2. November 2017

'Entgegen aller Vernunft' von Emilia Doyle

Roman über eine Liebe in den Südstaaten, im Vorfeld des Amerikanischen Bürgerkrieges.

Flora heiratet einen reichen Plantagenbesitzer, aber es fällt ihr schwer, sich in die Welt der Pflanzer-Aristokratie einzugewöhnen. Von ihrem Ehemann fühlt sie sich unverstanden und ihre Schwiegermutter lässt kein gutes Haar an ihr. Eines Tages begegnet sie dem charmanten Gavin Pears, einem Soldat aus dem Norden, der in Charleston stationiert ist. Flora ist von dem Mann hingerissen und lässt sich auf eine riskante Liebesbeziehung mit ihm ein. Doch ist die junge Frau geschaffen für ein Leben aus Lügen und Geheimnissen?

Das schlechte Gewissen quält sie zunehmend. Aber auch die sich verschärfenden Beziehungen zwischen dem Norden und dem Süden belasten ihre Liebe. Sie treffen eine Entscheidung, doch das Schicksal hat längst entschieden.

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Leseprobe:
Sie bemerkte nicht, dass Maisha eingetreten war. Wie durch einen Nebel vernahm sie ihre Stimme, war aber unfähig zu reagieren. Sie bekam keine Luft, als würden die Mauern dieses Hauses sie erdrücken. Sie musste da raus.
»Maisha, leg mir das blaue Reitkleid heraus. Ich werde ausreiten.«
»Aber hat der Master nicht gesagt, es sei gefährlich, allein auszureiten?«
»Das interessiert mich im Augenblick herzlich wenig.« Sie raffte ihre Röcke und eilte voraus.
Maisha folgte ihr auf dem Fuße. »Oh, Ma’am, was hat diese schreckliche Person nur getan, dass Sie so aufgelöst sind?«, fragte Maisha, während sie ihr beim Umkleiden half. »Sie dürfen sich ihre Worte nicht so zu Herzen nehmen. Sie ist eine verbitterte alte Frau.« Ihre Stimme hatte einen verzweifelten Klang angenommen.

