Zeit“ selbst gestellt haben? Dieses Buch versucht, in einer sehr persönlichen Zeitreise quer durch die letzten vierzig Jahre an Vergangenes zu erinnern und es in Relation zu Behauptungen der Postfaktaten zu setzen. Denn die Rückkehr zu den Fakten ist angesichts von Brexit, Trump und AfD mehr als überfällig.

Über die aktuellen Auswirkungen von Fakenews, Brexit und Trump führte der Autor für dieses Buch Gespräche mit:
Christiane Link (in Großbritannien lebende Journalistin und Unternehmerin)
Eva-Maria Lemke (Journalistin, Autorin, Moderatorin von ZDF heuteplus)
Donna Mayne (Expertin für das US-Gesundheitswesen)

Gleich lesen:
Für Kindle: Back to the Fact: Eine persönliche Zeitreise in die 80er und zurück ...weil früher auch nicht alles besser war!
Als Taschenbuch (versandkostenfrei): Buch bei Bücher.de

Leseprobe:
Die ominöse Informationsblase und der Backfire-Effect

Zu der Verantwortung des Publikums gehört es auch, sich nicht nur auf einzelne Quellen zu verlassen. Selbst die seriösesten Quellen können bisweilen irren und dann ist es gut, Nachrichten durch verschiedene Perspektiven zu verifizieren oder gegebenenfalls auch zu widerlegen. Den Nachrichtenmachern hilft das im Übrigen auch dabei, ein hohes Niveau zu halten, denn natürlich neigen Menschen dazu, in Routine zu verfallen und weniger sorgfältig zu arbeiten, wenn die Kunden offenbar auch mit geringerer Qualität zufrieden sind.
Heute ist oft die Rede von der sogenannten Informationsblase. Aber was versteht man darunter? Der Begriff beschreibt das Phänomen, dass Menschen dazu tendieren, sich nur aus solchen Quellen zu informieren, die ihre (vorgefassten oder erworbenen) Meinungsbilder bestätigen und ihnen tendenziell zustimmen. Das ist zunächst nicht ungewöhnlich. Natürlich bedient man sich lieber aus einer Nachrichtensendung, deren Moderation man interessant und sympathisch findet als aus einer, bei der schon die Stimme des Nachrichtensprechers nervt. Kommen dann noch Tendenzen oder Meinungsbilder hinzu, die sich nicht mit dem eigenen decken, verzichtet man gerne auf diese Quellen.
Ist das nun ein neues Phänomen? Ich sage nein. In der Schule konnte man die Lehrer normalerweise auch immer einer gewissen politischen Ausrichtung zuordnen. Das war vermutlich in unsrer Generation besonders deutlich zu spüren, weil da schon äußerlich manche die 68er-Generation heraushängen ließen. Sah man also den stockkonservativen Lehrer mit Aktentasche, Anzug und Krawatte, der einen BMW auf dem Parkplatz stehen hatte, überraschte es nicht, dass er in Pausen die „F.A.Z.“ oder „Die Welt“ auf dem Pult liegen hatte. Umgekehrt packte der langhaarige, jeansjackentragende und entenfahrende Sozialkundelehrer dann eben den „Spiegel“ oder die „Frankfurter Rundschau“ aus. Nun gehören all diese Zeitungen und Zeitschriften natürlich zum normalen demokratischen Berichtsspektrum, aber es war schon damals so, dass man an den Aussagen der Leute oft nachvollziehen konnte, welches Blatt sie lasen.
Ein anderes, besonders treffendes Beispiel für die Informationsblase in früheren Zeiten ist der klassische Stammtisch. Er lässt sich sogar besonders gut mit den Verhältnissen in der Online-Welt vergleichen. Auch hier gibt es immer wieder geschlossene Gruppen, Foren und Systeme, die sich in den sozialen Netzwerken untereinander austauschen. Da werden hanebüchene Behauptungen aufgestellt, wer am lautesten redet, hat in der Regel Recht und wer eine entgegengesetzte Meinung vertritt, wird von den anderen oft niedergebrüllt oder im Wiederholungsfall sogar ausgeschlossen. Das führt sowohl beim herkömmlichen Stammtisch als auch in den modernen Internet-Stammtisch-Gruppen dazu, dass sich eine vorherrschende Meinung verbreitet. Ob das nun eine besonders radikale Haltung zu Ausländern, zur Flüchtlingsfrage, Parteipolitik oder Umweltschutz ist, hängt dabei von der generellen Ausrichtung ab. Denn auch das war schon immer so: Stammtischbewegungen gibt es natürlich in allen politischen Lagern. Die Antifa mag es nicht Stammtisch nennen, aber bei ihren Zusammenkünften in geselliger Runde (ob nun online oder offline) sind die Verhaltensweisen gegenüber Andersdenkenden in der Diskussionskultur oft nicht wesentlich anders als bei anderen Extremisten.
