6. September 2017

'Letzte Chance Mond' von O.E.Wendt

Das Jahr 2097. Die junge Professorin Stella übernimmt die Leitung der beiden amerikanischen Mondbasen. Wenige Monate später tauchen drei mysteriöse Flugobjekte aus dem All auf, die sich unvorstellbar schnell dem Innern des Sonnensystems nähern. Eine Kollision mit der Erde scheint unausweichlich.

Doch zunächst manipulieren die Objekte die Crew des Raumschiffs Nightstar, auf dem auch Stellas Bruder Carl arbeitet. Keinerlei Kommunikationsbereitschaft ist seitens der Objekte zu erkennen und die Erde, der besiedelte Mars und die Farout-Stationen wappnen sich. Jedoch sabotiert die fanatische Sekte der Christlichen Propheten jegliches Raumfahrtprojekt durch zahllose Terrorakte. Auch die Mondbasen sind betroffen und gemeinsam mit General Walker will Stella die Krise bewältigen.

Aber wo lauert nun die eigentliche Gefahr? Im All oder auf der Erde? Löscht sich der Mensch womöglich noch vor Ankunft der Objekte selbst aus? Die überforderten Staatenlenker resignieren. Alleine die Abwehr der Abermillionen Klimaflüchtlinge, der Massen an Armen und Hungernden, die vor den Grenzen der reichen Länder stehen, kostet sie ihre letzte staatlichen Kraftreserven.

Während Stella auf dem Mond kämpft, beißt sich der Vorarbeiter Martin auf dem europäischen Weltraumbahnhof in der Nordsee durch und sucht verzweifelt nach einer Chance, seine kleine Tochter vor der prognostizierten Katastrophe zu bewahren. Es heißt, die Nordamerikanische Union organisiere Evakuierungsflüge nach Luna.

Ein recherchenintensives und aufwühlend packendes Werk, mit dem der Autor all die Versäumnisse der zivilen Menschheit, den Planeten in das Unvermeidliche führt. Schon 2016 war O.E.Wendt mit seiner Fantasy-Trilogie „Die Mino-Saga“ beim Storytelleraward in der Rubrik "Kundenbewertungen" unter den besten zehn Titeln. Mit diesem Roman nun bewirbt er sich erneut und freut sich auf viele begeisterte Leser.

Gleich lesen: Letzte Chance Mond

Leseprobe:
01 – Eine unglaubliche Entdeckung
Luna, Selene I, Mondstation der IAA, PST 23.05.2097

