17. Oktober 2017

'In guten wie in schlechten Zeiten' von E.M. Tippetts

Chloe hat alles: Sie führt eine glückliche Ehe mit Hollywood-Superstar Jason Vanderholt, ihr erstes gemeinsames Kind ist unterwegs und bald steht die Hochzeit ihrer besten Freundin Lori an, bei der sie die Trauzeugin sein wird. Die Belastungen der vergangenen Jahre liegen hinter ihr … beinahe.

Denn Chris Winters, Chloes Halbbruder, ist immer noch auf freiem Fuß, obwohl er der Hauptverdächtige in einem Doppelmord ist. Die Polizei hat nicht genug Beweise, um ihn zu überführen, aber Chloe ist sich sicher, dass er es war. Schließlich hat er auch versucht, sie umzubringen, als sie noch ein Kind war.

Als Chris anfängt, Lori zu verfolgen, ist Chloe außer sich und setzt alles daran, ihn ein für alle Mal hinter Gitter zu bringen. Sie hat das beste Sicherheitsteam, das man für Geld bekommen kann und trotzdem hat sie das Gefühl, dass ihnen etwas entgeht – und Fehler können in diesem Geschäft tödlich sein. Doch je gründlicher sie nachforscht, desto weniger passen die Puzzleteile zusammen.

Chloe bleiben nur wenige Wochen, um herauszubekommen, wie sie ihre beste Freundin schützen, die Hochzeit vor einer Katastrophe bewahren und Chris zurück ins Gefängnis schicken kann. Sie muss das Rätsel unbedingt lösen, bevor er erneut zuschlägt.

Gleich lesen: In guten wie in schlechten Zeiten (Nicht mein Märchen 5)