Sie schwang sich in den Sattel. Sie könnte auch ihre Freundin Tessa besuchen, die Flora verstand und wusste, wie sie unter Avas Attacken zu leiden hatte. Aber sie mochte nicht schon wieder dort auftauchen, außerdem war ihr bekannt, dass sie zurzeit Besuch von ihrer Familie hatte.
Wut und Enttäuschung spornten sie zu einem wilden Ritt an. Statt ihrer Lieblingsstute Safira hatte sie heute den schwarzen Vollbluthengst gewählt, der für seine Schnelligkeit bekannt war. Anfangs schien der Schwarze verunsichert, offenbar war er noch nie im Damensattel geritten worden. Aber die Aussicht, ordentlich gefordert zu werden, schien schließlich zu überwiegen.
Sie verließ die Wege und ritt querfeldein. Die Umgebung schien an ihr vorbeizufliegen, konzentriert beugte sie sich über den Hals des Tieres, den Blick geradeaus gerichtet und genoss den Rausch der Schnelligkeit. Der Ruf, der dem Tier anhaftete, war keineswegs übertrieben. Der Wind sauste durch ihr Haar, das nur mit einer Spange am Hinterkopf gebändigt war. So musste sich Freiheit anfühlen, schoss es ihr durch den Kopf. Irgendwann registrierte sie, dass sie weiter geritten war als jemals zuvor. Sie drosselte das Tempo ein wenig und sah sich um. Es bot sich ihr eine herrliche Landschaft, tief sog sie die frische Luft in ihre Lungen. Angst, sich verirrt zu haben, verspürte sie nicht. Voraus, in einiger Entfernung, glaubte sie, ein Gebäude auszumachen. Sie war aber noch zu weit entfernt, um sich dessen sicher zu sein.
Der Hengst schnaubte heftig und warf prustend den Kopf hin und her.
»Braves Tier.« Sie tätschelte lobend seinen Hals.
Zu ihrer Linken entdeckte sie einen schmalen Wasserlauf. Vermutlich handelte es sich um eine der zahlreichen Adern des Ashley Rivers. Satte grüne Wiesen führten bis auf wenige Schritte an die Wasserkante heran. Bevor sie den Weg zurück antrat, sollte sie dem Hengst eine Verschnaufpause gönnen. Flora saß ab und führte das Tier zur Tränke. Gierig nahm es das Angebot an und sie wartete, bis der Hengst wieder den Kopf hob. Sie kraulte das erschöpfte Tier und sprach mit ihm, während sie es auf die Wiese lotste.
»Dich verführt das grüne Gras, nicht wahr? Schmeckt bestimmt besser als Stroh und Hafer im Stall.« Der Hengst gab ein Geräusch von sich, als wolle er ihr zustimmen.
Die Augen mit der Hand abschirmend blickte sie zum Himmel. Die Temperaturen Ende Oktober waren angenehm und längst nicht mehr so drückend wie in den Sommermonaten.
»Na schön. Wie könnte ich dir den Leckerbissen verwehren.« Flora beobachtete, wie er sich über das Gras hermachte. Sie hatte es schließlich nicht eilig und zog ihren Reitmantel aus, benutzte ihn als Decke, um sich daraufzusetzen.
Alles war so ruhig und friedlich, keine zänkische Schwiegermutter, kein schweigsamer Gatte, bei dem sie sich so oft fragte, was wirklich in ihm vorging.
War das das Leben, das sie sich vorgestellt hatte? Sie ließ sich auf den Rücken fallen und betrachtete die Wolkenformationen am Himmel. Ihre Ehe verlief einvernehmlich ohne Höhen und Tiefen. Im Grunde gab es keinen Anlass zur Klage, trotzdem fühlte sie sich häufig einsam. Lag es wirklich daran, dass sie noch kein Kind hatten? Immer wenn sie von einem Besuch bei Tessa zurückkehrte, verspürte sie ein eigenartiges Gefühl.
Tessa und Wayne gingen anders miteinander um als sie und William. Es war stets, als läge ein Knistern in der Luft, sobald sich beide in einem Raum befanden. Auch scheute sich Wayne nicht, Tessa mit einem Kuss zu begrüßen. Wann hatte William ihr je einen Kuss vor den Augen einer dritten Person gegeben? Selbst in ihrem Zuhause, im Kreise der Familie, beschränkte er sich auf ein freundliches Kopfnicken oder allenfalls einer Berührung an der Schulter. Nur im Schlafgemach war er anders.
Sonnenstrahlen kritzelten ihr Gesicht, sie schloss die Augen und lauschte gedankenvoll den Geräuschen der Natur.
»Ma’am?«
Eine ungekannte Männerstimme drang an ihre Ohren, fast im gleichen Augenblick spürte sie eine Berührung an ihren Schultern. Voller Panik schoss sie in die Höhe. Ein dumpfer Schlag gegen die Stirn ließ sie mit einem Aufschrei zurück ins Gras sinken. Stöhnend rieb sie sich mit der Hand über die schmerzende Stelle. Vorsichtig öffnete sie ihre Augen, die Sonne blendete. Eine Gestalt hockte über sie gebeugt vor ihr und rieb sich ebenfalls die Stirn.
Sie beschirmte mit der Hand die Augen, um besser sehen zu können.
»Na, anscheinend geht es Ihnen gut«, hörte sie den Mann sagen. Es hatte nicht bösartig geklungen, eher mit einem amüsierten Unterton. Der Unbekannte rückte ein Stück zur Seite, sodass sie sich in die sitzende Position aufrichten konnte.
»Was fällt Ihnen ein, mich derart zu erschrecken?«, fuhr sie ihn an. Ihr Herz raste vor Aufregung.
»Das tut mir sehr leid, Miss. Ich habe Sie nicht erschrecken wollen. Ich sah ein herrenloses Pferd und dann erblickte ich Sie auf dem Boden liegend. Ich dachte, Ihnen sei etwas zugestoßen, bitte verzeihen Sie.«
Sie folgte seinem Blick und entdeckte ihren gesattelten Hengst friedlich grasen. Verflucht, sie musste eingeschlafen sein. War das peinlich.
Er hockte noch immer neben ihr, ihre Blicke trafen sich. Sein Gesicht war näher, als es sich schickte. Für einen Moment war sie wie gelähmt. Er sah umwerfend aus. Warme braune Augen blickten sie mit besorgtem Ausdruck an. Lockiges dunkles Haar umrahmte sein ebenmäßiges Gesicht.
Seine Augen glitten hoch zu ihrer Stirn. »Sie werden von unserem Zusammenstoß eine Beule davontragen.« Mit den Fingern strich er ihr Haar zur Seite und fuhr prüfend mit den Fingerspitzen über ihre Haut. Die Berührung war so sacht, dass eine Gänsehaut ihren Körper überzog. Unfähig sich zu rühren, starrte sie ihn an.
»Wir sollten das unverzüglich kühlen, um Schlimmeres zu vermeiden.« Er durchsuchte sämtliche Taschen seiner Kleidung und zog schließlich ein Taschentuch hervor. Am Gürtel trug er eine kleine Wasserflasche, die er öffnete und das Tuch damit befeuchtete.
Fasziniert beobachtete sie ihn dabei. Seine helle Reithose spannte sich in der gehockten Haltung stramm um die muskulösen Oberschenkel. Beschämt wandte sie die Augen ab, dabei trafen sich ihre Blicke erneut, versanken regelrecht ineinander.
Herrje, was war nur los mit ihr? Hatte sie vollkommen den Verstand verloren? Über sich selbst schockiert, schloss sie die Lider und versuchte, sich zu sammeln.
Im gleichen Augenblick spürte sie seine Hand in ihrem Nacken. Mit der anderen legte er das feuchte Tuch auf ihre Stirn. Willenlos ließ sie sich von ihm zurück in die liegende Position manövrieren. Sie war wie hypnotisiert.
Sie hätte voller Furcht sein müssen, immerhin befand sie sich ganz allein mit einem wildfremden Mann, irgendwo auf einer entfernten Wiese. Er könnte ihr, weiß Gott was, antun.
Nur langsam setzte ihr Denken wieder ein.

Im Kindle-Shop: Entgegen aller Vernunft / Südstaatenroman

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