„Ich muss eine definitive Bestätigung haben, Professor Svensøn, ob die Angaben, die sie uns übermittelt haben, keine Zweifel lassen. Wie deutlich sind ihre Beobachtungen und wie groß ist die Chance, dass sie sich irren? Ich gehe ja nicht davon aus, dass es sich um einen schlechten Scherz handelt.“
Sie konnte nicht glauben, dass er das in Erwägung zog und blickte fragend in den Screen Frame, der sich an einem Kunststoffarm befestigt vor ihr befand und das Konterfei eines genervten und gehetzten Mannes zeigte, der auf die Neuigkeiten, die sie ihm mitgeteilt hatte, alles andere als erfreut reagierte.
Peter Trade sah blass aus und bot eher den Typ des langweiligen Buchhalters, was er jedoch mitnichten war. Er bekleidete vielmehr die Funktion eines der Vorstandsmitglieder des Konzerns und war außerdem Direktor der Hauptbasis der International Astro Agency in Seattle. Daher sprach Stella in dieser Angelegenheit direkt mit ihm und nicht mit einem der Operatoren, mit denen sie sonst zu tun hatte.
Sie rollte mit den Augen. Als ob sie bei einer solchen Angelegenheit scherzen würde. Seit über zwei Monaten schon leitete sie die beiden Mondbasen der IAA und doch gelang es gewissen Herren in Seattle nicht, dies zu akzeptieren. Genauso war es ihr ergangen, als sie ihre erste Professur bereits mit zweiundzwanzig erworben hatte und atemberaubend schnell die Karriereleiter hinaufgeklettert war. Und das auch noch relativ mühelos. Ihren jetzigen Posten auf dem Mond hatte sie nun mit siebenundzwanzig errungen – attraktiv, erfolgreich und weiblich. Diese Attributskombination stellte für viele dieser Art von Männern eine ungeheure Provokation dar, gegen deren Reaktionen sie sich lächerlicherweise immer wieder zur Wehr setzen musste.
Ihre Leidenschaft für die Raumfahrt war es, die ihr stets die Kraft gab, derartigen Anfeindungen und Neidgefühlen entgegenzuwirken. Sie blieb fokussiert und zielstrebig und ließ sich auch jetzt nicht beirren. Typen wie Trade warteten doch nur darauf, dass sie einen Fehler machte, damit sie ihr verkrustetes Weltbild bestätigt sahen.
Stella rollte also mit den Augen. Da sie in diesem Modul der Station unterhalb der Mondoberfläche den ganzen Tag alleine Dienst tat und mit hohem Besuch kaum zu rechnen war, trug sie lediglich einen einfachen grauen Trainingsanzug mit dem Emblem der Firma und eine alte Baseballmütze ihres Vaters, die ihre dichten dunkelblonden Haare größtenteils versteckte. Trotz aller Bewunderung für den Erdtrabanten war sie kein Fan der Mikroschwerkraft und auch einige andere Besonderheiten hier oben waren durchaus verzichtbar. Sie wollte ihre Monate auf Luna rasch absolvieren und dann weiterziehen. Denn der Mond sollte nicht ihre Endstation werden und sie hatte auch nur für diesen Posten gekämpft, um ihn baldmöglichst wieder loszuwerden. Sie benötigte die Erfahrungen und war sehr an einem entsprechenden Eintrag in ihrem Lebenslauf interessiert, um sich für eine der kommenden Jupitermissionen zu bewerben. Dort lagen ihre eigentlichen Ziele.
„Hören sie, Mr. Trade“, sagte sie schließlich, stieß sich leicht von ihrem Schreibtisch ab und griff, langsam durch den Raum gleitend, nach einem weiteren Screen Frame, der an einer anderen Wand hing. Sie aktivierte ihn beiläufig, tippte etwas hinein und landete sanft mit ihrem Sessel auf dem Boden, während die Übertragung des anderen Frames die Verbindung zu ihrem Gesprächspartner aufrechterhielt. „Ich habe meine Beobachtungen mehrmals überprüft und von Professor Fukur von Selene II bestätigen lassen. Es bestehen keinerlei Zweifel. Außerdem hat die vierzehntägige Nacht auf der erdabgewandten Seite des Mondes soeben begonnen. Fukur hat also einen idealen Blick auf das Geschehen. Nennen sie es Zufall oder nicht. Sie werden jedenfalls in genau vierunddreißig Minuten selbst sehen können, dass es sich um keinen Irrtum handelt.“
„Das will ich für sie hoffen!“, sagte er, in einem vollkommen unangebracht herrischen Tonfall. Er bemerkte selbst seine zu offensichtlich abweisende Ansprache, räusperte sich kurz und fuhr fort: „Aber wie auch immer, Professor, ich wollte mir in jedem Fall ein persönliches Bild machen, bevor ich die Sache weiter verfolge und einige Stellen höher leite. Wie sie sicherlich wissen, müssen wir bei bestimmten Rahmenbedingungen der Regierung Meldung machen und da gehe ich gerne auf Nummer sicher.“
„Mr. Trade, das ist vollkommen verständlich und liegt ganz und gar in ihrem Ermessensspielraum. Ich hingegen erledige hier seit meinem ersten Tag sehr gewissenhaft meinen Job und teile ihnen korrekt mit, was ich beobachte. Aber da sie es schon ansprechen: Wenn in den letzten Jahren eine Beobachtung Wert gewesen ist, an Regierungskreise weitergeleitet zu werden, dann wahrscheinlich diese hier. Im Übrigen werden sie in kürzester Zeit von sämtlichen bedeutenden Observatorien der Erde die Bestätigung erhalten – und zwar sobald diese auf die entsprechenden Himmelskoordinaten ausgerichtet sind. Außerdem werden sich mit Sicherheit noch die Vertretungen von Mars und den Jupiterstationen melden.“ Auf dem anderen Frame ging sie parallel die zuletzt gesammelten Daten noch einmal durch und ließ den Zentralcomputer zum x-ten Mal berechnen, um wie viele Einzelobjekte es sich handelte und welchen Kurs sie nahmen. Und so sehr es ihr auch nicht behagte, alles deutete darauf hin, dass es sich nicht um natürliche Phänomene handelte, denn dazu flogen die Objekte in einer zu willkürlich gesteuerten Bahn. Nichts Natürliches hätte Richtung und Geschwindigkeit derart ändern oder beeinflussen können.