Experten sehen die Parallelität zwischen dieser alten Form der Informationsblase und dem Internet durchaus ebenso. Allerdings wird der große Unterschied in der Regel daran festgemacht, dass die Natur der sozialen Netzwerke dafür sorgt, dass man irgendwann nur noch Meinungen und Beiträge sieht, die mit der eigenen Ansicht konform gehen. Das liegt an den berühmten Algorithmen. Ob Suchmaschine oder soziales Netzwerk: Alle sammeln sie Daten und lernen mit jeder neuen Eingabe des Users mehr über seine Vorlieben, sein Verhalten und seine Einstellungen.
Nun mag man das Thema „Datenkraken“ gesondert betrachten; darum geht es jetzt aber nicht. Vielmehr würde man in einem sozialen Netzwerk natürlich mit der Vielzahl an unterschiedlichen Meldungen total überfordert, wenn alles ungefiltert angezeigt würde. Eine sinnvolle Sortierung ist daher unerlässlich. Selbstverständlich möchte ich als Nutzer zunächst mal die Beiträge von Leuten sehen, für die ich mich selbst interessiere und mit denen ich interagiere. Auf Facebook entwickelt sich das je nach Häufigkeit der Interaktion mit anderen. Obwohl ich also mit Person A und B befreundet sein kann, ist es möglich, dass ich von Person B wesentlich häufiger Beiträge angezeigt bekomme, weil wir durch Likes und Shares eventuell viel mehr miteinander interagieren als ich und Person A.
Das führt dann zwangsläufig dazu, dass man sich innerhalb des eigenen Dunstkreises bewegt. Das gilt nicht nur für die Freunde und Bekanntschaften, sondern auch für Gruppen, Seiten und andere Inhalte, die man im Zuge der User-Erfahrung anklickt. Nicht immer liegt der Algorithmus richtig. Aber generell scheinen die Programmierer die Interessen schon richtig zuzuordnen, sonst würde das Ganze nicht so funktionieren, wie es offensichtlich der Fall ist.
Aber auch da sehe ich noch nicht unbedingt den großen Unterschied zu früher. Denn seien wir mal ehrlich: Auch wir haben uns auf dem Schulhof innerhalb der mehr oder weniger zahlreichen Freunde bewegt, mit denen wir direkt zu tun hatten und die wir mochten. Die Meinung anderer hat uns nicht sonderlich interessiert und bestimmte Leute im Klassenverband übernahmen die Meinungsführerschaft – in der Regel auch diejenigen, die später zum Klassensprecher gewählt wurden. War man substanziell anderer Ansicht, wurde man rasch zum Sonderling oder gar Außenseiter in der Klassengemeinschaft.
Und das ist letztlich überall so: Am Stammtisch, im Verein, manchmal sogar in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz. Trotzdem wird die Informationsblase im Internet als gravierender betrachtet. Das Argument lautet dabei, dass man in der elektronischen Infoblase gar keine anderen Angebote mehr wahrnehmen kann, weil eben nur noch das angezeigt wird, was man in der Blase sehen möchte. Diese Argumentation macht Sinn. Und es stimmt auch, dass die meisten Menschen beim Kauf der bevorzugten Zeitung im Kiosk automatisch auch einen Blick auf die Schlagzeilen anderer Blätter werfen, die dort im Regal stehen. Aber nimmt man sie deswegen auch zur Kenntnis? Die wenigsten Menschen kaufen sich mehrere Zeitungen entgegengesetzter Ausrichtungen, wenn überhaupt, dann meist aus beruflichen Gründen, um ein abgerundetes Meinungsbild zu erhalten. Aber der Durchschnittskunde, der seine „BILD-Zeitung“, die „F.A.Z.“ oder den „Spiegel“ kauft, verwendet in der Regel keine Sekunde darauf, etwas anderes als sein gewohntes Meinungsbild wahrzunehmen. Insofern sehe ich keinen gewaltigen Unterschied zu der heutigen Informationsblase, was das betrifft.

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