Leseprobe:
Während ich in einem Wohnwagen saß und nach draußen über das isländische Hochland blickte, fühlte ich mich, als wäre ich auf dem Mond. Die Einheimischen hatten mir versichert, dass sich unter der trostlosen Decke des Januarschnees eine bezaubernde Hügellandschaft verbarg, gesprenkelt mit großen Felsbrocken, die die Gletscher vor sich hergeschoben hatten. Im Moment war das einzige Anzeichen für Wärme jedoch der Dampf, welcher in der Ferne aus Vulkanschloten emporstieg.
Die Kälte schien durch jede Ritze des Wohnwagens zu kriechen, obwohl dieser alle möglichen Zusatzisolierungen und andere winterfeste Eigenschaften hatte. Die Innenausstattung war hingegen auch nicht anspruchsvoller als das, was eine normale amerikanische Familie in ihrem Campingwohnwagen hatte. Es gab keinen Luxus, nur die beiden Standardbänke, die sich gegenüber standen, zwischen ihnen ein an die Wand geschraubter Tisch, eine Küche, die gleichzeitig als Flur diente, ein Schlafzimmer, das für gewöhnlich leer war und eine Spültoilette – der luxuriöseste Bestandteil des gesamten Gefährts.
Die Luft war feucht und muffig und die Heizung gab einen chemischen Geruch ab, bei dem sich mir der Magen umdrehte, wenn ich mich zu sehr darauf konzentrierte.
Ich wollte nicht launisch sein. Ich tat mein Äußerstes, um meine Stimmungsschwankungen im Zaum zu halten, aber ich war auch im siebten Monat schwanger – und dieser Zustand war das Einzige, was mich hier warm hielt. Auf die Sitzbank gezwängt, die Schultern nach vorne gebeugt, damit mein Babybauch unter den Tisch passte, konnte ich es mir beim besten Willen nicht bequem machen. Ich hatte die Wahl, entweder so zu sitzen oder mich zur Seite zu drehen, die Beine auf der Bank auszustrecken und mich mit dem Rücken an die kalte, unergonomische Wand zu lehnen.
Aber ich saß Jason Vanderholt gegenüber, der im echten Leben genauso heiß aussah, wie auf der Leinwand. Er hatte die blauen Augen geschlossen und seine Lippen bewegten sich stumm, während er im Kopf seinen Text durchging. Dann atmete er tief durch und wurde ruhig. Er schlüpfte in seine Rolle und ich wollte den Prozess nicht stören. Kurz darauf spielte er mit den Fingern seiner rechten Hand an seinem Ehering herum. Das war ein Tick, der mir bei ihm bis jetzt noch nicht aufgefallen war.
Draußen unterhielten sich gedämpfte Stimmen und jemand trug ein Boom-Mikrofon am Fenster vorbei. Normalerweise arbeitete Jason in Studioproduktionen mit riesigem Budget, aber das hier war eine kleine Indie-Produktion, daher auch der aufs Wesentliche reduzierte Wohnwagen. Es fühlte sich wie ein Campingausflug mit Kameraequipment an.
„Es schneit wieder!“, rief jemand.
Das hier war ein irrsinniger Ort, um einen Nostalgiestreifen über einen Mann zu drehen, der seiner verstorbenen Tochter nachtrauerte. Und eigentlich war es unter den gegebenen Umständen auch eine ziemlich makabere Entscheidung von Jason, einen Film über den Verlust einer Tochter auszusuchen. Unser ungeborenes Baby war ein Mädchen. Aber ich hatte gelernt, dass dies dazugehörte, wenn man mit einem Typen verheiratet war, der seinen Lebensunterhalt mit Kunst verdiente. Wahrscheinlich würde er noch des Öfteren emotional düstere Rollen spielen, die im Kontrast zu seinem idyllischen Leben standen.
In diesem speziellen Fall war es die Drehbuchautorin und Regisseurin gewesen, wegen der er sich für dieses Projekt entschieden hatte. Ihr Name war Priya Singh und er war davon überzeugt, dass sie der nächste große Star sein würde. Sie hatte Island aufgrund einer Reihe von filmästhetischen Gründen gewählt, die ich nicht ganz verstand, Jason aber befürwortete – also, waren wir hier. Das wenige Geld, das zur Verfügung stand, wurde dazu genutzt, die Schauspieler und die Crew warm zu halten, anstatt ihnen andere Annehmlichkeiten zukommen zu lassen.
Ein Klopfen an der Tür kündigte die Lieferung des Mittagessens an. Der Großteil der Crew aß vom Catering, aber Jason hatte einen Privatkoch engagiert, um für die Schauspieler zu kochen, damit sie ihre perfekt ausbalancierten Mahlzeiten essen und ihre muskulösen, fettfreien Körper behalten konnten.
Ich schob mich mühsam von meiner Bank, um die Tür zu öffnen und in der Tat fiel mal wieder reichlich Schnee. Ich dankte der Produktionsassistentin, die mir das dampfende Tablett überreichte und sie grinste mich an, bevor sie wieder im Schneegestöber verschwand.
Jetzt fühlte es sich wie eine Expedition in die Arktis an.
Jason hatte die Augen wieder geöffnet und lächelte, als ich das Tablett an den Tisch brachte.
„Was ist los?“, fragte er.
„Nichts. Ich bin nur eine mies gelaunte, schwangere Lady, das ist alles.“
„Auf einer Skala von eins bis zehn, wie gelangweilt bist du hier?“
Ich schob sein Gericht zu ihm herüber und zog meines näher an mich ran. Es war Vollkornreis mit gedünstetem Gemüse und gegrilltem Hühnchen – wieder mal.
„Langeweile ist gut“, sagte ich. „Bald werde ich keinen freien Moment mehr haben, um mich zu langweilen, nicht wahr?“ Ich zeigte auf meinen Babybauch.
„Du darfst dich ruhig beschweren, weißt du.“
„Muss ich aber nicht, wenn ich nicht will. Du kannst mir nicht sagen, was ich zu tun habe.“
Da entschied unser Baby, aufzuwachen und mir einen ordentlichen Schlag gegen meine unteren Rippen zu verpassen. Ich fuhr zusammen.
„Verprügelt sie dich wieder?“
„Ist nicht schlimm.“
„Hey da“, befahl er. „Hör auf, deiner Mama weh zu tun, okay? Hier spricht dein Vater.“
Das Baby beruhigte sich.
„Oh, na klar“, sagte ich. „Hör auf ihn, aber nicht auf mich.“
Mein Smartphone klingelte und der Name meiner Freundin Lori erschien im Display. Ich blinzelte überrascht und hob ab. Sie lebte in New Mexico, wo es gerade fünf Uhr morgens war.
„Hey, alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Tut mir leid, dich zu stören.“
„Du störst doch nicht, sei nicht albern. Ich sitze in einem Wohnwagen mitten im isländischen Hochland. Apropos, es könnte sein, dass die Verbindung zwischendurch weg ist.“
Am Filmset gab es einen Handysignalverstärker, ebenfalls von Jason zur Verfügung gestellt. Doch bei einem Schneesturm funktionierte er nicht immer zuverlässig.
„Chris war gestern Abend hier.“
„Was? Und du rufst mich jetzt erst an?“
Die Verbindung brach ab.
Ich unterdrückte einen Fluch und wählte ihre Nummer, hatte aber keinen Empfang.
„Alles in Ordnung?“, fragte Jason.
„Mein gemeingefährlicher Bruder hat Lori einen Besuch abgestattet, also nein.“

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Mehr über und von E.M. Tippetts auf ihrer Website.



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