„Sie werden bald wieder von mir hören, Professor Svensøn.“
Stella fasste diesen Satz als Drohung auf und hatte nur bedingt Verständnis für Trades Verhalten. Sie schätzte seine Abneigung ihr gegenüber vollkommen richtig ein. Sicherlich spielte auch der Druck, dem er gegen diverse Autoritäten standhalten musste, eine Rolle, aber es müsste ihm klar sein, dass sie nichts für die Umstände konnte und die Letzte war, die an seinen Problemen Schuld hatte.
Trade beendete die Verbindung kurzerhand und Stella glitt kopfschüttelnd mit ihrem Sessel zurück an den Schreibtisch und rief Mohamed Fukur an. Personalführung und Taktgefühl jedenfalls gehörten nicht zu Trades Fachkompetenzen. Noch nie hatte sie unseriöse oder zweifelhaft recherchierte Informationen weitergegeben. Und derart ungewöhnliche Erscheinungen überprüfte sie nicht nur einmal, bevor sie überhaupt mit jemandem darüber sprach. Ganz davon abgesehen, dass so etwas noch nie in der Geschichte der Raumfahrt, in der Geschichte der menschlichen Beobachtung von Himmelskörpern überhaupt, vorgekommen war. Fukur unterstützte sie und nachdem sie der Basis ihre Mitteilung gemacht hatte, stand sie ununterbrochen mit den Operatoren in Verbindung und widmete sich ausschließlich der neuen Beobachtung.
Fukur beschäftigte sich ebenfalls mit nichts anderem mehr. Er brütete über die Herkunft dieser Erscheinungen, die sich mit solch hoher Geschwindigkeit dem Sonnensystem genähert hatten, dass sie urplötzlich in den rückseitigen lunaren Teleskopen erschienen. An einem noch unbekannten Punkt mitten im äußeren Sonnensystem waren sie aufgetaucht, kurz darauf hatten sie ihre Geschwindigkeit enorm gedrosselt und mehrere Kursänderungen vorgenommen. Das war bisher das Einzige, was Stella und Fukur an Details hatten feststellen können.
Auf der ereignislosen erdabgewandten Mondbasis Selene II, dem Pendant zu Selene I, hatte der ägyptische Professor ausreichend Zeit, um sich unterschiedlichsten Studien zu widmen. Obwohl er bereits vor Jahren viele interessante und hoch bezahlte Jobs hätte antreten können, entschied er sich ganz bewusst in Ruhe den Interessen nachzugehen, die ihn ganz persönlich faszinierten. Der Mond zählte zwar auch dazu, aber extraterrestrische Planeten und potentielle Entwicklung von Leben darauf wesentlich mehr. Entsprechend elektrisiert war er daher auch aufgrund der neuesten Ereignisse. Er wertete pausenlos alle bisherigen Daten aus, als Stella ihn anrief.
„Stella, was kann ich für sie tun? So häufig wie heute haben wir in der gesamten Zeit ihres Aufenthaltes auf Luna nicht miteinander gesprochen.“ Er mochte die junge Wissenschaftlerin, wenngleich sie beide auch aus zwei vollkommen unterschiedlichen gesellschaftlichen Welten stammten. Stella sah in das von Lachfalten gezeichnete und nachdenkliche Gesicht des meist gelassenen, aber an diesem Tag sehr aufgeregten Professors auf ihrem Screen Frame.
„Hallo, Mohamed, ja das stimmt wohl. Ich habe gerade mit Trade gesprochen. Er tut so, als machten wir einen Scherz über diese Sache.“
„Ich habe nichts anderes erwartet, Stella. Der Mann ist hoffnungslos überfordert mit seinem Job. Aber alle großen Observatorien sind jetzt dabei, ihre Teleskope auf die Objekte auszurichten und selbst unsere Farout-Stationen auf Ganymed und Europa werden bemerkt haben, dass dort draußen etwas vorgeht. Ihre Nachrichten sind bloß noch nicht bis zu uns vorgedrungen. Wer das nicht mitbekommt, ist entweder blind, taub, beides oder unzurechnungsfähig – mit Verlaub. Es würde mich schon sehr wundern, wenn der Präsident nicht längst von den Ereignissen in Kenntnis gesetzt worden wäre. Die Regierung ist nämlich auf die IAA nicht wirklich angewiesen, um so etwas zu erfahren. Aber es ist ja auch nichts Neues, dass Leute wie Trade uns unser Prestige hier oben nicht gönnen.“ Mit seinem gepflegten schwarzen und spitz zulaufenden Bart und den buschigen Augenbrauen hätte Fukur einen guten Zauberer aus dem Morgenland abgegeben.
„Ich hatte eigentlich gehofft, in ein paar Tagen das Versorgungsshuttle für einen Heimattrip zu nehmen. Daraus wird wohl jetzt nichts werden“, meinte Stella und wusste noch nicht, ob sie der Enttäuschung darüber oder aber der brennenden Neugierde auf die rätselhaften Objekte nachgeben sollte.
„Sehen sie es doch mal von einer anderen Seite, Stella! Wir hier oben auf dem Mond haben die Logenplätze. Und alles, was wir herausfinden, kann ihren persönlichen Plänen für die Zukunft doch nur förderlich sein."
„Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das der richtige Weg ist. Ich bin skeptisch. Und nach allem, was wir bisher ausgewertet haben, handelt es sich bei den Flugobjekten um unnatürliche und durch einen zielgerichteten Mechanismus gesteuerte Konstrukte. Sie erscheinen mir nicht berechenbar, Professor. Und Unberechenbares liegt mir nicht.“

Im Kindle-Shop: Letzte Chance Mond

Mehr über und von O.E. Wendt auf seiner Website.

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